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des Deutschen
                                       Phonetik

Abraham P. ten Cate
Peter Jordens




Ein kontrastiv deutsch-niederländisches Lehrbuch
für den Hochschulunterricht
Vormgeving omslag
DBD design/Ruurd de Boer


Bestellingen
Uitgeverij EK-Tekst
www.ektekst.nl




Copyright © 2010 A.P. ten Cate/P. Jordens, Groningen/Amsterdam, The Netherlands


ISBN 978-94-90030-07-0



Alle rechten voorbehouden. Niets uit deze uitgave mag worden verveelvoudigd, opgeslagen
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Vorwort




Als Leitprinzip bei der Verfassung dieses Buches galt, dass bei der Erlernung
einer richtigen Aussprache des Deutschen in manchen Fällen Kenntnisse der
Aussprache der niederländischen Sprechlaute erforderlich sind, dies zur Erklärung
der muttersprachlich bedingten Aussprachefehler. Gerade für den Erwerb einer
richtigen Aussprache der zu erlernenden Zweitsprache wäre auch eine
Berücksichtigung der regionalen Unterschiede in der Aussprache des Nieder-
ländischen unerlässlich. Es wird deshalb versucht den Fällen möglichst Rechnung
zu tragen, in denen eine dialektal bedingte Aussprache den Grund für eine
fehlerhafte Aussprache des Deutschen bilden könnte: Dass hier immer noch
Ergänzungen möglich sind, ist selbstverständlich.
Das Buch soll auf dieser Grundlage eine Anleitung zu einer richtigen Aussprache
des Deutschen sein, wobei es allerdings im Ausspracheunterricht nur eines von
vielen Hilfsmitteln darstellt: Intensive Übungen, vorzugsweise im Sprachlabor,
gehören unbedingt mit zum Ausspracheunterricht. Darüber hinaus soll das Buch
die Aufgabe erfüllen dem angehenden Lehrer die phonetischen Kenntnisse
beizubringen, die ihm in der Schulpraxis behilflich sein sollen.
Wir danken all denjenigen, die uns ihre Anmerkungen zu früheren Fassungen
dieses Buchs haben zugehen lassen; allen voran unseren Studenten.

Im Juli 2010                                            A.P. ten Cate, Groningen
                                                         P. Jordens, Amsterdam
Inhaltsverzeichnis




1 Bau und Funktion der Sprechorgane                                    1
  1       Einleitung                                                   1
  2       Die Sprechwerkzeuge                                          1
  2.1     Die Lunge                                                    2
  2.2     Der Kehlkopf                                                 3
  2.2.1   Der Aufbau des Kehlkopfs                                     3
  2.2.2   Der Stimmton                                                 5
  2.3     Das Ansatzrohr                                               6
          Übungsfragen                                                 7
2 Orthographie und Aussprache                                          9
  1       Entsprechungen zwischen Orthografie und Aussprache           9
  2       Phonetische Transkriptionszeichen                           11
          Übungsfragen                                                14
3 Die Sprechlaute des Deutschen                                       15
  1     Vokale und Konsonanten                                        15
  2     Vokale                                                        16
  2.1   Einteilungsprinzipien                                         16
  2.1.1 Einteilung der einfachen Vokale                               16
  2.1.2 Einteilung der Diphthonge                                     22
  2.1.3 Die Halbvokale [i], [u] und [ ]                               24
  2.2   Die einzelnen Vokale                                          24
  2.2.1 Einfache Vokale                                               24
        i-Laute 24, y-Laute 26, e-Laute 27, ö-Laute 28, u-Laute 30,
        o-Laute 31, a-Laute 32, die Vokale [ ] und [ ] 34
  2.2.2 Diphthonge                                                    35
  2.2.3 Halbvokale                                                    36
  2.2.4 Diagramme und schematische Übersicht der Vokale               36
        Übungsfragen zu den Vokalen                                   42
  3     Konsonanten                                                   43
  3.1 Einteilungsprinzipien                                           43
  3.2 Schema der deutschen und der niederländischen Konsonanten       47
3.3   Die einzelnen Konsonanten                                       48
        1. Die Explosivlaute [b] und [p] 48, [d]-[t] 49, [ ]-[k] 49,
           Aspiration der Tenues 51, [|] 52;
        2. Die Nasalkonsonanten [m]-[n]-[ ] 52;
        3. Die Liquiden [l] 54, [r/ ] 55;
        4. Die Reibelaute [v]-[f] 56, [z]-[s] 57, [ ]-[ ] 59,
           [j]-[ ]-[ ]-[x] 60, [h] 63
  3.4   Konsonantenverbindungen                                         63
  3.5   Auslautverhärtung                                               65
  3.6   Sonorität                                                       67
        Übungsfragen zu den Konsonanten                                 68
4 Assimilation                                                          71
  1     Einige Assimilationserscheinungen                               71
  2     Einteilungskriterien der Assimilationserscheinungen             76
  3     Dissimilation                                                   79
        Übungsfragen                                                    80
5 Prosodie                                                              81
  1     Silbe und Morphem                                               81
  2     Der Wortakzent                                                  83
  3     Die Satzintonation                                              91
        Übungsfragen                                                    92
6 Phonologie                                                           93
  1     Sprachliche Kommunikation                                      93
  2     Kommunikative Funktion der Sprachlaute: Phonemanalyse          94
        Übungsfragen                                                   98
7 Geografie der Aussprache (Dialektologie)                              99
  1     Die Einteilung der deutschen Dialekte                          100
  2     Sprachschichten und Soziolinguistik                            104
8 Akustische Phonetik                                                  107
  1     Tonhöhe, Vokale und Konsonanten                                107
  2     Lautstärke                                                     112
9 Aussprachepraxis                                                     115
  1     Silbenstruktur und Vokallänge                                  115
  2     Schriftzeichen und lautliche Realisierung                      118
  3     Transkriptionsübung                                            123
Literaturverzeichnis (Auswahlbibliographie)                            127
Sachindex                                                              131
Lösungsvorschläge zu den Übungsfragen                                  137
Phonetik des deutschen_voorbeeld
1 Bau und Funktion der Sprechorgane




1 Einleitung
Jeder Sprecher einer Sprache verfügt über die Grammatik dieser Sprache. Eine
Grammatik ist der mentale Apparat, der es einem Menschen ermöglicht eigene
Gedanken zu äußern und Äußerungen anderer zu verstehen. Beim Sprechen wird
Gedachtes in Laute umgesetzt, beim Verstehen wird Gehörtes in Gedachtes
überführt. Man kann die Funktion der Grammatik mit anderen Worten auch so
umschreiben: Die Grammatik verbindet Laut und Bedeutung.
Für die Beschreibung der Beziehung zwischen Laut und Bedeutung unterscheidet
die Grammatik vier Bereiche, jeder mit seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten:
die Semantik (inhaltliche Funktion), die Syntax (Satzbau), die Morphologie
(Formenlehre) und die Lautlehre (lautliche Form).
Die Lautlehre wird unter drei Aspekten behandelt:
• Die artikulatorische Phonetik befasst sich mit der Frage, mit welchen körper-
  lichen Mitteln die Sprechlaute produziert werden (Kapitel 1-5).
• Die akustische Phonetik befasst sich mit den physikalischen Eigenschaften des
  Sprachsignals, also mit der konkreten Gestalt dieses Signals (Kapitel 8).
• Die Phonologie befasst sich mit abstrakten Eigenschaften des Sprachlauts.
  Diese bieten eine Erklärung dafür, wie die Sprecher einer Sprache sich
  verstehen. (Kapitel 6).
In diesem Kapitel werden die Grundbegriffe der artikulatorischen Phonetik
erörtert.

2 Die Sprechwerkzeuge
An der Erzeugung der Sprechlaute sind folgende Organe beteiligt: die Lunge,
die Luftröhre, der Kehlkopf, der Rachen, der Mund und die Nase.
Nach ihrer Funktion beim Sprechen sind diese Organe in drei Gruppen zu
unterteilen, nämlich:
• die Organe für die Atmung (die Lunge und die Luftröhre); Die Atmungsluft ist
   die Energiequelle für die Erzeugung der Sprechlaute. Beim Atmen ist dieser
   Luftstrom fast unhörbar, beim Sprechen wird der Luftstrom aber hörbar
   gemacht;
• das Organ für die Stimmbildung (nämlich der Kehlkopf); und
                                                                              1
2   Kapitel 1

• die Organe für die Artikulation (Rachen-, Mund- und Nasenhöhle, die
  zusammen als ‚das Ansatzrohr‘ bezeichnet werden).
Das Ansatzrohr und der Kehlkopf sind schematisch in Figur 1 dargestellt:
                                     Figur 1: das Ansatzrohr
                                     1.   die Luftröhre
                                     2.   der Rachen
                                     3.   der Mund
                                     4.   die Nasenhöhle
                                     5.   der Kehlkopf
                                     6.   die Zunge
                                     7.   der Gaumen




Die Bewegung der Organe im Ansatzrohr zur Erzeugung der Sprechlaute heißt
Artikulation; Zunge und Lippen sind die wichtigsten beweglichen Artikulatoren.

2.1 Die Lunge

Beim Sprechen wird der Atemstrom aus der Lunge reguliert, um den geeigneten
Atemdruck zu erzeugen. Der Atemdruck wird benötigt, um im Kehlkopf den
Stimmton zu bilden und im Ansatzrohr Geräusch zu erzeugen. Außerdem wird die
Lautstärke durch den Atemdruck variiert.
Die Lunge funktioniert ähnlich wie ein Blasebalg, denn das Ein- und Ausatmen
erfolgt nicht durch selbständige Tätigkeit der Lunge, sondern durch äußere
Einwirkung. Beim Einatmen heben sich die Rippen, die zusammen den Brustkorb
bilden, und das Zwerchfell (Diaphragma), der untere Abschluss des Brustkorbs,
senkt sich. Das Volumen der Lunge wird dadurch nach zwei Seiten hin erweitert
und es wird Luft eingesogen. Die Ausatmung erfolgt durch Verkleinerung des
Lungenvolumens, nämlich durch Anhebung des Zwerchfells und Senkung der
Rippen. Bei Brustatmung erfolgt die Einatmung vor allem durch Hebung der
Rippen, bei Bauchatmung vor allem durch Senkung des Zwerchfells.
Die Sprechorgane          3

2.2 Der Kehlkopf

Der Kehlkopf (die Larynx) oben an der Luftröhre lässt sich mit einem Ventil
vergleichen, das geöffnet oder geschlossen werden kann. Beim Sprechen von
stimmhaften Lauten wird der Luftstrom, der aus der Lunge kommt, im Kehlkopf in
Schwingung versetzt. Dadurch entsteht der Stimmton.

2.2.1 Der Aufbau des Kehlkopfs

Der Kehlkopf ist ein aus Knorpeln aufgebauter Zylinder. Die Basis des Zylinders
ist der Ringknorpel, der in den Figuren 2 und 3 durch a gekennzeichnet ist.
Auf der Vorderseite des Ringknorpels steht der Schildknorpel oder Spannknorpel
(b in den Figuren 2 und 3), der bei Männern als ‚Adamsapfel’ sichtbar ist. Der
Schildknorpel ist beweglich und kann nach vorne kippen. Die gestrichelten Linien
in Figur 2 geben die Stellung des nach vorne gekippten Schildknorpels wieder.
Auf der Rückseite des Ringknorpels stehen symmetrisch zueinander die beiden
ebenfalls beweglichen Stellknorpel (c in den Figuren 2 und 3).




Figur 2: Seitenansicht des Kehlkopfs                Figur 3: Obenansicht des Kehlkopfs

   Im oberen Teil des Kehlkopfes befindet sich der Kehldeckel. Der Kehldeckel spielt beim
   Sprechen keine Rolle, wohl aber beim Schlucken. Die Wege für die Nahrungsaufnahme
   (die Speiseröhre) und Atmung (die Luftröhre) kreuzen sich, aber der Kehldeckel verschließt
   beim Schlucken den Kehlkopfeingang.
4   Kapitel 1

1. DIE STIMMLIPPEN
Im Kehlkopf befinden sich die Stimmlippen oder Stimmbänder, die in Figur 2
durch d gekennzeichnet sind. Es sind zwei lippenartige Muskelfalten. Jede der
beiden Stimmlippen ist vorne mit dem Spannknorpel und hinten mit einem der
Stellknorpel verbunden. Durch die Bewegungen des Schildknorpels und der
Stellknorpel können sie gespannt oder entspannt werden; da die Stimmlippen
Muskeln sind, können sie sich auch selber spannen und entspannen.
Durch die Bewegungen der Stellknorpel können die Stimmlippen eine Öffnung
oder einen Verschluss bilden. Die Öffnung zwischen den beiden Stimmlippen
heißt Glottis oder Stimmritze.

2. DIE STELLUNGEN DER STIMMLIPPEN
In den Figuren 4 bis 6 ist der Kehlkopf im Querschnitt von oben dargestellt.

                                 Die neutrale oder Ruhelage der Stimmlippen
                                 erlaubt freien Durchgang des Luftstroms beim
                                 Atmen. Dies ist auch die Stellung bei der
                                 Artikulation der stimmlosen Konsonanten, z.B.
                                 [p] und [s].
                                 Wenn die Glottis etwas verengt wird, entsteht der
                                 Hauchlaut [h] (hier, daheim)



Figur 4: Atemstellung



                                 Bei der Stimmstellung (oder ‚Phonationsstel-
                                 lung‘) berühren die Stimmlippen sich leicht. Der
                                 Luftstrom aus der Lunge versetzt die
                                 Stimmlippen in eine regelmäßige Vibration und
                                 die Luft übernimmt die Vibrationsfrequenz der
                                 Stimmlippen. Die Vibration ist spürbar, wenn
                                 man beim Sprechen von stimmhaften Lauten den
                                 Schildknorpel (den ‚Adamsapfel‘) berührt. Alle
                                 Vokale (z.B. [ ]) und die stimmhaften Kon-
                                 sonanten (z.B. [m] und [b]) werden mit ‚Stimm-
Figur 5: Stimmstellung           ton‘ (oder ‚Stimme‘) gesprochen.
Die Sprechorgane       5


                                     Bei der Flüsterstellung ist nur der hintere Teil der
                                     Glottis bei den Stellknorpeln geöffnet. Die
                                     Stimmlippen können nicht schwingen, aber der
                                     Luftstrom verursacht ein leichtes Geräusch, das
                                     als Stimmtonersatz beim Flüstern die Bildung von
                                     Vokalen ermöglicht.



Figur 6: Flüsterstellung

2.2.2 Der Stimmton

1. DIE STIMMBILDUNG
Bei der Stimmbildung (‚Phonation‘) stehen Stellung und Spannung der Stimm-
lippen sowie der Atemdruck in einem solchen Verhältnis zueinander, dass die
Glottis in schneller Folge abwechselnd geöffnet und wieder geschlossen wird.
Jedes Mal, wenn die Glottis durch den Atemdruck geöffnet wird, wird ein Luft-
pfropfen in das Ansatzrohr geschleudert. Die so entstehende Vibration der Luft ist
der Stimmton. Je nach Stimmhöhe wiederholt sich das Öffnen oder Schließen der
Glottis zwischen etwa 100 und etwa 1000 mal pro Sekunde, d.h., mit einer
Frequenz, die zwischen etwa 100 Hertz für eine sehr tiefe Stimme und 1000 Hertz
für eine sehr hohe Singstimme liegt.
  Ein vergleichbarer Vorgang liegt vor, wenn man den Mund schließt und durch die nicht zu
  fest verschlossenen Lippen bläst: brrr.

2. DIE TONHÖHE
Die Tonhöhe wird durch die Spannung der Stimmlippen variiert: je größer die
Spannung, je höher die Stimme. Größere Spannung erfolgt:
• durch Dehnung der Stimmlippen. Die Dehnung wird durch das Verlagern des
   Schildknorpels oder der Stellknorpel bewirkt;
• durch Zusammenziehen der Stimmlippen.
Die Unterschiede in der Stimmhöhe zwischen Männern und Frauen beruhen auf
der unterschiedlichen Länge der Stimmlippen: Die Stimmlippen sind bei Frauen
1,7 bis 2 cm lang, bei Männern 2 bis 2,4 cm. Der Stimmwechsel (die Mutation) bei
Knaben wird durch das rasche Wachsen des Kehlkopfes und der Stimmlippen in
der Pubertät verursacht. Der Stimmton liegt nach der Mutation etwa eine Oktave
niedriger als vorher. Bei Mädchen verläuft dieser Prozess langsamer und ist die
Zunahme des Umfangs auch viel geringer.
6   Kapitel 1

2.3 Das Ansatzrohr

Rachen-, Mund- und Nasenhöhle bilden das Ansatzrohr, den Resonanzraum für
den Stimmton. Oberhalb des Rachens liegen Mund- und Nasenhöhle, die durch
den Gaumen (das Palatum) voneinander getrennt sind. Der hintere Teil des
Gaumens heißt ‚Gaumensegel‘, ‚weicher Gaumen‘ oder ‚Velum‘.
Das Gaumensegel ist beweglich: Beim Atmen hängt es herunter; es kann sich aber
auch heben und so die Nasenhöhle abschließen, wodurch der Stimmton nur in
Rachen- und Mundhöhle resoniert. Beim Sprechen der meisten Sprechlaute, der
‚oralen Sprechlaute‘, ist die Nasenhöhle durch das Gaumensegel abgeschlossen
(Figuren 9 und 11); bei der Bildung von Nasallauten bleibt das Gaumensegel
gesenkt, wodurch die Nasenhöhle als Resonanzraum funktioniert (Figur 8) oder
mitfunktioniert (Figur 10). Nasallaute sind die Nasalkonsonanten [m], [n] und [ ]
(im Wort Meinung) und die Nasalvokale, die in französischen und friesischen
Wörtern vorkommen (z.B. Chanson; Fryslân).




Figur 7: [b] (oral)                Figur 8: [m] (nasal)




Figur 9: [ ] (oral)                Figur 10: [a] (nasaliert)
Die Entfernung zwischen den Stimmbändern und den Lippen beträgt im Durch-
schnitt 17 cm. Veränderungen des Ansatzrohrs haben wesentliche Veränderungen
in der Lautqualität zur Folge: Wenn man die Lippen vorstülpt und rundet, wird das
Ansatzrohr verlängert und kommt ein u-ähnlicher Laut zustande; wenn man die
Lippen spreizt und die Mundwinkel zurückzieht, wird das Ansatzrohr verkürzt und
entsteht ein i-ähnlicher Laut; wenn man den Mund möglichst weit aufmacht, hört
man einen a-Laut. Die Gestalt des Ansatzrohrs wird jedoch nicht nur durch die
Lippenstellung und Mundöffnung, sondern vor allem durch die Zungenstellung be-
dingt. Die Zunge ist an der Bildung aller Vokale und vieler Konsonanten beteiligt.
In Figur 11 auf Seite 7 werden noch einmal die verschiedenen Organe des Ansatz-
rohrs schematisch dargestellt.
Die Sprechorgane        7

                                       Figur 11: Einteilung des Ansatzrohrs




Organbezeichnung                                              Adjektiv
1 die Luftröhre (die Trachea)
2 der Rachen (der Pharynx)
3 die Mundhöhle (Cavum oris)                                  oral
4 die Nasenhöhle (Cavum nasi)                                 nasal
5 der Kehlkopf (der Larynx) mit Stimmlippen und Glottis       laryngal, glottal
5a der Schildknorpel (die Cartilago thyroidea)
6 die Zunge (die Lingua)                                      lingual
6a die Zungenspitze (der Apex)                                apikal
6b das Zungenblatt (der vordere Zungenrücken, die Korona)     koronal
6c der Zungenrücken (das Dorsum)                              dorsal
7a der harte Gaumen (das Palatum)                             palatal
7b der weiche Gaumen (das Gaumensegel, das Velum)             velar
8 die Lippen (Labia)                                          labial
9 die Zähne (Dentes)                                          dental
10 der Zahndamm (Alveolen)                                    alveolar
11 das Halszäpfchen (die Uvula)                               uvular
12 der Kehldeckel (die Epiglottis)
13 die Speiseröhre (der Ösophagus)
14 der Gaumenknochen (das Os palatinum)                       palatal
15 der Kieferknochen
   Unterkiefer (die Mandibula) und Oberkiefer (die Maxilla)
8   Kapitel 1

Übungsfragen
1. Aus welchen Hohlräumen setzt sich das Ansatzrohr zusammen?
2. Was ist Artikulation?
3. Was ist Stimmton und welche Laute werden stimmhaft gesprochen?
4. Aus welchen Teilen ist der Kehlkopf aufgebaut? Welche Funktion(en) haben
   die einzelnen Teile?
5. Wie funktionieren Brust- und Bauchatmung?
6. Wie werden Nasalkonsonanten gebildet?

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Phonetik des deutschen_voorbeeld

  • 1. des Deutschen Phonetik Abraham P. ten Cate Peter Jordens Ein kontrastiv deutsch-niederländisches Lehrbuch für den Hochschulunterricht
  • 2. Vormgeving omslag DBD design/Ruurd de Boer Bestellingen Uitgeverij EK-Tekst www.ektekst.nl Copyright © 2010 A.P. ten Cate/P. Jordens, Groningen/Amsterdam, The Netherlands ISBN 978-94-90030-07-0 Alle rechten voorbehouden. Niets uit deze uitgave mag worden verveelvoudigd, opgeslagen in een geautomatiseerd gegevensbestand, of openbaar gemaakt, in enige vorm of op enige wijze, hetzij elektronisch, mechanisch, door fotokopieën, opnamen, of op enige andere manier zonder voorafgaande schriftelijke toestemming van de copyright-houder. All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted, in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording, or otherwise, without the prior written permission of the copyright-holder.
  • 3. Vorwort Als Leitprinzip bei der Verfassung dieses Buches galt, dass bei der Erlernung einer richtigen Aussprache des Deutschen in manchen Fällen Kenntnisse der Aussprache der niederländischen Sprechlaute erforderlich sind, dies zur Erklärung der muttersprachlich bedingten Aussprachefehler. Gerade für den Erwerb einer richtigen Aussprache der zu erlernenden Zweitsprache wäre auch eine Berücksichtigung der regionalen Unterschiede in der Aussprache des Nieder- ländischen unerlässlich. Es wird deshalb versucht den Fällen möglichst Rechnung zu tragen, in denen eine dialektal bedingte Aussprache den Grund für eine fehlerhafte Aussprache des Deutschen bilden könnte: Dass hier immer noch Ergänzungen möglich sind, ist selbstverständlich. Das Buch soll auf dieser Grundlage eine Anleitung zu einer richtigen Aussprache des Deutschen sein, wobei es allerdings im Ausspracheunterricht nur eines von vielen Hilfsmitteln darstellt: Intensive Übungen, vorzugsweise im Sprachlabor, gehören unbedingt mit zum Ausspracheunterricht. Darüber hinaus soll das Buch die Aufgabe erfüllen dem angehenden Lehrer die phonetischen Kenntnisse beizubringen, die ihm in der Schulpraxis behilflich sein sollen. Wir danken all denjenigen, die uns ihre Anmerkungen zu früheren Fassungen dieses Buchs haben zugehen lassen; allen voran unseren Studenten. Im Juli 2010 A.P. ten Cate, Groningen P. Jordens, Amsterdam
  • 4. Inhaltsverzeichnis 1 Bau und Funktion der Sprechorgane 1 1 Einleitung 1 2 Die Sprechwerkzeuge 1 2.1 Die Lunge 2 2.2 Der Kehlkopf 3 2.2.1 Der Aufbau des Kehlkopfs 3 2.2.2 Der Stimmton 5 2.3 Das Ansatzrohr 6 Übungsfragen 7 2 Orthographie und Aussprache 9 1 Entsprechungen zwischen Orthografie und Aussprache 9 2 Phonetische Transkriptionszeichen 11 Übungsfragen 14 3 Die Sprechlaute des Deutschen 15 1 Vokale und Konsonanten 15 2 Vokale 16 2.1 Einteilungsprinzipien 16 2.1.1 Einteilung der einfachen Vokale 16 2.1.2 Einteilung der Diphthonge 22 2.1.3 Die Halbvokale [i], [u] und [ ] 24 2.2 Die einzelnen Vokale 24 2.2.1 Einfache Vokale 24 i-Laute 24, y-Laute 26, e-Laute 27, ö-Laute 28, u-Laute 30, o-Laute 31, a-Laute 32, die Vokale [ ] und [ ] 34 2.2.2 Diphthonge 35 2.2.3 Halbvokale 36 2.2.4 Diagramme und schematische Übersicht der Vokale 36 Übungsfragen zu den Vokalen 42 3 Konsonanten 43 3.1 Einteilungsprinzipien 43 3.2 Schema der deutschen und der niederländischen Konsonanten 47
  • 5. 3.3 Die einzelnen Konsonanten 48 1. Die Explosivlaute [b] und [p] 48, [d]-[t] 49, [ ]-[k] 49, Aspiration der Tenues 51, [|] 52; 2. Die Nasalkonsonanten [m]-[n]-[ ] 52; 3. Die Liquiden [l] 54, [r/ ] 55; 4. Die Reibelaute [v]-[f] 56, [z]-[s] 57, [ ]-[ ] 59, [j]-[ ]-[ ]-[x] 60, [h] 63 3.4 Konsonantenverbindungen 63 3.5 Auslautverhärtung 65 3.6 Sonorität 67 Übungsfragen zu den Konsonanten 68 4 Assimilation 71 1 Einige Assimilationserscheinungen 71 2 Einteilungskriterien der Assimilationserscheinungen 76 3 Dissimilation 79 Übungsfragen 80 5 Prosodie 81 1 Silbe und Morphem 81 2 Der Wortakzent 83 3 Die Satzintonation 91 Übungsfragen 92 6 Phonologie 93 1 Sprachliche Kommunikation 93 2 Kommunikative Funktion der Sprachlaute: Phonemanalyse 94 Übungsfragen 98 7 Geografie der Aussprache (Dialektologie) 99 1 Die Einteilung der deutschen Dialekte 100 2 Sprachschichten und Soziolinguistik 104 8 Akustische Phonetik 107 1 Tonhöhe, Vokale und Konsonanten 107 2 Lautstärke 112 9 Aussprachepraxis 115 1 Silbenstruktur und Vokallänge 115 2 Schriftzeichen und lautliche Realisierung 118 3 Transkriptionsübung 123 Literaturverzeichnis (Auswahlbibliographie) 127 Sachindex 131 Lösungsvorschläge zu den Übungsfragen 137
  • 7. 1 Bau und Funktion der Sprechorgane 1 Einleitung Jeder Sprecher einer Sprache verfügt über die Grammatik dieser Sprache. Eine Grammatik ist der mentale Apparat, der es einem Menschen ermöglicht eigene Gedanken zu äußern und Äußerungen anderer zu verstehen. Beim Sprechen wird Gedachtes in Laute umgesetzt, beim Verstehen wird Gehörtes in Gedachtes überführt. Man kann die Funktion der Grammatik mit anderen Worten auch so umschreiben: Die Grammatik verbindet Laut und Bedeutung. Für die Beschreibung der Beziehung zwischen Laut und Bedeutung unterscheidet die Grammatik vier Bereiche, jeder mit seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten: die Semantik (inhaltliche Funktion), die Syntax (Satzbau), die Morphologie (Formenlehre) und die Lautlehre (lautliche Form). Die Lautlehre wird unter drei Aspekten behandelt: • Die artikulatorische Phonetik befasst sich mit der Frage, mit welchen körper- lichen Mitteln die Sprechlaute produziert werden (Kapitel 1-5). • Die akustische Phonetik befasst sich mit den physikalischen Eigenschaften des Sprachsignals, also mit der konkreten Gestalt dieses Signals (Kapitel 8). • Die Phonologie befasst sich mit abstrakten Eigenschaften des Sprachlauts. Diese bieten eine Erklärung dafür, wie die Sprecher einer Sprache sich verstehen. (Kapitel 6). In diesem Kapitel werden die Grundbegriffe der artikulatorischen Phonetik erörtert. 2 Die Sprechwerkzeuge An der Erzeugung der Sprechlaute sind folgende Organe beteiligt: die Lunge, die Luftröhre, der Kehlkopf, der Rachen, der Mund und die Nase. Nach ihrer Funktion beim Sprechen sind diese Organe in drei Gruppen zu unterteilen, nämlich: • die Organe für die Atmung (die Lunge und die Luftröhre); Die Atmungsluft ist die Energiequelle für die Erzeugung der Sprechlaute. Beim Atmen ist dieser Luftstrom fast unhörbar, beim Sprechen wird der Luftstrom aber hörbar gemacht; • das Organ für die Stimmbildung (nämlich der Kehlkopf); und 1
  • 8. 2 Kapitel 1 • die Organe für die Artikulation (Rachen-, Mund- und Nasenhöhle, die zusammen als ‚das Ansatzrohr‘ bezeichnet werden). Das Ansatzrohr und der Kehlkopf sind schematisch in Figur 1 dargestellt: Figur 1: das Ansatzrohr 1. die Luftröhre 2. der Rachen 3. der Mund 4. die Nasenhöhle 5. der Kehlkopf 6. die Zunge 7. der Gaumen Die Bewegung der Organe im Ansatzrohr zur Erzeugung der Sprechlaute heißt Artikulation; Zunge und Lippen sind die wichtigsten beweglichen Artikulatoren. 2.1 Die Lunge Beim Sprechen wird der Atemstrom aus der Lunge reguliert, um den geeigneten Atemdruck zu erzeugen. Der Atemdruck wird benötigt, um im Kehlkopf den Stimmton zu bilden und im Ansatzrohr Geräusch zu erzeugen. Außerdem wird die Lautstärke durch den Atemdruck variiert. Die Lunge funktioniert ähnlich wie ein Blasebalg, denn das Ein- und Ausatmen erfolgt nicht durch selbständige Tätigkeit der Lunge, sondern durch äußere Einwirkung. Beim Einatmen heben sich die Rippen, die zusammen den Brustkorb bilden, und das Zwerchfell (Diaphragma), der untere Abschluss des Brustkorbs, senkt sich. Das Volumen der Lunge wird dadurch nach zwei Seiten hin erweitert und es wird Luft eingesogen. Die Ausatmung erfolgt durch Verkleinerung des Lungenvolumens, nämlich durch Anhebung des Zwerchfells und Senkung der Rippen. Bei Brustatmung erfolgt die Einatmung vor allem durch Hebung der Rippen, bei Bauchatmung vor allem durch Senkung des Zwerchfells.
  • 9. Die Sprechorgane 3 2.2 Der Kehlkopf Der Kehlkopf (die Larynx) oben an der Luftröhre lässt sich mit einem Ventil vergleichen, das geöffnet oder geschlossen werden kann. Beim Sprechen von stimmhaften Lauten wird der Luftstrom, der aus der Lunge kommt, im Kehlkopf in Schwingung versetzt. Dadurch entsteht der Stimmton. 2.2.1 Der Aufbau des Kehlkopfs Der Kehlkopf ist ein aus Knorpeln aufgebauter Zylinder. Die Basis des Zylinders ist der Ringknorpel, der in den Figuren 2 und 3 durch a gekennzeichnet ist. Auf der Vorderseite des Ringknorpels steht der Schildknorpel oder Spannknorpel (b in den Figuren 2 und 3), der bei Männern als ‚Adamsapfel’ sichtbar ist. Der Schildknorpel ist beweglich und kann nach vorne kippen. Die gestrichelten Linien in Figur 2 geben die Stellung des nach vorne gekippten Schildknorpels wieder. Auf der Rückseite des Ringknorpels stehen symmetrisch zueinander die beiden ebenfalls beweglichen Stellknorpel (c in den Figuren 2 und 3). Figur 2: Seitenansicht des Kehlkopfs Figur 3: Obenansicht des Kehlkopfs Im oberen Teil des Kehlkopfes befindet sich der Kehldeckel. Der Kehldeckel spielt beim Sprechen keine Rolle, wohl aber beim Schlucken. Die Wege für die Nahrungsaufnahme (die Speiseröhre) und Atmung (die Luftröhre) kreuzen sich, aber der Kehldeckel verschließt beim Schlucken den Kehlkopfeingang.
  • 10. 4 Kapitel 1 1. DIE STIMMLIPPEN Im Kehlkopf befinden sich die Stimmlippen oder Stimmbänder, die in Figur 2 durch d gekennzeichnet sind. Es sind zwei lippenartige Muskelfalten. Jede der beiden Stimmlippen ist vorne mit dem Spannknorpel und hinten mit einem der Stellknorpel verbunden. Durch die Bewegungen des Schildknorpels und der Stellknorpel können sie gespannt oder entspannt werden; da die Stimmlippen Muskeln sind, können sie sich auch selber spannen und entspannen. Durch die Bewegungen der Stellknorpel können die Stimmlippen eine Öffnung oder einen Verschluss bilden. Die Öffnung zwischen den beiden Stimmlippen heißt Glottis oder Stimmritze. 2. DIE STELLUNGEN DER STIMMLIPPEN In den Figuren 4 bis 6 ist der Kehlkopf im Querschnitt von oben dargestellt. Die neutrale oder Ruhelage der Stimmlippen erlaubt freien Durchgang des Luftstroms beim Atmen. Dies ist auch die Stellung bei der Artikulation der stimmlosen Konsonanten, z.B. [p] und [s]. Wenn die Glottis etwas verengt wird, entsteht der Hauchlaut [h] (hier, daheim) Figur 4: Atemstellung Bei der Stimmstellung (oder ‚Phonationsstel- lung‘) berühren die Stimmlippen sich leicht. Der Luftstrom aus der Lunge versetzt die Stimmlippen in eine regelmäßige Vibration und die Luft übernimmt die Vibrationsfrequenz der Stimmlippen. Die Vibration ist spürbar, wenn man beim Sprechen von stimmhaften Lauten den Schildknorpel (den ‚Adamsapfel‘) berührt. Alle Vokale (z.B. [ ]) und die stimmhaften Kon- sonanten (z.B. [m] und [b]) werden mit ‚Stimm- Figur 5: Stimmstellung ton‘ (oder ‚Stimme‘) gesprochen.
  • 11. Die Sprechorgane 5 Bei der Flüsterstellung ist nur der hintere Teil der Glottis bei den Stellknorpeln geöffnet. Die Stimmlippen können nicht schwingen, aber der Luftstrom verursacht ein leichtes Geräusch, das als Stimmtonersatz beim Flüstern die Bildung von Vokalen ermöglicht. Figur 6: Flüsterstellung 2.2.2 Der Stimmton 1. DIE STIMMBILDUNG Bei der Stimmbildung (‚Phonation‘) stehen Stellung und Spannung der Stimm- lippen sowie der Atemdruck in einem solchen Verhältnis zueinander, dass die Glottis in schneller Folge abwechselnd geöffnet und wieder geschlossen wird. Jedes Mal, wenn die Glottis durch den Atemdruck geöffnet wird, wird ein Luft- pfropfen in das Ansatzrohr geschleudert. Die so entstehende Vibration der Luft ist der Stimmton. Je nach Stimmhöhe wiederholt sich das Öffnen oder Schließen der Glottis zwischen etwa 100 und etwa 1000 mal pro Sekunde, d.h., mit einer Frequenz, die zwischen etwa 100 Hertz für eine sehr tiefe Stimme und 1000 Hertz für eine sehr hohe Singstimme liegt. Ein vergleichbarer Vorgang liegt vor, wenn man den Mund schließt und durch die nicht zu fest verschlossenen Lippen bläst: brrr. 2. DIE TONHÖHE Die Tonhöhe wird durch die Spannung der Stimmlippen variiert: je größer die Spannung, je höher die Stimme. Größere Spannung erfolgt: • durch Dehnung der Stimmlippen. Die Dehnung wird durch das Verlagern des Schildknorpels oder der Stellknorpel bewirkt; • durch Zusammenziehen der Stimmlippen. Die Unterschiede in der Stimmhöhe zwischen Männern und Frauen beruhen auf der unterschiedlichen Länge der Stimmlippen: Die Stimmlippen sind bei Frauen 1,7 bis 2 cm lang, bei Männern 2 bis 2,4 cm. Der Stimmwechsel (die Mutation) bei Knaben wird durch das rasche Wachsen des Kehlkopfes und der Stimmlippen in der Pubertät verursacht. Der Stimmton liegt nach der Mutation etwa eine Oktave niedriger als vorher. Bei Mädchen verläuft dieser Prozess langsamer und ist die Zunahme des Umfangs auch viel geringer.
  • 12. 6 Kapitel 1 2.3 Das Ansatzrohr Rachen-, Mund- und Nasenhöhle bilden das Ansatzrohr, den Resonanzraum für den Stimmton. Oberhalb des Rachens liegen Mund- und Nasenhöhle, die durch den Gaumen (das Palatum) voneinander getrennt sind. Der hintere Teil des Gaumens heißt ‚Gaumensegel‘, ‚weicher Gaumen‘ oder ‚Velum‘. Das Gaumensegel ist beweglich: Beim Atmen hängt es herunter; es kann sich aber auch heben und so die Nasenhöhle abschließen, wodurch der Stimmton nur in Rachen- und Mundhöhle resoniert. Beim Sprechen der meisten Sprechlaute, der ‚oralen Sprechlaute‘, ist die Nasenhöhle durch das Gaumensegel abgeschlossen (Figuren 9 und 11); bei der Bildung von Nasallauten bleibt das Gaumensegel gesenkt, wodurch die Nasenhöhle als Resonanzraum funktioniert (Figur 8) oder mitfunktioniert (Figur 10). Nasallaute sind die Nasalkonsonanten [m], [n] und [ ] (im Wort Meinung) und die Nasalvokale, die in französischen und friesischen Wörtern vorkommen (z.B. Chanson; Fryslân). Figur 7: [b] (oral) Figur 8: [m] (nasal) Figur 9: [ ] (oral) Figur 10: [a] (nasaliert) Die Entfernung zwischen den Stimmbändern und den Lippen beträgt im Durch- schnitt 17 cm. Veränderungen des Ansatzrohrs haben wesentliche Veränderungen in der Lautqualität zur Folge: Wenn man die Lippen vorstülpt und rundet, wird das Ansatzrohr verlängert und kommt ein u-ähnlicher Laut zustande; wenn man die Lippen spreizt und die Mundwinkel zurückzieht, wird das Ansatzrohr verkürzt und entsteht ein i-ähnlicher Laut; wenn man den Mund möglichst weit aufmacht, hört man einen a-Laut. Die Gestalt des Ansatzrohrs wird jedoch nicht nur durch die Lippenstellung und Mundöffnung, sondern vor allem durch die Zungenstellung be- dingt. Die Zunge ist an der Bildung aller Vokale und vieler Konsonanten beteiligt. In Figur 11 auf Seite 7 werden noch einmal die verschiedenen Organe des Ansatz- rohrs schematisch dargestellt.
  • 13. Die Sprechorgane 7 Figur 11: Einteilung des Ansatzrohrs Organbezeichnung Adjektiv 1 die Luftröhre (die Trachea) 2 der Rachen (der Pharynx) 3 die Mundhöhle (Cavum oris) oral 4 die Nasenhöhle (Cavum nasi) nasal 5 der Kehlkopf (der Larynx) mit Stimmlippen und Glottis laryngal, glottal 5a der Schildknorpel (die Cartilago thyroidea) 6 die Zunge (die Lingua) lingual 6a die Zungenspitze (der Apex) apikal 6b das Zungenblatt (der vordere Zungenrücken, die Korona) koronal 6c der Zungenrücken (das Dorsum) dorsal 7a der harte Gaumen (das Palatum) palatal 7b der weiche Gaumen (das Gaumensegel, das Velum) velar 8 die Lippen (Labia) labial 9 die Zähne (Dentes) dental 10 der Zahndamm (Alveolen) alveolar 11 das Halszäpfchen (die Uvula) uvular 12 der Kehldeckel (die Epiglottis) 13 die Speiseröhre (der Ösophagus) 14 der Gaumenknochen (das Os palatinum) palatal 15 der Kieferknochen Unterkiefer (die Mandibula) und Oberkiefer (die Maxilla)
  • 14. 8 Kapitel 1 Übungsfragen 1. Aus welchen Hohlräumen setzt sich das Ansatzrohr zusammen? 2. Was ist Artikulation? 3. Was ist Stimmton und welche Laute werden stimmhaft gesprochen? 4. Aus welchen Teilen ist der Kehlkopf aufgebaut? Welche Funktion(en) haben die einzelnen Teile? 5. Wie funktionieren Brust- und Bauchatmung? 6. Wie werden Nasalkonsonanten gebildet?