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Warum arbeiten?

Original von S.L. Lowndes ist in Englisch und wurde von Florian Grebner ins Deutsche übersetzt.


Anmerkung: Dieser Brief von S.L. Lowndes - als arbeitslos bezeichnet - wurde in der „Opinion“ Kolumne der
Sunday Times vom 8.8.1982 veröffentlicht.

Ich nehme den Dreck auf, ehe er mir entgegen geworfen wird. Ich bin ein Faulpelz. Ein Parasit.
Unpatriotisch, ok? Nun wo ich keine Geheimnisse mehr habe lasst uns beginnen. Ich wurde nicht gefeuert.
Ich gab meine Arbeit freiwillig auf. Die protestantische Arbeitsethik hat für mich und Personen wie mich nie
existiert. Das Problem ist, dass gegen die scheinbar einfache Wahl nicht zu arbeiten angegangen wird. Wir
haben die ganze industrialisierte westliche Gesellschaft gegen uns und eventuell auch den Osten.

„So-und-So läuft es gut für ihn“, dieser Satz wird in meinen Ohren immer bedrohlich klingen. Ich wusste
dann, dass ich nun einen Katalog von schwachsinnigen Leistungen anhören durfte. Es sind in der Regel die
Eltern, in diesem Fall meine Eltern, die mit einer sadistischen Freude fröhlich zitieren welche Heldentaten
die Nachkommen von Frau Wieauchimmer vollbracht haben. Sie scheinen den Eindruck zu haben, dass
diese Erfolge mich dazu inspirieren in der Geschäftswelt hoch aufzusteigen. Keine Chance, Mama.
Es ist eine verwirrende Situation. Auf der einen Seite möchte Ich etwas von dem materiellen Reichtum,
welcher ein dauerhafter Job bringen könnte. Auf der anderen Seite habe ich bereits einige eigene Schätze.
Ich habe leere Tennisplätze, lange Spaziergänge, die Bücherei, Nickerchen am Nachmittag, Frieden und
Freiheit. Lange dachte ich, dass ich mit dieser Attitüde bezüglich Arbeit, Erfolg etc. alleine sei. Allerdings
habe ich während Gesprächen mit meinen Freunden etwas entdeckt, was eine neue soziale Bewegung sein
könnte. Es gibt einen Umschwung zu der Meinung, dass Arbeit etwas für Esel und Feiglinge ist. Nur Idioten
arbeiten freiwillig, der Rest ist bestochen oder erpresst. Als eine grobe Richtschnur würde ich sagen, dass
Singles bestochen werden und Verheiratete erpresst.
Nun schauen wir uns mal jemanden an, der genau so ist wie die Welt es von ihm erwartet. Bob ist ein
Buchhalter. Sechs Jahre lang hat er treu für seinen Arbeitgeber gearbeitet und für was? Das Pendeln ist
erschöpfend und sein Bankkonto ist immer überzogen. Um die Erwartungen, die man an einen jungen
arbeitenden Mann hat, zu erfüllen ist er dazu genötigt ständig über seinen Verhältnissen zu leben. Also
warum tut er dies? Er ist kein Idiot, er ist einfach nur wie alle anderen in diesem Frühzug. Er ist ein Feigling.
Die Konsequenzen des nicht-Arbeiters erschrecken ihn.
Ich kann nur Trauer empfinden für all diese jungen Schulabgänger, die beim Jobcenter um die
Anschlagstafeln umher streifen. Sie denken, dass ein Job die Antwort auf alle ihre Fragen sein wird. Jemand
scheint sie da fehlinformiert zu haben. Solcherlei Träume haben sie! Das Geld, die Freunde, die Kleidung, ein
Auto, eine Wohnung! Ich würde ihnen die Schinderei der Buchhaltung, die Qual des Arbeitens und die
niemals endende Zermahlen der Wiederholung aufzeigen. Arbeit ist nicht die Antwort auf irgendein
Problem, nicht einmal die finanziellen.
Das kann auch nur Missgunst sein, weil ich arbeitslos bin. Es gibt keinen Job der gut genug für mich ist. Es
gibt keinen Job der gut genug für irgendjemanden ist. Es verblüfft mich jedes mal, dass in einer Welt in der
so viel möglich ist und in der so vieles dir den Atem verschlagen kann, so viele darauf vorbereitet sind sich
mit so wenig abzufinden.
Es macht mich glücklich, wenn ich während eines heißen Nachmittags die Straße entlang laufe. Dort bin ich
in Shorts und T-Shirt und dort sind die Lasttiere. Die Männer sind alle verschwitzt in ihren zerknitterten
Anzügen und die Frauen lächerlich mit der neusten Mode. Los, kauf das neue Auto, kriege ein „nettes“ zu
Hause. Ihr seid herzlich willkommen, aber das ist nichts für mich.

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  • 1. Warum arbeiten? Original von S.L. Lowndes ist in Englisch und wurde von Florian Grebner ins Deutsche übersetzt. Anmerkung: Dieser Brief von S.L. Lowndes - als arbeitslos bezeichnet - wurde in der „Opinion“ Kolumne der Sunday Times vom 8.8.1982 veröffentlicht. Ich nehme den Dreck auf, ehe er mir entgegen geworfen wird. Ich bin ein Faulpelz. Ein Parasit. Unpatriotisch, ok? Nun wo ich keine Geheimnisse mehr habe lasst uns beginnen. Ich wurde nicht gefeuert. Ich gab meine Arbeit freiwillig auf. Die protestantische Arbeitsethik hat für mich und Personen wie mich nie existiert. Das Problem ist, dass gegen die scheinbar einfache Wahl nicht zu arbeiten angegangen wird. Wir haben die ganze industrialisierte westliche Gesellschaft gegen uns und eventuell auch den Osten. „So-und-So läuft es gut für ihn“, dieser Satz wird in meinen Ohren immer bedrohlich klingen. Ich wusste dann, dass ich nun einen Katalog von schwachsinnigen Leistungen anhören durfte. Es sind in der Regel die Eltern, in diesem Fall meine Eltern, die mit einer sadistischen Freude fröhlich zitieren welche Heldentaten die Nachkommen von Frau Wieauchimmer vollbracht haben. Sie scheinen den Eindruck zu haben, dass diese Erfolge mich dazu inspirieren in der Geschäftswelt hoch aufzusteigen. Keine Chance, Mama. Es ist eine verwirrende Situation. Auf der einen Seite möchte Ich etwas von dem materiellen Reichtum, welcher ein dauerhafter Job bringen könnte. Auf der anderen Seite habe ich bereits einige eigene Schätze. Ich habe leere Tennisplätze, lange Spaziergänge, die Bücherei, Nickerchen am Nachmittag, Frieden und Freiheit. Lange dachte ich, dass ich mit dieser Attitüde bezüglich Arbeit, Erfolg etc. alleine sei. Allerdings habe ich während Gesprächen mit meinen Freunden etwas entdeckt, was eine neue soziale Bewegung sein könnte. Es gibt einen Umschwung zu der Meinung, dass Arbeit etwas für Esel und Feiglinge ist. Nur Idioten arbeiten freiwillig, der Rest ist bestochen oder erpresst. Als eine grobe Richtschnur würde ich sagen, dass Singles bestochen werden und Verheiratete erpresst. Nun schauen wir uns mal jemanden an, der genau so ist wie die Welt es von ihm erwartet. Bob ist ein Buchhalter. Sechs Jahre lang hat er treu für seinen Arbeitgeber gearbeitet und für was? Das Pendeln ist erschöpfend und sein Bankkonto ist immer überzogen. Um die Erwartungen, die man an einen jungen arbeitenden Mann hat, zu erfüllen ist er dazu genötigt ständig über seinen Verhältnissen zu leben. Also warum tut er dies? Er ist kein Idiot, er ist einfach nur wie alle anderen in diesem Frühzug. Er ist ein Feigling. Die Konsequenzen des nicht-Arbeiters erschrecken ihn. Ich kann nur Trauer empfinden für all diese jungen Schulabgänger, die beim Jobcenter um die Anschlagstafeln umher streifen. Sie denken, dass ein Job die Antwort auf alle ihre Fragen sein wird. Jemand scheint sie da fehlinformiert zu haben. Solcherlei Träume haben sie! Das Geld, die Freunde, die Kleidung, ein Auto, eine Wohnung! Ich würde ihnen die Schinderei der Buchhaltung, die Qual des Arbeitens und die niemals endende Zermahlen der Wiederholung aufzeigen. Arbeit ist nicht die Antwort auf irgendein Problem, nicht einmal die finanziellen. Das kann auch nur Missgunst sein, weil ich arbeitslos bin. Es gibt keinen Job der gut genug für mich ist. Es gibt keinen Job der gut genug für irgendjemanden ist. Es verblüfft mich jedes mal, dass in einer Welt in der so viel möglich ist und in der so vieles dir den Atem verschlagen kann, so viele darauf vorbereitet sind sich mit so wenig abzufinden. Es macht mich glücklich, wenn ich während eines heißen Nachmittags die Straße entlang laufe. Dort bin ich in Shorts und T-Shirt und dort sind die Lasttiere. Die Männer sind alle verschwitzt in ihren zerknitterten Anzügen und die Frauen lächerlich mit der neusten Mode. Los, kauf das neue Auto, kriege ein „nettes“ zu Hause. Ihr seid herzlich willkommen, aber das ist nichts für mich.