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Celle, 12.07.2012
ADHS in Deutschland: Wird zu schnell verordnet?
600.000 Kinder erhalten ADHS-Arzneien / Verordnungsanstieg um 200 Prozent
Hannover - Rund 600.000 Kinder in Deutschland erhalten Medikamente zur
Behandlung von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung).
Jungen erhalten diese Diagnose viermal häufiger als Mädchen. Experten gehen
davon aus, dass viele der Diagnosen falsch oder zweifelhaft sind. Der 4. BKK
Mobil Oil-Gesundheitstag am 14.07.2012 in Hannover nimmt dieses Thema
unter die Lupe und diskutiert aktuelle Forschungsergebnisse zur Diagnostik
und Therapie. Wir sprachen im Vorfeld der Veranstaltung mit Professor Dr.
Gerd Glaeske, Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen, dem Moderator
der Veranstaltung über ADHS in Deutschland.
Die Verordnungszahlen von ADHS-Medikamenten sind in den vergangenen zehn
Jahren um fast 200 Prozent gestiegen. Experten gehen aber davon aus, dass viele
Kinder diese Mittel zu Unrecht erhalten. Werden Kinder in Deutschland vorschnell als
„hyperaktiv“ bezeichnet?
Glaeske: Ich glaube, dass hier mehrere gesellschaftliche und medizinische Aspekte
zusammenkommen. Zum einen findet die psychische Störung ADHS auch in der
Medizin mehr und mehr Beachtung, es könnte also durchaus sein, dass eine frühere
Unterversorgung von Kindern mit ADHS heute durch unterschiedliche
Therapiemöglichkeiten ausgeglichen wird. Allerdings möchte ich in diesem
Zusammenhang hinterfragen, ob die offenbar bevorzugte Therapie mit Arzneimitteln
in all diesen Fällen die richtige ist. Gleichzeitig scheint es aus meiner Sicht aber auch
viele Fälle von Über- und Fehlversorgung zu geben, wenn Kinder, die oft lebhaft oder
unkonzentriert sind, vorschnell und ohne adäquate Diagnostik mit Ritalin und Co.
behandelt werden.
Ist das Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssymptom eine erfundene
Krankheit, um unbequeme Kinder medikamentös ruhig zu stellen?
Glaeske: Nein, ich glaube nicht, dass ADHS eine erfundene Krankheit ist. Ich glaube
aber, dass die Grenzen dieser psychischen Störung bei Kindern nicht eng genug
gezogen werden. Die Diagnostik des ADHS ist schwierig und zeitaufwendig. Nicht
immer wird dieser Diagnoseprozess kompetent und qualifiziert, z.B. von Kinder- und
Jugendpsychiatern, durchgeführt. Und dann kommt es eben zu Fehldiagnosen und
falschen Einschätzungen der Kinder mit der Folge, dass tatsächlich unbequeme und
irgendwie auffällige Kinder ruhiggestellt werden – Pillen für den Störenfried!
Machen diese Mittel abhängig? Welche Nebenwirkungen sind bekannt?
Glaeske: Psychopharmaka zur Behandlung von ADHS sind stark wirksame
Arzneimittel. Sie dürfen nur angewendet werden, wenn auf Grund der Diagnose und
Betriebskrankenkasse Mobil Oil: Körperschaft öffentlichen Rechts mit Sitz in Celle.
Vertreten wird die BKK Mobil Oil durch den Vorstand: Mario Heise (Vorstandsvorsitzender), Wolfgang Schnaase.
Betriebskrankenkasse Mobil Oil, Burggrafstraße 1, 29221 Celle. Gemäß §§ 87 bis 90a SGB IV unterliegt die BKK Mobil
Oil der Rechtsaufsicht des Bundesversicherungsamts.
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der nicht erfolgreichen Versuche mit anderen Behandlungsmöglichkeiten eine
medikamentöse Therapie gerechtfertigt erscheint. Nutzen und Risiken dieser
Therapie müssen sehr sorgfältig in jedem Einzelfall abgewogen werden. Bisher ist
bei der Behandlung mit von Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr mit
dem am häufigsten eingesetzten Wirkstoff Methlyphenidat kein Fall von Abhängigkeit
bekannt geworden. Bei mehr als zehn Prozent der Kinder und Jugendlich kommt es
aber zu Einschlafstörungen, erhöhter Reizbarkeit, Übelkeit, Weinerlichkeit und
Appetitlosigkeit, die auch zur Gewichtsabnahme führen kann. Bei dem Mittel
Strattera (Wirkstoff Atomoxetin) kann es auch zu Übelkeit, Erbrechen und
vermindertem Appetit kommen. Wenn Herzrasen, Absenkung des Blutdrucks,
Aggressivität oder Feindseligkeit sowie Selbsttötungsgedanken (bei 1 von 200
Kindern) auftreten, sollte dringend der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin
aufgesucht werden.
Woran können Eltern erkennen, dass ihr Kind tatsächlich ADHS hat? Was sonst
kann die Ursache für dieses Verhalten sein?
Glaeske: Eltern können allenfalls bestimmte Handlungsweisen oder Aspekte im
Zusammenleben mit ihren Kindern beschreiben, die Diagnose gehört aber auf alle
Fälle in die Hände klinisch erfahrener Kinder- und Jugendpsychiater oder speziell
geschulter Kinderärzte. Denn auffällig lebhafte Kinder sind noch lange keine ADHS-
Kinder! Die Eltern bekommen möglicherweise durch die Reaktion in
Alltagssituationen oder bei Belastungen, beim Hausaufgabenmachen, bei einer
besonders ausgeprägten Ablenkbarkeit Hinweise, die auf ADHS hindeuten können.
Allerdings muss auch das Verhalten der Eltern selbst in Betracht gezogen werden.
Kinder und Jugendliche, die einem pausenlosen Lärm-, Fernseh- oder Video-„Terror“
ausgeliefert sind, mit denen wenig unternommen wird und denen zu wenig
Aufmerksamkeit geschenkt wird, geben möglicherweise über ihr Verhalten auch
Signale an die Umwelt ab, dass sie sich mehr Beachtung wünschen.
Wie sieht die optimale Therapie bei ADHS aus?
Glaeske: Es gibt Leitlinien, nach denen behandelt werden sollte. Wenn die Diagnose
qualifiziert und kompetent gestellt wurde, kommen zunächst pädagogische sowie
eine mindestens sechsmonatige Verhaltens- oder Psychotherapie in Betracht. Wenn
diese Maßnahmen nicht wirksam waren, um die Beschwerden ausreichend zu
verbessern und zu befürchten ist, dass die Verhaltensstörungen den Lebensweg des
Kindes nachhaltig beeinträchtigen werden, kann auch eine medikamentöse Therapie
erwogen werden. Unter diesen Bedingungen sind Mittel mit Methylphenidat (Ritalin,
Concerta, Equasym, Medikinet oder Methylphenidat-Generika) als geeignet bewertet.
Diese kommen in rund 90 Prozent der Behandlungsfälle zu Anwendung. In 10
Prozent wird auch das Mittel Strattera verordnet. Bei diesem Mittel ist aber die
wissenschaftliche Literatur noch längst nicht so umfangreich wie bei Methylphenidat,
es gilt daher nur als eingeschränkt geeignet.
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Hintergrundinformationen und das ungekürzte Interview finden Sie unter:
http://www.bkk-mobil-oil.de/ueber-uns/presse/pressemeldungen.html
Pressekontakt:
Kerstin Kilian MA
WortSupport. Agentur für Kommunikation.
Buchenweg 5
33165 Lichtenau - Hakenberg.
Tel: 05295 / 9988560
Mob: 0170 / 2824620
Web: www.wortsupport.de
Die Betriebskrankenkasse Mobil Oil auf einen Blick:
Mit rund einer Million Versicherten gehört die BKK Mobil Oil zu den finanz- und leistungsstärksten
Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Mitglied kann jeder werden, der in
Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen, Hessen, Thüringen
oder in Nordrhein-Westfalen wohnt oder arbeitet. Die Kunden der BKK Mobil Oil profitieren von einer
TÜV-geprüften „Direkt-Service-Garantie“ und einem umfangreichen Leistungsangebot, das mehrfach
ausgezeichnet wurde – unter anderem „Beste Krankenkasse für Familien“, „Topkrankenkasse für
Anspruchsvolle“, „Beste Krankenkasse für Karrieresingles“. Persönlich betreut werden die
Versicherten in den Geschäftsstellen Celle, Hamburg und Heusenstamm (Hessen). Insgesamt
beschäftigt die BKK Mobil Oil inzwischen über 1.400 Mitarbeiter.
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