Seit dem Sommer letzten Jahres tritt die deutsche Wirtschaft auf der Stelle. Die Ursache der anhaltenden sehr schwachen konjunkturellen Grundtendenz liegt in erster Linie an der seit fünf Quartalen rückläufigen Entwicklung in der exportabhängigen Industrie. Demgegenüber zeigten sich die stärker binnenwirtschaftlich orientierten Sektoren, gestützt auf die günstige Einkommensentwicklung, als widerstandsfähig.
2. Inhalt
1. Allgemeine Lage
2. Risiken für Finanzstabilität in der EU bleiben niedrig
3. Risiken für Finanzstabilität nehmen in Deutschland leicht zu
4. Ertragsschwäche der Banken setzt sich fort
5. Immobilienpreise tendieren weiter aufwärts
4. Allgemeine Lage
Seit dem Sommer letzten Jahres tritt die deutsche Wirtschaft auf der Stelle. Die Ursache der anhaltenden sehr
schwachen konjunkturellen Grundtendenz liegt in erster Linie an der seit fünf Quartalen rückläufigen Entwicklung in
der exportabhängigen Industrie. Demgegenüber zeigten sich die stärker binnenwirtschaftlich orientierten Sektoren,
gestützt auf die günstige Einkommensentwicklung, als widerstandsfähig.
Im internationalen Umfeld werden Risiken zum einen aus dem handelspolitischen Kurs der USA abgeleitet. Die
Unsicherheit über die zukünftige globale Handelsordnung ist trotz zwischenzeitlicher Entspannungssignale nach wie
vor hoch. Es besteht unverändert das Risiko eines weltweit zunehmenden Protektionismus. Zum anderen traten
zuletzt erneut geopolitische Risiken durch die Zuspitzung der Situation im nahen und mittleren Osten hinzu.
Die wechselnden Einschätzungen politischer Risiken sowie der akkommodierende Kurs der Geldpolitik haben bis
zum Jahresende die Finanzmärkte geprägt. Die Renditen von Staatsanleihen zogen sowohl in den USA als auch in
Deutschland zuletzt wieder an, nachdem sie zuvor historische Tiefstände markiert hatten.
Vor diesem Hintergrund bewegte sich der Euroraum zuletzt wieder in ruhigerem Fahrwasser, so dass sich die Zins-
differenzen zehnjähriger Anleihen anderer Euro-Länder gegenüber Bundesanleihen zum Teil spürbar einengten;
dies gilt insbesondere für italienische und griechische Staatstitel. Die hohe Nachfrage nach festverzinslichen
Wertpapieren kam auch europäischen Unternehmensanleihen zugute, deren Renditen stark sanken.
An den internationalen Aktienmärkten führten das niedrige Zinsniveau und ein anhaltend hoher Risikoappetit der
Anleger bei rückläufiger Volatilität zu deutlichen Kursanstiegen.
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9. Risiken für Finanzstabilität in der EU bleiben niedrig
Die marktbasierten Indikatoren für systemischen Stress in der Europäischen Union (EU) blieben trotz der erheb-
lichen geopolitischen und politischen Unsicherheiten relativ freundlich. Dies bedeutet andererseits jedoch auch,
dass ein erhebliches Potenzial für eine Neubewertung von Risiken durch die Märkte besteht.
Die Indikatoren für systemischen Stress haben sich im vierten Quartal 2019 trotz der vorherrschenden geopoli-
tischen und politischen Unsicherheiten auf internationaler und europäischer Ebene sowie der sich abschwächenden
Wirtschaftsaussichten abgeschwächt. Ebenso blieb die Unsicherheit an den Aktienmärkten, gemessen an der
impliziten Volatilität, relativ begrenzt, während sich die Wahrscheinlichkeit eines gleichzeitigen Ausfallsfalls von
großen und komplexen Bankengruppen und EU-Staaten im vierten Quartal 2019 stabilisierte. Die EU-Aktienindizes
folgten einem behutsamen Aufwärtstrend.
Die Kreditvergabe an den privaten Sektor nahm in vielen EU-Mitgliedstaaten weiterhin kräftig zu. Dies gilt sowohl
für Kredite an private Haushalte als auch an Unternehmen. Gleichzeitig ist in einigen wenigen Mitgliedstaaten nach
wie vor eine sehr geringe Kreditvergabe zu beobachten.
Das Verschuldungsniveau ist in der EU sowohl bei den Staaten als auch bei Unternehmen und Haushalten nach wie
vor hoch. Der Schuldenabbau der letzten Jahre war im Allgemeinen geringer als der Schuldenanstieg im Vorfeld der
globalen Finanzkrise. Die Kredit/BIP-Lücke, ein wichtiger Indikator für die Beurteilung der Finanzstabilität, hat sich
in der überwiegenden Zahl der europäischen Länder dennoch weiter geschlossen. Der Indikator bleibt für die über-
wiegenden Zahl der Länder negativ und weist daher für sich genommen nicht auf eine wachsende Gefährdung der
Finanzstabilität durch einen Kreditboom hin. Auch dürfte die inzwischen in der gesamten EU spürbare konjunktu-
relle Abkühlung die Kreditnachfrage aus dem Unternehmenssektor nicht mehr überdurchschnittlich anheizen.
(Zur Herleitung der Kredit/BIP-Lücke siehe Glossar).
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15. Risiken für Finanzstabilität nehmen in Deutschland
leicht zu
Die Kreditvergabe ist in Deutschland im 3. Quartal weiter zügig angestiegen. Gleichzeitig stagniert jedoch die
deutsche Wirtschaft. Da insbesondere die Dynamik in der deutschen Industrie spürbar abgenommen hat, nahmen
die Befürchtungen zu, dass die Kreditrisiken von Unternehmenskrediten ansteigen könnten. Dies könnte vor allem
dann der Fall sein, wenn die höhere Kreditvergabe im Zusammenhang mit sich verschlechternden Geschäfts-
aussichten der Unternehmen korrelierte. Dies wäre für eine Rezessionsphase zwar nicht ungewöhnlich, jedoch
fehlen dafür bislang die Belege.
In der Folge wird dem Verhältnis aus Kreditvergabe und BIP, der Kredit/BIP-Lücke wieder erhöhte Aufmerksamkeit
geschenkt. Nachdem diese in Deutschland über viele Jahre negativ war, die Kreditvergabe entwickelte sich also
schwächer als das Wirtschaftswachstum, hat sich dieser Trend inzwischen umgekehrt. Im zweiten Quartal
überschritt der Wert die Marke von 2% deutlich, welche die untere Grenze zur Aktivierung des antizyklischen
Kapitalpuffers markiert.
Die Preisdynamik bei Wohnimmobilien hat sich in Deutschland im Jahresverlauf 2019 ermäßigt. Insbesondere die
bis zum Jahr 2018 außerordentlich hohen Preissteigerungen bei Wohnungen in den Ballungsräumen verloren an
Dynamik. Offensichtlich reagiert die Wohnraumnachfrage auf das inzwischen erreichte hohe Preisniveau. Auch die
erwartete Entwicklung makroökonomischer Größen, wie beispielsweise die nachgebende Dynamik der realen
verfügbaren Einkommen, deuten auf moderatere Teuerungsraten bei Wohnimmobilien hin.
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19. Ertragsschwäche der Banken setzt sich fort
Die anhaltende Schwäche des Wirtschaftswachstums und die negativen Zinsen gefährden weiterhin die Rentabilität
vieler Banken in Europa. Ihre wirtschaftliche Lage bleibt damit schwierig. Dies findet auch in den Bewertungen am
Aktienmarkt seinen Ausdruck, wo Bankaktien nach wie vor schlechter abschneiden als der Durchschnitt des Aktien-
marktes. Die deutschen Spitzeninstitute liegen weiterhin am unteren Ende der Skala.
Die Zinsmargen für Unternehmenskredite entwickelten sich in den EU-Ländern unterschiedlich. In einigen Ländern
war ein Anstieg zu verzeichnen. Auch in Deutschland hat sich die Zinsmarge für Unternehmenskredite im Vor-
jahresvergleich zwar etwas erholt, liegt aber noch immer nahe des historischen Tiefpunkts. Sie bildet damit einen
wichtigen Aspekt für die Erklärung der unbefriedigenden Ertragslage der Banken in Deutschland.
Der deutsche Bankensektor verfügt über eine angemessene Kapital- und Liquiditätsausstattung. Die Kapitalaus-
stattung liegt leicht über dem EU-Durschnitt. Die notleidenden Kredite sind in der EU weiter gesunken und
verharrten in Deutschland auf niedrigem Niveau.
In der EU hat sich die Rentabilität der Banken im 3. Quartal 2019 nicht weiter verbessert. Die durchschnittliche
Gesamtkapitalrendite sank leicht auf 0,45 %. Die Cost-Income-Ratio nahm dagegen erneut ab, konnte im länger-
fristigen Vergleich jedoch keinen Boden gut machen.
Die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors blieb weitgehend stabil. Der Median der CET1 zu den risikogewichteten
Aktiva ist in den letzten vier Quartalen leicht gesunken und liegt im 3. Quartal 2019 knapp über 15%.
Was die notleidenden Kredite anbetrifft, so hat sich die Situation weiter verbessert. Zwar ist die Medianquote der
notleidenden Kredite im Verhältnis zur Bilanzsumme der Bruttoforderungen im 3. Quartal 2019 nicht weiter
gesunken, jedoch hat sich die Breite der Streuung verringert.
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29. Immobilienpreise tendieren weiter aufwärts
Die Preise für Wohnimmobilien sind in den meisten EU-Mitgliedstaaten weiter deutlich gestiegen. Nach Berech-
nungen der EZB lag das Wachstum der Wohnimmobilienpreise in den meisten EU-Mitgliedstaaten im 2. Quartal
2019 im Vergleich zum Vorjahr weiterhin über 5%, nachdem auch die Preise in den letzten drei Jahren deutlich
gestiegen waren. In Anbetracht dieser Dynamik scheinen die Preise für Wohnimmobilien in mehreren EU-Mitglied-
staaten auf der Grundlage verschiedener Bewertungsmethoden überbewertet zu sein.
Die Preise für Wohnimmobilen sind auch in Deutschland im 2. Quartal 2019 weiter deutlich angestiegen. Die
Bundesbank schätzt die Überbewertungen in den Städten zwischen 15 % und 30 %. Sie leitet daraus ein erhöhtes
Stabilitätsrisiko ab. Vernachlässigt wird dabei jedoch, dass die üblichen Faktoren des Privatkunden-Immobilien-
Preisrisikos in Deutschland in der Regel nicht vorliegen. Weder sind die Kreditbeträge und die Kreditausläufe sehr
hoch, noch weisen die Kreditverträge keine bzw. sehr geringe Tilgungen aus. Die Zinsbindungsfristen sind hierzu-
lande eher überdurchschnittlich lang und haben sich in den letzten Jahren eher noch ausgedehnt. Schließlich fehlt
in Deutschland die Möglichkeit, Immobilien – wie Aktien – schnell zu verkaufen.
Es gibt bislang keine Anzeichen dafür, dass die Kreditvergabeanforderungen im Immobilienbereich aufgeweicht
worden wären. Ein bewusstes Eingehen größerer Risiken ist nicht feststellbar. Die Informationen, über die die
Banken verfügen, lassen einen Rückschluss auf eine kollektive Risikounterschätzung nicht zu.
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31. Glossar
Composite Indicator of systemic Stress (CISS)
Der CISS wird von der EZB berechnet. Er umfasst die fünf wichtigsten Segmente des Finanzsystems – Banken, Nicht-Bank-Intermediäre, Geldmarkt,
Wertpapiermärkte (Aktien und Bonds) sowie den Devisen-markt. Das aktuelle Stressniveau jedes einzelnen Segments wird auf der Basis von je drei Roh-Stress-
Indikatoren gemessen. Die Aggregation der einzelnen Indikatoren zum CISS erfolgt unter Anwendung der Standardportfoliotheorie. D.h., die Sub-Indices werden
auf Basis von Gewichten integriert, die ihrer zeitvariablen Kreuz-Korrelation entsprechen. Der CISS setzt daher mehr Gewicht auf Situationen, in denen Stress in
mehreren Marktsegmenten gleichzeitig auftritt.
Domestic-Credit-to-GDP-Gap
Der Indikator soll einen Kreditboom anzeigen. Der Baseler Ausschuss sieht in diesem Indikator eine der entscheidenden Größe für den Einsatz des
Countercyclical Capital Buffers.
Insgesamt ist die Ableitung des Countercyclical Capital Buffer (CCB) eine regelgeleitete Ermessensentscheidung. Die regelbasierte Komponente ist dabei der
sogenannte Pufferrichtwert. Er wird mit Hilfe einer einfachen Umrechnungs-formel aus der Kredit/BIP-Lücke ermittelt. Nach der Berechnungsmethode der BIZ ist
der Pufferrichtwert und damit der CBB (in % der RWA) nur dann größer als null, wenn die Kredit/BIP-Lücke größer als 2 Prozentpunkte ist. Ab einer Kredit/BIP-
Lücke von 10 Prozentpunkten wird der maximale Wert von 2,5 % erreicht.
Die Bundesbank betont allerdings, dass der CCB nicht mechanisch in Höhe dieses Richtwertes festgesetzt wird, sondern vielmehr in einer ökonomischen
Gesamtschau, einschließlich der Auswertung weiterer Indikatoren. Die Entscheidung beinhaltet dadurch auch diskretionäre Elemente. Die Bundesbank bezieht
eine Reihe unterstützender Indikatoren ein. Diese helfen dabei zu entscheiden, ob
ein übermäßiges Kreditwachstum vorliegt, ob
eine Korrektur von Fehlentwicklungen wahrscheinlich ist,
wie widerstandsfähig der private nichtfinanzielle Sektor sowie die Banken sind und
wie hoch das Stressniveau im Finanzsystem ist.
Volatilitätsindices
Volatilitätsindices messen die Schwankungen von Finanzmarktparametern, wie Wechselkursen, Zinsen oder Aktienindices. Die Volatilitätsindexes VIX und
VSTOXX geben die vom Markt erwartete kurzfristige Schwankungs-intensität anhand von Optionspreisen auf den S&P 500 bzw. den STOXX 50 über 30 Tage in
Prozentpunkten an. Ein hoher Wert weist auf einen unruhigen Markt hin, niedrige Werte lassen eine Entwicklung ohne starke Kurs-schwankungen erwarten.
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32. Glossar
CDS-Spreads auf staatliche Wertpapiere
CDS-Spreads auf staatliche Wertpapiere sind ein guter Indikator für die Markteinschätzung von Länderrisiken. Es ist aber zu beachten, dass CDS-Spreads auch
von anderen Faktoren wie Marktliquidität, Kontrahentenrisiko und dem globalen Finanzumfeld abhängen, hier insbesondere vom internationalen Zinsniveau und
der Risikoneigung der Anleger.
Immobilienpreise
Immobilienpreisblasen sind mit die wichtigsten Ursachen für Finanzkrisen. Ihnen sollte daher ein besonderes Augenmerk geschenkt werden. Die Graphik für die
wichtigsten EU-Länder stellt die Preisveränderung gegenüber dem Vorjahr in Relation zur Preisveränderung gegenüber dem gleichen Zeitpunkt vor drei Jahren.
Damit lässt sich verhältnismäßig einfach die Dynamik der Immobilienpreisentwicklung erkennen. Die Graphik für die USA zeigt einfach die jährliche
Veränderungsrate.
Verschuldung von Staat, Unternehmen und privaten Haushalten
Sowohl die Höhe der Staatsverschuldung als auch die der privaten Haushalte sind wichtige Indikatoren für die Stabilität eines Finanzsystems. Allerdings gibt ihr
Anteil am BIP nur einen groben Hinweis auf die zukünftige Schuldentragfähigkeit.
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