Ohde, Brendler-Lodigkeit: Steuerliche Aspekte im Hospitality- Bereich, Teil 2
Markus Beecken: Freiräume schaffen Rationalisierungen am Theater als Chance für Perspektiven
1. E 1.5
Freiräume schaffen
Rationalisierungen am Theater als Chance für Perspektiven
Dipl.-Kfm. Markus Beecken
Die vergleichsweise hohen Kosten im Kulturbereich führen zu vergleichsweise höheren Preisen
und damit verbunden zu einem Rückgang der Nachfrage nach Kulturleistungen, was zu einer kon-
tinuierlichen Verkleinerung des Kunst- und Kultursektors und im Extremfall zu seinem langfristi-
gen Aussterben führe. Diese These von Baumol ist – vielleicht sogar vor allem – relevant für den
Theaterbereich. Folglich gilt es, diese logische Folge zu durchbrechen. Ein unterschätzter, da
nachteilig belegter Ansatz sind Rationalisierungsmöglichkeiten, die es naturgemäß an jedem Thea-
ter gibt. Doch mangelt es häufig schon an der Bereitschaft, derlei Vorschläge überhaupt einmal zu
diskutieren. Doch erst Kenntnis und Umsetzungsbereitschaft von Rationalisierungsmöglichkeiten
schaffen betriebseigene Freiräume und eröffnen Perspektiven – beides sollte also umfassend und
möglichst ideologiefrei vorhanden sein.
Gliederung Seite
1. Kostenkrankheit und andere Leiden der Theater 2
2. Rationalisierungsansätze am Theater 3
2.1 Substitution von Arbeit durch Kapital 4
2.2 Technischer Fortschritt 7
2.3 Skaleneffekte 10
2.4 Reduzierung von X-Ineffizienz 14
2.5 Kooperationen 18
3. Fazit 21
1
2. E 1.5 Organisation und Personal
Aufbau- und Ablauforganisation
1. Kostenkrankheit und andere Leiden der
Theater
Wachsender Dass Kulturländer wie Deutschland, Österreich oder die Schweiz wei-
Legitimationsdruck terhin einen Buchmarkt brauchen und Literatur wichtig für die Gesell-
schaft ist, scheint außer Frage zu stehen. Das Theater hingegen ist
keineswegs mehr selbstverständlich ein Ort der Identitätsbildung. Vor
allem im Zuge der Sparszenarien, die die Länder und Kommunen
kreieren, sehen die (öffentlichen) Theater sich einem zunehmend star-
ken Legitimationsdruck ausgesetzt. Zeitweise werden sie nur noch im
Rahmen von Spardebatten als Institution wahrgenommen.1
In den letzten Jahren hat sich die Personalstruktur der Theater drama-
tisch verändert. Schrumpfende Etats hatten einen Stellenabbau im
künstlerischen Bereich zur Folge. Vor allem kleine Theater stemmen
ihre Spielpläne inzwischen mit merklich kleineren Ensembles und
bestücken diese mit immer mehr jungen (günstigeren) Kollegen.2
Zwischen Die Aufgabe der Theater ist freilich ein künstlerischer, nicht ein öko-
künstlerischem und nomischer Erfolg. Dennoch gilt auch für das Theater, dass es an die
ökonomischem Erfolg Geld- und Güterströme der Wirtschaft angeschlossen ist. Rein formal
gilt ebenfalls das Prinzip, dass mit gegebener Ressourcenausstattung
Nutzen maximiert bzw. ein bestimmter Nutzen mit möglichst geringen
Mitteln erreicht werden soll. Angesichts der Schwierigkeit, künstleri-
sche Leistungen und ihre Wirkungen zu bewerten, lassen sich kaum
Kriterien für eine nachhaltige Umstrukturierung entwickeln, selbst
wenn man die klassische ökonomische Analyse einer Balancierung
von Angebots- und Nachfragebeziehungen verfolgt. Dies ist besonders
schwierig, da die Angebots- und Nachfragestruktur, das heißt Kosten
und Erträge, von einer Vielzahl für jedes Theater spezifischer Bedin-
gungen abhängen, wie beispielsweise der Größe, Struktur und der
Lage der Stadt und des Einzugsbereichs, der Produktions- und Be-
triebsstruktur (Ein-/Mehrspartenbetrieb), der Besucherstruktur und
Besuchsfrequenz sowie des Angebotspotenzials.3
Die Aufführung eines Stückes vor Publikum stellt als Dienstleistung
immaterieller Art eine absetzbare Leistung dar. In ihr fallen Produkti-
on und Absatz zusammen, weshalb die Leistung des Theaters in ihrer
eigentlichen Form nicht konservierbar, also nicht lagerfähig ist. Da
zum einen die Inszenierung durch Menschen (subjektiv) erfolgt und
zum anderen jede Aufführung durch Menschen jeweils neu produziert
werden muss, kann das absetzbare Produkt, also die einzelne Vorstel-
lung, nicht von gleichbleibender Qualität sein.4
Kapazität als Maßstab Als Maßstab für die Leistungsfähigkeit einer Organisation kann die
Kapazität herangezogen werden, wobei beim Theater zwischen zwei
Formen unterschieden werden kann: der künstlerisch-technischen und
der wirtschaftlichen Kapazität. „Kapazität“ bedeutet im Allgemeinen
das „Ausbringungsvermögen eines Betriebes pro Periode“5, wobei
2
3. Organisation und Personal E 1.5
Aufbau- und Ablauforganisation
dies einen quantitativen und einen qualitativen Aspekt umfasst. Vom
künstlerisch-technischen Standpunkt aus ist die quantitative Kapazität
durch die Zahl der Aufführungen definiert, die ein Theater in einer
Spielzeit mit dem eigenen Ensemble bestreiten kann. Diese Kapazität
wird durch die Zahl der Neuinszenierungen und die Qualität der In-
szenierungen, das heißt den Probenbetrieb, beeinflusst. An jedem The-
ater, an dem mit professionellen Mitarbeitern Theaterproduktionen
erarbeitet und diese dann einem Publikum präsentiert werden, müssen
zu diesem Zweck betriebliche Strukturen und Abläufe etabliert wer-
den. Theater sind also betriebliche Einrichtungen, die zur Erfüllung
ihres Zwecks einen Produktions- und Vorstellungsbetrieb unterhalten.6
Bei der produktionstechnischen Problematik an Theatern wird häufig Baumol’sche
die „Baumol’sche Kostenkrankheit“ genannt.7 In ihrer inzwischen Kostenkrankheit
über 40 Jahre alten Studie entwickeln Baumol und Bowen das Argu-
ment von der „Produktivitätslücke“ des Kunst- und Kultursektors, was
zu jener Kostenkrankheit und damit zu einem Dilemma der „life per-
forming arts“ führe.8 Die Kosten im Kulturbereich würden im Ver-
gleich zu den Kosten der Volkswirtschaft insgesamt stärker steigen, da
die Entwicklung der Löhne im Kulturbereich mit der Entwicklung
insgesamt Schritt hielten, obwohl im Kunst- und Kulturbereich die
Produktivitätsfortschritte geringer ausfallen.
Die höheren Löhne in der Gesamtvolkswirtschaft würden also durch
die Produktivitätsfortschritte aufgefangen und führten dort nicht zu
einer Erhöhung der Stückkosten. Anders im Kulturbereich: In Erman-
gelung von Produktivitätsfortschritten führten die Lohnerhöhungen
dort sehr wohl zur Erhöhung der Stückkosten. Es entstünde eine „Kos-
tenexplosion“ infolge einer „Produktivitätslücke“. Die vergleichswei-
se hohen Kosten im Kulturbereich würden zu vergleichsweise höheren
Preisen und damit verbunden zu einem Rückgang der Nachfrage führen,
was zu einer kontinuierlichen Verkleinerung des Kunst- und Kultur-
sektors und im Extremfall zu seinem langfristigen Aussterben führe.
Kenntnis und Umsetzungsbereitschaft von Rationalisierungsmöglich-
keiten schaffen betriebseigene Freiräume und eröffnen Perspektiven –
beides sollte umfassend und möglichst ideologiefrei vorhanden sein.
Dazu wollen die nachfolgenden Beispiele einen Beitrag leisten.
2. Rationalisierungsansätze am Theater
Aufgrund der jeweiligen produktionstechnischen Gegebenheiten sind Keine Eins-zu-eins-
die Voraussetzungen für eine Steigerung der Arbeitsproduktivität in Übertragung
den Sektoren einer Volkswirtschaft höchst unterschiedlich. Daher las- auf das Theater
sen sich Ansätze aus der Logistik (z. B. aus dem Versandhandel) oder
der Autoproduktion (Fließbandarbeit und Kostenersparnis aus Roboti-
3
4. E 1.5 Organisation und Personal
Aufbau- und Ablauforganisation
sierung/Automatisierung und einer Plattformstrategie als Synergieef-
fekt von verschiedenen Automarken in einem Konzern) keineswegs
„eins zu eins“ auf einen Theaterbetrieb übertragen. Es soll daher erör-
tert werden, welche Chancen das Theater hat, Kosteneinsparungen
durch Rationalisierung und Produktivitätsfortschritte zu erzielen.
Fünf Grundlage dieser Diskussion sind fünf Ansätze einer Rationalisierung,
Rationalisierungs- die ein Wachstum von Arbeitsproduktivität erhoffen lassen:9
ansätze
1. Substitution von Arbeit durch Kapital/vermehrter Einsatz von Kapital
je Beschäftigtem
2. Technischer Fortschritt
3. Skaleneffekte
4. Reduzierung von X-Ineffizienz
5. Kooperationen
2.1 Substitution von Arbeit durch Kapital
Nur eingeschränkt Substitutionsmöglichkeiten zwischen Kapital und Arbeit im Theater
möglich sind in der Regel kaum gegeben. Beispiele, mit denen diese Hypothe-
se untermauert wird, sind die durch den Text eines Theaterstücks vor-
geschriebene Rollenbesetzung oder der heute wie vor hundert Jahren
gleiche Zeitaufwand für die Aufführung einer Mozart-Oper. Jedoch
gibt es auch eine Reihe von Gegenbeispielen, die zeigen, dass es zu-
mindest in einigen Fällen möglich ist, eine Substitution von Arbeit
durch Kapital im Rahmen einer Aufführung oder Inszenierung vorzu-
nehmen. So kann ein Schauspieler mehrere Rollen in einem Stück
übernehmen, oder Begleitmusik zu einem Schauspiel wird nicht „life“,
sondern von einem Tonträger abgespielt.10
Über mehrere Spielzeiten hinweg stehen neben der Aufführungszahl
auch die Zahl der gespielten Werke, Produkteigenschaften wie die
Rollenbesetzung oder die Ausstattung der Inszenierungen, sowie die
Kapazität zur Disposition. Inwiefern durch eine Variation dieser Grö-
ßen die Kapitalintensität der Theaterproduktion gesteigert werden
kann, lässt sich ohne die Festlegung auf ein bestimmtes Outputmaß
nicht sagen. Spielt beispielsweise der personelle Aufwand für eine
Inszenierung keine Rolle für die Qualität des Outputs, so steigt die
Arbeitsproduktivität, wenn im Spielplan vermehrt Stücke mit kleiner
Besetzung berücksichtigt werden.11
Ein-, Zwei- und Steigende Anteile von Ein-, Zwei- und Dreipersonenstücken können
Dreipersonenstücke schon bei verschiedenen anglo-amerikanischen Theatern und Orches-
tern beobachtet werden – wohl deswegen, weil die Theater dort auf-
grund des weitaus geringeren Subventionsanteils in der Regel einem
größeren Sparzwang als vergleichbare deutsche Theater unterliegen.
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