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Steampunk wird niemals Angst vor Politik haben




Im Original von Magpie Killjoy, vom Englischen ins Deutsche übersetzt von Florian Grebner.

Ich habe mich das erste mal bewusst mit Steampunk im Jahre 2004 auseinander gesetzt.  Es war das 
perfekte Objekt für meine Interessen: Geschichte, verrückte Wissenschaft, Romanliteratur, die 
Unterschicht und radikale Politik. Ernsthaft, es war Steampunk, was mich realisieren ließ wie 
großartig es ist Stil zu haben obwohl man arm ist, dass wir individuelle und kommunale 
Erfindungsgabe feiern können ohne davon zu babbeln wie großartig dieses oder jene Nation oder 
Imperium sein mag.
Nun, sieben jahre später, bin ich permanent davon überrascht wie Personen, inklusive der härtesten 
Steampunk Anhänger, zu glauben scheinen, dass Steampunk außer Designerkleidung nichts zu 
bieten hat. Es gibt Personen – Ich würde sagen, eine Minderheit, bloß eine laute – welche so tuen 
wie als wäre Steampunk einfach nur eine messingfarbene Fassade mit welcher man den Mainstream 
umhüllt. Es tut mir ja Leid, aber, egal ob es jemanden gefällt oder nicht, im Herzen von Steampunk 
gab es immer schon radikale Politik.
Vermutlich sind unsere berühmtesten Vorläufer H.G. Wells und Jules Verne. Wells war sehr davon 
überzeugt eine staatenlose Gesellschaft zu erschaffen und den Kapitalismus zu demontieren.  Wie er 
in seinen 1908 erschienen Buch „New Worlds for Old“ schrieb: „Sozialismus ist die Vorbereitung 
für diesen höheren Anarchismus; schmerzhaft, mühselig, versuchen wir falsche Vorstellungen von 
Eigentum und dem Selbst zu zerstören, vernichten ungerechte Gesetzte sowie giftige und 
hasserfüllte Vorschläge und Vorurteile.“
Verne, der weniger radikal war, brachte uns dennoch den anti­zivilisations Prüfstein Kapitän Nemo. 
Ebenfalls schrieb er, gegen Ende seiner Karriere, das im Englischen schwer zu findene „Die 
Schiffbrüchigen der Jonathan“¹, welches einen Mann mit dem Motto "weder Gott noch Herr" gegen 
die Grenzen seiner antiautoritären Glaubenssätze antreten lässt, als der Charakter den Überlebenden 
eines Schiffbruchs beim Aufbau einer Kolonie in Südafrika hilft.
Meine beiden Lieblings­Steampunkpioniere sind Michael Moorcock und Alan Moore, Beide sind 
Anarchisten. Moorcoks in den späten 70ern erschienene Oswald­Bastable­Triologie („Der Herr der 
Lüfte“ et al, Anm. v. F.G.) ist vermutlich das erste echte „Steampunk“ Werk, vollständig mit 
Robotorsoldaten, die gegen den Zar kämpfen, Luftschiffkämpfen und der schwarzen 
Befreiungsfront, welche Washingen, DC übernimmt. Alan Moores politische Meinung sickert in 
seinen „Die Liga der außergewöhnlichen Gentleman“ auch durch, allerdings in subtilerer Form.
Da Steampunk als Genre von Cyberpunk abstammt sollte es nicht überraschen, dass die ersten 
Steampunk Arbeiten ebenfalls bewusst radikal waren. Cyberpunk entstand als Reaktion auf die 
streitbar imperialistische und oft problematische Science­Fiction seiner Zeit.  Cyberpunk war das 
punkigere Science­Fiction, er führte die Konzerndystopien und einen starken Sinn für den 
Klassenkampf ein und brachte die Geschichten von intergalaktischen Reisen zurück zu den 
Problemen hier auf der Erde.
Im Jahre 2006 veröffentlichte ich eine Website und bat um Beiträge für das „SteamPunk Magazine“. 
Ich schrieb etwas im Sinne von „wir haben kein Interesse an frauenfeindlichen, rassistischen oder 
pro­kolonialistischen Arbeiten“. Dies schien für mich nicht zu viel verlangt zu sein. Schließlich war 
ich an Steampunk interessiert und weder an neo­viktorianischen Reaktionismus noch an  Fantasien 
über die Zeit als die weiße Rasse noch dominanter und unaufhaltbarer als heute war. Der 
Gegenwind kam sofort: „Wie kannst du gegen Kolonialismus und gleichzeitig Steampunk sein?“, 
fragte mich ein Kommentierer und seine Aussage wurde von ebenfalls von anderen wiedergegeben.
In der Tat, wie?
Kolonialismus ist das Gegenteil von dem was Steampunk ist. Ich würde sagen, auf seine Weise, ist 
Kolonialismus vollkommen Anti­Steampunk. Kolonialismus ist der Prozess, welcher versucht der 
Welt Homogenität aufzwingen (ganz zu schweigen von den rassistischen Thesen). Steampunk ist 
eine von sehr vielen Bewegungen und Kulturen, welche versucht die Homogenität zu brechen.
Ja, darum ist Steampunnk politisch. Ich bin dafür bekannt mich bei diesem Thema in etwas 
hineinzusteigern und eventuell bin ich etwas dafür berüchtigt, wenn der Wortwitz bezüglich meines 
Namens gestattet ist, anderen den Spaß zu verderben (killjoys = kill joy = das Spiel verderben, Anm. 
v. F.G.), da ich immer über die politischen, philosophischen und tieferen Bedeutungen von 
Steampunk diskutieren möchte. Jedoch möchte ich dich auf eins hinweisen, wenn du denkst du seist 
„apolitisch“ unterstützt du in Wirklichkeit den Status Quo.
Als bester Vergleich fällt mir die Literatur ein. Sollte eine Frau Hauptfigur sein ist es 
„Frauenliteratur“. Sollte die Hauptfigur ein Mann sein ist es einfach Literatur. Ein heterosexueller, 
weißer, kräftiger Mann ist der Status Quo. Es ist nichts verwerfliches daran ein heterosexueller, 
weißer, kräftiger Mann zu sein, aber es gibt keinen Grund warum er der Standard für alle 
Geschichten, die jemals geschrieben worden sind, sein sollte. Sollte deine Hauptfigur im Rollstuhl 
sitzen wird unvermittelt angenommen, dass deine Geschichte davon handelt, dass deine Hauptfigur 
im Rollstuhl sitzt, weil dies nun mal nicht der Status Quo ist. Und es wird Personen geben die sich 
darüber beschweren, dass du ihnen deine Einstellungen aufzwingen willst.
Dies kann man ebenfalls breiter anwenden: Ja, du kannst darüber wütend sein, dass ich 
revolutionäre Romanliteratur schreibe. Jedoch gibt es für jede Geschichte über Revolution dutzende 
in denen dem König blind gedient wird. Irgendwie wird es als apolitisch empfunden, wenn man 
einen nicht gewählten Diktator blind folgt, jedoch soll ich verrückt sein, wenn ich darüber schreibe 
ihn aufgrund seiner absoluten Macht über mein Leben und Sterben, was Eigenschaften seiner 
Stellung sind, umzubringen.
Vor einen Monat nahm ich wieder die Leitung des „SteamPunk Magazine“ auf, ich bin davon 
begeistert es nach jahrelanger Auszeit zurückzuhohlen. Derzeit sammeln wir Beiträge für Ausgabe 
#8. Nicht jede Geschichte die wir veröffentlichen, nicht jeder Artikel den wir drucken muss ein 
leidenschaftler Ruf zur Revolution sein. Jedoch gibt es viele von uns, welche sich verpflichtet haben 
klar zu machen, dass Steampunk seinen Wurzeln als Genre und Subkultur, welche keine Angst hat 
Fragen zu den zugrunde liegenden Annahmen der Mainstreamkultur zu stellen und seine eigenen 
Antworten zu finden, treu bleibt.

¹ Auf Deutsch findet man das Buch sowohl als normales Buch (i.d.R. „Die Schiffbrüchigen der 
Jonathan“ genannt) als auch als Ebook (i.d.R. „Die Schiffbrüchigen des 'Jonathan'“ genannt) z.B. 
bei Amazon.de. (Stand 09.03.2012)

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