Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Stern: Online-Ticketing – Rechtliche Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Aspekte des Online-Ticketing
1. M Recht der neuen Medien
M12
Online-Ticketing
Rechtliche Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Aspekte des
Online-Ticketing
Dr. Michael Peter Stern
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informationsrecht der Universität
Karlsruhe (TH)
Inhalt Seite
1. Einführung, Begriffsklärung und Übersicht 3
2. Die einzelnen Arten von Online-Tickets 4
2.1 Postalisch versandte oder persönlich ausgehändigte Karten auf
Online-Bestellung 4
2.2 Vom Zwischenhändler online ausgedruckte Tickets 5
2.3 Tickets zum Selbstausdrucken am Veranstaltungsort 5
2.4 Print-at-home-Tickets 6
2.5 Elektronische Tickets 7
3. Einmal Ticket hin und zurück 8
3.1 Zustandekommen des Ticketkaufvertrags und des
Veranstaltungsvertrags 8
3.2 Besondere Informationspflichten 10
3.3 Erwerb und Verlust des Eigentums an Tickets 11
3.4 Zahlungsweise und Preisgestaltung 13
3.5 Was ist, wenn es das versprochene Ticket nicht (mehr) gibt? 13
3.6 Was geschieht, wenn die verbriefte Leistung nicht (mehr)
erbracht werden kann? 14
3.7 Widerruf 14
3.8 Gewährleistungsrechte 15
3.9 Anfechtung 16
3.10 Anspruch auf Auflösung des Ticketkaufvertrags aus c.i.c.? 17
3.11 Haftung bei Verkehrspflichtverletzung 17
3.12 Rechtliche Stellung und Verantwortlichkeit von Zwischenhändlern,
System- und Portalbetreibern sowie Vermietern von
Veranstaltungsräumen 18
4. Besonderheiten bei zusätzlichen Leistungen 20
4.1 Transfer 21
4.2 Verköstigung und Übernachtung 23
4.3 Verwahrung von Gepäck und Garderobe, Parkhausticket 23
4.4 Reiserücktrittsversicherung 24
M
5. Datenschutz 24 12
5.1 Abfrage und interne Speicherung von Kundendaten 25 S. 1
26 Kultur & Recht November 2004
2. M Recht der neuen Medien
M12
5.2 Weitergabe von Kundendaten 27
5.3 Kundendaten auf Tickets 28
5.4 Pflicht zur Vorlage von Ausweispapieren 28
6. Anwendbares Recht und prozessuale Fragen 29
6.1 Anwendbares Recht 29
6.2 Gerichtliche Zuständigkeit 32
6.3 Statthaftigkeit des Urkundsprozesses? 33
7. Zusammenfassung 33
Checkliste 1: Besondere Informationspflichten 10
Checkliste 2: Print-at-home oder doch besser klassisch? 34
M
12
S. 2
26 Kultur & Recht November 2004
3. M Recht der neuen Medien
M12
1. Einführung, Begriffsklärung und Übersicht
Die Zeit langer Schlangen vor Kinokassen und anderer Ticket-Verkaufsstellen
dürfte bald zu Ende sein, da immer mehr Veranstalter die Eintrittskarten auch
über das Internet anbieten. Das Internet wird dabei in funktioneller Hinsicht
unterschiedlich eingesetzt. Teilweise werden über das Internet nur Informationen
zu Veranstaltungen geboten, manchmal zusätzlich die Tickets online verkauft,
dann aber offline übergeben (Stufe 1, unten 2.1). Andere Veranstalter gehen noch
einen Schritt weiter und ermöglichen den Ticketdruck bestimmten Zwischen-
händlern oder den Kunden selbst über spezielle Ticketdrucker am Veranstal-
tungsort (Stufe 2, unten 2.2 und 2.3). Nur selten ermöglichen Veranstalter ihren
Kunden sogar den Ausdruck der Tickets am heimischen PC (Stufe 3, unten 2.4).
Diese Form des Ticketvertriebs ist sowohl im Hinblick auf die Fälschungssicher-
heit als auch in wertpapierrechtlicher Hinsicht nicht unproblematisch. Noch in
vollem Gange ist die technische Entwicklung vollständig elektronischer Tickets,
die ohne Papier auskommen und z.B. auf dem Handy oder der Kreditkarte des
Käufers gespeichert werden können (Stufe 4, unten 2.5). Durch die große Ver-
breitung elektronischer Speichermedien sind jedoch bereits die grundlegenden
Rahmenbedingungen geschaffen worden, die diese neue Ticketform benötigt, um
sich durchsetzen zu können.
Unter „Online-Ticketing“ wird gemeinhin der Verkauf von Einlass- oder Fahr-
karten über das Internet verstanden. Es handelt sich in Deutschland um keinen
feststehenden Rechtsbegriff. Weder erscheint er in einem Gesetz, noch wurde er
bisher von der Rechtsprechung oder Literatur aufgegriffen und zu definieren
versucht. Entsprechend der eingangs beschriebenen unterschiedlichen Einsatz-
möglichkeiten des Internet beim Ticketverkauf umfasst der Begriff verschiedene
Vertriebsformen (Stufen 1-4). Da in der Praxis die beiden ersten Stufen des On-
line-Ticketing noch die größte Rolle spielen, es aber absehbar ist, dass sie von
den Stufen 3 und 4 bald in den Schatten gestellt werden, setzt sich dieser Beitrag
mit Rechtsproblemen aller Stufen auseinander. Darüber hinaus weist der Beitrag
auf ökonomisch wichtige Gesichtspunkte hin, die in der Zusammenschau mit den
rechtlichen Ausführungen die Entscheidung für oder gegen eine Online-
Vertriebsform erleichtern sollen. Die Untersuchung beschränkt sich zunächst auf
Eintrittskarten (unten 2.) und erläutert deren Rechtsnatur. Danach werden die
einzelnen Schritte des Ticketerwerbs rechtlich analysiert und gezeigt, welche
Ansprüche aus dem Ticketvertrag resultieren können sowie welche Möglichkei-
ten bestehen, sich vom Vertrag zu lösen (unten 3.). Da häufig mit dem Erwerb
eines Tickets über den bloßen Eintrittsanspruch hinaus weitergehende Ansprüche
(z.B. auf Reiseleistungen) erworben werden, ergeben sich auch zahlreiche
Rechtsfragen bezüglich derart verbundener Leistungen (unten 4.). Anschließend
werden die besonderen datenschutzrechtlichen Anforderungen an das Online-
Ticketing erläutert (unten 5.), bei dem anders als beim Kartenverkauf am Schalter
häufig Kundendaten erfasst und gespeichert, teilweise sogar auf Tickets gedruckt
werden. Schließlich beleuchtet der Beitrag die beim grenzüberschreitenden Ti- M
cketing auftretenden Fragen des internationalen Privatrechts sowie Fragen des 12
nationalen und internationalen Prozessrechts (unten 6.). S. 3
26 Kultur & Recht November 2004
4. M Recht der neuen Medien
M12
2. Die einzelnen Arten von Online-Tickets
2.1 Postalisch versandte oder persönlich ausgehändigte
Karten auf Online-Bestellung
Diese schlichteste Form des Online-Ticketing ist wohl noch immer die beliebte-
ste. Sie unterscheidet sich von den später dargestellten Formen vor allem darin,
dass die Tickets grundsätzlich zentral hergestellt und nicht von mehreren Stellen
parallel erzeugt werden. Derartige „klassische“ Tickets sind echte Wertpapiere,
also Urkunden, die ein privates Recht in der Weise verbriefen, dass eine unmit-
telbare Verknüpfung zwischen verbrieftem Recht und Papier entsteht und das
Recht ohne die Urkunde nicht ausgeübt werden kann. Unter einer Urkunde ver-
steht man insoweit jede schriftliche Verkörperung einer Gedankenäußerung, auch
wenn diese nur aus den Gesamtumständen unter Zugrundelegung der Verkehrsan-
schauung zu entnehmen ist. Auch Tickets, die keine Unterschrift tragen, sind
daher Wertpapiere, wenn die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen.
Klassische Tickets können verschiedenen Wertpapiergattungen angehören:
- Häufig sind Eintrittskarten als Inhaberpapiere i.S.d. § 807 BGB ausgestaltet.
Wenn der Wert der verbrieften Forderung – wie häufig bei Tickets – relativ
klein ist, spricht man auch von „kleinen Inhaberpapieren“. Wegen der zumeist
nur unvollständigen Angabe des Leistungsversprechens sind auch die Begrif-
fe „unvollkommene Inhaberpapiere“ und „Inhaberzeichen“ für Eintrittskarten
gebräuchlich. Derartige Tickets werden weitgehend wie Inhaberschuldver-
schreibungen behandelt. Ihre Übereignung erfolgt also wie die beweglicher
Sachen nach §§ 929 ff. BGB. Es gelten damit auch die Regeln über den gut-
gläubigen Erwerb gemäß §§ 932 ff. BGB und §§ 366 f. HGB. Das Recht aus
dem Papier folgt dann dem Recht am Papier. Nicht anwendbar ist gemäß
§ 807 BGB das in § 793 Abs. 2 BGB enthaltene besondere Formerfordernis
für Inhaberschuldverschreibungen.
- In manchen Fällen sind Eintrittskarten als qualifizierte Legitimationspapiere
nach § 808 BGB ausgestaltet. Dies ist dann der Fall, wenn der Aussteller nur
einer bestimmten Person gegenüber verpflichtet sein will, die nicht unbedingt
namentlich bezeichnet sein muss (z.B. den Mitgliedern eines Fördervereins
oder Fanclubs gegenüber). In letzterem Fall spricht man von unbenannten
Legitimationspapieren. Der Schuldner kann bei qualifizierten Legitimations-
papieren aber mit befreiender Wirkung (Liberationswirkung) an den nichtbe-
rechtigten Papierinhaber leisten, ohne dass der nichtberechtigte Inhaber da-
durch gegenüber dem Berechtigten legitimiert würde. Daher sprechen manche
auch von „hinkenden Inhaberpapieren“. Diese nehmen eine Zwischenstellung
zwischen den Inhaber- und den Namens-/Rektapapieren ein. Ihre Übertragung
M erfolgt wie bei reinen Namens-/Rektapapieren nicht nach den sachenrechtli-
12 chen Vorschriften in §§ 929 ff. BGB, sondern nach den Abtretungsregeln in
S. 4 §§ 398 ff. BGB. Das Eigentum am Papier folgt dem verbrieften Recht, § 952
26 Kultur & Recht November 2004