In Sumer, der Kulturlandschaft der ältesten Hochkultur im Süden des heutigen Irak gelegen, entstanden im 4. Jt. v. Chr. die ersten Städte. Als weitere bedeutende Kulturentwicklung wurde in dieser Region in derselben Zeitperiode die Schrift erfunden. Sumer ist aber auch die Region, in der dank intensiver Bewässerung der Anbau von Gerste, Weizen und Emmer blühte. Künstliche Bewässerung erfordert einen hohen Grad an Organisation und technischem Geschick, wie die ausführliche Dokumentation dieser Tätigkeiten in den schriftlichen Quellen bezeugt. Basierend auf dieser Grundlage entstanden in Sumer Mega-Städte wie Uruk, das seit Juni 2015 zum UNESCO Welterbe gehört. Der Naturraum im Norden Mesopotamiens unterscheidet sich grundsätzlich von jenem im Süden. Die Landschaft Untermesopotamiens wiederum unterteilt sich trotz ihrer flachen und beinah uniformen Erscheinung in verschiedene Flussauen, Levees, Marsch- und Sumpflandschaften. Auf Satellitenbilddaten sticht das weit verästelte und dichte Netzwerk von Bewässerungskanälen ins Auge. Dazwischen sind verlandete Flussmäander zu entdecken. Der Blick aus der Vogelperspektive zeigt eindrücklich, dass die Kulturlandschaft auch ein Archiv ist. Dieses Archiv anhand moderner Fernerkundungsdaten zu dokumentieren und daraus – in Kombination mit der Auswertung von archäologischen und schriftlichen Quellen – Rückschlüsse zu den hydrographischen Verhältnissen der mesopotamischen Alluvialebene zu ziehen, ist das Ziel dieses Forschungsprojektes. Denn die Kenntnis über Flussverlagerungen, denen die Kulturlandschaft während der letzten Jahrtausende mehrfach unterlag, ist für zahlreiche andere archäologische und philologische Fragestellungen von grundlegender Bedeutung. So hängen Veränderungen im Siedlungsmuster in einer derart flachen Alluvialebene häufig mit Flussverlagerungen zusammen. In Wirtschaftstexten werden Kanäle und Ortschaften mit ihren Namen genannt. Zur Identifikation dieser Toponyme sind Kenntnisse über Lage und Verlauf der Kanäle und Flüsse entscheidend. Flussverlagerungen führten zur Verödung ganzer Landstriche sowie zur Neuerschliessung anderer Gebiete, was massive Auswirkungen auf die Entwicklung der politischen Geschichte Mesopotamiens hatte. Während der letzten vierzig Jahre gab es einige Studien zum Thema, jedoch sind die Ergebnisse fast ausschliesslich in Textform publiziert. Es mangelt an Karten, die verschiedene Fluss- und Küstenverläufe darstellen. Deshalb werden als Publikationsform interaktive Webkarten gewählt. Die Grundlagendaten werden für fortgeschrittene Nutzer zum freien Download unter einer Creative Commons Lizenz angeboten.