Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Constantin Schnell: Wer hat hier eigentlich das Sagen?
1. E 1.4
Wer hat hier eigentlich das Sagen?
Die Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Geschäftsführung
in Kulturvereinen
Constantin Schnell
In größeren Kulturvereinen treffen hauptamtliche auf ehrenamtliche Führungskräfte. Von der kon-
struktiven Zusammenarbeit zwischen diesen beiden so verschiedenen Instanzen kann – insbesonde-
re in Krisenzeiten – das Wohl und Wehe eines Vereins abhängen. Unglücklicherweise ist das Ver-
hältnis zwischen Vorstand und Geschäftsführung mit einem Geburtsfehler behaftet: der sogenann-
ten gegenlagigen Wissenshierarchie. Etwas übertrieben formuliert: Die einen wissen viel, haben
aber (fast) nichts zu sagen, die andern dürfen bestimmen, wissen aber nicht viel. Wie kann man
diese Situation auflösen? Wohl nur, indem man altes Hierarchiedenken über Bord wirft und eine
Kultur der Transparenz und Offenheit pflegt. Der Beitrag zeigt, wo die Schwierigkeiten im Verhält-
nis zwischen Vorstand und Geschäftsführung stecken und wie sie konkret überwunden werden
können.
Gliederung Seite
1. Die Schnittstelle zwischen ehrenamtlicher und hauptamtlicher
Vereinsführung 2
1.1 Aufgabenteilung 3
1.2 Der systembedingte Konflikt 6
2. Die Konfliktdimensionen in der Zusammenarbeit entschärfen 7
2.1 Gegenlagige Wissenshierarchie 7
2.2 Entscheidungsfindung 8
2.3 Abgrenzung der Zuständigkeiten 9
2.4 Kontrolle 9
3. Grundprinzipien der Zusammenarbeit 10
4. Fazit 12
1
2. E 1.4 Organisation und Personal
Aufbau- und Ablauforganisation
1. Die Schnittstelle zwischen ehrenamtlicher
und hauptamtlicher Vereinsführung
Vereine spielen nicht nur im Sport eine wichtige Rolle, sondern auch
in der Kultur. Als Organisationen des sogenannten dritten Sektors
ergänzen und erweitern sie die Angebote von privatwirtschaftlichen
Kulturbetrieben und den Kulturorganisationen in staatlicher Träger-
schaft in praktisch allen Bereichen der Kultur – vom Theater über
Kinos und Chöre bis zu Literaturhäusern. Oft entwickeln sich dabei
aus kleinen, bürgerschaftlichen Kulturinitiativen im Lauf der Zeit
größere, dauerhafte und professionalisierte Organisationen. Zu den
ehrenamtlichen Vereinsmitgliedern kommen also hauptamtlich Be-
schäftigte. Der Vorteil eines Vereins: Bei allem Wachstum bleibt das
Element des bürgerschaftlichen Engagements erhalten, zum Beispiel
in Form eines ehrenamtlich tätigen Vorstands.
Zentrale Schwachstelle Doch dieser Vorteil kann schnell zum Nachteil werden. Denn der Um-
eines Vereins stand, dass in der Führung eines Vereins ehrenamtliche Kulturschaf-
fende auf professionelle Führungskräfte treffen, ist eine zentrale
Schwachstelle des Konstrukts „Verein“. Die beiden Gruppen haben
unterschiedliche Ziele, unterschiedliche Qualifikationen und oft auch
eine unterschiedliche Sprache. Missverständnisse sind vorprogram-
miert. Von der Zusammenarbeit zwischen der ehrenamtlichen und der
hauptamtlichen Vereinsführung hängt es jedoch entscheidend ab, ob
ein Kulturverein auf Dauer erfolgreich bestehen kann.
Schwammige Üblicherweise unterteilen sich die Aufgaben zwischen der ehrenamtli-
Grenzziehung chen Vereinsführung („Vorstand“) und der hauptamtlichen Vereinsfüh-
rung („Geschäftsführung“) entlang der Grenze „operativ – strate-
gisch“. Ohne explizit darüber gesprochen zu haben, schleifen sich
Zuständigkeiten ein. Die Geschäftsführung kümmert sich um die täg-
liche Arbeit, der Vorstand ist fürs „Große und Ganze“, für die „Ver-
einspolitik“ und für die Visionen zuständig. Natürlich mischt sich der
Vorstand hier und dort auch in die Tagesarbeit ein, und die Geschäfts-
führung weiß oft auch etwas zu den Visionen beizutragen. Die Grenz-
linie zwischen den beiden Führungsinstanzen ist also eher schwam-
mig. In guten Zeiten und bei entsprechender personeller Besetzung ist
die schwammige Grenze zwischen den beiden Führungsinstanzen kein
Problem, doch die Rahmenbedingungen können sich ebenso ändern
wie die personelle Zusammensetzung.
Seltenes, aber Das Wissen um die Besonderheit der Schnittstelle zwischen ehren-
notwendiges Wissen und hauptamtlicher Führung wird kaum gelehrt. Anders als zum Ein-
satz und zur Führung von Ehrenamtlichen auf der unteren Ebene (bei-
spielsweise an der Theaterkasse oder bei der Altenbetreuung) gibt es
nur wenig Literatur und kaum Weiterbildungskurse zum Thema Zu-
sammenarbeit von ehren- und hauptamtlichen Führungskräften. Eben-
so selten hört man darüber etwas an Hochschulen. Das liegt vor allem
daran, dass diese Schnittstelle im klassischen Industrie-, Handels- oder
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3. Organisation und Personal E 1.4
Aufbau- und Ablauforganisation
Dienstleistungsbetrieb und damit in der wissenschaftlichen Betriebs-
wirtschaft vollkommen unbekannt ist. Auch in der Manager-Aus- und
Weiterbildung kommt diese Schnittstelle dementsprechend nicht vor.
Eine Kompetenz in Bezug auf die Schnittstelle zwischen haupt- und
ehrenamtlicher Führung ist aber eine zentrale Anforderung an Füh-
rungskräfte von Kulturorganisationen des dritten Sektors. Diese Kom-
petenz, die deutlich über die Anforderung an das Führungspersonal in
profitorientierten Organisationen hinausgeht, ist sowohl bei den eh-
renamtlichen Vorständen als auch bei der hauptamtlichen Geschäfts-
führung notwendig.
1.1 Aufgabenteilung
In einem Verein liegt zunächst alle Verantwortung beim Vorstand. Das Stellung gesetzlich
Bürgerliche Gesetzbuch regelt in den §§ 21 bis 79 das Vereinswesen; geregelt
§26 Abs. 2 und § 27 Abs. 3 befassen sich grundlegend mit dem Vor-
stand und seinen Aufgaben.
§26 Bürgerliches Gesetzbuch
(1) Der Verein muss einen Vorstand haben. Der Vorstand kann aus
mehreren Personen bestehen.
(2) Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich; er
hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Der Umfang seiner Ver-
tretungsmacht kann durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte be-
schränkt werden.
§27 Bürgerliches Gesetzbuch
(1) Die Bestellung des Vorstands erfolgt durch Beschluss der Mitglie-
derversammlung.
(2) Die Bestellung ist jederzeit widerruflich, unbeschadet des An-
spruchs auf die vertragsmäßige Vergütung. Die Widerruflichkeit kann
durch die Satzung auf den Fall beschränkt werden, dass ein wichtiger
Grund für den Widerruf vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere
grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Ge-
schäftsführung.
(3) Auf die Geschäftsführung des Vorstands finden die für den Auftrag
geltenden Vorschriften der §§ 664 bis 670 entsprechende Anwen-
dung.
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4. E 1.4 Organisation und Personal
Aufbau- und Ablauforganisation
Vorstand gibt Die gesetzliche Regelung entspricht der Art und Weise, wie Vereine
Aufgaben ab entstehen: Zunächst treffen sich in der „Gründungsphase“ einige En-
gagierte, sie schmieden Pläne und gründen zusammen einen Verein.
Die Aktivsten unter den Vereinsmitgliedern bilden den Vorstand. Bei
ihnen liegt die gesamte Vertretungs- und Geschäftsführungslast. Wenn
der Verein eine gewisse Zeit tätig ist, kommt er in die sogenannte „si-
chere Phase“ (vgl. Langnickel, 1995, S. 9ff). Unter anderem erkennt
dabei der Vorstand, dass er seine Arbeit nicht mehr komplett selbst
erledigen kann. Es werden hauptamtliche Geschäftsführer eingestellt,
die einen Teil der Vertretungs- und Geschäftsführungspflichten über-
nehmen. Während sich der Vorstand vorher um alles selbst gekümmert
hat, gibt er nun also einen bestimmten Teil seiner Aufgaben ab. Lo-
gisch ist, dass sich in dem Umfang, wie Aufgaben an eine hauptamtli-
che Geschäftsführung abgegeben werden, die Aufgaben der ehrenamt-
lichen Vorstände verringern.
Kernpflichten bleiben Doch selbst wenn der Vorstand „alles“ an die Geschäftsführung ab-
beim Vorstand gibt, bleiben doch bestimmte Pflichten beim Vorstand. Er kann sie
nicht auf den Geschäftsführer übertragen, weil sie den Kern der Vor-
standsarbeit betreffen.
Strategische Das betrifft zum einen das Feld der „Vereinspolitik“, also die strategi-
Entscheidungen sche Entscheidungskompetenz. Bezugspunkt von strategischen Vor-
standsentscheidungen muss die Frage sein: „Für wen oder was sind
wir eigentlich da?“ Es ist die Frage nach dem letztendlichen Existenz-
grund eines Vereins. Auch wenn es in der Praxis oft danach aussieht:
Der Existenzgrund eines Vereins sind weder die Mitarbeiter und deren
Arbeitsplätze noch die Mitglieder oder die Vorstände. Der Bezugs-
punkt von strategischen Entscheidungen in einem Verein kann letzt-
lich nur der in der Vereinssatzung enthaltene Vereinszweck sein. Als
Bild mögen hier die „Moral Owners“ dienen. Es obliegt dem Vorstand,
diese Moral Owners zu vertreten; er darf die Vertretung der Moral
Owners nicht der Geschäftsführung überlassen:
Moral Owners, oder: Den Vereinszweck schreibt das Bürgerliche Gesetzbuch in § 57 Absatz
der Existenzgrund (1) vor: „Die Satzung muss den Zweck, den Namen und den Sitz des
eines Vereins Vereins enthalten und ergeben, dass der Verein eingetragen werden
soll.“ Greifbarer wird dieser Vereinszweck, wenn man den vom ame-
rikanischen Non-Profit-Managementheoretiker John Carver 1996 ein-
geführten Begriff der „Moral Owners“ verwendet.1 In wessen Namen
handelt der Verein oder der Vorstand eigentlich? Schließlich gibt es ja
keine Eigentümer wie bei einer GmbH oder einer AG, der Verein „ge-
hört“ weder den Mitgliedern noch den Angestellten. Doch in wessen
Interesse handelt der Verein dann? Wer sich fragt: „Für wen sind wir
eigentlich da?“, der denkt über den eigentlichen Zweck des Vereins
nach und kann dann im Namen dieser „Moral Owners“ Entscheidun-
gen treffen und Ziele festlegen.
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