Zweitens neue technologische Entwicklungen: Infrastrukturen haben langsame Innovationszyklen: Ein
Elektrotechniker von 1920 würde wahrscheinlich die meisten Gerätschaften in einem heutigen
Umspannwerk interpretieren können. Ein Straßenbauer sowieso – aber auch ein Lehrer von 1910 würde
keine Probleme haben, sich im heutigen Schulbetrieb zurecht zu finden. Dies ändert sich jedoch gerade.
Durch die Digitalisierung unserer Welt werden sich auch die Infrastrukturen massiv verändern. Sie
k_nn_n ^c_ _rübmt_n „_-Wört_r“: E-Energy, E-Mobility, E-Health, E-Government, E-Learning. Beim
BITKOM b[_n wcr ^c_s_ `ün` F_l^_r [ls ^c_ „cnt_llca_nt_n N_tz_ ^_r Zukun`t“ _z_c]bn_t. Das „_“, ^[ss
diese Infrastrukturen um eine neue, digitale Ebene ergänzt werden. Es handelt sich zwar um ganz
verschiedene Infrastrukturen, aber im Kern geht es um das gleiche. Abstrakt gesprochen : ITK-
Technologie wird dazu benutzt, die Effizienz der gesamten Infrastruktur zu erhöhen. Dies geschieht
dadurch, dass man den Austausch von Informationen darüber, was eigentlich genau in der Infrastruktur
passiert, verbessert und so die Einzelteile besser auf einander abstimmen kann .
Beispielsweise Energienetze: Ich will an dieser Stelle nicht die Details von Smart Grids vorstellen. Viele
von Ihnen werden das Thema kennen. Experten gehen davon aus, dass weltweit sieben Prozent des
CO2-Ausstoßes durch Smart Grids eingespart werden können. Das ist möglich durch die Absenkung der
Lastspitzen aufgrund eines intelligenten Nachfragemanagements, höhere Flexibilität im Netz bei der
Einspeisung erneuerbarer Energien. Außerdem können E-Mobility-Konzepte in das Szenario integriert
werden.
Beispielsweise E-Health: Das Gesundheitssystem ist geprägt von zahlreichen Informationsinseln. De
facto wissen Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, Apotheken und Kassen nicht genau, was der
andere tut. Das ist nicht nur per se teuer und oft auch gefährlich, sondern bietet auch zahlreiche
Möglichkeiten des Betruges. Die elektronische Gesundheitskarte ist in diesem Kontext nichts anderes
als eine Plattform, die eine Erhebung von Patientendaten und das Management des Zugriffs auf diese
Daten übernommen hätte. Das Einsparpotenzial betrüge pro Jahr 1.2 Mrd Euro. Angesichts der
kommenden Belastungen aufgrund des demografischen Wandels ein wichtiger Ansatzpunkt.
Interessant ist übrigens, dass diese überragende Relevanz von Infrastrukturen in den sich
entwickelnden Ländern natürlich wesentlich klarer zu erkennen ist. Infrastruktur-Politik ist in Indien,
China oder Brasilien (mit Abstrichen) das zentrale Politikfeld der letzten Jahre gewesen. Wenn ich von
einer Renaissance der Infrastruktur-Politik in der OECD-Welt spreche, dann können wir davon
ausgehen, dass sich diese Renaissance zumindest in Teilen an Vorbildern aus den BRIC-Staaten
orientieren wird. Wir können nicht davon ausgehen, dass die Infrastrukturen der Zukunft unbedingt in
der OECD-Welt als erstes implementiert werden. Das ist vielleicht ein starkes Indiz für den globalen
Strukturwandel, in dem wir uns gerade befinden.
3
3 POLITISCHE KONSEQUENZEN
Was ist nun die politische Essenz des Ganzen? Mir scheinen hier vor allem drei Aspekte wichtig zu sein:
Erstens: Die erwähnten Daten-Plattformen sind natürliche Monopole. Natürliche Monopole zeichnen
sich dadurch aus, dass ein paralleler Aufbau gesamtgesellschaftlich nicht sinnvoll ist, wenn ein
diskriminierungsfreier Zugang aller Anbieter garantiert wird. Das ist bei Infrastrukturen meistens
der Fall. N[türlc]b_ Monopol_ scn^ „n[türlc]b_ R_aulc_runas`äll_“ `ür ^_n St[[t. Hc_r b[t sc]b cn ^_n
letzten Jahrzehnten im Zuge der Liberalisierung der Infrastrukturmärkte das Unbundling zwischen
Infrastrukturen und Anbietern durchgesetzt.
Zweitens existiert für den Aufbau dieser Daten-Plattform kein Business Case. Wenn wir uns zum
Beispiel den Energiemarkt genauer anschauen, dann wird klar, dass keiner der Marktteilnehmer –
also weder die Energiehersteller noch die Netzbetreiber noch die Energieanbieter – geschweige
denn Zulieferer wie die ITK-Wirtschaft – einen Investitionsanreiz für den Aufbau der Daten-
Plattformen haben. Dieser Punkt ist lange vollkommen unterschätzt worden. Es ist schon
_m_rk_nsw_rt, w_nn ^_r BDI _cn_ Pulck[tcon mct ^_m Unt_rtct_l „D_r M[rkt [ll_cn_ wcr^ _s nc]bt
rc]bt_n“ b_r[usact – genau das aber trifft den Nagel auf den Kopf, und widerspricht unserer
klassischen marktliberalen Doktrin, dass wichtige Innovationen durch Markthandeln entstehen.
Drittens – und dies ist im Grunde ein altes Infrastruktur-Problem – kann das Interesse der
Gesellschaft mit dem des Einzelnen konfligieren. Abstrakt gesprochen sind Infrastrukturen nicht-
exkluscv_ Güt_r, ^c_ zum „Fr__rc^cna“ _cnl[^_n. D[`ür b[t sc]b ^[s S]bl[awort „NIMBY“ _t[lc_rt:
„Not cn my B[]ky[r^“. Es s]b_cnt nc]bt unw[brs]b_cnlc]b, ^[ss wcr ^c_s_s NIMBY-Verhalten auch
beim Aufbau digitaler Infrastrukturen beobachten werden. Erste Anzeichen dafür gibt es aus meiner
Sicht schon. Beim Thema E-Energy laufen wir gerade in eine negativ geprägte Smart Meter-Debatte
hinein, wo auf abstrakter Ebene niemand den Wert von Smart Grids in Frage stellt, aber die
Installation eines Smart Meter bei sich zu Hause strikt ablehnt. Man könnte also sagen, dass wir es
bc_r mct „Not wctb my D[t[“ – oder NIMBY 2.0 – zu tun b[_n. D[t_n scn^ ^_r „[]ky[r^“ ^_s
digitalen Infrastrukturzeitalters. Das ist umso erstaunlicher, als dass wir es ja auf den ersten Blick
mit keinem schlechten Deal zu tun haben: De facto ersetzen bits & bytes ja die Installation neuer
H[r^w[r_ cm „_]bt_n“ []ky[r^.
Was folgt daraus für ein Leitbild für die Politik? Eine ganze Menge, glaube ich. Intelligente Netze und die
damit verbundene politische Agenda sind ein riesiger Hebel für eine moderne, zukunftsorientierte
Standortpolitik. Diese Standortpolitik beruht aus drei Säulen:
Erstens einer aktiven Innovationspolitik bei intelligenten Netzen: Der Staat muss sich hier als
z_ntr[l_r „Cb[na_ Agent“ verstehen, der sich darauf konzentriert, die Rahmenbedingungen für das
Enstehen der Datendrehscheiben zu definieren. Also unter anderem Einführung der eGK, der
Datendrehscheibe E-Energy auf der Verteilnetzebene, Einführung des nPA mit Mehrwertfunktionen
oder Öffnung von TollCollect für Mehrwertdienste. Ganz konkret könnte man sagen: Das BMWi
sollte in die Ausführungsverordnung für das EnWG reinschreiben, dass die Verteilnetzbetreiber für
den Aufbau dieser bidirektionalen ITK-Infrastruktur verpflichtet werden und auf der anderen Seite
diese Investitionen über den Strompreis refinanzieren können.
Natürlich ist es denkbar, die erwähnten Infrastrukturen auch anders zu modernisieren. In den USA
sehen wir gerade Ansätze eines Alternativsystems: nämlich der rein privatwirtschaftlich finanzierten
Initiative, die den Business Case über die aggressive Etablierung eines Quasi-Standards probiert.
Das Beispiel Google fällt mir hier ein. Dieses Vorgehen scheint mir aber in Europa weder umsetzbar
noch wünschenswert.
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Es gibt aber einen dritten, aus meiner Sicht sehr wichtigen Grund, die informationelle
Selbstbestimmung einzuschränken. Diese ist in der Rechtsprechung auch angelegt: nämlich im Fall
_cn_s „ü_rwc_a_n^_n Alla_m_cncnt_r_ss_s“. Dc_s_s ü_rwc_a_n^_ Alla_m_cncnt_resse ist aus meiner
Sicht im Fall der digitalen Infrastrukturen gegeben, da solche Infrastrukturen nicht auf dem Prinzip
individueller Entscheidungen etabliert werden können. Wer also das Argument der informationellen
Selbstbestimmung als Argument gegen Smart Grids oder E-Mobility anführt, argumentiert aus meiner
Sicht selektiv.
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