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Kammer-Kompakt: Boombranche Leiharbeit
Nach dem Ende der Finanzkrise 2009 hat der wirtschaftliche Aufschwung auch in Bremen zu
einem starken Plus an Arbeitsplätzen geführt. Dabei geht der Trend immer mehr in Richtung zu
„atypische“ Beschäftigungsverhältnisse, die mit sozialen Problemen für die Arbeitnehmer
verbunden sind. Vor allem die Leiharbeit boomt.




   1. Rund 6.700 neue Arbeitsplätze sind im Land Bremen seit 2009 entstanden. Jeder dritte
      neue Arbeitsplatz davon allerdings in der Leiharbeit. Die Zahl der Arbeitsplätze hat sich
      hier allein in den vergangenen sieben Jahren mehr als verdoppelt.

   2. Die Städte Bremen und Bremerhaven haben einen deutlich höheren Anteil an Leiharbeit
      als der Bundesdurchschnitt.

   3. Mehr als die Hälfte der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer sind weniger als
      drei Monate in einem Leiharbeitsunternehmen beschäftigt.

   4. Drei von vier Leiharbeitnehmern sind Männer. Beschäftigte in der Leiharbeit sind zudem
      vergleichsweise jünger und haben ein niedriges Qualifikationsniveau.

   5. Der Schwerpunkt der Leiharbeit liegt im Fertigungsbereich. Dabei werden
      Leiharbeitnehmer in hohem Maß für Hilfstätigkeiten eingestellt.

   6. Im Bundesländervergleich hat Bremen die höchste Leiharbeitsquote. Auch bei der
      Entwicklung der Leiharbeit in den vergangenen Jahren liegt Bremen mit an der Spitze.

   7. Die Leiharbeitsbranche ist seit Jahren von hoher Dynamik geprägt. Angesichts der
      Eurokrise ist in den kommenden Jahren aber zunächst ein Ende des Booms zu erwarten.

                                              1
1. Beschäftigungsboom durch Leiharbeit

Mit dem Ende der Finanzkrise 2009 ist der prognostizierte wirtschaftliche Aufschwung auch in
der bremischen Wirtschaft eingetreten und damit auch der Zuwachs an Arbeitsplätzen im Land
Bremen. Die aktuell verfügbaren Zahlen für März 2011 zeigen einen Zuwachs von
6.656 Arbeitsplätzen seit Mitte 2009. Diese Arbeitsplatzgewinne beruhen allerdings in
erheblichem Umfang auf der Ausweitung der Leiharbeit: 2.254 Arbeitsplätze, also jeder dritte
neue Arbeitsplatz seit 2009, ist in diesem Bereich entstanden. Der langfristige Höhenflug der
Leiharbeit zeigt sich damit ungebrochen: Nach einer kurzen Unterbrechung in der Krise konnte
hier an die Wachstumsraten der „Vor-Krisen-Zeit“ angeknüpft werden; die Zahl der Arbeitsplätze
in diesem Bereich hat sich allein in den zurückliegenden sieben Jahren mehr als verdoppelt. Der
Anteil der Arbeitsplätze in der Leiharbeit an allen Arbeitsplätzen stieg von 1,9 Prozent im Jahr
2004 auf 4,1 Prozent im Jahr 2011.

Der Boom der Leiharbeit wird auch deutlich, wenn man die offenen Stellen betrachtet: Von den
rund 5.000 offenen Stellen im Land Bremen kommen rund 2.000 aus der Leiharbeitsbranche,
mit diesen rund 40 Prozent aller gemeldeten Stellen ist die Leiharbeit die mit deutlichem
Abstand wichtigste Branche für den Arbeitsmarkt.




                                               2
2. Bedeutung der Leiharbeit in Bremen und Bremerhaven stärker ausgeprägt als im
   Bundesdurchschnitt

Die Leiharbeit hat in den Städten Bremen und Bremerhaven eine höhere Bedeutung als im
Bundesgebiet insgesamt. In Bremen liegt der Anteil der Leiharbeitnehmer (bezogen auf alle
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten) aktuell bei 4,1 Prozent. In Bremerhaven sind 3,8
Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Leiharbeit tätig. Deutschlandweit
liegt der Anteil der Leiharbeitnehmer hingegen bei 2,8 Prozent.

Ein Grund für die höhere Bedeutung der Leiharbeit im Land Bremen kann die generelle
Konzentration von Dienstleistungen in Stadtzentren sein, wozu die Leiharbeitsbranche zählt. Die
Leiharbeitsfirmen mit Sitz in der Stadt können wiederum Leiharbeitnehmer in Umlandbetriebe
ausleihen.

Bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass Beschäftigte bei Betrieben im stadtbremischen
Überseehafengebiet in der Statistik der Stadt Bremen zugerechnet werden und nicht der Stadt
Bremerhaven. Bei der Zurechnung dieser Beschäftigten zur Stadt Bremerhaven könnte die
Leiharbeitnehmerquote entsprechend für Bremerhaven etwas höher und für Bremen niedriger
ausfallen.




                                                3
3. Mehr als die Hälfte der Leiharbeitnehmer ist kurzfristig beschäftigt

Deutlich mehr als die Hälfte (59,6 Prozent) der Leiharbeitnehmer im Land Bremen sind weniger
als drei Monate bei einem Leiharbeitsunternehmen beschäftigt (nicht zu verwechseln mit der
Entleihdauer im Einsatzbetrieb). Während der Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009
sind gerade die kurzfristigen Beschäftigungen deutlich zurückgegangen.

Die Konsequenzen aus Produktionsausfällen und dem damit verbundenen Beschäftigungsabbau
spürten zuerst die kurzfristigen Leiharbeitnehmer. Im anschließenden Aufschwung und dem
damit verbundenen Produktionsanstieg ist die kurzfristige Leiharbeit entsprechend wieder
deutlich angewachsen. Die Zahl der Leiharbeitnehmer, die mehr als drei Monate beschäftigt
waren, blieb während der vergangenen vier Jahre hingegen relativ konstant.




                                               4
4. Strukturen in der Leiharbeit: Jeder Vierte ohne Berufsabschluss

Leiharbeit unterscheidet sich in ihrer Struktur deutlich von der Beschäftigung insgesamt: Vor
allem Männer arbeiten in der Leiharbeit (73 Prozent gegenüber 56 Prozent insgesamt); sie sind
im Durchschnitt jünger und arbeiten eher in Vollzeit. Auch bei den Ausbildungsabschlüssen
zeigen sich deutliche Unterschiede, was sich vor allem darauf zurückführen lässt, dass einer der
Schwerpunkte der Leiharbeit die Hilfstätigkeiten sind: Der Anteil der Arbeitnehmer mit Fach- und
Hochschulabschluss liegt im Land Bremen mit 4,5 Prozent deutlich niedriger (alle Beschäftigten:
12 Prozent). Gut die Hälfte der Arbeitnehmer hat eine Berufsausbildung, sowohl bei den
Beschäftigten in der Leiharbeit als auch bei den Beschäftigten insgesamt. Der Anteil der
Arbeitnehmer ohne Berufsausbildung ist allerdings in der Leiharbeit mit 25,9 Prozent rund
doppelt so hoch wie im Durchschnitt aller Arbeitnehmer.




                                               5
5. Leiharbeit von Hilfstätigkeiten dominiert

Die Leiharbeit wird mittlerweile für viele verschiedene Tätigkeitsfelder eingesetzt. Es dominieren
die Fertigungsberufe, in denen im Land Bremen 58 Prozent aller Leiharbeitnehmer beschäftigt
sind. Dabei ist der Anteil in Bremerhaven mit 63 Prozent höher als in Bremen mit 57 Prozent. In
Dienstleistungsberufen sind im Land Bremen 37 Prozent aller Leiharbeitnehmer tätig.

Im Fertigungsbereich sind die Leiharbeitnehmer mit Hilfstätigkeiten mit fast einem Drittel
(29,8 Prozent) aller Leiharbeitnehmer mit Abstand die größte Gruppe. Dieses Tätigkeitsfeld darf
allerdings nicht mit der Qualifikation der Beschäftigten gleichgesetzt werden. Auch Personen mit
Berufsabschluss oder anderer Qualifikation sind als Hilfsarbeiter beschäftigt.

Aber auch als Fachkräfte werden Leiharbeitnehmer immer häufiger eingesetzt. Jeder achte
Leiharbeitnehmer arbeitet als Schlosser oder Mechaniker. Auch der Beruf Elektriker und
Metallberufe sind unter den häufigsten Tätigkeitsfeldern.

Im Dienstleistungssektor sind die häufigsten Tätigkeiten Lagerverwalter, Lager- und
Transportarbeiter sowie Bürofach- und Bürohilfskräfte, die zusammen 62 Prozent der
Leiharbeitnehmer im Dienstleistungsbereich ausmachen.




                                                6
6. Bremen im Ländervergleich

Die Leiharbeit ist in allen Bundesländern ein fester Bestandteil des Arbeitsmarktes. Der Anteil
der Leiharbeit an allen Beschäftigten liegt im unteren Prozentbereich; nirgendwo ist der Anteil so
hoch wie in Bremen: Mit rund 4 Prozent hat Bremen wie in den Vorjahren die Spitzenposition im
Bundesländervergleich.

Der Boom der Leiharbeit ist in allen Bundesländern stark ausgeprägt. Der Vergleich für den
Zeitraum vor der ersten Finanzkrise bis Ende 2010 zeigt – von wenigen Ausnahmen abgesehen –
hohe Zuwachsraten. Hier gehört Bremen zu den Bundesländern mit dem stärksten Wachstum.




                                                7
7. Perspektiven der Leiharbeit: Höhepunkt der Entwicklung erreicht?

Die Leiharbeitsbranche wächst überall in Deutschland mit hoher Dynamik. Die flexible
Anpassung an unterschiedliche Auftragslagen wie auch der damit verbundene Kostenvorteil ist
für die Arbeitgeber höchst attraktiv. Ausgehend von 33.000 Leiharbeitnehmern 1980 hatte sich
die Zahl bis Ende 2000 verzehnfacht. In den darauffolgenden zehn Jahren verdoppelte sich die
Zahl der Arbeitsplätze noch einmal auf 824.000 Leiharbeitnehmer (Ende 2010). Den
erheblichen Flexibilisierungsvorteilen für die Arbeitgeber stehen aber soziale Risiken der
Beschäftigten gegenüber, insbesondere aufgrund der geringen Beschäftigungsstabilität von
Leiharbeitsverhältnissen und der nach wie vor verbreiteten geringeren Bezahlung dieser
Beschäftigten.

Rein rechnerisch könnte man annehmen, dass bei den hohen Wachstumsraten im kommenden
Jahr die Millionengrenze überschritten wird. Leiharbeit reagiert aber ausgesprochen empfindlich
auf Änderungen der Konjunktur, wie die erste Finanzkrise 2009 gezeigt hat. Angesichts der
deutlichen Verschlechterung der Konjunkturerwartungen für das kommende Jahr und der
mittelfristigen Folgen der Eurokrise für die Wirtschaft ist für die nächsten Jahre eine deutliche
Abschwächung des Höhenflugs in der Leiharbeit zu erwarten.

Nicht zuletzt tragen dazu auch gewerkschaftliche Gegenstrategien bei. Der Abschluss von
Tarifverträgen wie bei Mercedes oder den Stahlwerken, die den Anteil von Leiharbeit im Betrieb
begrenzen und die Gleichbehandlung der Leiharbeitnehmer tariflich festschreiben, sind aktuelle
Beispiele für gewerkschaftliche Strategien zur Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen in der
Leiharbeit. Der erfolgreiche Kampf um einen Mindestlohn in der Leiharbeit und gegen das
Unterlaufen von gesetzlichen Gleichbehandlungspflichten durch obskure Tarifverträge von
„Scheingewerkschaften“ dürfte ebenfalls dazu beitragen, die Attraktivität von Leiharbeit für
Arbeitgeber zu begrenzen.




Dezember 2011

                                                8

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  • 1. Kammer-Kompakt: Boombranche Leiharbeit Nach dem Ende der Finanzkrise 2009 hat der wirtschaftliche Aufschwung auch in Bremen zu einem starken Plus an Arbeitsplätzen geführt. Dabei geht der Trend immer mehr in Richtung zu „atypische“ Beschäftigungsverhältnisse, die mit sozialen Problemen für die Arbeitnehmer verbunden sind. Vor allem die Leiharbeit boomt. 1. Rund 6.700 neue Arbeitsplätze sind im Land Bremen seit 2009 entstanden. Jeder dritte neue Arbeitsplatz davon allerdings in der Leiharbeit. Die Zahl der Arbeitsplätze hat sich hier allein in den vergangenen sieben Jahren mehr als verdoppelt. 2. Die Städte Bremen und Bremerhaven haben einen deutlich höheren Anteil an Leiharbeit als der Bundesdurchschnitt. 3. Mehr als die Hälfte der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer sind weniger als drei Monate in einem Leiharbeitsunternehmen beschäftigt. 4. Drei von vier Leiharbeitnehmern sind Männer. Beschäftigte in der Leiharbeit sind zudem vergleichsweise jünger und haben ein niedriges Qualifikationsniveau. 5. Der Schwerpunkt der Leiharbeit liegt im Fertigungsbereich. Dabei werden Leiharbeitnehmer in hohem Maß für Hilfstätigkeiten eingestellt. 6. Im Bundesländervergleich hat Bremen die höchste Leiharbeitsquote. Auch bei der Entwicklung der Leiharbeit in den vergangenen Jahren liegt Bremen mit an der Spitze. 7. Die Leiharbeitsbranche ist seit Jahren von hoher Dynamik geprägt. Angesichts der Eurokrise ist in den kommenden Jahren aber zunächst ein Ende des Booms zu erwarten. 1
  • 2. 1. Beschäftigungsboom durch Leiharbeit Mit dem Ende der Finanzkrise 2009 ist der prognostizierte wirtschaftliche Aufschwung auch in der bremischen Wirtschaft eingetreten und damit auch der Zuwachs an Arbeitsplätzen im Land Bremen. Die aktuell verfügbaren Zahlen für März 2011 zeigen einen Zuwachs von 6.656 Arbeitsplätzen seit Mitte 2009. Diese Arbeitsplatzgewinne beruhen allerdings in erheblichem Umfang auf der Ausweitung der Leiharbeit: 2.254 Arbeitsplätze, also jeder dritte neue Arbeitsplatz seit 2009, ist in diesem Bereich entstanden. Der langfristige Höhenflug der Leiharbeit zeigt sich damit ungebrochen: Nach einer kurzen Unterbrechung in der Krise konnte hier an die Wachstumsraten der „Vor-Krisen-Zeit“ angeknüpft werden; die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Bereich hat sich allein in den zurückliegenden sieben Jahren mehr als verdoppelt. Der Anteil der Arbeitsplätze in der Leiharbeit an allen Arbeitsplätzen stieg von 1,9 Prozent im Jahr 2004 auf 4,1 Prozent im Jahr 2011. Der Boom der Leiharbeit wird auch deutlich, wenn man die offenen Stellen betrachtet: Von den rund 5.000 offenen Stellen im Land Bremen kommen rund 2.000 aus der Leiharbeitsbranche, mit diesen rund 40 Prozent aller gemeldeten Stellen ist die Leiharbeit die mit deutlichem Abstand wichtigste Branche für den Arbeitsmarkt. 2
  • 3. 2. Bedeutung der Leiharbeit in Bremen und Bremerhaven stärker ausgeprägt als im Bundesdurchschnitt Die Leiharbeit hat in den Städten Bremen und Bremerhaven eine höhere Bedeutung als im Bundesgebiet insgesamt. In Bremen liegt der Anteil der Leiharbeitnehmer (bezogen auf alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten) aktuell bei 4,1 Prozent. In Bremerhaven sind 3,8 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Leiharbeit tätig. Deutschlandweit liegt der Anteil der Leiharbeitnehmer hingegen bei 2,8 Prozent. Ein Grund für die höhere Bedeutung der Leiharbeit im Land Bremen kann die generelle Konzentration von Dienstleistungen in Stadtzentren sein, wozu die Leiharbeitsbranche zählt. Die Leiharbeitsfirmen mit Sitz in der Stadt können wiederum Leiharbeitnehmer in Umlandbetriebe ausleihen. Bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass Beschäftigte bei Betrieben im stadtbremischen Überseehafengebiet in der Statistik der Stadt Bremen zugerechnet werden und nicht der Stadt Bremerhaven. Bei der Zurechnung dieser Beschäftigten zur Stadt Bremerhaven könnte die Leiharbeitnehmerquote entsprechend für Bremerhaven etwas höher und für Bremen niedriger ausfallen. 3
  • 4. 3. Mehr als die Hälfte der Leiharbeitnehmer ist kurzfristig beschäftigt Deutlich mehr als die Hälfte (59,6 Prozent) der Leiharbeitnehmer im Land Bremen sind weniger als drei Monate bei einem Leiharbeitsunternehmen beschäftigt (nicht zu verwechseln mit der Entleihdauer im Einsatzbetrieb). Während der Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 sind gerade die kurzfristigen Beschäftigungen deutlich zurückgegangen. Die Konsequenzen aus Produktionsausfällen und dem damit verbundenen Beschäftigungsabbau spürten zuerst die kurzfristigen Leiharbeitnehmer. Im anschließenden Aufschwung und dem damit verbundenen Produktionsanstieg ist die kurzfristige Leiharbeit entsprechend wieder deutlich angewachsen. Die Zahl der Leiharbeitnehmer, die mehr als drei Monate beschäftigt waren, blieb während der vergangenen vier Jahre hingegen relativ konstant. 4
  • 5. 4. Strukturen in der Leiharbeit: Jeder Vierte ohne Berufsabschluss Leiharbeit unterscheidet sich in ihrer Struktur deutlich von der Beschäftigung insgesamt: Vor allem Männer arbeiten in der Leiharbeit (73 Prozent gegenüber 56 Prozent insgesamt); sie sind im Durchschnitt jünger und arbeiten eher in Vollzeit. Auch bei den Ausbildungsabschlüssen zeigen sich deutliche Unterschiede, was sich vor allem darauf zurückführen lässt, dass einer der Schwerpunkte der Leiharbeit die Hilfstätigkeiten sind: Der Anteil der Arbeitnehmer mit Fach- und Hochschulabschluss liegt im Land Bremen mit 4,5 Prozent deutlich niedriger (alle Beschäftigten: 12 Prozent). Gut die Hälfte der Arbeitnehmer hat eine Berufsausbildung, sowohl bei den Beschäftigten in der Leiharbeit als auch bei den Beschäftigten insgesamt. Der Anteil der Arbeitnehmer ohne Berufsausbildung ist allerdings in der Leiharbeit mit 25,9 Prozent rund doppelt so hoch wie im Durchschnitt aller Arbeitnehmer. 5
  • 6. 5. Leiharbeit von Hilfstätigkeiten dominiert Die Leiharbeit wird mittlerweile für viele verschiedene Tätigkeitsfelder eingesetzt. Es dominieren die Fertigungsberufe, in denen im Land Bremen 58 Prozent aller Leiharbeitnehmer beschäftigt sind. Dabei ist der Anteil in Bremerhaven mit 63 Prozent höher als in Bremen mit 57 Prozent. In Dienstleistungsberufen sind im Land Bremen 37 Prozent aller Leiharbeitnehmer tätig. Im Fertigungsbereich sind die Leiharbeitnehmer mit Hilfstätigkeiten mit fast einem Drittel (29,8 Prozent) aller Leiharbeitnehmer mit Abstand die größte Gruppe. Dieses Tätigkeitsfeld darf allerdings nicht mit der Qualifikation der Beschäftigten gleichgesetzt werden. Auch Personen mit Berufsabschluss oder anderer Qualifikation sind als Hilfsarbeiter beschäftigt. Aber auch als Fachkräfte werden Leiharbeitnehmer immer häufiger eingesetzt. Jeder achte Leiharbeitnehmer arbeitet als Schlosser oder Mechaniker. Auch der Beruf Elektriker und Metallberufe sind unter den häufigsten Tätigkeitsfeldern. Im Dienstleistungssektor sind die häufigsten Tätigkeiten Lagerverwalter, Lager- und Transportarbeiter sowie Bürofach- und Bürohilfskräfte, die zusammen 62 Prozent der Leiharbeitnehmer im Dienstleistungsbereich ausmachen. 6
  • 7. 6. Bremen im Ländervergleich Die Leiharbeit ist in allen Bundesländern ein fester Bestandteil des Arbeitsmarktes. Der Anteil der Leiharbeit an allen Beschäftigten liegt im unteren Prozentbereich; nirgendwo ist der Anteil so hoch wie in Bremen: Mit rund 4 Prozent hat Bremen wie in den Vorjahren die Spitzenposition im Bundesländervergleich. Der Boom der Leiharbeit ist in allen Bundesländern stark ausgeprägt. Der Vergleich für den Zeitraum vor der ersten Finanzkrise bis Ende 2010 zeigt – von wenigen Ausnahmen abgesehen – hohe Zuwachsraten. Hier gehört Bremen zu den Bundesländern mit dem stärksten Wachstum. 7
  • 8. 7. Perspektiven der Leiharbeit: Höhepunkt der Entwicklung erreicht? Die Leiharbeitsbranche wächst überall in Deutschland mit hoher Dynamik. Die flexible Anpassung an unterschiedliche Auftragslagen wie auch der damit verbundene Kostenvorteil ist für die Arbeitgeber höchst attraktiv. Ausgehend von 33.000 Leiharbeitnehmern 1980 hatte sich die Zahl bis Ende 2000 verzehnfacht. In den darauffolgenden zehn Jahren verdoppelte sich die Zahl der Arbeitsplätze noch einmal auf 824.000 Leiharbeitnehmer (Ende 2010). Den erheblichen Flexibilisierungsvorteilen für die Arbeitgeber stehen aber soziale Risiken der Beschäftigten gegenüber, insbesondere aufgrund der geringen Beschäftigungsstabilität von Leiharbeitsverhältnissen und der nach wie vor verbreiteten geringeren Bezahlung dieser Beschäftigten. Rein rechnerisch könnte man annehmen, dass bei den hohen Wachstumsraten im kommenden Jahr die Millionengrenze überschritten wird. Leiharbeit reagiert aber ausgesprochen empfindlich auf Änderungen der Konjunktur, wie die erste Finanzkrise 2009 gezeigt hat. Angesichts der deutlichen Verschlechterung der Konjunkturerwartungen für das kommende Jahr und der mittelfristigen Folgen der Eurokrise für die Wirtschaft ist für die nächsten Jahre eine deutliche Abschwächung des Höhenflugs in der Leiharbeit zu erwarten. Nicht zuletzt tragen dazu auch gewerkschaftliche Gegenstrategien bei. Der Abschluss von Tarifverträgen wie bei Mercedes oder den Stahlwerken, die den Anteil von Leiharbeit im Betrieb begrenzen und die Gleichbehandlung der Leiharbeitnehmer tariflich festschreiben, sind aktuelle Beispiele für gewerkschaftliche Strategien zur Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen in der Leiharbeit. Der erfolgreiche Kampf um einen Mindestlohn in der Leiharbeit und gegen das Unterlaufen von gesetzlichen Gleichbehandlungspflichten durch obskure Tarifverträge von „Scheingewerkschaften“ dürfte ebenfalls dazu beitragen, die Attraktivität von Leiharbeit für Arbeitgeber zu begrenzen. Dezember 2011 8