Das vernetzte Fahren und die Ergänzung des ÖPNV Angebots durch shared Economy und Car sharing Angebote war bereits 2001 ein Thema von sogenannten integrierten Mobilitätsdienstleistungsprojekten wie WAYFLOW. Der Beitrag analysiert die Stärken und Schwächen dieser konzepte und wirft bereits die bisher ungelösten Fragen nach der Datensicherheit und dem Eigentum der dort benutzten Daten auf.
Händeringend in der Internetwirtschaft gesucht: Smarte Big Data Detektive.
Verkehrssoziologische Anmerkungen zu Wayflow.
1. 1
Vortrag von Alfred Fuhr M.A, Leiter des AvD- Institutes für Verkehrssoziologie , Frankfurt am Main gehalten auf dem
WAYFLOW Work- shop in den Räumen des Zentrums für integrierte Verkehrssysteme (ZIV) in Darmstadt am 17.5.2001
Verkehrssoziologische Anmerkungen zu Risiken und Chancen von öffentlicher
integrierter Mobilitätsdienstleistung in der automobilen Gesellschaft
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Macher und Macherinnen dieses work shops haben darum gebeten zu
folgenden Fragen Antworten zu finden, die Ihnen geeignet erscheinen, die Akzeptanz
einer integrierten Mobilitätsdienstleistung, wie WAYFLOW zu beurteilen.
Wie gut ist die Wissensbasis über die zukünftige Nachfrage und deren Entwicklung ?
Welche Nutzergruppen bestimmen den Markt ?
Welche Anforderungen stellen die Nutzer bzw. Betreiber an
Kommunikationstechniken, Endgeräte und Mobilitätsdienste bezüglich des Inhalts,
der Bedienbarkeit und des Datenschutzes?
Inwieweit erfüllen die derzeitigen Datenformate, Endgeräte und Mobilitätsdienste
bzw. -produkte die Anforderungen der Nutzer und Betreiber ?
Unter welchen Bedingungen resultieren Verhaltensänderungen aus der Nutzung von
Mobilitätsdiensten?
Die Fragestellung erscheint uns am Verkehr beruflich als Mobilitätsgestalter,
Ingenieur , Raumplaner und Systementwickler tätigen Verkehrsprofis prägnant und
aussagefähig. und instruktiv.
Ich glaube, daß es in unserem Kreise als ausgemacht gelten kann, daß
Verkehrsprobleme gesellschaftliche Ursachenforschung benötigen.
Darum ist es vielleicht nicht ganz unnütz sie mit soziologischen Ergebnissen der
Verkehrsforschung zu konfrontieren und darum möchte ich Ihnen das Phänomen der
automobilen Gesellschaft aus der Sicht des AvD- Institutes für Verkehrssoziologie
erläutern und Ihnen als beabsichtigte und von mir gewünschte "Nebenfolge" die
Arbeit des AvD- Institutes für Verkehrssoziologie vorstellen.
Ich möchte mich daher zusätzlich mit folgenden Fragen beschäftigen:
Gibt es korrespondierende und sich widersprechende Motive bei der Wahl des
Verkehrsmittels?
Welche allgemeinen und länger wirkenden Nachfragepotentiale bildet die automobile
Struktur der Individualgesellschaft aus?
Erfassen die Betreiber mit ihrem Leitprojekt wirklich die Wünsche der Nutzer und
2. 2
das strukturierende Prinzip ihrer Verkehrsmittelwahl oder sind sie drauf und dran nur
einem kurzlebigen Trend innerhalb der Gesellschaft zu folgen?
Ist das Verhalten der Nutzer in einem linearen Ursache- Wirkungsmodell hinreichend
dargestellt?
Die automobile Gesellschaft und ihre Herausforderungen an Wissenschaft ,
Politik und Mobilitätsdienstleistung
"Wer auch immer das Recht beansprucht , zu gehen , wohin er oder sie möchte ,ist
durch eben diesen Anspruch zugleich verpflichtet, soviel Wissen wie irgend möglich
darüber zu sammeln, wer durch die Ausübung dieses Rechtes in seinen
entsprechenden Rechten eingeschränkt wird und welche negativen Folgen damit
verknüpft sein mögen."
(Walter Zimmerli,Philosoph, Tübingen)
"Im Begriff automobile Gesellschaft bedeutet automobil nicht ein Fahrzeug, sondern
die Fähigkeit des Menschen, selbst-beweglich zu sein im Denken, Planen und
Handeln als Voraussetzung für eine bessere Zukunftsgestaltung."
(Theo Romahn, Stadtplaner)
" Die Rolle eines Automobilclubs in der mobilen Gesellschaft von morgen umfaßt die
Aufgabe, unter Nutzung der wissenschaftlichen Ergebnisse aus Naturwissenschaft
und Sozialwissenschaft, Reaktionen auf die verkehrspolitischen und
verkehrstechnischen Aufgaben zu formulieren. "
(Adalbert H. Lhota , Geschäftsführer des Automobilclub von Deutschland e.V)
Das AvD - Institut für Verkehrssoziologie mit Sitz in Frankfurt hat das Ziel, die
Verkehrs-und Mobilitätsforschung durch eine stärkere Berücksichtigung der
soziologischen und gesellschaftspolitischen Aspekte des Verkehrs zu ergänzen. Dies
deshalb, weil an der Schnittstelle zwischen Verkehrsmittel und Nutzer die
Beweggründe für Mobilitätsentscheidungen nur unzureichend erforscht und
dokumentiert werden.
Zu den Aufgaben des AvD - IVS gehören:
• Die statistische Erfassung und Bearbeitung von Untersuchungen zu Verkehr,
Technik und Zielgruppenverhalten im Auftrag Dritter;
• Feld - Untersuchungen und demoskopische Forschung im Auftrag Dritter;
• Die sozialwissenschaftliche Begleitung des vom AvD entwickelten
Mobilitätskonzeptes, seine Förderung und, im Dialog mit allen Verkehrs-und
Mobilitätsorganisationen, die Begleitung seiner Realisation. Die vom AvD und
seinen Partnern in 100 Jahren aufgebaute Verkehrs -und Mobilitätsphilosophie
dient dabei als Leitbild und historisch gewachsenes Selbstverständnis.
3. 3
• Die Förderung der Produktentwicklung und des Designs nutzergerechter
Verkehrsmittel, ihre Aesthetik und das soziale Design;
• Das Institut bietet für seine Mitglieder sozialwissenschaftliche Beratung und Hilfe
an und ist für seine Auftraggeber und Partner sozialwissenschaftlicher
Dienstleister und Informationsagentur in allen Fragen der sozialen Mobilität.
Das AvD Institut hat die Vision einer automobilen Gesellschaft die auf einem
intermodalen Verkehrsträgernetz aufbaut. Das Institut erforscht und fördert die auf
Rücksichtnahme, Kommunikation und Verständnis in Jahrzehnten aufgebaute
Verkehrskultur in Deutschland.
Geschäftsfelder und Dienstleistungen:
• Archiv für Verkehrs- und Automobilkultur, Mobilität und
Mobilitätsforschung;
• Durchführung von Studien und deren Veröffentlichung;
• Recherchedienstleistungen für Wissenschaft, Technik, Presse
und Öffentlichkeitsarbeit;
• Verkehrssoziologische Forschung;
• Vorbereitung und Redaktion für Vorträge, Symposien,
Veröffentlichungen;
• projektbezogene Öffentlichkeitsarbeit für Dritte und den AvD.
Das AvD- Institut für Verkehrssoziologie (AIVS) arbeitet als
Verbraucherschutzorganisation und privates wissenschaftliche
Mobilitätsforschungsorgan im Dialog mit den Herstellern und Mobilitätsdienstleistern
daran Systeme zu empfehlen, die der automobilen Gesellschaft wirklich nutzen, weil
sie den größtmöglichen Nutzen für alle Verkehrsteilnehmer bieten.
Die drei Ziele moderner, schnell greifender und damit notwendigerweise,
pragmatischer Mobilitätskonzepte:
1. Erhaltung der Beschäftigung
2. Reduzierung der Umweltbelastungen durch den Verkehr
3. Mobilität zu sichern.
In der Konferenz von Rio verpflichtete sich Deutschland, zusammen mit den anderen
Unterzeichnern für eine nachhaltige Entwicklung (sustainable development) des
Verkehrs zu sorgen. Dabei kann zunächst nur die Umrüstung - nicht die Abschaffung
- des Autos das Ziel sein, wenn die drei Herausforderungen Beschäftigungssicherung
und Reduzierung der Umweltbelastungen und auch Erhaltung der Mobilität
angepackt werden sollen. Ökologie und Ökonomie und das Recht auf individuelle
Mobilität im Einklang mit der Gesellschaft erhalten - nur wer dies in seiner
Verkehrspolitik berücksichtigt, hat Chancen auf gesellschaftlichen Konsens und
damit die Möglichkeit der Veränderung.
4. 4
Schon bei der Analyse der Ist-Situation der riesigen Verkehrsprobleme werden
erhebliche Defizite in Theorie und Praxis sichtbar: Es fehlt jede Gesamtstatistik der
Verkehrszusammenhänge.
Der AvD fördert deshalb eine systematische Erforschung der sozialen Dimensionen
der Mobilität und hat mit dem Institut für Verkehrssoziologie die Grundlage für eine
Verkehrssoziologie mit eigenem Erkenntnisinteresse geschaffen.
Verkehrssoziologie sollte an der Struktur der Meinungsbildung und den Einstellungen
der Zielgruppen ansetzen und schließlich die Akzeptanz von verkehrspolitischen
Eingriffen ermitteln. (Vgl. die Spiegel Dokumentation „Auto, Verkehr, und Umwelt`
Hamburg, 1993)
Der Mechanik des sozialen Lebens und den primär kreativen „chaotischen“
risikosuchendenden Motiven der Verkehrsteilnehmer nachzuforschen und die Rolle
zu untersuchen, die die technischen Apparate für die Entwicklung individuellen und
sozialen Verhaltens einnehmen, dies erfordert eine bunte Phänomenologie zu zu
lassen und diese mit technischem Verständnis zu überarbeiten.
Zur notwendigen Arbeit des Wissenschaftlers, ob Sozialwissenschaftler oder
Naturwissenschaftler, gehört es nun eine Übersetzung dieser Sprache der Akteure
zu finden, deren Kode zu knacken und ohne den Informationsgehalt der empirisch
beobachteten Informationen zu verwässern eine quasi künstlerische Arbeit zu leisten,
in der das dargestellte sowohl von den Akteuren wiedererkannt wird, und gleichzeitig
von den Auftraggebern des Wissenschaftlers verstanden wird, welche Informationen
dort aufgereiht, interpretiert, und aufbereitet wurden. Hier ähnelt die Aufgabe des
Wissenschaftlers der tragischen Rolle die der Zeichner einer großen Persönlichkeit
hat. Er muß notwendigerweise eine zu große Nase glätten, Falten nicht zu stark
herausarbeiten, ein "design" des Abbildes des Modells zu schaffen. Erst wenn beide
Modell und Auftraggeber und die Zielgruppe die Inhalte des Bildes richtig
zusammensetzen, kann die Kommunikation über den künstlerischen Wert, die
Auswirkungen, die Richtung und die Zuordnung dieses neu geschaffenen Bildes
beginnen. Umgekehrt ist eine Studie wie die Risikogesellschaft, so verwaschen ihre
empirischen Kategoriensysteme auch immer sein mögen, karrierefähig in einer
Gesellschaft, die zwar betroffen reagiert, aber eben nicht zu genau wissen will, was
wirklich mit den Menschen, ihren Organisationen und Familien los ist.
5. 5
„ Es gibt jedenfalls einen gesellschaftlichen Bedarf an soziologischer
Gesellschaftskritik, den die verwaltungsverdauliche Soziologie gar nicht wahrnimmt“ -
kritisiert der Spiritus rector der „neuen“ deutschen Soziologie und Papst der
Risikogesellschaftsforschung Ulrich Beck Versäumnisse der Soziologie sich mit
Fragen der Gegenwart zu beschäftigen.
„ Es spiegelt nur treffend das allgemeine wissenschaftliche und gesellschaftliche
Denken in Bezug auf Umweltprobleme wider. Diese werden weitgehend als eine
Angelegenheit von Natur und Technik, Wirtschaft und Medizin betrachtet. Erstaunlich
ist dabei folgendes : Industrielle Umweltbelastungen und Naturzerstörungen mit ihren
vielfältigen Auswirkungen auf Gesundheit und Zusammenleben der Menschen, die
erst in hochentwickelten Gesellschaften entstehen, sind durch einen Verlust des
gesellschaftlichen Denkens gekennzeichnet. Zu diesem Verlust gesellt sich das
Groteske. Diese Abwesenheit fällt niemandem – auch nicht den Soziologen selbst -
auf. Die Soziologie hat gegenüber der automobilen Gesellschaft wie der Schulbub,
der seine Milchgroschen verloren hat, meist abseits gestanden und sich aber gerne
gefragt, ob es ein richtiges Fahren im falschen Leben geben darf, während andere
Disziplinen ihren festen Platz in der Verkehrswissenschaft eingenommen haben.
Welche Antworten könnte Soziologie – als Verkehrssoziologie konzipiert – geben,
wenn sie sich nicht mehr wie in der Vergangenheit nur als eine Wissenschaft der
Nichtlösung, des" Njet –Sets" (Niklas Luhmann) präsentiert?
In einer groß angelegten Untersuchung hat Stephan Rammler eine Spurensuche der
Soziologie der Mobilität angefertigt.1
Nach seiner Spurensuche ist es um so
unverständlicher, daß die Deutsche Gesellschaft für Soziologie zu den Problemen
der Mobiltät schweigt, während Psychologen, Naturwissenschaftler und Politiker den
Ton in der von strukturellem Unwissen dominierten Diskussion angeben.
Die Felder im Verkehr besetzen in den Medien und in den Fachausschüssen deshalb
Monokulturen von Psychologen (klinisch), Raumplanern (sozio-ökonomisch),
Geographen (topographisch), Ingenieure (technisch) und Verkehrsplaner
(ablauforientiert).
1
Rammler, Stephan, die Wahlverwandtschaft von Moderne und Mobilität , Berlin 2000 (Dissertation
der Technischen Universität Berlin, Fachbereich 07 Umwelt und Gesellschaft
6. 6
Dies hat Auswirkungen auf die Gestaltung der Verkehrsmittel und der Mobilität. Der
technische Blick, die technische Rationalität der Ingenieure hat freie Hand am
Reißbrett, bis die Bürgerinitiative die hochfliegenden Pläne durchkreuzt.
Diese Expertenzirkel – Diskussion in Sachen Verkehr läßt sich in wenigen Worten so
umreißen:
Da diskutieren die Bahnverantwortlichen Modifikationen am Fahrschein als
Revolution, verneinen aber Modultechnik und Transrapid und vergessen, Fernzüge
als Doppelstockwagen auszulegen. Die Telematik-Techniker negieren die Juristen
und Nutzer, die Spediteure erstarren in argwöhnischer Beobachtung ihrer
Konkurrenten, Verkehrsplaner schwelgen in den überalterten drei V von Vermeiden,
Verlagern und Verträglichkeit anstatt bahnbrechende Lösungen vorzubereiten. „ Die
Mischung von Skeptizismus und Universalismus verleiht den Diskussionen unter
Experten ihre Besonderheit. Experten Streiten sich nicht bloß, weil sie verschiedene
bereits bestehende Positionen verteidigen, sondern vor allem, um ihre Differenzen
zu überwinden. Experten widersprechen einander häufig, aber sie tun dies im
Interesse eine Universalismus , der für den öffentlichen Diskurs offen steht. Dieser
Diskurs ist gleichermaßen das Werkzeug und das Produkt der Verbindung von Kritik
und Universalismus. Das Unbehagen von Experten wie Laien an dieser Situation
besitzt dieselben Wurzeln, Expertenwissen und die allgemeine Anhäufung von
Wissen sollen uns eine immer stärkere Gewißheit darüber vermitteln, wie die Welt
wirklich ist, doch die Bedingung für diese Gewißheit ist – grob gesagt – der Zweifel.“ 2
Expertenkreise als Forum für Fachidiotengreise ? Der Verdacht drängt sich nur
allzuoft auf... Innerhalb des Abendlandes“ schreibt Gottfried Benn 1948 in dem
berühmten Berliner Brief, " diskutiert seit vier Jahrzehnten dieselbe Gruppe von
Köpfen über dieselbe Gruppe von Problemen mit derselben Gruppe von Argumenten
unter Zuhilfenahme von derselben Gruppe von Kausal- und Konditionalsätzen und
kommt zu derselben Gruppe von sei es Ergebnissen , die sie dann Krise nennt – das
Ganze wirkt schon etwas abgespielt, wie ein bewährtes Libretto. Es wirkt erstarrt und
scholastisch , es wirkt wie eine Typik aus Kulisse und Staub.“ 3
2
Giddens, Anthony ; Leben in einer posttraditionalen Gesellschaft, in Beck, Ulrich, u.a. ; Reflexive
Modernisierung – Eine Kontroverse .Frankfurt a.M. 1996,159
3
(Gottfried Benn, in :Beck,Ulrich u.a (Hg)1, Reflexive Modernisierung 1996,25
7. 7
Expertendiskussionen ähneln Thing-Plätzen auf denen vor allem die Kraft an den
Glauben der eigenen Wichtigkeit genährt wird. Experten glauben immer noch an die
Idee gesellschaftliche Probleme ohne Mitwirkung der Betroffenen lösen zu können.
Jedoch ist die gesellschaftliche Akzeptanz der Ergebnisse mehr und mehr brüchig.
auch wenn einige Formen des Expertentums sich gewisser Achtung in der
Öffentlichkeit erfreuen. So hat der Begriff der Risikogesellschaft, eine gute Presse.
Mangels frischer Ideen und externer Sichtweisen hat sich die politische Diskussion
über Verkehr nicht bewegt, und es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr sich die
Einschätzungen und Argumente über die Jahre und Jahrzehnte gleichen Deshalb
gibt es nirgendwo so wenig Fortschritt, wie in der Verkehrspolitik. Noch immer soll die
Bahn als Experte des gebündelten Stroms individuelle Lösungen bringen, das Auto
aber kollektiven Ansätzen angenähert werden und als Ventil für fehlende
Gesamtlösungen müssen Lkws fast zum Nulltarif wie in der Gründerzeit die Straßen
„morden“, um Transportziele zu erreichen.
Den einen gilt unter dem Stichwort Verkehrsanbindung der weitere Bau von
innerstädtischen Straßen sowie von Land-, Bundes- und Umgehungsstraßen als
unerläßlich, wolle man Verkehrsinfarkt und drohende wirtschaftliche Isolation
vermeiden. Die anderen fordern mit Vehemenz die Einschränkung des motorisierten
Individualverkehrs als Voraussetzung einer dringend notwendigen Verkehrswende
und bezweifeln mit ihren guten Gründen die Wirkkraft des Autos als
Wohlstandsmotor für die zukünftige Entwicklung der Industriegesellschaften. Und
wenn nichts mehr hilft, sollen Restriktionen gegen den Menschen als Nutzer den
Erfolg beizwingen.
Zwar haben die Grünen mittlerweile ihren Frieden mit dem Auto gemacht4
, aber in
der Verkehrspolitik sind sie um im Bild zu bleiben vom Rad gefallen oder vornehmer
ausgedrückt abgestiegen. Geblieben sind Ihre inzwischen in den Medien salonfähig
gewordenen alten Predigttexte: „ Verkehr Vermeiden, Verhindern, Verlagern, ".
Beck bezweifelt die Möglichkeit eines ökologischen Konsens und wenn wäre er nach
seiner Ansicht global zu fordern.
4
Süddeutsche Zeitung 29.5.2000
8. 8
Bahnbrechende Erkenntnisse , die auch die Dynamik und die Hitze der Debatte um
die Öko- Steuer, bzw. die Energieströme, die immer wieder Restriktionsphantasien
speisen, fördert Beck über die ökologische Moral heraus:
Der ökologischen Moral, dem ökologischen Konfliktthema könnte gelingen, was das
Christentum immer anstrebte und verfehlt hat: alle Feinde und Konkurrenzreligionen,
die miteinander um Einflußsphären ringen, zu schlucken, zu bekehren und darin
sogar auch die noch nicht Geborenen, die zukünftigen Generationen mit
einzuschließen .Hier ist die ökologische Bewegung völlig blind gegenüber einer
Totalitarismusgefahr, die zumindest in Kreisen der Anti - Atombewegung und der
dortigen politisch motivierten Stoßkraft einer Bewegung- Kampf dem Atom- Staat
entspricht. Hier zeigt sich die Reflexivität, der sozialen Bewegung Ökologie in seiner
ganzen Gespaltenheit. Man tritt an um die Individuellen Rechte auf saubere Luft,
zum Grundrecht zu machen und fordert aber Maßnahmen einer Ökologischen
Krisenintervention. Auch hier muß eine Verkehrsmittelübergreifende
Verkehrssoziologie eingreifen und die wissenschaftlichen Mittel ausbilden die eine
solche ökologische Ligatur verhindern hilft.
Dazu gehört auch alle Entwicklungen kritisch zu kommentieren, die zur
Einschränkung von Rechten, persönlicher Freiheit und letztendlich möglicherweise
zu einer Überwachung führen, der der Mensch mit seinen Mitteln keinen Einhalt mehr
gebieten kann.
Zum Beurteilen und Beschreiben solcher "unerwünschten" Nebenfolgen von
Modernisierungsbemühungen durch technische Innovationen in der automobilen
Gesellschaft eignet sich aus Sicht des AVD- Institutes für Verkehrssoziologie (AIVS)
die sozialwissenschaftliche Kategorie der Risikofeststellung.
„Risikofeststellungen sind eine noch unerkannte, unentwickelte Symbiose von Natur
und Geisteswissenschaft, von Alltags -und - Expertenrationalität, von Interesse und
Tatsache. Sie sind gleichzeitig weder das eine noch das andere. Sie sind beides und
zwar in neuer Form. Sie können nicht mehr spezialisiert von dem einen oder anderen
isoliert und an den eigenen Rationalitätsstandards entwickelt und fixiert werden. Sie
setzen ein Zusammenwirken über die Gräben von Disziplinen, Bürgergruppen,
Betrieben, Verwaltung und Politik voraus oder- was wahrscheinlicher ist – zerbrechen
9. 9
zwischen diesen in grundsätzliche Definitionen und Definitionskämpfe... Es gibt
immer konkurrierende und konflikthafte Ansprüche , Interessen und Gesichtspunkte
der verschiedenen Modernisierungsakteure und Betroffenengruppen, die in
Risikodefinitionen im Sinne von Ursache und Wirkung, Urheber und Geschädigten
zusammen gezwungen werden.“ 5
Soziales Handeln - auch die Wahl des Verkehrsmittels- wird nicht von
einfachen linearen und statischen Ursache Wirkungstheorien her erklärbar,
sondern erfordert die Einbeziehung sogenannter interpretativer
Sozialforschung. Soziales Handeln geschieht in Abhängigkeit von
vielschichtigen Beziehungen und wird beeinflußt von funktionalen aber auch
symbolischen Motiven und Intentionen und Bedingungen.
Die interpretative Sozialforschung die weitgehend von diesem Handlungsbegriff
inspiriert wurde geht deshalb von einem modifizierten Subjektbegriff aus, der - so die
Befürworter dieser Forschungsrichtung - den Menschen, die die Gesellschaft bilden
eine reflexive Kompetenz nicht aberkennen will und sich von den mechanistischen
Zügen in der rein quantitativen empirischen Sozialforschung abheben möchte. 6
Diese reflexiven Fähigkeiten der Subjekte müssen sich endlich auch in der
Forschung abbilden lassen. Statische Reduktionstheorien und eine rein quantitative
Verkehrsforschung, die in ihrer Methodik die vielfältigen Bedingungen der
Möglichkeitsräume aussperrt, hält, - so die Vertreter der interpretativen
Sozialforschung - einer Überprüfung durch die sozialen Wirklichkeit nicht mehr
stand.7
Aufgabe des Forschers ist es diese "Entwürfe" , die Motive und Intentionen der
Subjekte in ein übersubjektives Erklärungsmodell einzubauen, und damit eine
Theorie darüber zu entwickeln, warum die Subjekte diese Struktur ihrer Handlung
wählen und nicht eine andere. Zuerst werden damit neue Fragen zu den bisherigen
unbefriedigenden Antworten zum widersprüchlichen Forschungsstand zum
Verkehrsverhalten provoziert, neue Einsichten ermöglicht.
5
Beck, Ulrich; Risikogesellschaft, Frankfurt am Main, 1986,38
6
Vgl. Bude, Heinz (1988). Der Fall und die Theorie, in; Gruppendynamik19, S..421-427
7
Für die veränderte Auffassung des Verkehrshandelns durch eine interpretativ verfahrende qualitative
Verkehrsforschung besonders instruktiv und zusammenfassend in der Darstellung ist die Doktorarbeit
von Sassa Franke, " Vom Öko- Projekt zur Dienstleistung, Berlin 2000, darin S. 67-71f
10. 10
Worin liegen die Widerstände gegen eine zu vermittelnde ökologische und
systematisch erfolgreichere Handlungsstruktur? Setzt eine beabsichtigte
Verhaltensänderung mehr Voraus als das bloße einfache lineare Denken in Ursache
und Wirkung? Muß die Verkehrsforschung nicht der Politik und der Öffentlichkeit
Interpretationen anbieten und diese mit den Interpretationen der zu beeinflussenden
Subjekte in Konkurrenz bringen? Könnte eine solche Theorie eine bessere Erklärung
für unerklärlichen Widerstand gegen Telematikprodukte und vernetzte, informations-
verarbeitenden Verkehrsangebote bieten.? Ganz sicher würde mit einer
interpretativen Verkehrsforschung die moralisch- aufgeladene Debatte über das
ökologische richtige, oder eben falsche Verkehrsmittel versachlicht.
Die Rahmenbedingungen des Verkehrs erzeugen nach Ansicht der neueren
Verkehrsforschung sogenannte "Möglichkeitsräume"8
, die das individuell zu
interpretierende Wählen eines Verkehrsmittels dennoch übersubjektiv prägen
können. Zu diesen Feldern der Möglichkeitsräume zählen die Raum- und
Siedlungsstruktur, die geographischen Merkmale, die vorhandene und geplante
Verkehrsinfrastruktur und das Verkehrsangebot, die Rechtslage, ökonomische
Faktoren, gesellschaftliche Normen und Werthaltungen. Diese räumlich wie zeitlich-
historisch bestimmbaren Strukturmomente beeinflussen das Potential und die Praxis
individueller und kollektiver Fortbewegung.
Anfangs vollends verwirrend erscheint diese Betrachtungsweise allein schon jetzt,
doch vollständig unübersichtlich und chaotisch erscheint der Vorschlag zur
ganzheitlichen Erfassung des Verkehrshandelns die auch noch die unbewußten
ritualisierten Formen der Verkehrsmittelwahl mit einbezieht.
Das aktuelle "Verkehrsmittel - Wählen" erfolgt als Folge von bereits getroffenen
Vorentscheidungen, die dem Subjekt als Erinnerungsspur zwar bewußt sind, aber
auch wieder seiner Wahrnehmung entzogen sind.
Festzustellen bleibt, daß diese Entscheidungsketten bisher weithin unbekannt sind
und wenig erforscht sind.
Vielleicht läßt sich zur Beantwortung der Ausgangsfragen deshalb aus der
Geschichte der integrierten Verkehrslösungen etwas darüber erfahren, welche Fehler
der Vergangenheit beim jetzigen Projekt nicht wiederholt werden dürfen.
11. 11
Die kurze Geschichte der integrierten telematischen
Dienstleistungsunternemen und Projekte und ihre "Traditionen"
Die integrierte Vernetzung von Verkehrsmitteln im ÖPNV war primär eine politische
Antwort auf die wachsenden Verkehrsprobleme, ein Lieblingskind der regionalen
Verkehrspolitik, Ziehkind der Subvention einer verordneten, staatlich gewünschten
Lösung. Gefördert von Bundesbahn und kommunalen Verkehrsverbänden und vor
allem der Verkehrsminister.
Ein weiter wichtiger Punkt in der sozialwissenschaftlichen Interpretation der Chancen
und Risiken integrierter Verkehrsdienstleistungen.
Ihre "Produkte" wurden weniger aufgrund von Massen - Kundenbedürfnissen
entwickelt, sondern als Projekte ohne jegliche marktwirtschaftliche Anbindung!
Dieser Makel verfolgt nun die weitere Entwicklung, weil eben anders als bei einem
Produkt, der Kundennutzen zu wenig zählte. Unter Wissmann erlebte die Telematik
zwar ihre große Blüte, doch 2 Verkehrsminister später mittlerweile haben aber auch
die hochfliegendsten Pläne ihre Bruchlandung schon hinter sich.
Laut Schätzungen des Umweltbundesamtes führen die bisherigen telematischen
Verkehrsumverteilungssysteme zu einer Verlagerung des Verkehrs von ca 2 %!
Dieser Makel verfolgt die weitere Entwicklung, weil, anders als bei einem Produkt,
der Kundennutzen zu wenig zählte.
Statt dessen werden Nutzen definiert, für die man auf eine Zielgruppe hofft. Der
potentielle Kunde – das Kundenpotential scheint die Hersteller nicht zu interessieren.
Der Kunde, er stört sieht weder die hehren Ziele von Politik und Anbietern und die
Systemvorteile nicht. Unausgesprochen: Sind die Verbraucher da draußen vielleicht
zu dumm, um diesen Fortschritt der in den Ingenieurabteilungen zu verstehen?
Telematische Anwendungen sollen
• Managementfunktionen bei Reise und Transport erfüllen
• den Verkehrsfluß harmonisieren
• deshalb Informationen über alle Verkehrssysteme bieten
8
Dazu grundlegend: Canzler, Weert, Knie, Andreas; Möglichkeitsräume, Grundriss einer modernen
Mobilitäts- und Verkehrspolitik, Wien, Köln, Weimar, 1998,
12. 12
• sicheres Fahren ermöglichen
• Hilfeleistungen koordinieren
• IT-Serviceleistungen verknüpfen und
• ggf. Verkehrsströme analysieren und road-pricing (siehe nutzungsabhängige
LKW-Gebühren) ermöglichen.
Alles übergeordnete Ziele, welche den Kunden und die Neukunden, die Autofahrer
und Fußgänger und ÖPNV Kunden nur als Funktionselement betrachten.
Er soll gelenkt, unterstützt und auch von der Straße auf andere Verkehrsmittel
gebracht, aber nicht in seiner Eigenschaft als individueller Konsument umworben
werden.
Dies hat fatale Folgen in einer Event zentrierten Individualgesellschaft, deren
strukturierendes Prinzip sich so darstellen läßt:
Just Do it.
So wirbt die Firma Nike für ihre Turnschuhe und Sport und Freizeitsortiment
transportiert damit ihre Werbebotschaft aber auf einem Trend, der nicht nur für
Turnschuhträger und Freizeitsportler und Streetfighter dieser Gesellschaft gilt
sondern den ungeteilten Jubel aller anderen Subjekte findet. Selbst beweglich, selbst
verantwortlich und trotzdem haben wir es kompliziert nicht gern!
Aus diesem Zug der Zeit gibt es keinen, der ernstlich oder konsequent in alen
Lebensbereichen aussteigen will.
Das AvD- Institut interpretiert Risiken und Chancen von Mobilitätsdienstleistungen
und Dienstleistungsunternehmen in der modernen automobilen
Informationsgesellschaft auf dieser Folie.
Die durch den Autobesitz ermöglichte attraktivere symbolisch vermittelte
Reduktion der Komplexität des Alltags ist die Herausforderung und das Risiko
aber auch die Chance für eine integrierte öffentliche Mobilitätsdienstleistung
Leicht ist dies nicht:
13. 13
Der Kunde ist verwöhnt. Denkfaul und bequem. Er hat das gelernt. Er setzt sich in
sein Auto, gibt die Adresse ins Navigationssystem ein und eine freundliche Stimme
führt ihn, bis er am Ziel ist. Ihn interessieren nicht Ticketgrenzen,
Anschlußprobleme, Landesgrenzen.
Sein Navigationssystem hilft ihm immer weiter, berechnet die günstigste Route, führt
ihn dynamisch am Stau vorbei. Zu jeder Tag und Nachtzeit- (aber auch nur dann)
wenn er das Gerät programmieren und bedienen kann!
Das ist was der Mobil- Kunde will - weil er es kennt und auch bekommt. Diese
Meßlatte muß von dem ÖPNV übersprungen werden können.
Öffentliche integrierte und öffentlich organisierte- private
Möbilitätsdienstleistung wird nur dann erfolgreich sein, wenn es den
Betreibern und Projektpartnern gelingt echte Dienstleistungsangebote mit
hohem Image und Gebrauchsvorteilen gegenüber der bisherigen Autobesitzer-
Gesellschaft zu entwickeln.
Grundsätzlich gut ist ein Bündeln aller öffentlichen Angebote zu einem einzigen
abfragbaren und allen Verkehrsteilnehmern zugänglichen Angebot.
Doch : Warum öffnen die Öffentlichen Mobilitätsdienstleister nicht ihre Dienstleistung
und ihr wie auch immer applizierbares Zusatzangebot nicht für jedes gängige
Zahlungsmittel, die EC- Card oder andere im Markt eingeführte bargeldlose
Zahlungsmittel?
Neben der Vermutung daß der Markt für Chipkarten aller Art eine Einigung auf ein
gemeinsames Kartenmodell sicher nicht einfach ist, könnte diese etwas überzogene
provokante Antwort aus der Sicht des Soziologen gegeben werden:
Jeder Anbieter denkt in seinen wirkungsmächtigen Traditionen. Ein Anbieter von
öffentlicher Dienstleistung scheinbar im tradierten Glauben, daß wer sich mit dicken
Wälzern von Fahrplänen, Computerprogrammen, und anderen
Zugangsberechtigungsvorraussetzungen vor Antritt der Fahrt sich beschäftigt, der
besitzt auch die Akzeptanz für betriebsbedingte Verspätungen und hat gelernt
schlechten Service zu tolerieren.
Warum Ist es nicht möglich die tradierten ÖPNV- Verhältnisse in echten Kunden-
orientierten Service umzukehren ?
14. 14
Ein Beispiel:
Denken sie an den Besuch in einem Restaurant. Wie schön ist es, wenn sie nicht
ihren Platz suchen müssen, sondern ein informierter Kellner, Ihnen ihren Platz
anbietet?
Analog heißt dies für den Anbieter der Beförderungsleistung::
Ein Fluggast macht sich keine Gedanken um die
Flugverkehrszulassungsbescheinigung oder die Gültigkeit des Fahrscheines.
Er sagt nur:" Ich will als Nichtraucher am Fenster sitzen" und reicht der Dame am
Schalter die Ec- Karte oder die was auch immer und sammelt sogar noch Meilen....
Der dritte Einwand ist noch gravierender, setzt an der Internen Schwäche des ÖPNV-
Angebotes an .
Ein Beispiel:
Wenn ich gezwungen bin mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Hessischen
Rundfunk in die Bertramstr. 8 zu fahren, dann geht das nur nicht schief, wenn ich
irgendwie in Erfahrung bringe, daß die Haltestelle, Miquelallee - Adickesallee heißt!
Aus diesem Grund fordert der" verwöhnte" Neu - Kunde die Verknüpfung aller
Telematik Daten des neueren Typs die sogar die Straße und Hausnummer kennen
mit dem gesamten ÖPNV Netz.
Die „Verlockungen“ des Mobiltätsdienstleistungsangebotes dienen allemal
mehr der Aufrechterhaltung und Verbesserung des Systems „Verkehr“ als
persönlichem Nutzen.
Theoretisch und empirisch vorhandene Nachfrage nach integrierten
Mobilitätsdienstleistungen scheint jedoch ausreichend vorhanden zu sein.
Eine repräsentative Markt - und Potentialanalyse der Nachfrage nach integrierten
Mobilitätsdienstleistungen die im Auftrag des Bundesforschungsministeriums
15. 15
(Prognos- Studie 1998) belegt zumindest ein hohes Interesse an vernetzten
Mobilitätsdienstleistungen.
Mobil- Pakete mit regionalen ÖPNV , Car- sharing und multimodalen Kundenkarten
sollen sich einer breiten Akzeptanz erfreuen. Überwiegend jüngere gebildete
Personen mit hohem Einkommen würden solche Produkte (Paket- Dienstleistungen)
als Ersatz fürs eigene Auto akzeptieren. Noch größere Chancen besitzen laut
Prognos- Auguren Dienstleistungen mit nur partiell integriertem Autoangebot (nach
Schätzungen von Prognos ca. 1,8 Millionen Nutzer).
Es gab zwar schon immer in der Geschichte der Technik das Phänomen, daß die
Experten in ihren Prognosen irrten.
So ging man zu Beginn der automobilen Geschichte ernsthaft davon aus, daß die
Zahl der Automobile in Deutschland nie die Zahl von 1 Mio. übersteigen könne.
Begründung: Es könnten nicht genug Chauffeure ausgebildet werden. Heute wissen
wir, daß die Besitzer der Autos selbstverständlich auch die Fahrer der Autos sind.
Sassa Franke hat in ihrer Studie zur Nutzung integrierter Car- sharing Angebote.
"Vom Ökoprojekt zur Dienstleistung" auch den möglichen Weg von Projekten wie
Wayflow im wissenschaftlichen Blick . Leitend für ihre Untersuchung ist, wie
individuelles Verkehrsverhalten- (Schlüssel umdrehen und zu jeder Zeit los fahren)
in Bedenke , ob du wirklich fahren mußt - Verhalten verändert werden kann.
Im Rahmen dieser Untersuchung referiert die Autorin auch den Stand der
Verkehrsverhaltensforschung, die doch sehr eindeutig belegt, warum die meisten
Nutzer - doch lieber weiter einfach den Schlüssel umdrehen wollen und lieber Gas
geben anstatt über ihr Handy ihren PC oder andere Informationsmedien zu
versuchen zuerst den günstigsten Weg zu ihrem Ziel zu ermitteln und danach das
ideale Verkehrsmittel für ihre Route zu wählen.
Gleichzeitig steigt der Wunsch innerhalb der Gesellschaft nach Verantwortlichen für
Sachverhalte zu fahnden, Schuldige zu finden für Fehlentwicklungen, individuelle
Fehler für kollektive Phänomen ausfindig zu machen und anzuprangern. Besonders
die Medien haben dabei eine widersprüchliche Rolle übernommen. zum einen sind
16. 16
sie angewiesen auf Events, Skandale und Unfälle um die Aufmerksamkeit satten und
überinformierten Leserschaft zu finden, und gleichzeitig ergibt die Recherche nach
Verantwortlichen, wenn sie bis zum Ende der Verursacher- Kette fortgeführt wird,
daß die Verantwortlichen - in letzter Konsequenz, überindividuelle und unerwünschte
Nebenfolgen von ansonsten wenig skandalträchtigen Handlungen sind. Medien
sollen Verantwortliche personalisieren, sogar für Naturkatastrophen und typische
Phänomene einer Risikogesellschaft – siehe Lawinen, Eschede, oder bei der
Sonnenfinsternis. Bloß weil sich Wolken zwischen die Zuschauer und das mediale
Großereignis schoben protestierten in Stuttgart eine Menge von Zuschauern, die sich
durch diese Wolken und das schlechte Wetter um das Erlebnis der Sonnenfinsternis
gebracht fühlten und den "lokalen" Veranstalter mit Pfiffen dafür verantwortlich
machen wollten. Eine weitere Entwicklung gefährdet ebenfalls den Erfolg einer EDV-
integrierten Öffentliche Mobilitätsdienstleistung.
Individuelle private Orientierung trifft auf eine immer unvertrautere "öffentliche" Welt,
die jederman unkontrolliert nutzen und sich dort einloggen kann. Gleichzeitig
verschwindet die Spur im Netz der unbegrenzten Möglichkeiten des Internet und
eines sich im Aufbau befindlichen Supra- Nets.
Dies erschwert die Akzeptanz sich in Netzen " vernetzen " zu lassen oder sich der
neuen Infrastruktur anzuvertrauen. Aus der Sicht der Kunden passiert ein
furchteinflößender dämonischer Prozeß:
Die Information beginnt, sich anscheinend selbst zu organisieren, selbst
nebensächlicher „Datenabfall“ ist inzwischen Handelsware oder kann dank
übergroßer EDV-Kapazitäten noch nutzbringend mit anderen Informationen verknüpft
werden.
Das System hat keinen Ansatz mehr und damit auch kein Zentrum. Das heißt die
Gesetze von Ursache und Wirkung werden ausgeschaltet, die Verantwortung für
bestimmte Sachverhalte wird nicht nachweisbar – verschwindet im Dschungel der
Einzelzuständigen.
Die „Schnittstelle“ der Mensch – Maschine – Beziehung muß schleunigst neu
definiert werden:
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Kein Strom, kein Geld aus dem Bankautomaten, EDV-Ausfall – kein Arzt-Besuch,
keine Diagnose und umgekehrt: Wo technischer Anschluß, da Verpflichtung zum
Andocken, Daten sammeln und Verwalten. Eingeloggt und ausgebootet.Gefangen in
einem undurchsichtigen Netz. alles Vertraute, jede menschliche Kommunikation, wird
rationalisiert und unpersönlich.
Der Kunde hat ein Recht auf Hilfe, Rat, Service. Wenn der ÖPNV hier keine
neuen und Vertrauen erweckenden Strukturen anbietet, verliert er gegen die
persönlichste Mensch- Maschine Beziehung, das Auto, immer.
Eine Studie des Landesmuseums für Technik und Arbeit in Mannheim von Herrn Dr.
Kurt Möser zeigt den langen erfolgreichen Weg auf, den die Automobilhersteller
zurückgelegt haben, weil sie in der Automobilentwicklung vor allem die subjektiven
und langwirkenden Traditionen und Wünsche der Autofahrer erfüllten. So gelang es
Ihnen sich selbst verstärkende und nahezu alle Prognosen von Experten ad
absurdum zu führen und Nachfragepotentiale immer wieder neu erschaffen zu
können und gleichzeitig damit die unerwünschten Nebenfolgen immer wieder zu
beseitigen.
Die persönliche Bindung zum Auto hielt deshalb immer - auch wenn rationale oder
wirtschaftliche Entwicklungen eine Sättigung des PKW- Bestandes vermuten ließen.
Es ist zu erwarten, daß die Automobilindustrie in der Zukunft diese im Laufe der Zeit
erkannte wechselseitige Beziehung für einen weiteren Entwicklungsschub hin zu
noch mehr Fahrzeugen zu schaffen. Möser entwickelt dazu zwei mögliche Szenarien.
Das eine sieht vor, daß die fusionierten Restplayer auf dem Weltmarkt ein Stau-
taugliches Automobil entwickeln werden, daß eben dem Autofahrer zu einem
weiteren subjektiven Mehrwert verhilft. Er wird die Zeit des Stehens irgendwann als
normal und wenig bedrohlich empfinden, so wie er auf Regen und andere
Wetterlagen kaum noch hektisch reagiert, sondern eben sich und seine " intime
Beziehung zum Fahrzeug" gegen alle Widerstände verteidigt. Das zweite Szenario
trägt den schizophrenen Zügen Rechnung, die dem Verhalten der japanischen
Verkehrsteilnehmer inne zu wohnen scheinen.
Dort wird für den Weg zur Arbeit sehr gerne das besser funktionierende öffentliche
Verkehrsmittel benutzt, doch der Besitz des Fahrzeugs gleichzeitig erstrebenswerter
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so daß die Zahl der Fahrzeuge immer noch deutlich zu nimmt trotz hohem ÖPNV -
Fahrtenanteil.
Dasselbe schizophrene Verhältnis hat die Politik zum Verkehr entwickelt. Während
auf der einen Seite der politische Wille einer sozialen Bewegung das
Umweltministerium erobert hat und von dort die Gesellschaft auffordert und meist
durch Gesetze zwingt Energie zu sparen, freut sich zeitgleich der andere politische
Wille, einer sozialen Bewegung, die durch ihre soziale Orientierung an die
Schalthebel der politischen Macht in Wirtschaft und Finanzministerium gelangt ist,
diese umweltpolitische Orientierung aber als Einnahmeverlust bekämpfen muß und
sich über satte Einnahmen durch Vielfahrer und Fahrer von großvolumigen PS-
Boliden und Geländewagen freut und diese auch dringend zur Finanzierung ihrer
Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik braucht.
Eine in der Frage der Verkehrspolitik tief und in viele Richtungen gespaltene
Gesellschaft scheint noch keine Antworten, keine Ansprechpartner für
zukunftsfähige Verkehrskonzepte zu haben, die über das Vermeiden und Verhindern
von Verkehr hinaus, eine nachhaltige Verkehrspolitik realisieren können, darum sollte
der Anspruch von Mobilitätsdienstleistungen von Wayflow auch nicht mit zu viel
Erwartungen hinsichtlich der Problemlösefähigkeiten überfrachtet werden.
Ein Projekt wie Wayflow - trägt aber Risiken und unbeabsichtigte Nebenfolgen für die
Betreiber in sich, welche, das wird mit Sicherheit nur die Zukunft zeigen.
Es ist schon viel erreicht, wenn sie die Betreiber sich über die möglichen
unerwünschten Nebenfolgen informieren und die Anregungen und
Risikofeststellungen des AvD - Institutes für Verkehrssoziologie in diesem Gremium
diskutiert werden konnten.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!