Ein Telefongespräch. Ein Telefongespräch. Ein Telefongespräch
Schiller, Jan: Die mediale Gestalt des Intellektuellen - abstract
1. Abstract der Abschlussarbeit
zur Erlangung des Grades eines Magister Artium.
Publiziert als: Schiller, Jan: Die mediale Gestalt des Intellektuellen, AVM, München, 2012, 140 S.
Der Begriff des Intellektuellen stellt seit seinem Entstehen einen Reizpunkt innerhalb des
öffentlichen Diskurses dar. Innerhalb der aktuellen Medienforschung in den Sozialwissenschaften
taucht die Vokabel im Zusammenhang des „Medienintellektuellen“ auf, einer scheinbar abwertenden
Bezeichnung für eine gewisse Art von Akteur des medialen Geschehens, insbesondere im Fernsehen.
Da die so bezeichneten Akteure dem Begriff unserer Meinung nach nicht gerecht werden, ist die
Kernfrage der Arbeit, in welchem Verhältnis dieser möglicherweise neue Typus von Akteur zu
klassischen Intellektuellenbegriffen steht. Dazu ist es notwendig, aus dem Netz der
unterschiedlichsten Konnotationen von Intellektualität zuerst einen sinnvollen Strukturtypus des
Intellektuellen zu bestimmen. Dieser wird aus drei unterschiedlichen Perspektiven erarbeitet:
Begriffshistorisch, typenhistorisch und systematisch. Jeder dieser Aspekte lässt weitere, strukturelle
Merkmale der realen Gestalt des Intellektuellen, seines normativen Anspruchs und seiner
Funktionsweisen in den unterschiedlichen historischen Situationen zutage treten.
In der vorliegenden Arbeit wird in einem ersten, theoriebasierten Teil ein Bogen von der
begrifflichen Genese und Entwicklung über die historischen Typenausprägungen zum
diagnostizierten Absterben des Intellektuellen gespannt, um in der Folge schließlich zur heutigen
Figur und ihren Möglichkeiten innerhalb der Medien zu gelangen. Dafür ist es unerlässlich, die
verschiedenen Felder, in und zwischen denen sich die Spur des Intellektuellen verfolgen lässt,
genauer in Augenschein zu nehmen, um die für sein Wirken konstitutiven und repressiven
Mechanismen herauszuarbeiten. Diese sind namentlich einerseits die Felder der Kunst und der
Wissenschaft, die das geistige Herkunftsmilieu darstellen, aus denen sich Intellektualität speist. Auf
der anderen Seite steht das Spannungsgeflecht zwischen medialem und politischem Feld, innerhalb
dessen sich die intellektuelle Handlung vollzieht. Das Augenmerk liegt hierbei auf den Strategien der
Akteure, mit Hilfe Bourdieus' Konzept des symbolischen Kapitals Öffentlichkeit (nach Oevermann)
herzustellen. Die intellektuelle Handlung definiert sich durch den öffentlichen Anstoß, eine
gesellschaftliche Krise zu bewältigen. Dabei ist der Bezug zu den als universal geltenden Werten einer
Gesellschaft konstitutiv. Aus den hier erarbeiteten Aspekten erschließt sich ein Strukturtypus des
Intellektuellen, der untrennbar mit dem Konstrukt der bürgerlichen Öffentlichkeit verbunden ist. Die
Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass durch die sich auflösenden Grundkonstanten dieser
Form von Öffentlichkeit in der massendemokratischen Postmoderne (nach Kondylis, Lyotard) auch
die Grundlagen intellektueller Handlungen erodieren. Dies führt zur Forschungsfrage, ob
intellektuelles Agieren im Leitmedium Fernsehen geradezu unmöglich ist.
In einem zweiten, empirischen Teil werden diese Vermutungen anhand zweier Fallstudien,
hier Fernsehsendungen belegt. Es lässt sich zeigen, dass die mediale Gestalt des Intellektuellen eine
Verfallsform darstellt, die das Ergebnis der sich auflösenden Grundkategorien von Intellektualität
einerseits und einem Primat der Struktur innerhalb der Medien andererseits ist. Als Produkt dieser
Entwicklung steht der Typus des "Experten", der eine vom Intellektuellen grundlegend verschiedene
Form des Geistesschaffenden darstellt, da er keinerlei Bezug zum Universellen aufweist. Dabei
wurden, um eine größtmögliche Spanne an Möglichkeiten abzudecken, die politische Talk-Sendung
"Anne Will" und ein Fernsehinterwie Gerd Scobels mit Margarethe Mitscherlich gewählt. Zentrale
Untersuchungsgegenstände sind dabei die Mechaniken der Sendung sowie der spezifische
Gesprächsverlauf. Methodisch stellen die Fallstudie eine Mischform aus Videoanalyse und
hermeneutischer Gesprächsanalyse dar. Die mündet im Fazit, dass intellektuelle Handlungen im
Fernsehen nahezu unmöglich sind, und schließt einer Forschungsperspektive, die auf digitale Formen
von Öffentlichkeit verweist.