Cyberbullying oder Mobbing im Internet beschreibt die systematische und wiederholte Schikanierung von Personen mittels internetbasierter Kommunikationsmittel. Diese reichen von Beleidigungen, Diffammierungen, Outing/Verrat und Ausgrenzung bis hin zum Cyberstalking und Identitätsdiebstahl. Im Kontext der Schule erfolgt Cyberbullying zumeist zwischen Schülerinnen und Schülern, allerdings sind auch Fälle bekannt, in dem Lehrende von Schülerinnen und Schülern gemobt wurden. Die schwerwiegenden Folgen von Cyberbullying beziehen sich sowohl auf das individuelle Wohlbefinden als auch auf das Schulklima. In Extremfällen wird das (Cyber-)Bullying mit Selbstmorden und Amokläufen in Verbindung gebracht.
In diesem Beitrag soll zunächst das Phänomen Cyberbullying beschrieben werden und die Auftretenshäufigkeit dargestellt werden. Ein Vergleich mit "normalen" Bullying soll klären, ob es sich beim Cyberbullying "lediglich" um "alten Wein in neuen (Medien)Schläuchen" handelt, oder ob sich z.B. die Häufigkeit und die Täter- /Opferstruktur ändert. Abschließend sollen verschiedene Maßnahmen gegen Cyberbullying vorgestellt und diskutiert werden.
Da es sich beim Cyberbullying um ein relativ neues Problem handelt, wäre es äußerst wünschenswert, wenn Teilnehmer/innen aus eigenen Erfahrungen und über eigene Gegenmaßnahmen berichten können.
1. bwdaly on flickr
Cyberbullying & Mobbing im Internet –
ein neues pädagogisches Handlungsfeld
Prof. Dr. Karsten D. Wolf & Berit Bachmann
Fachbereich 12, Universität Bremen
Didaktische Gestaltung interaktiver Lernumgebungen
2. Themen heute
• Mobbing und Bullying
• Bullying in der Schule
• Cyberbullying
• Gegenmaßnahmen
• Diskussion
4. Mobbing – ein Phänomen findet seinen Namen
• „to mob“: „pöbeln, schikanieren, triezen, fertig machen, jemanden
ausschließen“
• Mobbing: Tiere schließen sich zu einer Gruppe zusammen, um einen
gemeinsamen Feind abzuwehren (Konrad Lorenz)
• Anfang 1970 (Schweden) - Gewaltphänomene auf Schulhöfen
• Dan Olweus (Universität Bergen)
5. Mobbing, Bullying, Viktimisierung
• „Unter Mobbing wird eine konfliktbeladene Kommunikation am Arbeitsplatz
unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden,
bei der (1) die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder
einigen Personen systematisch, oft (2) und während längerer Zeit (3) mit
dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis (4)
direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung
empfindet“ (Leymann 1995, S. 18)
• Angriffe auf die Möglichkeit, sich selbst mitzuteilen
• Angriffe auf die sozialen Beziehungen
• Angriffe auf das soziale Ansehen
• Angriffe auf die Qualität der Arbeits- und Lebenssituation
• Angriffe auf die Gesundheit
6. Mobbing, Bullying und Viktimisierung
• Kein eindeutiger Begriff in Deutschland vorhanden (Scheithauer et al. 2003)
• Mobbing = Arbeitsplatz
• Bullying = Schule
• Viktimisierung / Victimization
• „Mobben ist als eine ganz spezifische Teilmenge von körperlicher wie
verbaler Gewalt zu verstehen. Ihr zentrales Kennzeichen ist eine dauerhafte
und massiv ungleichgewichtige Beziehung zwischen Opfer und
Täter“ (Tillmann 1999, S. 21)
7. Mobbing / Bullying in der Schule
• „Mobbing in der Schule ist eine Realität. Es kommt überall vor, in kleinen
Land- und großen Stadtschulen, in allen Schularten und allen Bundesländern.
Es kann jeden einmal treffen.“ (Kaspar 1998, S.20)
• quot;Ein Schüler oder eine Schülerin ist Gewalt ausgesetzt oder wird gemobbt,
wenn er / sie wiederholt und über eine längere Zeit den negativen
Handlungen eines / einer oder mehrerer anderer Schüler oder Schülerinnen
ausgesetzt ist. Negative Handlungen können begangen werden mit Worten
(Drohen, Spotten etc.) durch Körperkontakt (Schlagen, Stoßen etc.) bzw.
ohne Worte oder Körperkontakt (Gesten, Auschluß aus einer Gruppe etc.).
Der Begriff des Mobbing wird hingegen nicht gebraucht, wenn zwei Schüler
oder Schülerinnen, die körperlich bzw. seelisch gleich stark sind, miteinander
kämpfen oder streiten. Es muß also immer ein Ungleichgewicht der Kräfte
vorliegen.quot; (Hanewinkel & Knaack, 1997, S. 34)
8. Verbale oder physische Gewalt?
• Studie „Schikanieren unter Schülern“ (Schäfer 1996)
• Münchner Gymnasien
• 67% der Formen des Schikanieren nicht-physisch
• Schwer von Lehrern zu beobachten
• Je älter die Schüler/innen, desto weniger physische Gewalt
10. Verschiedene Rollen beim Mobbing / Bullying
573 Sechstklässler
19,5%
Verstärker 8,2% 11,7% 17,3%
des Bullies
Bullies Verteidiger
Opfer
des Opfers
6,8%
Assistenten
23,7% 12,7%
Salmivalli, Lagerspetz
und Björkvist 1996
Outsider ???
11. Täterprofil
• durchschnittlich bis tendenziell hohes Selbstwertgefühl (Olweus 2004)
• positive Einstellung gegenüber Gewalt und niedrige Hemmschwelle, Gewalt
als Lösungsmittel einzusetzen (Georg 2006)
• körperliche Stärke (Olweus 2004)
• Mangel an empathisches Einfühlungsvermögen (Georg 2006)
• hohe soziokognitive Fähigkeiten („gekonnter Manipulator“) (Scheithauer et al.
2003)
12. Warum wird gemobbt?
• Olweus (2004)
• Dominanz über das Opfer stellt Befriedigung dar
• Familiäre Umgebung und aggressives Verhalten innerhalb der Familie
• Eifersucht, Konkurrenz und Langeweile
• Krowatschek/Krowatscheck (2001): ehemalige Opfer lenken von sich ab
• Gebauer (2005): Lehrer erkennen und intervenieren nicht
13. Wer ist Opfer?
• Passive Opfer
• jüngere, schwächere, unsichere, einsame, sensible Schüler/innen mit
niedrigem Selbstwertgefühl (Scheithauer et al 2003, Olweus 2004)
• verhältnismäßig viele übergewichtige Kinder (Lagerspetz 1982)
• lehnen Gewalttätigkeiten ab (Olweus 2004)
• verletzlich, zurückgezogen, passives und hilfloses Auftreten
• Aggressive Opfer
18. Folgen
Opfer Täter
• niedriges Selbstwertgefühl • niedriges Selbstwertgefühl
• Islolation / Einsamkeitsgefühle • Ablehnung durch Peers
• Angstsymptome • Aggressiv-dissoziales Verhalten
• Depression • Depression
• Leistungsabfall in der Schule • Delinquenz
• Psychosomatische Beschwerden • Störung des Sozialverhaltens
• Beziehungsprobleme • Beziehungsprobleme
• Suizidgedanken und -versuche • Suizidgedanken und -versuche
• Meiden der Schule oder häufiges
Zuspätkommen
• gestörtes Essverhalten
• Persönliche Abwertungen
Scheithauer et al. 2003 / Kaspar 2004 / Alsaker 2003
19. Folgen
• Negative Auswirkungen auf das Lern- und Sozialklima einer Klasse (Kindler
2002)
• Untersuchung von 37 Amokläufen in den USA (Vossekuil et al. 2002)
• 71% der Amokläufer wurden vor der Tat gemobbt bzw. durch Mitschüler auf
verschiedene Art und Weise verletzt
21. Definitionen Cyberbullying
• Cyberbullying oder Mobbing im Internet beschreibt die systematische und
wiederholte Schikanierung von Personen mittels internetbasierter
Kommunikationsmittel.
• „Cyberbullying involves the use of information and communication
technologies to support deliberate, repeated, and hostile behaviour by an
individual or group that is intented to harm others.“ (Belsey 2006)
• Machtungleichheit ist aufgehoben
• Weite Wirkung (räumlich und zeitlich)
22. Blackberry? Handy
iPod
Noch ein
Noch ein
Laptop
Handy
Labtop
63. 13-Year-Old Teen Commits Suicide After
Harrassment on MySpace
• Streit mit 16-jähriger Freundin
• Mutter der „Freundin“ beschliesst, einen „Streich“ zu spielen
• Erstellen MySpace account: 16 Jahre alter Junge „Josh Evans“
• Neu in der Stadt, aus Florida, home schooler, Familie hat noch kein Telefon
installiert
• Online Romanze zwischen „Josh“ und Megan Meier
• „Ugly turn“ - Josh beginnt, sich abzuwenden, „hat gehört, Megan ist nicht
nett zu ihren Freunden“…
• Beleidigungen von Josh…
• Streit mit Mutter, als diese davon erfährt…
• Selbstmord
64. Auftretenshäufigkeit - Opfer von Cyberbullying
• 25% aller Jugendlichen (UK; National Children‘s Home 2002)
• Kanada (Li 2005)
• 20% aller Jugendlichen wurden mehr als zehnmal Opfer von
Onlineaggressionen
• 25% aller Jugendlichen haben mehr als zehnmal selbst gemobbt
• Patchin / Hinduja (384 Jugendliche): 11% Bullies, 29% Opfer, 47%
Beobachter
• Deutschland (ZEPF 2007; 1997 Schüler/innen): 19,9% Opfer
65. Quelle: Jäger, R.S., Fischer, U. & Riebel, J. (unter Mitarbeit von Fluck, L.) (2007). Mobbing bei
Schülerinnen und Schülern der Bundesrepublik Deutschland. Eine empirische Untersuchung auf
der Grundlage einer online-Befragung. Landau: Zentrum für empirische pädagogische Forschung
(zepf) der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau.
66. Quelle: Jäger, R.S., Fischer, U. & Riebel, J. (unter Mitarbeit von Fluck, L.) (2007). Mobbing bei
Schülerinnen und Schülern der Bundesrepublik Deutschland. Eine empirische Untersuchung auf
der Grundlage einer online-Befragung. Landau: Zentrum für empirische pädagogische Forschung
(zepf) der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau.
67. Quelle: Jäger, R.S., Fischer, U. & Riebel, J. (unter Mitarbeit von Fluck, L.) (2007). Mobbing bei
Schülerinnen und Schülern der Bundesrepublik Deutschland. Eine empirische Untersuchung auf
der Grundlage einer online-Befragung. Landau: Zentrum für empirische pädagogische Forschung
(zepf) der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau.
68. Quelle: Jäger, R.S., Fischer, U. & Riebel, J. (unter Mitarbeit von Fluck, L.) (2007). Mobbing bei
Schülerinnen und Schülern der Bundesrepublik Deutschland. Eine empirische Untersuchung auf
der Grundlage einer online-Befragung. Landau: Zentrum für empirische pädagogische Forschung
(zepf) der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau.
69. Quelle: Jäger, R.S., Fischer, U. & Riebel, J. (unter Mitarbeit von Fluck, L.) (2007). Mobbing bei
Schülerinnen und Schülern der Bundesrepublik Deutschland. Eine empirische Untersuchung auf
der Grundlage einer online-Befragung. Landau: Zentrum für empirische pädagogische Forschung
(zepf) der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau.
70. Das Gleiche nur mit neuen Medien?
Ähnlich
• Internet wird zum Teil der Lebenswirklichkeit
• Soziale Anerkennung spielt sich in hohem Maße auch im Internet ab
Unterschiede
• Versteckter vor den Augen der Erwachsenen
• Anonymität (bei Opfer „Infopreisgabe“ und Täter)
• Weniger Hemmungen wegen Wegfall der physischen Gegenwart
• Permanenz der Handlungen (Dokumentation)
• Technische Kompetenz ersetzt (zum Teil) soziale und physische Macht
71. Cyberbullying - weitreichendere Folgen?
„if social acceptance is crucially
important to a youth‘s identity and self-
esteem, cyberbulllying can capably and
perhaps more permanently wreak
psychological, emotional, and social
havoc“ (Patchin / Hinduja 2006)
72. Gegenmaßnahmen Bullying allgemein
• Bullying Prevention Program (Olweus 2004)
• Problembewusstsein schaffen
• Solidarisierung und deutliche Unterstützung des Opfers
• Verantwortungsbewusstsein bei Eltern, Schulkollegium und Schulleitung
• Fragebogenerhebungen, Gespräche mit Betroffenen, Klassenregeln gegen
(Cyber)Gewalt, Schulkonferenzen und pädagogische Tage
73. Zusätzliche Gegenmaßnahmen Cyberbullying
• Internet Service Provider und Dienstanbieter (www.seitenstark.de)
• Verhaltenskodizes
• Informationsmaterialien
• Beschwerdeverfahren
• Kontrolldienste
• Aufklärung bei Erwachsenen
• Verbesserung der Medienkompetenz bei Eltern, Lehrern und Schüler/innen
• Schutz persönlicher Daten
• Kein Kavaliersdelikt: das destruktive Handeln muss Konsequenzen haben
• Gesamtkonzept zur Mobbing-Bekämpfung