1. Gabi
Reinmann
Didaktisches Design
Von der Lerntheorie zur Gestaltungsstrategie
Lerntheore=sche
Kenntnisse
machen
einen
noch
nicht
zum
didak=schen
Designer,
weil
Lerntheorien
keine
unmiDelbar
handlungsprak=sche
Relevanz
haben.
Sie
liefern
dennoch
eine
wich=ge
Grundlage
für
reflek-‐
=erte
didak=sche
Entscheidungen,
weil
sie
für
verschiedene
Sichtweisen
auf
das
Phänomen
Lernen
und
damit
verbundene
Lehrstrategien
sensibel
machen.
Behaviorismus,
Kogni=vismus,
Konstruk=vismus
und
(mit
Einschränkung)
Konnek=vismus
gelten
als
Paradigmen,
die
in
dieser
EigenschaR
sowohl
die
Lehr-‐/Lern-‐Forschung
als
auch
die
Auffassung
von
Lehren
und
Lernen
in
der
Praxis
beeinflussen
und
den
jeweiligen
„Mainstream“
mit
formen.
Um
zu
einer
Gestaltungsstrategie
zu
kommen,
sind
die
konkreten
Ziele
eines
Lehrvorhabens
allerdings
entscheidender.
Lehrzieltaxonomien
unterstützen
eine
Analyse
der
Ziele,
unterliegen
aber
selbst
lerntheore=schen
Einflüssen
und
können
einsei=g
sein.
Darbietendes
und
entdecken-‐lassendes
Lehren
sind
zwei
klassische
Formate,
die
je
nach
Zielsetzung
in
mehr
oder
weniger
ausgeprägter
Reinform
der
Lernumgebung
eine
bes=mmte
Ausrichtung
geben.
Je
weiter
solche
Formate
ausdifferenziert
werden,
umso
genauer
werden
sie
und
nehmen
den
Charakter
von
didak=schen
Sze-‐
narien
an.
Für
diese
gibt
es
verschiedene
Ordnungsvorschläge
(Taxonomien),
die
einem
bei
der
Gestal-‐
tungsstrategie
ebenfalls
behilflich
sein
können.
Lerntheorien
allein
sind
folglich
weder
ein
Garant
noch
eine
große
Hilfe
für
die
didak=sche
Praxis.
In
Kombina=on
mit
Wissen
über
Lehrziele
und
deren
Analyse,
über
verschiedene
Ausrichtungen
von
Lernumgebungen
und
didak=sche
Szenarien
aber
sind
sie
unver-‐
zichtbar
für
ein
professionelles
Didak=sches
Design
beim
technologiegestützten
Lehren.
Theorie
und
Praxis
Quelle:
Arenamontanus/FlickR
Schnupperversion
Platzhalter
für
Einschätzung
des
Ar6kels
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2. 2
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
handeln. (d) Schließlich kann das Lernen mit dem
1. Einführung:
Der
Stellenwert
von
Lerntheorien
Ziel belegt sein, langfristige Expertise in einem Feld
Es ist eine wiederkehrende Frage, welche lerntheore- aufzubauen. Als Experte oder Expertin strebt man
tischen Hintergründe man eigentlich kennen muss, umfassendes Wissen und flexibles Können auch in
um eine technologiegestützte Lernumgebung erfolg- wenig vorhersehbaren Problemsituationen und eine
reich gestalten zu können. Viele Novizen auf dem bestimmte Haltung an.
Gebiet des Lehrens und Lernens gehen davon aus Alle diese Lernformen basieren auf Erfahrung
oder hegen zumindest die Hoffnung, dass ihnen das und verändern die Dispositionen einer Person.
Wissen über die wichtigsten Lerntheorien den Weg Gleichzeitig sind die Art der Erfahrung und die Qua-
im Didaktischen Design weist: „Sag mir, welche lität des potenziell resultierenden Wissens und
Lerntheorie du bevorzugst, und ich sage dir, was zu Könnens sehr unterschiedlich. Bis heute gibt es keine
tun ist.“ Diese Erwartung ist ebenso illusorisch wie Lerntheorie, die alle denkbaren Lernformen zufrie-
die Annahme falsch ist, in der Gestaltungspraxis denstellend beschreiben, geschweige denn erklären
seien lerntheoretische Kenntnisse letztlich über- könnte. Es ist also geradezu notwendig, dass es
flüssig. Es stellt sich also die Frage, welchen Stel- mehrere Lerntheorien gibt, die jeweils Akzente
lenwert Lerntheorien insbesondere für Grund- setzen und nur bestimmte Formen oder Aspekte von
satzentscheidungen im Didaktischen Design Lernen im Blick haben und andere ausblenden. Jede
haben. Der Begriff des Didaktischen Designs wird in Lerntheorie bewegt sich allerdings (mindestens in
diesem Beitrag in einem neutral beschreibenden ihrer Entstehung) im gerade dominierenden wissen-
Sinne verwendet und schließt damit alle Ansätze ein, schaftlichen Zeitgeist. Lehr-/Lernforscher/innen und
die gemeinhin verschiedenen Paradigmen wie z. B. Expertinnen und Experten auf dem Gebiet des Di-
Kognitivismus und Konstruktivismus zugeordnet daktischen Designs sind wie andere Wissenschaft-
werden. Didaktisches Design steht damit auch über ler/innen „Kinder ihrer Zeit“ und nehmen eine
Begriffen wie Instruktionsdesign, das in der deut- eigene Perspektive ein, mit der Folge, dass man deren
schen Fassung im Übrigen wesentlich enger definiert Erkenntnisse nicht als einzig gültige Wahrheit be-
ist als das englische Pendant „instructional design“. trachten darf. Die jeweils vorherrschende oder auch
Mit Grundsatzentscheidungen sind solche Ent- präferierte Lerntheorie prägt die Lehr-/Lern-Auf-
scheidungen gemeint, die den „Charakter“ einer Ler- fassung von Entwicklerinnen und Entwicklern didak-
numgebung prägen, der wiederum Einfluss auf viele tischer Designs sowie Lehrenden wie auch die von
weitere Detailentscheidungen hat: etwa auf Auswahl Lernenden.
und mediale Aufbereitung von Inhalten, auf Ge-
staltung von Aufgaben zur inhaltlichen Auseinander- Lerntheorien
konzentrieren
sich
darauf,
möglichst
setzung, auf Technologiewahl und -einsatz etc. Was
aber sind Lerntheorien genau?
! global
zu
beschreiben
und
zu
erklären,
wie
Lernen
ge-‐
nerell
„funk=oniert“.
Sie
bewegen
sich
(mindestens
in
Lerntheorien konzentrieren sich darauf, mög- ihrer
Entstehung)
im
gerade
dominierenden
Zeitgeist
lichst global zu beschreiben und zu erklären, wie und
beeinflussen
Lehr-‐/Lern-‐Auffassungen.
Lernen generell „funktioniert“. Lernen wird ge-
meinhin als Erfahrungsprozess aufgefasst, der dazu Das ist ein wichtiger, oft übersehener Punkt, denn:
führt, dass eine Person relativ stabile Dispositionen Wenn Lerntheorien implizit wirken, dann sind sie
für direkt beobachtbares Verhalten (Können) oder nicht Ausgangspunkt einer bewussten Gestaltungs-
nicht sichtbares „Verhalten“ (Wissen) aufbaut (vgl. strategie, sondern ein eher unkontrollierter Einfluss-
Bodemann et al., 2004). Das aber kann viel heißen: faktor, der reflektierte Gestaltungsentscheidungen
(a) Lernen kann sich darauf reduzieren, sich zu infor- möglicherweise behindert. Kenntnis über Lern-
mieren. Es genügt einem dann, Informationen zu theorien kann also in einem ersten Schritt dabei
gegebener Zeit wiederzuerkennen, mit denen man helfen, mögliche implizite Wirkungen zu erkennen
sich beschäftigt hat. (b) Lernen kann auch anspruchs- und offen zu legen. Ob sie einen in einem zweiten
voller gemeint sein und darauf hinauslaufen, dass Schritt auch darin unterstützen, zu einer Gestaltungs-
man über neues Wissen tatsächlich verfügt. Dieses strategie zu kommen, gilt es zu klären. Zu diesem
möchte man dann wiedergeben und irgendwo ein- Zweck werden zunächst einmal die gängigsten
setzen können. (c) Lernen kann explizit darauf aus- großen Lerntheorien in aller Kürze beschrieben.
gelegt sein, einen bestimmten Problemtyp zu lösen.
Das ist mit dem Anspruch verbunden, die erworbene
Kompetenz konkret anzuwenden und damit zu
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3. Didak=sches
Design.
Von
der
Lerntheorie
zur
Gestaltungsstrategie)
—
3
2. Lerntheorien:
Eine
Übersicht gilt als Sonderform des Verhaltens und wird als eine
Art Trainingsvorgang verstanden. Beim Lehren soll
Der
Behaviorismus
und
das
Reiz-‐ReakNons-‐Modell
bezogen auf ein bestimmtes Ziel Verhalten gesteuert
Wer schon etwas vom Behaviorismus gehört hat, und verändert werden. Fast zwangsläufig resultiert
denkt meist als erstes an speichelnde Hunde und he- aus dieser Auffassung eine eher autoritäre Rolle des
beldrückende Tauben oder Ratten. Berühmte Tier- Lehrenden: Er hat eine starke Machtposition und
versuche spielen im Behaviorismus in der Tat eine entscheidet, was wie zu lernen ist. Er gestaltet „Reiz-
Rolle, bilden aber nur auffällige Wegmarken einer situationen“ und Konsequenzen so, dass die ange-
Lerntheorie, deren Prinzipien die (Lern-)Psychologie strebten Lernergebnisse eintreten und stabilisiert
bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts dominiert haben. werden. Das Kommunikationsverhältnis zwischen
Grundlage des Behaviorismus ist das Reiz-Reak- Lehrenden und Lernenden ist unidirektional (Baum-
tions-Modell. An den mentalen, im Gehirn ablau-
fenden Prozessen zwischen Reiz und Reaktion ist der Lernen
gilt
im
Behaviorismus
als
Sonderform
des
Ver-‐
Behaviorismus dagegen nicht interessiert (Black-Box- ! haltens,
das
sich
durch
geeignete
Reizsitua=onen
und
Konsequenzen
steuern
und
verändern
lässt.
Denken). Das Gehirn wird als ein Organ angesehen,
das auf Reize mit angeborenen oder erlernten Verhal-
tensweisen reagiert. Nachfolgende Konsequenzen gartner et al., 2004). Der Lernende ist in behavioris-
gelten als neue Reize, die das Verhalten formen. tisch gestalteten Lernumgebungen durchaus sichtbar
Damit sind die beiden Konditionierungsformen an- aktiv. Allerdings sind diese Aktivitäten für den Leh-
gesprochen, die den Behaviorismus kennzeichnen: renden nur im Hinblick auf den „Output“ (Lerner-
Beim klassischen Konditionieren wird ein an sich gebnisse) von Interesse.
neutraler Reiz zeitlich mit einem Reiz gekoppelt, der
Der
KogniNvismus
und
die
InformaNonsverarbeitungs-‐
eine (reflexartige) Reaktion auslöst, sodass der erstere
perspekNve
später auch allein die Reaktion bedingt. Das funktio-
niert besonders gut bei physiologischen, aber auch Der Kognitivismus beansprucht spätestens seit
emotionalen Reaktionen wie Furcht und Stress Beginn der 1980er Jahre den lerntheoretischen Füh-
(Watson & Rayner, 1920). Beim operanten Kondi- rungsanspruch. Seine Ursprünge liegen in techni-
tionieren wird ein spontanes Verhalten mit einem schen und mathematischen Gebieten (Kybernetik,
angenehmen Reiz (positiv) oder durch Entfernung Informationstheorie, Künstlichen Intelligenz); er wird
eines unangenehmen Reizes (negativ) verstärkt und als Informationsverarbeitungsparadigma bezeichnet
auf diese Weise geformt (Skinner, 1954). Dass Ver- (vgl. Baumgartner & Payr, 1999). Anders als der Be-
haltensweisen nicht nur durch eigenes Tun und Ver- haviorismus interessiert sich der Kognitivismus nicht
stärkungen, sondern auch durch Beobachtung und für die direkte Verbindung von Reizen und Reak-
Nachahmung erlernt werden können, hat Bandura tionen, sondern dafür, mit welchen Methoden Men-
(1977) mit dem Lernen am Modell gezeigt: Hier schen zu Problemlösungen kommen. Lernen gilt als
fungiert das Modellverhalten als Hinweisreiz für eine ein mentaler Prozess, der sich analog zur Informati-
Nachahmungsreaktion. Nachgeahmt wird das Ver- onsverarbeitung im Computer modellieren lässt. Die
halten vor allem dann, wenn das Modell einem selbst Aufnahme und Verarbeitung von Information führt
ähnlich ist und erfolgreich war. Die Prinzipien des zu Wissen, das im Gehirn repräsentiert ist und ge-
Behaviorismus werden in diesem Modell um ko- speichert wird. Lehr-/Lern-Prozesse stellt man sich
gnitive Aspekte erweitert. als meist sprachlich codierte Informationsüber-
Behavioristische Lerntheorien beruhen auf einer tragung vom Sender (Lehrender) zum Empfänger
großen Anzahl von Laboruntersuchungen, in denen (Lernender) vor. Diese Vorstellungen aus der Nach-
man sich grundsätzlich nur für beobachtbares Ver- richten- und Computertechnik haben vor allem die
halten interessiert; innere Vorgänge kommen erst in Gedächtnisforschung in hohem Maße beflügelt. Seit
Banduras Prinzip der Nachahmung allmählich zum einigen Jahren werden diese durch den konnektionis-
Tragen. Forschungsmethodisch setzt der Behavio- tischen Ansatz ergänzt oder modifiziert, der mit bio-
rismus auf experimentalpsychologische Verfahren, logischen Modellen über Gehirn und neuronale
um Ursache-Wirkungsbeziehungen aufzudecken und Netze arbeitet (vgl. Rey, 2009).
Prozesse der Verhaltensänderung möglichst eindeutig Im Rahmen kognitivistischer Forschung sucht
beschreiben und erklären zu können. Das Men- man in (quasi-)experimentellen Studien nach Ur-
schenbild im Behaviorismus ist stark geprägt von sache-Wirkungs-Mechanismen und Zusammen-
Konditionierung auf und durch äußere Reize. Lernen hängen von Variablen. Der Computer dient als wich-
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4. 4
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
tiges Hilfsmittel zur Simulation regelhafter Zusam- diesem Hintergrund Lernumgebungen, die komplexe
menhänge. Das Menschenbild im Kognitivismus ist Probleme bieten, Authentizität und Situiertheit von
weniger mechanistisch als im Behaviorismus, weil Inhalten und Aufgaben sicherstellen, multiple Per-
man dem Menschen auch zielgerichtetes Handeln spektiven berücksichtigen, eigene Erfahrung und Re-
und Problemlösen und nicht nur reaktives Verhalten flexion anregen und Anlässe zum sozialen Austausch
unterstellt. Kennzeichnend ist aber auch hier die geben (Reusser, 2006). Wissen ist für den Konstrukti-
Suche nach berechenbaren Beziehungen und Regeln vismus eine individuelle und soziale Konstruktions-
innerhalb von und zwischen kognitiven Prozessen. leistung des Menschen. Forschungsmethodisch kon-
Der Lernende hat eine aktive Rolle, ist aber nicht zentriert man sich konsequenterweise auf Feldstudien
selbsttätig. Die Lehrenden nämlich bereiten Inhalte mit teilnehmender Beobachtung und interpretative
und Probleme didaktisch auf, um den Informations- Verfahren, mit dem Ziel, komplexe Phänomene
verarbeitungsprozess zu erleichtern; sie haben die besser zu verstehen. Anthropologisch betrachtet gilt
„Problemhoheit“ und bestimmen weitgehend, was der Mensch im Konstruktivismus als Erschaffer
wie gelernt wird. Das Kommunikationsverhältnis ist seiner eigenen Realität, als „Welterzeuger“, der nicht
bidirektional, ohne dass aber Lehrende und Lernende nur reagiert oder Informationen verarbeitet, sondern
tatsächlich gleichberechtigte Rollen haben (Baum- gestaltend in seine Umwelt eingreift und diese ver-
gartner et al., 2004). Anders als im Behaviorismus ändert. Da Lehren und Lernen als unterschiedliche
steuert der Lehrende den Output allerdings nicht Systeme gelten, die allenfalls lose miteinander ge-
über die Gestaltung von Reizen und Konsequenzen, koppelt sind, erscheint Lehren als direkte Vermittlung
sondern durch tutorielle Unterstützung. wenig sinnvoll. Der aktive Part liegt eindeutig beim
Lernenden, sodass die Rolle des Lehrenden nur mehr
Der
Kogni=vismus
betrachtet
Lernen
als
einen
men-‐ darin bestehen kann, Lernaktivitäten anzustoßen und
! talen
Prozess,
der
ähnlich
wie
die
Informa=onsverar-‐
beitung
im
Computer
abläuR
und
zu
Wissensreprä-‐
Lernende bei der Identifikation und Lösung von
komplexen Problemen zu unterstützen – entweder
senta=onen
im
Gehirn
führt. direkt durch soziale Interaktion oder indirekt durch
die Gestaltung von Kontexten. Als Coach hat der
Der
KonstrukNvismus
und
die
Vorstellung
vom
Men-‐ Lehrende im Vergleich zum Lernenden zwar einen
schen
als
Welterzeuger
Erfahrungsvorsprung; die Zusammenarbeit aber wird
Es gibt verschiedene, alte und neuere, Varianten des als gleichberechtigt betrachtet. Das Kommunikations-
Konstruktivismus mit Bezug zur Erkenntnistheorie, verhältnis ist demnach nicht nur bidirektional,
Evolutionstheorie, Neurobiologie, Gehirnforschung, sondern ausgewogen (Baumgartner et al., 2004).
Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Wissens-
soziologie, Kognitionsforschung etc. (vgl. Pörksen, Im
Konstruk=vismus
gilt
Lernen
als
ak=ver
und
auto-‐
2001). Gemeinsam ist ihnen allen die Auffassung,
dass sich Realität nicht objektiv wahrnehmen, be-
! poie=scher
Konstruk=onsvorgang,
der
durch
Kontexte
und
komplexe
Probleme
allenfalls
angeregt
oder
ge-‐
schreiben und erklären lässt und folglich weder direkt stört
werden
kann.
noch voraussetzungsfrei erkannt werden kann.
Vielmehr beruhe jeder Wahrnehmungs-, Erkenntnis- Der
KonnekNvismus
und
die
Vision
vom
Leben
und
und Denkprozess auf den Konstruktionen eines Be- Lernen
in
Netzwerken
obachters. Es interessiert daher weniger, was „wahr“ Ob der Konnektivismus ebenfalls eine eigene Lern-
ist (weil sich das gar nicht feststellen lässt), sondern theorie darstellt, ist höchst umstritten. Eine der
eher, was sich als nützlich bzw. viabel erweist (von Hauptthesen des Konnektivismus besteht darin, dass
Glasersfeld, 1996). Für den Konstruktivismus ist der sich Lernen als ein selbstorganisierter Prozess in
menschliche Organismus ein System, das zwar ener- Netzwerken vollzieht und allem voran darin besteht,
getisch offen und mit der Umwelt strukturell ge- Verbindungen herzustellen. Damit verlagert sich das
koppelt ist. Er ist aber gleichzeitig informationell ge- Interesse von den innerpsychischen Abläufen einer
schlossen, sodass unser Gehirn nur auf die bereits Person auf das, was diese in realen oder virtuellen
verarbeitete und interpretierte Information von Netzwerken, bestehend aus Personen und Artefakten
außen reagiert (Autopoiesis). Lernen ist folglich bzw. Informationsquellen (verteiltes Wissen), macht
ebenfalls ein aktiver, aber zudem ein autopoietischer (vgl. Moser, 2008). Zugrunde liegt die gegenwärtige
Vorgang, der von außen nur angeregt oder gestört Beobachtung, dass Menschen in einer stark techni-
werden kann. Vertreter des pädagogisch-didakti- sierten und mediatisierten Welt eher neue Zusam-
schen („neuen“) Konstruktivismus postulieren vor menhänge herstellen als genuin Neues konstruieren.
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5. Didak=sches
Design.
Von
der
Lerntheorie
zur
Gestaltungsstrategie)
—
5
Eine eher normative Forderung des Konnektivismus weise ist die programmierte Instruktion eine Aus-
ist, nicht mehr nur durch eigene Erfahrung zu lernen koppelung aus dem behavioristischen Paradigma und
und Wissensinhalte per se zu erwerben, sondern in kann einen z.B. bei der Gestaltung eines Computer-
einer sich rasch ändernden Welt Entscheidungen zu Based Trainings zum Vokabellernen unterstützen.
treffen (was bereits als Lernakt gilt), Verbindungen Die Elaborationstheorie stammt aus dem kogniti-
zwischen Wissensbereichen zu erkennen und dazu in vistischen Paradigma und liefert Vorschläge, wie man
Netzwerken zu partizipieren (Bernhardt & Kirchner, Lerninhalte in einer bestimmten Form anordnet und
2007). Während sich Behaviorismus, Kognitivismus aufbereitet. Problemorientierte Modelle wie die An-
und Konstruktivismus wissenschaftstheoretisch re- chored Instruction o d e r Goal-based Scenarios
lativ deutlich positionieren lassen, ist dies beim Kon- schließlich werden gemeinhin dem konstruktivisti-
nektivismus schwer und in der Literatur nicht explizit schen Paradigma zugeordnet und geben Anregungen
aufgearbeitet. Während der Mensch im Konstrukti- dafür, wie man komplexe Lernumgebungen u.a. nar-
vismus als Erschaffer und Gestalter seiner eigenen rativ gestalten kann. Doch selbst diese Modelle
Realität gilt, hat er im Konnektivismus als Teil eines liefern in der Regel keine Anleitungen, wie man be-
Netzwerkes nur mehr Gestaltungsmacht auf Form stimmte Inhalte auswählt und aufbereitet, Instruk-
und Ausprägung neuer Verbindungen. Die ablau- tionen und Aufgaben gestaltet, Feedback gibt etc. Sie
fenden Prozesse gelten als emergent und können in nehmen einem auch nicht die Grundsatzent-
der Folge kaum geplant oder von außen gesteuert scheidung ab, welchen Charakter eine Lernumgebung
werden. Eine wie auch immer geartete Vermittlungs- überhaupt haben sollte. Wie aber, so muss man
didaktik ist nicht möglich. Der aktive Part dürfte also fragen, kommt man dann zu einer Gestaltungsstra-
nicht bei dem, sondern bei den Lernenden liegen, tegie, wenn dies Lerntheorien nicht leisten können?
die sich im besten Fall gegenseitig unterstützen, vor
allem informell und voneinander sowie von den sie Lerntheorien
sind
keine
handlungsprak=schen
umgebenden Informationsquellen lernen. Ein Leh-
render scheint prinzipiell nicht nötig; allenfalls könnte
! Theorien,
aus
denen
sich
Regeln
für
didak=sche
Ent-‐
scheidungen
ableiten
lassen.
Sie
beeinflussen
aber
er-‐
ihm die Aufgabe obliegen, Netzwerke – für eine heblich
Lehr-‐/Lern-‐Auffassungen und
haben
entspre-‐
Kommunikation ohne Hierarchien – zu ermöglichen. chend
indirekte
Wirkungen
auf
das
Didak=sche
Design.
3. Ziele
als
Grundlage
für
didakNsche
Grundsatzent-‐
Nach
Auffassung
des
Konnek=vismus
ist
Lernen
ein scheidungen
! selbstorganisierter
Prozess
in
realen
oder
virtuellen
Netzwerken,
der
vor
allem
darin
besteht,
Verbin-‐ Lehrziele
als
Ausgangspunkt
im
didakNschen
Design
dungen
herzustellen. Wer eine technologiebasierte Lernumgebung ge-
stalten will, muss wissen, welchen Zweck sie erfüllen
Fazit:
Lerntheorien
und
ihre
Wirkung
im
DidakNschen soll und welche Ziele man damit unter welchen Be-
Design
dingungen erreichen will. Nur dann kann der didak-
Als Paradigmen sind Lerntheorien Orientierungs- tische Designer eine Idee vom Ganzen und darauf
ideale, mit denen man das Lernen erforschen kann. aufbauend eine Strategie entwickeln, die den Cha-
Sie bedingen die Sichtweise in der Forschung, legen rakter der Lernumgebung prägt. Lerntheoretische
Forschungsfragen nahe und blenden andere aus, Kenntnisse sind hier weder ausreichend noch prak-
lenken Strategien und Methoden der Datenerhebung tisch besonders hilfreich. Entscheidend ist vielmehr
und -auswertung. In ihrer jeweiligen Hochzeit prägen zu klären, ob man etwa Lernende vor sich hat oder
Lerntheorien auch die Auffassung von Lernen und ansprechen will, die (a) sich einfach nur über be-
Lehren in der Praxis inklusive Welt- und Men- stimmte Inhalte informieren oder (b) sich Wissen an-
schenbild. Lerntheorien haben aus dieser Perspektive eignen oder (c) Kompetenzen zum Problemlösen er-
betrachtet eine große, aber diffuse Wirkung auf das werben oder (d) langfristig Expertise auf- oder aus-
Didaktische Design. Gleichzeitig sind sie keine hand- bauen wollen. Der Informationssuchende möchte
lungspraktischen Theorien, aus denen sich konkrete aufbereitete Inhalte, bringt womöglich wenig Zeit mit
didaktische Entscheidungen systematisch ableiten und will sich nicht in komplexe Dialoge verstricken.
lassen. Zwischen einer Lerntheorie und dem Handeln Lernende etwa in der Schule oder zu Beginn eines
in der Praxis liegen mindestens didaktische Modelle, Studiums haben den Anspruch, verständliche Infor-
die sich explizit oder auch nur implizit auf eine Lern- mationen und Hilfen zu erhalten, um sich Wissen an-
theorie beziehen (vgl. Reinmann, 2005): Beispiels- zueignen, das sie vor allem in Prüfungen brauchen.
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6. 6
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Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
In der Praxis : Eine Analogie für den Einstieg
Was
ist
wesentlich,
um
zu
einer
Gestaltungsstrategie
zu kennen:
Soll
der
Garten
der
Ruhe
und
Erholung
oder
Kindern
kommen?
Zum
Eins=eg
in
eine
Antwort
auf
diese
Frage zum
Spielen
dienen,
soll
er
das
Auge
erfreuen
oder
Ort
eines
könnte
ein
analoger
Gedanke
hilfreich
sein:
Wer
einen neuen
Hobbys
werden?
Ist
der
Garten
groß
oder
klein,
Garten
anlegen
will,
braucht
erst
einmal
eine
Idee
vom schamg
oder
sonnig?
Was
soll
er
kosten
und
wie
viel
Ganzen.
Notwendig
ist
außerdem
ein
Mindestmaß
an
Wissen Aufwand
darf
er
in
der
Pflege
machen?
Ist
der
Gärtner
ein-‐
über
verschiedene
Pflanzen
und
deren
Ansprüche
z.B.
an fallslos,
wird
er
machen,
was
der
Mainstream
hergibt.
Ist
er
Boden,
Licht
und
Temperatur.
Botanisches
Wissen
allein
aber gedankenlos,
wird
er
den
Mainstream
ebenfalls
reprodu-‐
genügt
nicht,
um
zu
einem
zufriedenstellenden
Ergebnis
zu zieren,
ohne
dass
ihm
das
bewusst
ist.
Versteht
er
dagegen
kommen,
denn:
Ein
Garten
entsteht
üblicherweise
nicht sein
Handwerk,
plant
er
bewusst
und
eigenständig
sowie
mit
einfach
so,
sondern
mit
bes=mmten
Zielen
unter
be-‐ präzisem
Blick
auf
Ziele
und
Gegebenheiten.
s=mmten
Bedingungen.
Genau
die
muss
der
Gärtner
Chancen
und
Grenzen
von
Lehrzieltaxonomien
Lernende, die bereits einen Beruf oder andere Auf-
gaben vor sich sehen, erwarten von einem Lernan- Eine Taxonomie ist ein Klassifikationsschema, mit
gebot die Möglichkeit, sich auszuprobieren, ihr dem man Gegenstände, Prozesse oder Phänomene
Wissen anzuwenden und Probleme damit lösen zu systematisch nach einheitlichen Regeln oder Prin-
können. Der angehende oder schon ausgebildete Ex- zipien ordnet. Eine Lehrzieltaxonomie ist also ein
perte dagegen ist an Details und Spezialwissen seiner Klassifikationsschema, um Lehrziele zu ordnen. Ein
Peers interessiert, will sich austauschen und lernen, mögliches Ordnungskriterium ist der Abstrakti-
indem er an seinem Fachgebiet mitarbeitet. Es sind onsgrad von Lehrzielen: In dem Fall kann man z.B.
genau diese Lernziele inklusive der Rahmenbedin- konkrete von abstrakten Lehrzielen trennen. Ist das
gungen (Größe und Eigenschaft der Zielgruppe, Kriterium inhaltlich, dann unterscheidet man etwa
Umfang verfügbarer zeitlicher und anderer Res- fachliche von überfachlichen Lehrzielen. Das Kri-
sourcen etc.), die man explizit machen und analy- terium kann auch verschiedene Dimensionen des
sieren muss, um die ersten didaktischen Entschei- Lernens heranziehen und kognitive, emotional-moti-
dungen treffen zu können, die eine Lernumgebung vationale und motorische Lehrziele postulieren. In-
für weitere Detailentscheidungen rahmen. nerhalb einer Lehrzielkategorie (z.B. der kognitiven)
In der Hand der Gestalter/innen des didaktischen wird sehr häufig das Kriterium Schwierigkeits- oder
Designs werden Lernziele zu Lehrzielen. Da das Komplexitätsgrad herangezogen. Manche Lehrziel-
Lernen der Grund allen Lehrens ist (oder zumindest taxonomien kombinieren zwei Ordnungskriterien
sein sollte), ist der Gedanke nicht abwegig, den Be- und kommen auf diesem Wege zu einer Matrix. Das
griff der Lernziele dem der Lehrziele vorzuziehen. klassische Beispiel unter den Lehrzieltaxonomien ist
Allerdings kann man weder davon ausgehen, dass die Taxonomie von Bloom und Mitarbeitern, die be-
Lernende alle Lehrziele als eigene Lernziele über- reits in den 1950er Jahren entwickelt wurde und zwi-
nehmen, noch kann man als Lehrender wirklich schen kognitiven, affektiven und psychomotorischen
genau wissen, was die innersten Ziele der Lernenden Lehrzielen differenziert. Am umfangreichsten ausge-
im Einzelnen sind (Klauer & Leutner, 2007). Lehr- arbeitet wurde der Bereich der kognitiven Lehr-
ziele mögen als Begriff „autoritärer“ klingen, be- ziele: Hier werden sechs Klassen von Lehrzielen un-
zeichnen aber besser, worum es beim Didaktischen terschieden, die hierarchisch (nach Schwierigkeitsgrad
Design tatsächlich geht. Die oben verwendeten Be- und Komplexität) aufeinander aufbauen: Kenntnisse,
griffe wie Information, Wissen, Kompetenz und Ex- Verständnis, Anwendung, Analyse, Synthese, Beur-
pertise, die in der Literatur allesamt umfangreich teilung (Bloom & Krathwohl, 1956). Tabelle 1 gibt
(wenn auch nicht einheitlich) präzisiert sind, können einen Überblick, wann diese Lehrziele als erreicht
eine erste Möglichkeit sein, um verschiedene Lehr- gelten können.
ziele grob zu unterscheiden. Für konkrete Gestal- 45 Jahre später haben Anderson und Krathwohl
tungsmaßnahmen aber ist das nicht ausreichend. Hier (2001) eine Revision der Taxonomie von Bloom vor-
bieten sich stattdessen verschiedene Lehrzieltaxo- gelegt. Dabei wurde die eindimensionale Taxonomie
nomien an. in zwei Dimensionen, nämlich „Wissen“ und „ko-
gnitive Prozesse“, aufgegliedert und zu einer Matrix
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7. Didak=sches
Design.
Von
der
Lerntheorie
zur
Gestaltungsstrategie)
—
7
Lehrziel Lehrziel
ist
erreicht,
wenn
der
Lernende
Kenntnisse Sachverhalte
beschreiben,
definieren
und
erinnern
kann.
Verständnis in
eigenen
Worten
Zusammenhänge
beschreiben,
Sachlagen
interpre=eren,
vergleichen
kann.
Anwendung Berechnungen
durchführen,
Regeln
anwenden,
Verbindungen
herstellen,
Schlussfolgerungen
ablei-‐
ten
kann.
Analyse die
Bestandteile
eines
Ganzen
erkennen
und
ihr
Zusammenwirken
durchschauen,
Problemquellen
finden
und
zwischen
Fakten
und
Schlussfolgerungen
unterscheiden
kann.
Synthese aus
vorgegeben
Bestandteilen
etwas
Neues
schaffen,
eine
Struktur
aupauen,
Prozeduren
entwi-‐
ckeln
oder
Lösungen
entwerfen
kann.
Beurteilung fundierte
Bewertungen
von
komplexen
Sachverhalten
vornehmen,
Urteile
fällen
und
die
effizien-‐
testen
Lösungswege
für
schwierige
Probleme
ermiDeln
kann.
Tabelle
1:
Kognitive
Lehrziele
nach
Benjamin
Bloom
kombiniert. Diese Matrix bezieht sich ausschließlich tionellen Kontext kaum vermeidbaren Prüfungen
auf den Bereich der Kognition; die ursprünglich (Assessment) in die didaktischen Überlegungen mit
ebenfalls aufgenommenen affektiven und motori- einzubeziehen. Nur wer die Ziele klar formuliert hat,
schen Lehrziele fallen in der revidierten Fassung weg. kann auch valide Assessment-Formen gestalten, die
Die kognitiven Prozesse werden in Verbform be- zu einer Lernumgebung passen.
schrieben und repräsentieren von links nach rechts Als Alternative zu klassischen Lehrzieltaxonomien
wiederum eine steigende Komplexität (siehe Tabelle werden mitunter Lernzieltypen empfohlen (Oser &
2). Das Wissen erhält als eigene Dimension weitere Patry, 1990). Diese unterscheiden sich von klassi-
Unterkategorien, die ein Kontinuum vom Fakten- schen Lehrzielen dadurch, dass sie weder hierarchisch
wissen zum metakognitiven Wissen (Wissen über das oder nach Dimensionen des Lernens klassifiziert
eigene Wissen) bilden. werden noch der Zweiteilung in eine Inhalts- und
Lehrzieltaxonomien können eine große Hilfe für die Verhaltenskomponente folgen; auch auf eine Opera-
Planung eines Lernangebots sein: Wer als didakti- tionalisierung wird verzichtet. Jeder Lernzieltyp ist
scher Designer eine Liste oder Matrix verschiedener einer bestimmten Lernform zugeordnet und bildet
Lehrziele vor sich hat, wird sich leichter bewusst, was mit dieser ein Basismodell. Ein Beispiel für ein
mit einer Lernumgebung erreicht werden soll, welche solches Basismodell ist das Lernen durch Eigener-
Erwartungen unrealistisch sind und an welche Mög- fahrung und entdeckendes Lernen, bei dem sich
Lernende Erfahrungswissen aneignen. Ein zweites
Mit
einer
Lehrzieltaxonomie
ordnet
man
Lehrziele, Beispiel ist die Begriffs- und Konzeptbildung, bei der
! opera=onalisiert
diese
und
erleichtert
die
Kon-‐
struk=on
geeigneter
Assessment-‐Formen.
es um den Aufbau von Fakten, Sachverhalten und
vernetztem Wissen geht. Ein drittes Beispiel stellen
Routinebildung und Training von Fertigkeiten mit
dem Ziel der Automatisierung dar.
lichkeiten man noch gar nicht gedacht hat. Handelt es
sich um ein Lernangebot, das im Rahmen einer Bil-
dungsinstitution durchgeführt werden soll, helfen
Lehrzieltaxonomien außerdem dabei, die im institu-
Dimension
kogniNve
Prozesse
Dimension
Wissen Erinnern Verstehen Anwenden Analysieren Bewerten Erschaffen
Faktenwissen
Konzeptwissen
Prozesswissen
Metakogni=ves
Wissen
Tabelle
2:
Revision
der
Bloomschen
Taxonomie
nach
Anderson
und
Krathwohl
(2001)
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8. 8
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
4. Gestaltungsstrategie:
Von
der
Ausrichtung
zum
di-‐ S. 199 f.). Didaktische Szenarien liegen gewisser-
dakNschen
Szenario
maßen zwischen den hoch-abstrakten didaktischen
Ausrichtungen bzw. Formaten einerseits und didakti-
Ausrichtungen
und
Formate
einer
Lernumgebung
schen Methoden andererseits. Es gibt eine ganze
Ziele sind ein wichtiger Ausgangspunkt, um den Cha- Reihe von Versuchen, diese Szenarien (ähnlich wie
rakter bzw. die Ausrichtung einer Lernumgebung Lehrziele) nach didaktischen Dimensionen zu ordnen
festzulegen. Mit der Ausrichtung fallen Grund- (vgl. Baumgartner, 2006). Die resultierenden Taxo-
satzentscheidungen darüber, ob eine Lernumgebung nomien unterliegen im Falle des technologiege-
z.B. (a) vor allem instruktional orientiert und eher stützten Lernens in der Regel weniger stark lerntheo-
geschlossen oder (b) primär problemorientiert und retischen Einflüssen wie Formate, sind dafür aber
eher offen konzipiert ist oder (c) beides in unter- „anfälliger“ für den technologischen Wandel. Ende
schiedlichem Ausmaß kombiniert. Diese Unter- der 1990er Jahre schlagen Back et al. (1998) anhand
scheidung geht auf eine alte Kontroverse zwischen von distributiven, interaktiven und kollaborativen
David Ausubel und Jerome Bruner darüber zurück, Technologien eine relativ einfache Unterscheidung
wie rezeptiv versus aktiv (oder besser: produktiv) das folgender Szenarien vor: (a) ein lehrerzentriertes Sze-
Lernen erfolgt bzw. erfolgen sollte (Neber, 1987). Be- nario zur Informationsvermittlung, (b) ein lernerzen-
steht das Ziel vorrangig darin, rezeptives Lernen zu triertes Szenario zum Wissens- und Fertigkeitserwerb
fördern, konzentrieren sich Lehraktivitäten darauf, und (c) ein teamzentriertes Szenario zur Wissens-
Inhalte lerngerecht aufzubereiten und Lernende darin teilung und zum Problemlösen.
anzuleiten, sich diese anzueignen (darbietendes Ein relativ neuer Ordnungsvorschlag für didak-
Lehren nach Ausubel oder direkte Instruktion). Be- tische Szenarien postuliert folgende drei „Paar-Di-
steht das Kernziel dagegen darin, produktives mensionen“ mit jeweils drei Ausprägungen (Schul-
Lernen zu fördern, werden konstruktive Aktivitäten meister et al., 2008): (1) den Grad der Virtualität eines
wie Problemlösen in eigens gestalteten Kontexten Lernangebots und die Gruppengröße, für die sich das
wichtig (entdecken-lassendes Lehren nach Bruner Lernangebot eignet, (2) den Grad der Synchronizität
oder problemorientierte Förderung). Mitunter und der (Multi-)Medialität sowie (3) den Anteil von
werden solche typischen Konzeptionen bzw. Ausrich- Inhalt (Content) versus Kommunikation und den
tungen einer Lernumgebung auch als Formate be- Grad der Aktivität. Die Matrix aus jedem Dimen-
zeichnet, die sich in mehreren Dimensionen unter- sionen-Paar ergibt jeweils neun Szenarien. Tabelle 3
scheiden können: z.B. im Umgang mit Wissen (Re- verdeutlicht das Vorgehen am Beispiel des ersten Di-
zeption oder Anwendung), in der Steuerungsinstanz mensionen-Paars.
(Fremd- oder Selbststeuerung), in der Sozialform Bildet man für jedes Dimensionen-Paar eine
(Einzellernen oder kooperatives Lernen) etc. solche Kreuztabelle, lassen sich laut Schulmeister et
(Schnotz et al., 2004). Je mehr Dimensionen man an- al. (2008) prinzipiell alle Formen der Lehre damit er-
nimmt, deren Ausprägung variiert, umso mehr Kom- fassen. Die hohe Granularität der Taxonomie bezahlt
binationen sind möglich. Man kann sich also nicht man allerdings mit Unübersichtlichkeit, weshalb die
nur zwei, sondern sehr viele Formate konstruieren. Autoren empfehlen, sich auf den Grad der Virtua-
Dies führt letztlich zu verschiedenen didaktischen lität, der Synchronizität und die Gruppengröße mit je
Szenarien. zwei Ausprägungen zu konzentrieren, was in acht
Grundtypen mediendidaktischer Szenarien mündet.
Darbietendes
und
entdecken-‐lassendes
Lehren
sind Didaktische Taxonomien dieser Art wurden und
! zwei
typische
und
alt
bekannte
Ausrichtungen
bzw.
Formate,
die
verschiedene
Lernformen
fördern
und
werden primär dazu entwickelt, die Vielfalt, die man
in der technologiegestützten Bildungspraxis vor-
ebenso
verschiedene
Bezeichnungen
tragen. findet, beschreiben und einordnen zu können. Erst in
zweiter Linie eignen sie sich auch dazu, didaktische
DidakNsche
Szenarien
und
deren
Ordnung
Aktivitäten anzuregen, indem sie einen Überblick
über Beispiele geben oder als Vorbilder wirken,
Unter einem didaktischen Szenario versteht man ein sofern auch empirische Befunde oder praktische Er-
komplexes Bildungsarrangement, bestehend aus einer fahrungen zu einzelnen didaktischen Szenarien vor-
bestimmten Organisationsform (u.a. abhängig von liegen.
der Institution), einer konkreten Umgebung und
einer Lehr-/Lern-Situation, in der mehrere Lehrme-
thoden zum Tragen kommen (Schulmeister, 2006,
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9. Didak=sches
Design.
Von
der
Lerntheorie
zur
Gestaltungsstrategie)
—
9
Gruppengröße
Individuelles
Lernen Lernen
in
Gruppen Lernen
in
Großgruppen
Virtualität Präsenz z.
B.
Teleteaching z.
B.
virtuelles
Klassenzimmer z.
B.
Podcast
Integriert z.
B.
Aufgaben
im
LMS EnFällt z.B.
Tutoring
Virtuell z.
B.
Lernen
mit
Skript z.
B.
Live-‐Gruppenarbeit z.
B.
Webserver-‐Zugriff
Tabelle
3:
Kreuztabelle
aus
Virtualität
und
Gruppengröße.
Quelle:
Schulmeister
et
al.,
2008
Von
der
Lerntheorie
zum
didakNschen
Handeln
Formulieren
Sie
mindestens
zwei
Argumente,
warum
Der Weg von der Lerntheorie zum eigentlichen di-
daktischen Handeln ist weit: Lerntheorien öffnen ? es
rela=v
schwer
ist,
eine
konkrete
Lernumgebung
einem
lerntheore=schen
Paradigma
genau
zuzu-‐
dem Lehrenden die Augen dafür, was Lernen alles ordnen.
Welchen
Sinn
kann
eine
solche
Zuordnung
bedeuten kann, aus welchen Perspektiven sich Lernen haben?
betrachten lässt, welche vielfältigen Beschreibungs-
sprachen sich dafür eignen und welche Erklärungen
naheliegen, wenn man Lernen (wie auch das Aus- Die
Grenzen
zwischen
Formaten
bzw.
Ausrichtungen
bleiben von Lernen) nachvollziehen und beeinflussen ? einer
Lernumgebung
und
didak=schen
Szenarien
sind
fließend:
Wo
ziehen
Sie
die
Grenze
und
warum?
will. Im besten Fall helfen lerntheoretische Kennt-
nisse auch dabei, eigene implizit wirkende Lernauf-
fassungen zu entdecken und zu verhindern, dass sie Was
erhoffen
Sie
sich
von
lerntheore=schen
Kennt-‐
didaktische Entscheidungen unkontrolliert stören.
Allenfalls über Erkenntnisse aus der Forschung
? nissen
für
didak=sche
Entscheidungen
in
der
Praxis?
Hat
sich
Ihre
Antwort
darauf
verändert,
nachdem
Sie
mögen Lerntheorien auch eine Hilfe dabei sein, zu diesen
Text
gelesen
haben?
Wenn
ja,
in
welche
einer didaktischen Grundsatzentscheidung über die Richtung?
Ausrichtung einer Lernumgebung zu gelangen. Aus-
schlaggebend für letztere aber sind allem voran die Empfehlungen
zur
weiteren
Lektüre
Ziele des jeweiligen Lehrvorhabens, weshalb deren
Analyse so wichtig ist, wenn es darum geht, eine Ge- ! ▸ Klauer,
K.J.
&
Leutner,
D.
(2007).
Lehren
und
Lernen.
Einführung
in
die
Instruk=onspsychologie.
staltungsstrategie zu erarbeiten. Die konkreten Ziele Weinheim:
Beltz.
sind letztlich auch ausschlaggebend, welches didak- ▸ Reinmann,
G.
(2010).
Studientext
Didak=sches
tische Szenario man wählt bzw. zu welchem didakti- D e s i g n .
M ü n c h e n .
U R L :
h D p : / / l e r n e n -‐
schen Szenario man gelangt. Lehrzieltaxonomien unibw.de/sites/default/files/Studientext_DD_April
10.pdf
bieten hierfür eine systematisierende Hilfe, haben al- ▸ Schulmeister,
R.
(2006).
eLearning:
Einsichten
und
lerdings auch den Nachteil, dass sie sich relativ ein- Aussichten.
München:
Oldenbourg.
seitig auf kognitive Ziele konzentrieren und damit
andere womöglich verdrängen. Auch Lehrzieltaxo-
Literatur
nomien sind oft lerntheoretisch geprägt. Didakti-
schen Szenarien sowie didaktische Taxonomien ▸ Anderson, L.W. & Krathwohl, D.R. (2001). A taxonomy for
können als Vorbild oder als kreativer Impuls wirken, learning, teaching, and assessment. A revision of Bloom´s ta-
weshalb deren Kenntnis das didaktische Handeln er- xonomy of educational outcomes. New York: Longman.
leichtern kann. ▸ Back, A.; Seufert, S. & Kramhöller, S. (1998). Technology
enabled Management Education – Die Lernumgebung MBE
Genius im Bereich Executive Study an der Universität St.
Schreiben
Sie
die
wich=gsten
S=chpunkte
heraus,
mit Gallen. io Management, 21(3), 36–42.
? denen
man
verschiedene
Lerntheorien
kennzeichnen
kann,
und
stellen
Sie
diese
in
einer
Tabelle
zusammen:
▸ Bandura, A. (1977). Social learning theory. Englewood Cliffs:
Prentice Hall.
In
welchen
Dimensionen
unterscheiden
sie
sich?
Wie
sind
Sie
auf
Ihre
Dimensionen
gekommen? ▸ Baumgartner, P. & Payr, S. (1999). Lernen mit Software. Inns-
bruck: Studien-Verlag.
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10. 10
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
▸ Baumgartner, P. (2006). E-Learning-Szenarien. Vorarbeiten zu ▸ Pörksen, B. (2001). Die Gewissheit der Ungewissheit. Ge-
einer didaktischen Taxonomie. In: E. Seiler Schiedt; S. Kälin & spräche zum Konstruktivismus. Heidelberg: Carl-Auer-
C. Sengstag (Hrsg.), E-Learning – alltagstaugliche Innovation?, Systeme.
Münster: Waxmann, 238-247. ▸ Reinmann, G. (2005). Blended Learning in der Lehrerbildung.
▸ Baumgartner, P.; Häfele, H. & Maier-Häfele, K. (2004). Grundlagen für die Konzeption innovativer Lernumgebungen.
Content Management Systeme in e-Education. Innsbruck: Stu- Lengerich: Pabst.
dienverlag. ▸ Reusser, K. (2006). Konstruktivismus – vom epistemologischen
▸ Bernhardt, T. & Kirchner, M. (2007). E-Learning 2.0 im Leitbegriff zur Erneuerung der didaktischen Kultur. In: M.
Einsatz – „Du bist der Autor!“ – Vom Nutzer zum WikiBlog- Baer; M. Fuchs; P. Füglister; K. Reusser & H. Wyss (Hrsg.), Di-
Caster. Boizenburg: Hülsbusch. daktik auf psychologischer Grundlage. Von Hans Aeblis kogni-
▸ Bloom, B.S. & Krathwohl, D.R. (1956). Taxonomy of educa- tionspsychologischer Didaktik zur modernen Lehr-Lernfor-
tional objectives: The classification of educational goals, by a schung, Bern: hep, 151-168.
committee of college and university examiners. Handbook I: ▸ Rey, G.D. (2009). E-Learning. Theorien, Gestaltungsempfeh-
Cognitive Domain. New York: Longmans, Green. lungen und Forschung. Bern: Huber.
▸ Bodenmann, G.; Perrez, M.; Schär, M. & Trepp, A. (2004). ▸ Schnotz, W.; Eckhardt, A.; Molz, M.; Niegemann, H.M. &
Klassische Lerntheorien. Grundlagen und Anwendungen in Hochscheid-Mauel, D. (2004). Deconstructing instructional
Erziehung und Psychotherapie. Bern: Huber. design models: Toward an integrative conceptual framework
▸ Glasersfeld, von E. (1996). Radikaler Konstruktivismus. Idee, for instructional design research. In: H. Niegemann; D. Leutner
Ergebnisse, Probleme. Frankfurt am Main: Suhrkamp. & R. Brünken (Hrsg.), Instructional design for multimedia
▸ Klauer, K.J. & Leutner, D. (2007). Lehren und Lernen. Ein- learning, Münster: Waxmann, 71-90.
führung in die Instruktionspsychologie. Weinheim: Beltz. ▸ Schulmeister, R. (2006). eLearning: Einsichten und Aussichten.
▸ Moser, H. (2008). Einführung in die Netzdidaktik. Lehren und München: Oldenbourg.
Lernen in der Wissensgesellschaft. Baltmannsweiler: Schneider ▸ Schulmeister, R.; Mayrberger, K.; Breiter, A.; Fischer, A.;
Verlag Hohengehren. Hofmann, J. & Vogel, M. (2008). Didaktik und IT-Service-Ma-
▸ Neber, H. (1987). Problemlösen und Instruktion. Psychologie nagement für Hochschulen. URL:
in Erziehung und Unterricht, 34, 241-246. http://www.mmkh.de/upload/dokumente/Referenzrahmen_
▸ Oser, F. & Patry, J.-L. (1990). Choreographien unterrichtlichen Qualitaetssicherung_elearning_April09.pdf [04-07-2010].
Lernens. Basismodelle des Unterrichts. Berichte zur Erzie- ▸ Skinner, B.F. (1954). The science of learning and the art of tea-
hungswissenschaft Nr. 89. Freiburg (Schweiz): Pädagogisches ching. American Psychologist, 11, 221-233.
Institut der Universität Freiburg. ▸ Watson, J.B. & Rayner, R. (1920). Conditioned emotional reac-
tions. Journal of Experimental Psychology, 3, 1-14.
Schnupperversion
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