SCHRABAUER HUMER Trockenheitstolerante Futter- und Energiegräser auf dem Prüfstand 2009
Agropyron elongatus
Zitiert bei einer tschechischen Masterarbeit in
http://theses.cz/id/hdcsa2/DP_Machura.pdf
2018b HUMER Wasserkreuzkraut in Futterwiesen. Erfahrungen aus der Beratungsp...
SCHRABAUER HUMER Trockenheitstolerante Futter- und Energiegräser auf dem Prüfstand 2009
1. D
ie immer extremer
schwankende Wit-
terung fordert die
Pflanzenbauer heraus, sich
tiefgehender mit dem Phäno-
men der Klimaänderung zu
beschäftigen. Weiters wird
vor dem Hintergrund niedriger
Produktpreise immer wieder
nach neuen Betriebszweigen
im Pflanzenbau gesucht. Die-
ser Beitrag setzt sich mit den
Voraussetzungen zum Einsatz
neuer vielversprechender Tro-
ckengräser zur Energienut-
zung und Futterproduktion
auseinander. Neue Gräserarten
sollen das Produktionsrisiko
bei Futtergräsern durch bes-
sere Trockentoleranz senken.
Bei Energiegräsern bietet sich
zudem eine andere Nutzung
landwirtschaftlicher Flächen.
In einer Versuchskooperati-
on zwischen Landwirtschafts-
kammer Niederösterreich und
Universität für Bodenkultur
wurden 2007 im Marchfeld
(Groß-Enzersdorf) und im
niederösterreichischen Al-
penvorland (St. Leonhard
am Forst) wurden Versuche
mit den weltweit vielverspre-
chendsten Gräsern angelegt.
Die Ergebnisse sollen die am
besten geeigneten Gräser
hinsichtlich Anbauwürdig-
keit und Trockenheitstoleranz
unter niederösterreichischen
Bedingungen zeigen.
Dazu wurden zwölf Arten
an Futter- und Energiegräsern
angebaut. Sie stehen dort im
Vergleich mit den ertragreichs-
ten heimischen und trocken-
heitsverträglichen Gräsern
wie Knaulgras und Glatthafer
(siehe auch Kasten „Auswahl
der Versuchsgräser“).
Nachstehend ein Überblick
über mögliche neue aussichts-
reiche Gräser für trockene
Standorte:
Riesen-Weizengras
Riesen-Weizengras (Agro-
pyron elongatum) ist ein
mehrjähriges Gras, auch un-
ter den Namen „Waldviertler
Energiegras“, „Mühlviertler
Mammutgras“ und „Riesen-
Quecke“ bekannt. Tatsäch-
lich stammt die Art aber aus
Vorderasien. Die Bezeichnung
Riesen-Quecke assoziiert viel-
fach die Befürchtung der Ver-
unkrautung ähnlich der hei-
mischen Quecke (mundartlich
„Bayer“), die ein gefürchtetes
Wurzelungras ist. Das Rie-
sen-Weizengras ist jedoch ein
Kulturgras und bildet keine
ausläuferbildenden Wurzeln
wie unsere Quecke.
Der aus der englischen Be-
zeichnung „Tall Wheatgrass“
abgeleitete Name Riesen-Wei-
zengras beschreibt das Gras
wesentlich zutreffender, zu-
mal die Art auch tatsächlich
mit dem Weizen verwandt ist.
Es wird vielmehr in Weizen-
Zuchtprogrammen zur Erhö-
hung der Krankheitsresistenz
eingesetzt.
Riesen-Weizengras produ-
ziert vor allem Biomasse von
grobstängeliger und derbblätt-
riger Struktur, weshalb es
nur zur energetischen Ver-
wertung, nicht aber für die
Futterproduktion geeignet ist.
Zur Verwendung als Heizma-
terial wird es am besten nur
einmal jährlich im Spätsom-
mer geerntet, um die bei der
Verbrennung unerwünschten
Nährstoffgehalte möglichst
gering zu halten.
Die gute Trockentoleranz
erklärt sich durch das tief-
gründige Wurzelsystem der
Pflanzenart. Aufgrund des
langsamen Wiederaustriebes
nach den Schnittnutzungen
kann es bei mehr als einmal
jährlicher Nutzung zu Ertrags-
einbußen und Verunkrautung
kommen. Aufgrund der ge-
ringen Temperaturansprüche
kann ein Anbau auch in rauen
Lagen erfolgen – die genauen
Einsatzgrenzen sind bislang
noch nicht voll abgeklärt.
Riesen-Weizengras wird im
Wald- und Mühlviertel seit
einigen Jahren angebaut.
Das dort verwendete Saatgut
stammt von der in Ungarn
gezüchteten Sorte „Szarvasi I“.
Es wurden Abnahmeverträge
angeboten. Die ausgelobten
Mindesterträge von 20 Ton-
nen Trockenmasse dürften auf
schwachen Standorten nach
dem derzeitigen Erfahrungs-
stand deutlich übertrieben
sein.
Die Anbaufläche beträgt
nach Angaben der Nawaro
Energie Betrieb Gmbh derzeit
etwa 450 ha. Als Verwertung
ist die Verfeuerung in Biomas-
seheizkraftwerken in Form
einer Beimischung zu Hack-
schnitzeln vorgesehen.
Mehrjährige Rutenhirse
Diese mehrjährige Hirseart
trägt auch den Namen Switch-
grass (Panicum virgatum) und
stammt aus Nordamerika.
Im Gegensatz zu den meis-
ten anderen Hirsearten über-
wintert sie, indem sie ähnlich
wie Chinaschilf (Miscanthus)
Rhizome ausbildet, die im
Frühjahr wieder neu austrei-
ben. In Amerika wird diese
Grasart sowohl zur Futter- als
auch zur Energieproduktion
herangezogen.
Vom US-Energieministeri-
um (DOE) wurde die Mehr-
jährige Rutenhirse sogar als
Modellpflanze für die Ent-
wicklung eines ressourcen-
schonenden Energiegrases
ausgewählt. Zur thermischen
Verwertung wird der Auf-
wuchs einmal jährlich, nach
dem Abfrosten der oberir-
dischen Biomasse, entweder
im Spätherbst oder im Früh-
jahr des Folgejahres in trocke-
nem Zustand geerntet.
Bei der Verwertung als Fut-
ter oder Biogassubstrat dürften
sich vor allem bei extensiver
Nutzung (geringe Düngung,
maximal ein bis zwei Schnitte
pro Jahr) Ertrags- und Quali-
tätsvorteile zu den bisher üb-
lichen Gräserarten ergeben.
Als wärmeliebende und
trockentolerante C4-Pflanze
ist die Mehrjährige Rutenhirse
insbesondere während der hei-
ßen Sommermonate zu hohen
Photosyntheseleistungen und
somit zur Produktion großer
Biomassemengen befähigt. In
den kühleren Frühjahrs- und
Herbstmonaten erfolgt hinge-
gen nur zögerliches Wachstum.
Für Anbaugebiete mit ge-
ringen Durchschnittstempera-
turen ist die Art ungeeignet.
Durch die geringe Narbendich-
te kann es bei zu häufiger Nut-
zung ähnlich wie beim Riesen-
Weizengras zur Ausdünnung
des Bestands und in der Folge
zur Verunkrautung kommen.
Die Aussaat der Mehrjäh-
rigen Rutenhirse muss im
Frühjahr (am besten Mitte
Mai) erfolgen, damit die jun-
gen Pflanzen vor dem Winter
noch die erforderliche Frost-
härte erlangen.
Rohrschwingel
Rohrschwingel (Festuca
arundinacea) ist ein in Ös-
terreich heimisches Gras, das
ein hohes Ertragspotenzial
aufweist, aber bislang nicht
für Futterwiesen eingesetzt
wird. Heimisch vorkommende
Rohrschwingeltypen bilden
allerdings derbe und harte
Blätter und sind so als Futter
wenig attraktiv. Gutes Futter
produzieren hingegen nur spe-
zielle Futtersorten.
Erste Versuchsergebnisse
zeigen bei Verdaulichkeit und
Energiegehalt, dass sie selbst
modernen Knaulgrassorten
überlegen sind. Der Rohpro-
teingehalt ist allerdings ver-
gleichsweise gering. Solche
Spezialsorten sind damit her-
vorragend für die Futter- und
Biogasproduktion geeignet,
weil nach dem ersten Auf-
wuchs beinahe nur Blätter ge-
bildet werden. Aufgrund des
hohen Nährstoffgehalts ist die
Art allerdings zur thermischen
Verwertung ungeeignet.
Rohrschwingel ist so-
wohl trockenheits- als auch
staunässetolerant und daher
an unterschiedlichste Boden-
wasserverhältnisse angepasst.
Er bildet eine dichte Grasnarbe
und treibt nach dem Schnitt
wieder rasch nach, wodurch er
einer potenziellen Verunkrau-
tung entgegenwirkt. Die Art
ist zur Intensivierung geeig-
net, da sie sich als schnittver-
träglich erweist und auch auf
hohe Düngergaben dankbar
reagiert.
Bakk.techn. Josef Schrabauer
Universität für Bodenkultur
Dipl. Ing. Johann Humer
Landwirtschaftskammer
Niederösterreich
Versuchserträge trockenheitstoleranter Futter- und Ener-
giegräser
Die nachstehende Tabelle zeigt die Trockenmasse-Jahreserträge
verschiedener Futter- und Energiegräser im niederschlagsreichen
Jahr 2009. Erstes Hauptnutzungsjahr bei Rutenhirse, zweites
Hauptnutzungsjahr bei den anderen. Düngung: 38 kg N je ha und
Aufwuchs. Bodentyp: Auboden mit guter Bonität. Riesenweizen-
gras: Ertragsmittel von drei Sorten.
Grasart TM-Jahresertrag 2009 in kg/ha
St. Leonhard
am Forst1
)
Groß-
Enzersdorf
40-jähriger Jahresnie-
derschlag
673 mm 527 mm
Riesen-Weizengras 18.879 9.805 bei Einschnitt-
nutzungMehrjähr. Rutenhirse 19.800 17.276
Rohrschwingel 15.057 13.238 bei Zwei-
schnittnutzungKnaulgras2
) 13.109 8.331
1) 2009 Überschwemmung an drei Juni-Tagen bei der Einschnittnutzung,
zirka zehn Prozent überhöhte Erträge durch Verschmutzung
2
) Vergleichsgras
Zum Vergleich: die AGES ermittelte bei der amtlichen Zuchtsortenprüfung
TM-Jahreserträge von 11.200 kg/ha.
TROCKENGRÄSER IM VERGLEICH
BauernZeitung – Nr. 52-53 – 24. Dezember 2009 07P R O D U K T I O N + M A R K T
Trockenheitstolerante Futter- und
Energiegräser auf dem Prüfstand
KLIMAWANDEL – Vor dem Hintergrund klimatischer Veränderungen werden seit zwei Jahren verschiedene Grasarten auf
ihre Verwendbarkeit für Trockenzeiten geprüft.
Ernte des Versuchs mit Riesen-Weizengras, einem Gras, das für kühlere Anbaulagen infrage kommt. FOTOS (2): SCHRABAUER
Versuch mit zwölf trockenheitstoleranten Futter- und Energiegräser-
arten in St.Leonhard/Forst am 17. Juni 2009 vor dem ersten Schnitt
Alle Gräser im beschriebenen
Versuch sind mehrjährige Arten.
Ihre speziellen agronomischen
Eigenschaften (Trockentoleranz,
Boden- und Nährstoffansprüche,
Nutzungsfrequenz, Eignung zur
alternativen Verwertung etc.)
werden mit den wichtigsten inlän-
dischen trockenheitsverträglichen
Gräsern vergleichend geprüft.
Dadurch sollen für Dürreperio-
den oder niederschlagsärmere
Klimabedingungen infolge des
zu befürchtenden Klimawandels
rechtzeitig Beratungsinformati-
onen zur Verfügung stehen.
Die Prüfung der Gräser betrifft
ihre Eignung als Futter wie zur En-
ergienutzung, wie Biogasprodukti-
on, Verfeuerung oder Produktion
von „Biokraftstoffen der zweiten
Generation“.
AUSWAHL DER VERSUCHSGRÄSER
Die untersuchten Trockengräser
sollen das bisher vorhandene
Sortiment an Gräserarten ergän-
zen und durch ihre spezifischen
pflanzenbaulichen Vorzüge
bzw. durch die Möglichkeit
einer alternativen Verwertung
das Grünland mitsamt seinen
ökologischen und ökonomischen
Funktionen stärken.
Die größten Anbaupotenzi-
ale dürften nach bisherigen
Erkenntnissen das Riesen-Wei-
zengras (für kühlere Gebiete,
zur thermischen Verwertung),
die Mehrjährige Rutenhirse (für
wärmere Gebiete, zur Energie-
und Futternutzung) sowie der
Rohrschwingel (zur Futter- und
Biogasnutzung) aufweisen.
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