Дипломная работа студентов Бранденбургского технического университета, в которой произведен предварительный расчет конструкций Белой башни для разных вариантов нагрузок.
2. I
Aufgabenstellung für eine Bachelorarbeit
im Studiengang Bauingenieurwesen
Bearbeiter: Olga Arkhipkina, Mat.-Nr. 3027213
Betreuer: Prof. Dr.-Ing. Werner Lorenz, Prof. Dr.-Ing. Frank Jesse (Massivbau, BTU/Fak.2)
UNTERSUCHUNG, BEMESSUNG UND BEWERTUNG HISTORISCHER BAUSUBSTANZ –
BAUZUSTANDSUNTERSUCHUNG, SCHADENSANALYSE UND STATISCHE NACHWEISE ZUM
STAHLBETONTRAGWERK AM „WEIßEN TURM“ (1929-31) IN JEKATERINENBURG (RUSSLAND)
Zielstellung / Schwerpunkte:
Vorbereitung (Arbeitsaufwand und Anteil am Inhalt ca. 25%)
- Durchsicht der vorhandenen Unterlagen
- Planung und Vorbereitung der Untersuchungskampagne (z.B. zeichnerische
Aufbereitung
von Wandabwicklungen, Aufbereitung vorhandener Bewehrungspläne)
Bauzustandsuntersuchung vor Ort ( ... ca. 25% )
- Durchführung der Untersuchung im Team vor Ort (Konstruktive Bestandsaufnahme,
Schadensaufnahme, Bewehrungsidentifizierung)
- Dokumentation der Ergebnisse (zeichnerisch, textlich, fotografisch) in geeigneter Form
Statische Berechnung und Bemessung ( ... ca. 50% )
- Statische Berechnung der Haupttragglieder
- Bemessung definierter Bauteile nach SNiP (Russische Norm) auf Grundlage der
geplanten Bewehrung (entsprechend dem Planstand)
- Bemessung definierter Bauteile nach SNiP (Russische Norm) auf Grundlage der
ermittelten
tatsächlichen Bewehrung
- Vergleich der Ergebnisse mit planmäßiger und realer Bewehrung
- Vergleich mit den Ergebnissen einer Berechnung nach EC2 (Bachelorarbeit G.
Albrecht)
Schautafel
- Anfertigung einer Schautafel zum Thema der Arbeit nach Abgabe der schriftlichen
Fassung
Grundlagen:
- Vorliegendes Archivmaterial
- Unterlagen, Präsentationen und Literaturempfehlungen aus der LV Vertiefung
Tragwerkserhaltung
- aktuelle Fassung der russischen Norm (SNiP ) für Lastannahmen, Stahlbeton und/oder
Sanierung u.v.m.
Cottbus, den bestätigt, Cottbus, den
.............................. ..............................
Betreuer Vorsitzender des Prüfungsausschusses
3. II
Aufgabenstellung für eine Bachelorarbeit
im Studiengang Bauingenieurwesen
Bearbeiter: Georg Albrecht, Mat.-Nr. 3041670
Betreuer: Prof. Dr.-Ing. Werner Lorenz, Prof. Dr.-Ing. Frank Jesse (Massivbau, BTU/Fak.2)
UNTERSUCHUNG, BEMESSUNG UND BEWERTUNG HISTORISCHER BAUSUBSTANZ –
BAUZUSTANDSUNTERSUCHUNG, SCHADENSANALYSE UND STATISCHE NACHWEISE ZUM
STAHLBETONTRAGWERK AM „WEIßEN TURM“ (1929-31) IN JEKATERINENBURG (RUSSLAND)
Zielstellung / Schwerpunkte:
Vorbereitung (Arbeitsaufwand und Anteil am Inhalt ca. 25%)
- Durchsicht der vorhandenen Unterlagen
- Planung und Vorbereitung der Untersuchungskampagne (z.B. zeichnerische
Aufbereitung
von Wandabwicklungen, Aufbereitung vorhandener Bewehrungspläne)
Bauzustandsuntersuchung vor Ort ( ... ca. 25% )
- Durchführung der Untersuchung im Team vor Ort (Konstruktive Bestandsaufnahme,
Schadensaufnahme, Bewehrungsidentifizierung)
- Dokumentation der Ergebnisse (zeichnerisch, textlich, fotografisch) in geeigneter Form
Statische Berechnung und Bemessung ( ... ca. 50% )
- Statische Berechnung der Haupttragglieder
- Bemessung definierter Bauteile nach EC2 auf Grundlage der geplanten Bewehrung
(entsprechend dem Planstand)
- Bemessung definierter Bauteile nach EC2 auf Grundlage der ermittelten
tatsächlichen
Bewehrung
- Vergleich der Ergebnisse mit planmäßiger und realer Bewehrung
- Vergleich mit den Ergebnissen einer Berechnung nach SNiP (Bachelorarbeit O.
Arkhipkina)
Schautafel
- Anfertigung einer Schautafel zum Thema der Arbeit nach Abgabe der schriftlichen
Fassung
Grundlagen:
- Vorliegendes Archivmaterial
- Unterlagen, Präsentationen und Literaturempfehlungen aus der LV Vertiefung
Tragwerkserhaltung
- u.v.m.
Cottbus, den bestätigt, Cottbus, den
.............................. ..............................
Betreuer Vorsitzender des Prüfungsausschusses
4. III
Eidesstattliche Erklärung
Die Verfasser erklären an Eides statt, dass sie die vorliegende Arbeit selbständig,
ohne fremde Hilfe und ohne Benutzung anderer als die angegebenen Hilfsmittel
angefertigt haben. Die aus fremden Quellen (einschließlich elektronischer Quellen)
direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind ausnahmslos als solche kenntlich
gemacht. Die Arbeit ist in gleicher oder ähnlicher Form oder auszugsweise im
Rahmen einer anderen Prüfung noch nicht vorgelegt worden.
Cottbus, 20.12.2013 Unterschrift der Verfasser
Verwendungsrecht
Die Verfasser übertragen das Recht zur Verbreitung und Vervielfältigung, sowie
sämtliche sonstige Verwendungsrechte auf der vorliegenden Arbeit an den
betreuenden Lehrstuhl.
Cottbus, 20.12.2013 Unterschrift der Verfasser
5. IV
DANKSAGUNG
Für die Unterstützung während der Bearbeitung möchten wir uns besonders bei den
Professoren Werner Lorenz und Frank Jesse bedanken. Ein großer Dank gilt auch
Sabine Kuban, die immer ein offenes Ohr hatte und uns sehr hilfsbereit zur Seite
stand.
Außerordentlicher Dank gebührt der Architekturgruppe PODELNIKI, die die
Bearbeitung und Informationsaufnahme in Cottbus und in Jekaterinburg
ermöglichte. Die Betreuung und Herzlichkeit waren bemerkenswert.
Weiterhin danken wir den beteiligten russischen Studenten der verschiedenen
Studienrichtungen, die bei der Erarbeitung viel Positives beisteuern konnten und
großes Engagement zeigten.
Unser Dank gilt auch allen Beteiligten, die vor Ort für einen sehr angenehmen und
reibungslosen Ablauf des Projektes gesorgt haben.
Darüber hinaus danken wir allen Mitarbeiter des Lehrstuhls Bautechnikgeschichte
und Tragwerkserhaltung und des Lehrstuhls Massivbau, die uns bei der Bewältigung
von kleinen und großen Problemen tatkräftig unterstützten.
Nicht zuletzt gilt auch dem deutschen Konsulat in Jekaterinburg unser Dank für die
finanzielle Unterstützung, die das Projekt dringend benötigte, um überhaupt
durchgeführt werden zu können.
6. INHALTSVERZEICHNIS
Aufgabenstellung für eine Bachelorarbeit im Studiengang Bauingenieurwesen .......... I
Aufgabenstellung für eine Bachelorarbeit im Studiengang Bauingenieurwesen ..........II
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ..................................................................................................... VII
TABELLENVERZEICHNIS ............................................................................................................ IX
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ...................................................................................................... X
1. Einführung in die Thematik .............................................................................................. 1
1.1 Baugeschichtliche Hintergründe und Zusammenhänge .................................... 1
1.2 Die Geschichte des Uralmasch ............................................................................... 5
1.3 Die Geschichte des „Weißen Turmes“ ................................................................. 11
1.4 Der Architekt: Moiseji Reischer (1902-1980) ......................................................... 16
2. Konstruktive Vergleiche ................................................................................................. 20
2.1 Historische Entwicklung der Hochwasserbehälter .............................................. 21
2.2 Weißer Turm in Jekaterinburg ................................................................................ 24
2.3 Wasserturm des Kupferkombinats in Krasnouralsk .............................................. 26
2.4 Wasserturm auf dem Werksgelände des Uralmasch ......................................... 28
2.5 Der Rote Nagel in St. Petersburg ........................................................................... 31
3. Konstruktive Bestandsaufnahme .................................................................................. 33
3.1 Methodik ....................................................................................................................... 33
3.2 Vorbereitung ................................................................................................................. 34
3.3 Untersuchungsablauf................................................................................................... 35
3.3.1 Vorphase ................................................................................................................ 35
3.3.2 Phase 1 – Aufnahme der Rohmaße .................................................................... 35
3.3.3 Phase 2 - Schadenskartierung ............................................................................. 36
3.3.4 Phase 3 – Gerätebasierende Untersuchung ..................................................... 37
3.4 Fazit: Schadensbilder und Ursachen .................................................................... 39
4. Statische Berechnung und Bemessung ....................................................................... 43
V
7. 4.1 Modellierung der Varianten .................................................................................. 44
4.2 Modellierung des Gesamtmodells ........................................................................ 48
4.3 Normen und Sicherheitskonzept nach Eurocode und SNiP .............................. 48
4.3.1 Sicherheitskonzept nach SP 20.13330.2011 ........................................................ 49
4.4 Lastannahmen nach EC 1 und SP 20.13330.2011 ............................................... 50
4.5 Lastkombinationen ................................................................................................. 52
5. Bemessung....................................................................................................................... 54
6. Fazit ................................................................................................................................... 56
6.1 Bewertung der Bauweise ....................................................................................... 56
6.2 Bewertung der Tragfähigkeit ................................................................................. 57
LITERATURQUELLENVERZEICHNIS ........................................................................................... 58
BILDQUELLENVERZEICHNIS ..................................................................................................... 60
VI
8. ABBILDUNGSVERZEICHNIS Seite
VII
Abb. 1: Propagandaplakat zur Aufholung der Industrialisierung 5
Abb. 2: A. Bannikow 6
Abb. 3: W. Fiedler 6
Abb. 4: Generalplan zur Bebauung der Plansiedlung 7
Abb. 5: Baracken, zeitgenössische Aufnahme 8
Abb. 6: 3-stöckige Holzhäuser/Baracken, zeitgenössische Aufnahme 9
Abb. 7: 4-stöckiges gemauertes Haus, zeitgenössische Aufnahme 9
Abb. 8: Panzer verlassen die Werkshalle 10
Abb. 9: Arbeiter der Uralmasch-Baustelle, zeitgenössische Aufnahmen 10
Abb. 10: Arbeiter der Uralmasch-Baustelle, zeitgenössische Aufnahmen 10
Abb. 11: der erste Entwurf von Moiseji Reischer 11
Abb. 12: Modell des Turmes von Reischer 1929 11
Abb. 13: Bau der Stützen 13
Abb. 14: Schalung des Behälters 13
Abb. 15: Projekt zur Umnutzung des Turmes von Moiseji Reischer, 1971 14
Abb. 16: Projekt zur Umnutzung des Turmes von Moiseji Reischer, 1971 14
Abb. 17: Umnutzungskonzept des Architekten Chramtsow, 1989 15
Abb. 18: Diplomarbeit „Volkshaus für Aufklärung“ von Moiseji Reischer 16
Abb. 19: Diplomarbeit „Volkshaus für Aufklärung“ von Moiseji Reischer 16
Abb. 20: Moiseji Reischer bei der Arbeit 16
Abb. 21: Gorsowet vor dem Umbau 17
Abb. 22: Umbauskizze des Architekten Golubew für das Gorsowet 17
Abb. 23: Gorsowet (Rathaus) heute 17
Abb. 24: Umbau des Gebäudes des Gorsowet 17
Abb. 25: Grabdenkmal von A.Bannikow und W.Fiedler, zeitgenössische Aufnahme 18
Abb. 26: Entwurf eines Skipavillions 19
Abb. 27: Übersicht der Entwicklungsstufen von Wasserhochbehältern 21
Abb. 28: Weißer Turm in Jekaterinburg 24
Abb. 29: Längsschnitt 24
Abb. 30: Wasserturm des Kupferkombinates in Krasnouralsk 26
Abb. 31: Längsschnitt 26
Abb. 32: Bauphase mit ausgekoffertem Bereich für die Rohrleitungen 28
Abb. 33: Wasserturm auf dem Werksgelände (gut sichtbar die große „Konsole“ über der
vertikalen Fensterreihe 28
Abb. 34: schematischer Querschnitt durch den Werksturm 29
Abb. 35: Dachunterseite mit 2-Kammerbehälter 29
Abb. 36: Der Wasserturm „Roter Nagel“ an der Ecke der ehemaligen Produktionshalle 31
9. VIII
Abb. 37: Schnitt durch den Turmkopf 32
Abb. 38: Arbeiten mit dem Hubsteiger 35
Abb. 39: Phenolphtalein-Lösung an einer Stütze 37
Abb. 40: Schmidthammermessung 38
Abb. 41: Profometermessung 38
Abb. 42: Öffnung über der Dachschale – Ablaufmöglichkeit für Niederschlag 39
Abb. 43: Fehlende Betondeckung / sichtbare Entmischung (Kiesnester) an Stütze C 2b 40
Abb. 44: Schaden an der Unterseite der Dachschale 41
Abb. 45: Schaden an der Außenseite der Zylinderwand 41
Abb. 46: offene Bewehrung und abgebröckelter Beton im Bereich des Fensterbandes 41
Abb. 47: Statisches System eines Vierendeelträgers 44
Abb. 48: Variante 1 und 2 (gleiches System) 45
Abb. 49: Variante 3 mit drucksteifen Diagonalen 45
Abb. 50: Balken ohne Querschnittsversprung 45
Abb. 51: Balken mit Querschnittsversprung 45
Abb. 52: räumliches, statisches Modell mit äußerem und innerem Ring 46
Abb. 53:Variante mit der Ausbildung der Konsole als Kragarm 47
Abb. 54: vgl. zwischen SP- und EC-basierender Kombinationsbildung bei der
Grundkombination 50
10. TABELLENVERZEICHNIS Seite
IX
Tab. 1: Liste der verwendeten Materialien und Geräte 36
Tab. 2: Schmidt-Hammer Ergebnisse in N/mm² 37
Tab. 3: tabellarische Übersicht der Schäden 42
Tab. 4: Teilsicherheitsbeiwerte für ermittelte Lastfälle nach SP 20.13330.2011 49
Tab. 5: Kombinationsbeiwerte 49
Tab. 6: gemittelte Schneelasten – Vergleich 51
Tab. 7: Windlasten – Vergleich 51
Tab. 8: Schnittkräfte in der Lastkombination 1 52
Tab. 9: Schnittkräfte in der Lastkombination 2 53
Tab. 10: Schnittkräfte in der Lastkombination 3 53
Tab. 11: erforderliche Bewehrung 54
Tab. 12: vorhandene Bewehrung (C 4a/ C 4d: bei Bauaufnahme ermittelt, C 1a aus
Archivplan №300514, Anlage A3) 55
11. X
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abb. Abbildung
Abs. Absatz
bzw. beziehungsweise
ca. circa
cm Zentimeter
deut. deutsch
d.h. das heißt
EC Eurocode
KBA konstruktive Bestandsaufnahme
LK Lastkombination
m Meter
mm Millimeter
russ. russisch
SP Swod Prawil (zu Deutsch: Regelsammlung)
Tab. Tabelle
u.a. unter anderem
u.ä. und ähnliche/s
vgl. Vergleich
z.B. zum Beispiel
z.T. zum Teil
12. 1
1. EINFÜHRUNG IN DIE THEMATIK
Der Lehrstuhl Bautechnikgeschichte und Tragwerkserhaltung und insbesondere Prof.
Werner Lorenz haben langjährige Erfahrungen mit Projekten in Russland. Dazu zählt
beispielsweise das von der DFG1 seit 10 Jahren geförderte Projekt an der Eremitage
(Schwerpunkt: Dachkonstruktionen). Im Rahmen einer Exkursion zu den Eisenwerken
im Ural wurden die ersten Kontakte zu der Architektengruppe PODELNIKI geknüpft.
Diese beschäftigt sich u.a. mit dem Erhalt von einem Leitbauwerk des russischen
Konstruktivismus – dem „Weißen Turm“. Anhand dieses Bauwerkes kann ein Teil
russischer Architektur- und Zeitgeschichte nachvollzogen werden. Ein besonderer
Stellenwert ist dem Bauwerk dabei sicher. Zu welcher Zeit hätten die Ingenieure sich
so viel Kühnheit zugesprochen? Im Ural hatte man damals kaum bis keine
Erfahrungen mit dem Stahlbetonbau. Viele Bauwerke wurden von Jungingenieuren
und -architekten konzipiert. Der Weiße Turm ist da keine Ausnahme. Er ist ein
beeindruckendes Zeugnis von Aufbruchsstimmung einer jungen Nation und ihrer
Kühnheit im Umgang mit neuen Werkstoffen und Geometrien. So ist es nicht
verwunderlich, dass der ursprünglich zur Wasserversorgung der naheliegenden
Arbeitersiedlung dienende Turm, zu einem Denkmal für Industriearchitektur avanciert
ist. Leider, wie in so vielen Fällen, ist er in den letzten 50 Jahren bei den Behörden in
Vergessenheit geraten, was zu dem Verfall des Denkmals führte.
Um sich einen Überblick über den aktuellen Zustand des Bauwerkes zu verschaffen,
wurde Prof. Lorenz mit einem Team von der Architektengruppe PODELNIKI zur
Durchführung einer konstruktiven Bestandsaufnahme nach Jekaterinburg
eingeladen. Die Bauaufnahme ist nur einer von vielen Schritten bei der
Wiedereingliederung des Weißen Turmes in das Stadtgeschehen, obwohl er auch in
seinem jetzigen Zustand nicht aus dem Stadtbild wegzudenken ist.
1 Deutsche Forschungsgemeinschaft
13. 1.1 Baugeschichtliche Hintergründe und Zusammenhänge
Die Bezeichnungen Vorhut oder auch Vortrab entstammen dem französischen Wort
„avant-garde“. Die avant-garde bezeichnet in der Sprache des französischen Militärs
diejenigen, die den Feind zuerst ausspionieren oder mit ihm in Kontakt kommen
sollen. Diese wichtige Rolle in der taktischen Kriegsführung steht bezüglich der
Semantik gleich einer künstlerischen Epoche des frühen 20. Jahrhunderts in Europa-der
Avantgarde. Diese Epoche vereinte die Einflüsse der westlichen Welt, mit den
Traditionen der östlichen und steht für einen Prozess der Erneuerung. Eine
Vorreiterrolle, die diese Epoche übernimmt, liegt in der Kunst begründet. Sehr
bekannte Vertreter wie beispielsweise Marc Chagall2, Wassily Kandinsky3 oder auch
Kasimir S. Malewitsch4. Letzterer war der Begründer des „Suprematismus“, einer
Stilrichtung in der modernen Kunst, die vor allem auf der Konstruktion mit Hilfe von
geometrischen Formen begründet war. Die Kernaussage dieser fordert „den
Abbruch aller Traditionen und den Aufbau einer neuen Wirklichkeit im
traditionsleeren Raum“ [8]. Führende Architekten des Konstruktivismus der frühen
1920er Jahre wurden durch diesen Stil in ihren Entwürfen beeinflusst. Der
Konstruktivismus war eine Architekturperiode, die durch klare Formgebung und einer
daraus resultierenden Zweckbestimmung des Objektes bestach. Pragmatische
Formen, futuristisch anmutend, fanden oft in der frühen sowjetischen Architektur ihre
Anwendung.
Die erste Hälfte der 1920er Jahre war die Phase der „Papierarchitektur“. Viele
Entwürfe, die in dieser Zeit auf dem Papier entstanden, wurden nie umgesetzt.
Jedoch war diese Phase sehr intensiv hinsichtlich der kreativen Suche nach
geeigneten Ausdrucksformen [3/S.15]. Die Architektur der russischen Avantgarde
entstand durch eine Kombination von Funktion, Form und Konstruktion. Die
Formgebung war durch die Erschließung neuer Baustoffe wie dem Stahlbeton auch
gut in der Realität umsetzbar. Die Absicht ein Gebäude nach seiner Funktion und
zukünftigen Nutzung zu gestalten war maßgeblich.
„Nach der Gründung der „Vereinigung moderner Architekten“ (OSA) 1925 in Moskau
wurden die Grenzen zwischen den Architekturströmungen5 stärker“ [4/S.54]. Unter der
1
2 Französicher Maler von russisch-jüdischer Herkunft (1887-1985)
3 Russischer Maler, Grafiker und Kunsttheoretiker (1866-1944)
4 Russischer Maler und Hauptvertreter der russischen Avantgarde (1879-1935)
5 Architekturströmungen waren der Konstruktivismus und der Traditionalismus
14. Leitung von Moseij J. Ginzburg6, dessen Schaffen durch westliche Einflüsse wie das
deutsche Bauhaus geprägt wurde, konzentrierte sich die Arbeit der OSA auf die
Moderne. Es gab eine Entwicklung hin zu der „funktionellen Methode“ des
Konstruktivismus als ein Ergebnis der Mischung zweier Strömungen – Einflüsse aus dem
Konstruktivismus und dem Traditionalismus, welcher städtebaulich-sozial ausgerichtet
war. Diese Methode bezog sich auf die Zweckbestimmung eines Gebäudes. Dem
räumlichen Erscheinungsbild einerseits, steht gleichzeitig die Funktionalität des
gesamten Bauwerks gegenüber. Die Konstruktivisten, und vor allem die junge,
inspirierte Studentenschaft des Landes nahmen sich dieser Methode an.
Eines der Schaffensprinzipien, welches die Vereinigung moderner Architekten
definierte, lautete: ,,Die OSA schafft kollektiv neue Architekturformen, die sie auch
praktisch probiert, die sich funktionell aus der Bestimmung des Gebäudes, seinen
Material, der Konstruktion und anderen Produktionsbedingungen ergeben, sie
entspricht damit den konkreten Aufgaben, die sich aus dem sozialistischen Aufbau
des Landes ergeben. [6/S.194]. Es war die Zeit einer industriellen Aufholjagd und die
Architekten mussten sich hinsichtlich der industriellen Fertigung bestimmter Bauteile
und der damit zusammenhängenden Montage auf eine neue Herangehensweise
einstellen.
Besonders entscheidend für die Etablierung des Konstruktivismus im Ural war eine
eindeutige Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. In den späten 1920er Jahren war
das Land wieder in der Lage an die Zeit vor dem Bürgerkrieg anzuknüpfen. Das
Vorhandensein von Baumaterialien und die nötige Motivation in der Bevölkerung,
einhergehend mit Wettbewerbsgeist, sorgten für einen Aufschwung. „Das
traditionelle Bauwesen in Russland beschränkte sich über Jahrhunderte ganz
überwiegend auf wenige Materialien: Holz, Stein und Lehm, später auch Metall.“
[1/S.34]. Die russische Avantgarde und das „neue“ Bauen erforderten ein Umdenken.
Zum einen wurde von jetzt an zwischen der statisch und konstruktiv erforderlichen
Tragstruktur und der raumgebenden Struktur eindeutig unterschieden. Zum anderen
kamen viele neue (künstliche) Baustoffe zum Einsatz. Vorangetrieben durch die
Industrialisierung waren vor allem Industriebauten die Vorreiter bei der Einführung
neuer Baustoffe wie Stahl oder Stahlbeton. Weiterhin konnten, begünstigt durch die
Trageigenschaften des Stahlbetons, größere Spannweiten realisiert werden. Zu
diesem Zeitpunkt lag die Sowjetunion im internationalen Vergleich weit hinter
anderen Nationen, wie den USA, Deutschland oder Frankreich. In den USA konnte
2
6 russisch: Моисей Яковлевич Гинзбург (1892 – 1946)
15. man bereits auf einen reichen Erfahrungsschatz im Industriebau zurückgreifen,
Deutschland hingegen war führend im Wohnungs- und Siedlungsbau gewesen.
Der frühe sowjetische Konstruktivismus und die Architekturströmungen aus dem
westlichen Ausland nahmen in ihrer Entwicklung einen ähnlichen Weg. Beide hatten
die Funktionalität als Maxime. Die Bauwerke des neuen sowjetischen Staates sollten
jedoch auf die Art und Weise des Denkens des Sowjetbürgers einwirken. Folglich
stellte sich die Wiederspiegelung der Ideologie in der Architektur selbst als eines der
wichtigsten Merkmale heraus. Ohne jedoch zu dominieren sondern sich ihr
unterzuordnen. Diese Architektur sollte keine klassenlose Massenarchitektur sein,
sondern wurde für eine bestimmte Klasse geschaffen werden – das Proletariat [10].
Zu den drei wichtigsten Zentren der Avantgarde-Architektur zählten die USA, Europa
und die Sowjetunion. In diesen Regionen waren architektonische und bautechnische
Errungenschaften gleichberechtigt. Vor allem in Europa und der Sowjetunion war
jedoch die Ästhetik eine sehr bedeutende Komponente. Der Entwurf von Bauwerken
entsprach bis 1929 weitgehend nur den Errungenschaften des europäischen Know-how‘
s. Ab den 1930er Jahren erfolgte vermehrt ein Austausch mit ausländischen
Spezialisten, wodurch neue Erkenntnisse zum Bau von großen Werksanlagen
gewonnen werden konnten. So z.B. die Traktorfabriken in Stalingrad7 und
Tscheljabinsk, das Autowerk in Gorki und eine Bahnwagenfabrik in Nischni Tagil.
Eine frühe Mittlerrolle zwischen Ost und West spielte der bereits angesprochene
Wassily Kandinsky [1/S.38], der als Lehrmeister 1921 an die Bauhausschule nach
Deutschland ging. Diese wurde im Jahr 1919 als eine Vereinigung der örtlichen Kunst-und
der Kunstgewerbeschule in Weimar durch Walter Gropius8 gegründet.
Publikationen auf deutscher Seite unter der Leitung von Walter Gropius und Ernst
May9 über sowjetische Architektur sowie auf russischer Seite, unterstützt durch die
OSA, informierten über den ausländischen Kenntnisstand und trugen dazu bei eine
zukünftige gemeinsame Arbeitsgrundlage zu schaffen. Speziell die Kenntnisse des
Bauhaus‘ wurden vor allem durch den ehemaligen Bauhausdirektor Hannes Meyer10
und sieben Bauhausstudenten [1/S.38] in die Sowjetunion gebracht, die wegen des
erstarkenden Nationalsozialismus nach Moskau umsiedelten.
Das Land holte immer schneller mit Hilfe der ausländischen Erfahrungen und
Technologien die versäumte Industrialisierung nach. Oft übertrafen die Anlagen ihre
3
7 heute Wolgograd
8 deutscher Architekt (1883 – 1969)
9 deutscher Architekt und Stadtplaner (1886 – 1970)
10 Schweizer Architekt (1889 – 1954) und Lehrer/Direktor an der Bauhausschule
16. ausländischen Vorbilder - so auch das Maschinenbauwerk Uralmasch in
Swerdlowsk11. Es wurde sehr schnell errichtet, spielte eine Vorreiterrolle in der Region
und war sowohl im In- als auch Ausland bekannt. Die dort gefertigten Maschinen
wurden bei Ausstellungen im Ausland gezeigt, was für innovatives und qualitatives
Arbeiten stand. Weiterhin belieferte das Maschinenwerk über 200 Firmen in 10
verschiedenen Ländern.
4
11 heute Jekaterinburg
17. 5
Abb. 1: Propagandaplakat
zur Aufholung der
Industrialisierung – „Einholen
und Überholen“
1.2 Die Geschichte des Uralmasch
„Uralmasch lebte wie das Land
lebte, aber auf Grund seines
Maßstabs fand alles, was im
Land passierte, hier extremes
Ausmaß.“12
„Und ungewollt entsteht die Frage:
Ist es das Los des russischen Mannes in Armut
und Verzicht zu leben und dabei Stolz zu sein auf
den Fortschritt? Stolz sein aus den letzten Kräften.“12
Um die Leistung der Erbauer des Weißen Turmes besser
einschätzen zu können, muss man den Kontext
betrachten, in dessen Zuge er entstanden ist.
Das Russland der 1920er Jahre ist ein rückständiges
Land, zerrissen von dem Bürgerkrieg13, den internen
Machtkämpfen in der Partei, die nach dem Tod Lenins
1924 ausbrachen und den daraus resultierenden
Säuberungen. Das Industrialisierungsniveau ist
zwischen 50 bis 100 Jahren hinter den westlichen
Staaten und so wird das Land einem rigorosen Plan
unterworfen, einer einzigartigen Aufholjagd (Abb. 1).
Mit Hilfe der sogenannten Fünfjahrespläne14 sollte der
junge15 sowjetische Agrarstaat in ein modernes
rüstungsstarkes Industrieland verwandelt werden. Das
Alles sollte nach Stalins Plan in 10 bis 15 Jahren
geschehen.
Der erste dieser Fünfjahrespläne wurde 1928 abgesegnet und beinhaltete den Bau
12 Beides nach [11] und [12]
13 ca. 1917 – 1923
14 Russ.: Pjatiletka
15 die Sowjetunion wurde erst 1922 gegründet; bis 1917 Russisches Imperium, 1917 Russische
Republik,
1917-1922 Sowjetrussland
18. neuer metallurgischer Werke auf dem Südural und in Westsibirien. Um diese mit allen
notwendigen Maschinen beliefern zu können und diese nicht im Ausland einkaufen
zu müssen, wurde gleichzeitig beschlossen ein eigenes russisches Maschinenbauwerk
zu errichten. Am 3.Juli 1927 begann die Geschichte des „Vaters aller Fabriken“ [11]
und [12] in Russland mit der Billigung des Baus durch die Sowjetregierung. Die
Grundsteinlegung erfolge am 15.Juli 1928 an der zukünftigen Werkstatt für
Metallkonstruktionen. Die Wahl des Datums hatte einen symbolischen Stellenwert –
am 15.Juli 1919 wurde die „Weißen“16 unter Admiral Koltschak17 durch die
Bolschewiki18 aus der Stadt vertrieben.
Die Lage des Betriebes wurde nicht um sonst gewählt. Ursprünglich waren 3
Standorte in der engeren Auswahl – das Werch-Isetskij19 Werk in Jekaterinburg,
Nischni Tagil und Tscheljabinsk. Am Ende wurde sich für den Standort im Norden der
Stadt Swerdlowsk20 entschieden, da dieser logistisch günstig lag und notwendige
Ressourcen vorhanden waren. So gab es zwei Wasserquellen in der Nähe – den
Werch-Isetskij Teich und den See Schuwakisch, sowie reiche Torflagerungen und den
wichtigen Bahnknotenpunkt Swerdlowsk-1.
Zum Bauleiter wurde schon am 7.12.1926 Alexander Bannikow21 (Abb. 2), ein
6
Abb. 2: A. Bannikow Abb 3: W. Fiedler
studierter Parteifunktionär und
Veteran der roten
Revolutionsbewegung, ernannt; zum
leitenden Ingenieur – Wladimir
Fiedler22 (Abb. 3). Eigens für den Bau
der Fabrik Uralmasch – ural’sches
Maschinenbauwerk – wird das Büro
16 Die bedeutendsten Kontrahenten der Bolschewiki und der Roten Armee im Bürgerkrieg;
Zusammenschluss mehrer politischen Lager, deren einzige Gemeinsamkeit die Ablehnung der
sowjetischen Herrschaft war
17 Alexander Wassiljewitsch Koltschak (1874-1920) – russischer Ozeanologe, Polarforscher,
Admiral, führende Persönlichkeit der „Weißen“, Oberster Regent Russlands von 1918-1920
18 Kommunistische Partei, die eine Revolution unter der Führung von Berufsrevolutionären
anstrebte
19 Eisen-Stahlwerk, das 1726 in 2 km Entfernung von Jekaterinburg gegründet wurde; liegt am
Fluss Isset.
20 Von 1924-1991 Name Jekaterinburgs.
21 Alexander Petrowitsch Bannikow (1895-1932) – russischer Revolutionär und Offizier,
Teilnehmer der Revolution und des Bürgerkrieges
22 Wladimir Fedorowitsch Fiedler (1881-1933) – Hauptingenieur des Uralmaschstroj und
leitender Ingenieur des Baus des Uralmasch
19. Uralmaschstroij23 gegründet, in dem der Letztgenannte eine hohe Position
bekleidete, und, das einige der wichtigsten Bauwerke projektieren wird.
Während der offizielle Beschluss zum Bau erst Juli 1927 gefällt wurde, sind die ersten
Behausungen für Arbeiter schon 1926 in Form von Erdhütten entstanden, da es schon
seit dem Anfang von 1927 gebaut werden sollte. Bis zum Jahr 1928 wurden auch
einige Baracken (Abb. 5) als Behausung für Alleinstehende gebaut. Diese verfügten
nur über die einfachste Ausstattung – Heizöfen und Pritschen.
Abb. 4: Generalplan zur Bebauung der Plansiedlung; rot – die Lage des Wasserturmes, grün –
Werkseingang
Im selben Jahr wurde Piotr Oranskij24 zum leitenden Stadtplaner der neuen Siedlung
ernannt [19]. Obwohl es in dem Jahr 1927 einen Wettbewerb zur Planung gab, reiste
I.Robatschweskij 1928 nach Leningrad um einen fähigen Spezialisten einzustellen und
brachte den jungen Architekten mit. Oranskij wählt die zu der Zeit äußerst populäre
Idee [13] des Sozgorod25 für die Werksplansiedlung. Typisch für diese Art von
23 wörtlich: Uralmaschbau
24 Piotr Wassiljewitsch Oranskij (1899-1960) – Architekt und Stadtplaner, eine der Hauptakteure
des Baus der Werksplansiedlung Uralmasch, in den 1950ern leitender Architekt Jekaterinburgs
und Hochschullehrer
25 Bezeichnung für einheitlich nach einem Generalplan gebaute Siedlungen/Viertel in
sowjetischen Städten der 30er Jahre
7
20. Stadtgestaltung sind Wohnblöcke, die durch Ein- und Ausfallsstraßen begrenzt
werden. Charakteristisch ist auch die Aufteilung der Flächen: etwa 50% sollen mit
Wohnhäusern bebaut werden, 35% werden Parkanlagen, Grünflächen und
Ähnlichem zugewiesen, der Rest dient zum Infrastrukturausbau [13].
Ein Areal für die Werksplansiedlung wurde nördlich vom Werk gewählt, da dort durch
die Windbewegungen ein abgasfreieres Quartier garantiert werden konnte.
Außerdem war nur das Wasser aus dem See Schuwakisch trinkbar, der Werch-Isetskij
Teich war für die Trinkwasserversorgung ungeeignet.
Das erste Bebauungskonzept für 100 Tausend Einwohner stellt Oranskij 1929 vor. Als
Hauptaugenmerk in dem Entwurf galt der Platz vor dem Eingang auf das
Werksgelände Ploschad‘ Pervoji Pjatiletki26 mit 3 Hauptstraßenachsen (Abb. 4), um
die Verbindung zwischen Werk und Siedlung zu betonen [13].
8
Abb. 5: Baracken, zeitgenössische
Aufnahme
Im Gegensatz zu anderen Plansiedlungen,
wird die des Uralmasch durch die Lage und
Bedeutung des Werkes selbst definiert. Sie sollte
in 3 Bebauungsgebiete unterteilt werden: das
erste Gebiet für steinerne Bauwerke um die
Hauptachsen des Platzes des ersten
Fünfjahresplanes, zweites weiter drinnen für
Holz-, Block- und „Gerüst-Aufschütt“-Häuser
und das dritte für individuelle Heime am Ortsrand.
Der Bau der Siedlung kam nur schleichend voran, da es an sämtlichen
Baumaterialien und dem Knowhow fehlte. Das Hauptaugenmerk galt dem
Maschinenbauwerk, so dass die meisten Ressourcen dorthin geleitet wurden. Es gab
kaum moderne Hilfsmittel. Das Meiste wurde mit einfachsten Mitteln errichtet. Weil
Mauern im Winter den Russen nicht möglich war, betrug die Bauzeit für die ersten
massiven Häuser 2 Jahre (Abb. 7). Auch für Blockhäuser brauchte man zu viel Zeit
und Ressourcen. Deshalb wurde eine Übergangslösung gefunden – „Gerüst-
Aufschütt-Häuser“ (Abb. 6). Die Wände bestanden aus groben Holzbalken, die mit
Holzplatten je Seite verkleidet wurden und mit einer Mischung aus Sägespänen und
Kalk verfüllt wurden. Alles Notwendige dafür wurde vor Ort gefertigt, zum
Bestimmungsort transportiert und zusammengebaut. Obwohl nur für 20 Jahre
gedacht, wurde erst in den 1970ern mit dem Abriss der Häuser begonnen, vereinzelt
sind sie noch heute in dem Viertel zu finden [14].
26 Ploschad‘ Pervoji Pjatiletki – Platz des ersten Fünfjahresplans
21. Im März 1928 wird beschlossen das Werk vor dem 1.Oktober 1933 in Betrieb zu
nehmen. Die Arbeiter schufteten mindesten 16 Stunden am Tag um die Vorgabe zu
erfüllen. Die Schichten gingen eigentlich 12 Stunden, aber Überstunden waren Pflicht
und der Meister musste einen entlassen. Um Zeit zu sparen wurden außerdem die
kostspieligen, im Ausland eingekauften Maschinen gleichzeitig mit den Werkshallen
aufgebaut, was teilweise zu fatalen Defekten hochsensibler Mechanismen durch die
Witterungsverhältnisse führte.
Im Frühling 1930 misslangen die ersten Bohrung für Wasserversorgungsschächte,
woraufhin deutsche Spezialisten in den Ural eingeladen wurden. Unter ihrer Aufsicht
bohrte man 5 Schächte von 50 cm Durchmesser und 80-100 m Tiefe. Da diese nicht
für die Belieferung ausreichten, wurden durch Russen 4 weitere selbstständig
gebohrt.
1931 gingen die ersten Werkstätten in den Betrieb – die Gusseisengießerei, die
Modellwerkstatt und die Werkzeugwerkstatt. Außerdem wurde das komplette
industrielle Wassernetz in Betrieb genommen.
Am 15.Juli 1933 wurde das Werk feierlich eröffnet. In den folgenden Jahren wird es zu
einem der größten sowjetischen Betriebe. Die Produktion wird nicht nur im Inland
angewendet, sondern auch ins Ausland verkauft.
Den stalinistischen Säuberungen entgingen die Arbeiter, Ingenieure und zahlreichen
anderen Fachkräfte trotz oder vielleicht besonders wegen ihrer Verdienste jedoch
nicht. Mit Eifer wurde immer und immer wieder nach Staatsfeinden gesucht. Auch
der 1933 verstorbene leitende Ingenieur Fiedler wurde nicht verschont. Postum wurde
er zum „Schädling“ wegen des Brandes in der Schmiede-Presse-Werkstatt, die zu den
„Lieblingskindern“ [15] des Ingenieurs zählte, ernannt. Seine Asche wie die von
Bannikow sollte aus dem Denkmal vom Platz des ersten Fünfjahresplanes entfernt
werden. Nur durch den Einsatz eines Mitarbeiters wurden diese gerettet und nach
Jahren im Versteck endlich in den 1950ern begraben.
9
Abb. 6: 3-stöckige
Holzhäuser/Gerüst-
Aufschütt-Häuser,
zeitgenössische
Aufnahme
Abb. 7: 4-stöckiges
gemauertes Haus,
zeitgenössische
Aufnahme
22. Während des Zweiten Weltkrieges wird die Produktion auf Kriegsgüter umgestellt.
Allein in 4 Jahren werden 5551 Panzer (Abb. 8) und Selbstfahrlafetten hergestellt, 19
Tausend Panzerungen für Fahrzeuge und tausende Geschoße für sämtliche Arten
von Waffen. In der Werkssiedlung wurden 26
Tausend Flüchtlinge aufgenommen. Schon
damals wird deutlich, dass die Planer sich bei
der Entwicklung der Bevölkerungszahlen
verkalkuliert haben. Die erst in der 50ern zu
erreichende Zahl von 24 Tausend Einwohnern
in der Siedlung, wurde schon vor dem Zweiten
Weltkrieg erreicht. Heute leben in dem Viertel,
das seit 1935 den Namen von Sergo
Ordschonikidse27 trägt, 240 Tausend Einwohner; es verfügt über zahlreiche Tramlinien
und einen Anschluss an das U-Bahnnetz. Das Werk produziert noch immer
verschiedenste Maschinen, die vor allem im Bergbau genutzt werden.
An die Opfer und Entbehrungen der Ersterbauer (Abb. 9 und 10) erinnern heute nur
noch wenige Stimmen. Die von ihnen errichteten Bauwerke erfühlen jedoch auch
heute ihren Zweck und tragen ihre Geschichte leise weiter.
10
Abb. 8: Panzer verlassen die Werkshalle
Abb. 9 und Abb. 10: Arbeiter der Uralmasch-Baustelle, zeitgenössische Aufnahmen
27 Grigori Konstantinowitsch (Sergo) Ordschonikidse (1886-1937) – sowjetischer Funktionär,
maßgebend beteiligt an dem Vorantreiben sowjetischer Industrialisierung
23. 11
1.3 Die Geschichte des „Weißen Turmes“
Der Bau des Werks Uralmasch war ein logistischer Kraftakt. Alle beteiligten an
Arbeitern musste mit allen überlebensnotwendigen Sachen beliefert werden – Strom
kam von WIZ28, das Heizöl aus der Umgebung zur zukünftigen Siedlung gebracht, nur
die Wasserversorgung bereitete den Verantwortlichen Kopfzerbrechen. Bis dahin
wurde das Wasser in Fässern zu Pferd transportiert.
Abb. 11: der erste Entwurf von Moiseji Reischer und Abb. 12: Modell des Turmes von Reischer 1929
1928 schlug Iosif Robatschewskij, Leiter der Projektierungsabteilung des
Uralmaschstroij, vor einen Wasserturm nach einem individuellen Entwurf zu bauen.
Trotz des Termindrucks unterstützte auch der leitende Ingenieur Wladimir F. Fiedler29
das Vorhaben. Mit dem Bauwerk sollte ein neues Ideal des Bauens geschaffen
werden, welches abgrenzend zur der zaristischen, bourgeoisen Kunst stünde. Der
anschließende Wettbewerb ermöglichte nur 3 Tage Entwurfszeit – schlussendlich gab
es 3 Teilnehmer – P. Oranskij30, W. Bezrukow und M. Reischer (siehe Kapitel 1.4). Die
Entwürfe der beiden Ersterwähnten sind nicht mehr überliefert. Angeblich enthielt ein
Entwurf die Kombination eines Wasserturmes mit einem Wohnblock, der Autor ist
jedoch unbekannt [16/S. 6]. Reischers Entwurf jedoch, der nur in einer Nacht
28 Werch-Issetskij Zawod – Stahl- und Eisenwerk am Fluss Isset, das seit 1726 existiert, etwa 8 km
entfernt
29 Wladimir Fedorowitsch Fiedler (1881-1933) – Hauptingenieur des Uralmaschstroj und
leitender Ingenieur des Baus des Uralmasch, nach dem Tod repressiert
30 Piotr Wassiljewitsch Oranskij (1899-1960) – Architekt und Stadtplaner, eine der Hauptakteure
des Baus der Werksplansiedlung Uralmasch, in den 1950ern leitender Architekt Jekaterinburgs
und Hochschullehrer
24. entstand [24], wurde zum Bau ausgewählt (Abb. 11 und 12). Die Idee des Ingenieurs
war simpel und genial zu gleich – die Vereinigung von zwei geometrischen Körpern,
eines Quaders und eines Zylinders.
Schon im Generalplan (erstellt von Konkurrent Piotr Oranskij) desselben Jahres wird
dem Bauwerk eine zentrale Rolle zugeschrieben. Er sollte den Mittelpunkt einer
mehrstrahligen Straßensystems bilden, das mehrere kleinere Werkplansiedlungen
anderer Betriebe verbinden sollte. Weder diese Siedlungen noch ein Teil der
geplanten Straßen wurden je realisiert.
Als Leiter einer der Projektierungsabteilungen durfte Reischer sich die Baustoffe selbst
aussuchen. Wichtig war, dass diese effizient und kostengünstig waren. So wählte er
Stahlbeton, da er in der Zeit auch an der Ausarbeitung einer weitspannenden
Hallenkonstruktion aus diesem beteiligt war. Das Projekt des „Weißen Turmes“ galt
anfangs als nicht technisch realisierbar. Im Ural gab es keine Erfahrung mit dem
Baustoff und Hauptingenieur Fiedler, der um die Standsicherheit des Turmes
fürchtete, bestimmte, dass aus zwei freistehenden Stützen unter dem Behälter vier
werden. Außerdem wollte man die Chance nutzen eine neue Generation von
fachlich hochqualifizierten Spezialisten auszubilden, die keine Angst vor
Herausforderungen im Planungs- und Logisitikbereich des Projektes hatten.
Mit der Ausarbeitung der technischen Ausführung im Stahlbeton wurde das
Moskauer Büro „Techbeton“ unter Leitung von Sergei L. Prochorow betraut. Auch
die Bauleitung wurde von ihnen durch den Mitarbeiter M. Strukow übernommen
(Abb. 13 und 14). Dieser hatte im Gegensatz zu seinen Moskauer Planungskollegen
ständig vor Ort zu sein. Die Planung des Tanks übernahmen die Ingenieure des
Uralmaschstroij unter Ingenier S. Korotkow. Dafür wurde das System des deutschen
Ingenieurs Otto Intze gewählt. Für die Herstellung des Behälters wurde erstmals das
Elektroschweißverfahren verwendet. Die Schweißarbeiten dauerten 5 Monate lang
und wurden am 5.Juli 1931 mit der Abnahme durch Moskauer Ingenieure beendet.
Die Qualität der Naht wurde von den Moskauer Spezialisten als sehr hoch
angesehen, trotzdem passierte beim ersten Befüllen ein schweres Unglück.
12
25. Abb. 13: Bau der Stützen Abb. 14: Schalung des Behälters
Nur wenige Minuten nach der Unterzeichnung der Freigabepapiere bog sich der
stählerne Behälterboden zuerst durch und platzte anschließend, so dass die
komplette Maße an Wasser an den Stützen und dem Treppenhaus herunter strömte.
Prompt interessierte sich das NKWD31 für den Vorfall [17]. Der leitende Ingenieur des
„Techbeton“ wurde sofort nach Jekaterinburg bestellt. Auf der Fährfahrt von Nischni
Nowgorod nach Perm, die damals 4-5 Tage betrug, entwarf Sergei Prochorow einen
komplett neuen Behälterboden aus Stahlbeton, machte die erforderlichen statischen
Berechnungen und fertigte die notwendigen Zeichnungen zur Umsetzung an. Nach
seiner Ankunft wurde der Entwurf rasch realisiert und festigte durch seine Stabilität
das Vertrauen in den Stahlbetonbau. Laut der Projektierungsunterlagen zur
Wasserversorgung [25, Bestand 3, №2] sollte der Turm anfangs mit 542,27 m3 Wasser
befüllt werden, jedoch ließen die Projektierer Platz für den Ausbau des Behältnisses
bis zu einem Volumen von 695 m3 zu. Somit war der Tank der größte seiner Art in der
Zeit auf der Welt. In Chicago soll es einen Behälter vergleichbarer Größe gegeben
haben [16/S. 4].
Das Wasser zur Belieferung der Siedlung wurde dem naheliegenden Schuwakisch-
See entnommen. Die Wasserleitung dafür durchtrennte etwa 100 m verschiedenster
Bodenschichten. Die intensive Nutzung durch das Werk und die Siedlung führte in
den Folgejahren dazu, dass der See nahezu komplett austrocknete. Heute ist an
seiner Stelle eher ein Sumpf vorzufinden, obwohl das Wasser seit den 1960ern nach
der Außerbetriebnahme mehrerer Pumpen langsam zurückkehrte [15].
Nach der Fertigstellung des Bauwerkes wurde es mit weißem Kalk verputzt, was ihm
13
31 Narodnij kommissariat wnutrennich del – Volkskommisariat für Innere Angelegenheiten
26. seinen heutigen Namen „der Weiße Turm“ gab. Und obwohl diese Farbe in den
Zeiten des Zweiten Weltkrieges als Objekt von strategischer Bedeutung in
camouflage-grün umgestrichen wurde, setzte sich die Bezeichnung bis heute durch.
Während in den 30ern noch die kleinere Version des Behälters für die vorhandene
Bevölkerung vollkommen ausreichte, wurde der Turm in den 60ern überflüssig, da er
die zur Versorgung notwendigen Mengen nicht halten konnte und so wurde der
Betrieb nach nur ca. 30 Dienstjahren eingestellt. Der Turm geriet in die Vergessenheit
trotz mehrerer Revitalisierungsversuche.
Moisej Reischer, sein „Vater“, veranstalte mit seinen Studenten in den 1970ern eine
Kreativwerkstatt, wo Möglichkeiten zur Umnutzung besprochen wurden. Außerdem
arbeitete er mit einer Gruppe von Malern einen Umnutzungsplan zum Cafe aus
(Abb. 15 und 16). Im Tank sollte ein Zwischenboden eingezogen werden und so ein
doppelstöckiges Jugendcafe mit Aussichtsplattform ermöglichen. Die Direktion des
Uralmasch gab grünes Licht, doch die Umsetzung scheiterte am Widerstand von
Gennadi Beljankin, dem Hauptarchitekten der Stadt.
Zusätzlich wurde in den 1970ern seine Bedeutung als Mittelpunkt dreier Achsen
geschmälert. Bis dahin sichtbar vom Platz des ersten Fünfjahresplanes, wurde er
durch den neuen Kulturpalast „Uralmasch“ und ein Stadion verdeckt.
Auch weitere Versuche zur Umsetzung einer Umnutzung scheiterten. Es gab Ideen zur
Einrichtung eines Clubs, von Büros oder ein Wiederaufgriff der Cafe-Idee. Das
Problem bestand vor Allem bei der Treppe. Nach gültigen russischen Standards wäre
eine Feuerwehrtreppe von größeren Abmessungen notwendig (Abb. 17).
14
Abb. 15 und Abb. 16: Projekt zur Umnutzung des Turmes von Moiseji Reischer, 1971
27. Diese würde jedoch das architektonische Konzept des Turmes mit dessen schlanker
Diese würde jedoch das architektonische Konzept des Turmes mit dessen schlanker
Silhouette zerstören und so verfiel der Turm langsam während die Pächter einer nach
dem anderen wechselten. Darunter waren eine Versicherungsgesellschaft, die sich
nach dem Turm benannte und das Rote Kreuz dabei. Im April 2013 [18] wurde der
Turm dann entgeltlos an die ehrenamtliche Architekturgruppe PODELNIKI zur
Nutzung übergeben. Die Jungarchitekten setzen sich schon davor für den Erhalt des
Denkmals und dessen Wiedereingliederung ins Stadtleben ein.
15
Abb. 17: Umnutzungskonzept des Architekten Chramtsow mit einem neuen Treppenhaus, 1989
28. Hinter jedem Bauwerk steht ein Team von
Ingenieuren, Architekten und Arbeitern. Der
„Weiße Turm“ ist da keine Ausnahme,
jedoch sticht in diesem Fall ein Name
besonders hervor, der von Moiseji Reischer32
(Abb. 18), geboren am 1.Januar 1902. Der
Architekt hat das Bauwerk wie kein anderer
geprägt und nach seinen Vorstellungen
geformt. So soll der Entwurf innerhalb nur
einer Nacht entstanden sein [24]. Im Jahr 1926 machte er den Abschluss Technischen
Instituts Sibiriens33 mit der Diplomarbeit zur Planung eines „Volkshauses für Aufklärung“
(Abb. 19 und Abb. 20).
16
1.4 Der Architekt: Moiseji Reischer (1902-1980)
Abb. 18: Moiseji Reischer bei der Arbeit
Abb. 19 und Abb. 20: Diplomarbeit „Volkshaus für Aufklärung“ von Moiseji Reischer
Mit nur 27 Jahren er die Konstruktion entworfen und den Bau intensiv begleitet. Dabei
war er einer der älteren Ingenieure im Team und hatte deshalb auch
anspruchsvollere Aufgaben zu erledigen. Der Bau des „Weißen Turms“ fand im
Rahmen seiner Zuständigkeit für den Bau der Industriebauten des Werksgeländes des
Uralmasch statt, welche innerhalb des ersten Fünfjahresplanes34 errichtet werden
sollten. Aus der Feder von Reischer stammten alle wichtigen Werkshallen – die
Gusseisen- und Stahlgießereien, das Schmiede-Presswerk, das thermische Werk.
Auch nach dem Beenden der Arbeiten am Turm blieb er seiner Kreation verbunden.
Ein Foto des Turmes soll immer in seiner Wohnung gehangen haben [20].
32 [16] Tokmininowa, S. 6
33 Heute: Tomsk Polytecnic University
34 Fünfjahresplan – ein planwirtschaftliches Instrument, das in der USSR hauptsächlich zur die
Umsetzung der Industrialisierungsziele verwendet wurde
29. Obwohl in den 20er Jahren Mitglied der OSA
und mehr durch Rekonstruktionsaufträge dem Neoklassizismus zu. Seine Bauten B
aus
den späteren Jahren sind eher von der Anwendung klassischer Elemente im
Fassadenschmuck geprägt. Seit 1936 war Moiseji Reischer für das Exekutivkomitee für
Architektur Jekaterinburgs tätig
[22]. So beteiligte er sich bei dem Wiederaufbau des
Konservatoriums, ervatoriums, der Rekonstruktion der Fassade des Hotels „Großer Ural“ und bei
der Gestaltung der Fassade des Jekaterinburger Gorsowet
heute als Rathaus dient [21].
21]
Abb. 21(links oben): Gorsowet vor dem Umbau
Golubew für das Gorsowet Abb.
Umbau des Gebäudes des Gorsowet
OSA35 wandte er sich ab den 1940ern mehr
Gorsowet36 (Abb. 21
Abb. 22 (links mittig): Umbauskizze des Architekten
23 (links unten): Gorsowet (Rathaus) heute
35 Obschestwo sowremenich architektorow
von 1925-1930, wurde wegen der Abkehr von der architektonischen Par
Architektur) aufgelöst.
36 Gorsowet – Stadtrat (russ.), heute Rathaus
– Organisation moderner Architekten; existierte
Parteilinie (stalinistische
17
Abb. 24 (rechts):
. 21-24), welches
teilinie
30. Außerdem war er seit 1937 mit kurzer Unterbrechung während des Krieges als
Hochschullehrer tätig, von 1937-1941 am Architekturfachschule Swerdlowsk37 und
nach 1945 am Baufachschule Swerdlowsk. In dem Zuge hatte er auch eine
Ideenwerkstatt mit seinen Studenten zur Umnutzung des Wasserturmes in den 1970ern
veranstaltet.
Im Jahr 1945 wurde er mit der Medaille für „Heldentum der Arbeit“ ausgezeichnet.
Moiseji Reischer starb am 5.September 1980 in Jekaterinburg. Noch heute sind seine
Nachkommen dem Weißen Turm und der Stadt Jekaterinburg verbunden.
18
Liste der Bauwerke [23]:
(wenn nicht anders benannt in Jekaterinburg)
Arbeiten am UZTM38:
1929 – „Der Weiße Turm“
1932 – Werkhallen für die Gusseisenfertigung und
die Stahlgießerei
1932 – Grabdenkmal aus schwarzem Marmor für
Alexander Bannikow39 und Wladimir Fiedler auf
dem Vorplatz des Haupteinganges zum
Uralmasch-Gelände (1955 abgerissen und mit
einem Denkmal von Sergo Ordschonikidse40 ersetzt,
Abb. 25)
Abb.25: Grabdenkmal von A.Bannikow
und W.Fiedler, zeitgenössische
Aufnahme
1933 – Schmiede-Presswerkhalle und thermische Werkhalle
Außerdem eine Reihe von öffentlichen Gebäuden der Plansiedlung Uralmasch u.a.
einen Supermarkt, einen Sportpavillon und ein Einkaufszentrum.
Rekonstruktionen:
1936 – Wohnhaus des Werkes „Metallist“
1938 – Fassade des Hotels „Großer Ural“
1943 – Fassade und Vestibül des Kinos „Temp“
1954 – Gesamter Komplex vom Gorsowet (Abb. 21-24)
nicht datiert – Dendroparkanlage ul. Perwomaiskaja 67, Wohnhaus in ul. Swerdlowa
37 Swerdlowsk – 1924-1991 Name Jekaterinburgs, nach dem Revolutionär Jakow M. Swerdlow
(1885-1919) benannt
38 Uralskij Zawod Tjaschologo Maschinostrojenija, anderer Name für Uralmasch
39 Alexander Petrowitsch Bannikow (1895-1932) – Hauptverantwortlicher für den Bau des
Uralmasch
40 Grigori Konstantinowitsch (Sergo) Ordschonikidse (1886-1937) – sowjetischer Funktionär,
maßgebend beteiligt an dem Vorantreiben sowjetischer Industrialisierung
31. Sonstige:
1931 – Haus der Kultur in Asbest, Swerdlow Gebiet (in Zusammenarbeit mit P. Oranskij
und I. Robatschewskij)
1938-39 – Studentwohnheim des
Straßentechnikums
1939 – Wohnheim des Berginstituts
1939 – Skipavillion (Abb. 26)
1945 – Villen für die Angestellten des
Jekaterinburger Konservatoriums
19
1945 – Bebauung des 1 Quartiers der Pionerskij
Abb. 26: Entwurf eines Skipavillions
Siedlung mit individuellen 2/3-Zimmer-
Wohnhäusern
1946 – Gebäudekomplex des Krankenhauses №23 (zusammen mit I. Jugowoj)
1947 – Denkmal den Gefallenen im II.WK auf dem Schirokoretschenskiji Friedhof
1947 – Denkmal auf dem Gelände des UZTM
32. 20
2. KONSTRUKTIVE VERGLEICHE
Im Rahmen des internationalen Workshops in Jekaterinburg vom 23. August – 01.
September 2013 konnten insgesamt drei verschiedene Wassertürme besichtigt
werden. Dazu zählten der weiße Turm, der Werkswasserturm des Uralmasch und ein
Turm auf dem Werksgelände des Kupferkombinats in Krasnouralsk41. Diese
Wassertürme wurden alle Ende der 1920er bis Anfang der 1930er Jahre errichtet und
weisen somit Gemeinsamkeiten auf. Hinsichtlich der Konstruktion, den verwendeten
Materialien und der Bedeutung können allerdings auch Unterschiede festgemacht
werden. Zusätzlich wird auf einen weiteren Turm eingegangen, der sich perfekt in die
Zeit der Avantgarde einordnen lässt. Von dem russischen Architekten und Designer
Jakow G. Tschernikow42 entworfen und zwischen 1929 und 1931 erbaut, steht der
Turm43 bis heute in St. Petersburg und zeugt von einer ausdrucksstarken
Industriearchitektur. Ein Vergleich der vier Wassertürme soll im Folgenden
Besonderheiten bei der Konstruktion mit Stahlbeton aufzeigen sowie eine allgemeine
Übersicht dieser darstellen. Als sinnvolles Unterscheidungskriterium wird dabei die
Behälterausbildung gewählt, und zwar nach [der Art des] Baustoff[es] und nach der
Form der Behälter [5/S.65]. Der Wasserbehälter ist das Herzstück des Wasserturms,
dessen Tragwerk sich nach ihm ausrichtet. Dabei wird kurz auf die historische
Entwicklung einiger Behälterformen bis hin zu den in den untersuchten Wassertürmen
eingegangen, wobei das Hauptaugenmerk auf die Formen der Behälter in den zu
untersuchenden Bauwerken gelegt wird. Weitere Entwicklungsstufen werden
aufgrund der fehlenden Relevanz für diese Arbeit nicht betrachtet.
41 Krasnouralskij mediplawitel'nij kombinat/ красноуральский медеплавительный комбинат
ist eine Fabrik in dem Gebiet von Sverdlovsk die immer noch Kupfer verarbeitet (250km
nördlich von Jekaterinburg).
42 russisch: Яков Георгиевич Чернихов (1889-1951)
43 Die Konturen des Wasserturmes erinnern an die Form eines Nagels. Er war Bestandteil der
Drahtseilfabrik Roter Nagel (oft auch als Rote Nagel – Fabrik bezeichnet).
33. 2.1 Historische Entwicklung der Hochwasserbehälter
Bereits um 1830 wurden die ersten Wasserhochbehälter gebaut (Abb. 27, [5]). Ihr
Anwendungsgebiet beschränkte sich damals auf die Wasserversorgung der
Eisenbahn. Mit der Erfindung der Dampfmaschine und deren Einbindung in die
Schieneninfrastruktur war eine permanente Wasserversorgung für die
Schienenfahrzeuge unumgänglich. Ein rechteckförmiger Flachbodenbehälter aus
Gusseisen stellt den ersten Meilenstein in der Konstruktion und Entwicklung der
Wasserhochbehälter dar. Dieser entstand „aus der Forderung, eine gegebene
rechteckige Grundfläche möglichst zweckmäßig auszunutzen“ [5/S.66]. Bisher
bekannte Konstruktionen aus Holz waren dabei ein Vorbild und man ahmte diese mit
dem Baustoff Gusseisen nach. Die Nachteile des Werkstoffes machten sich in der
Konstruktion bemerkbar. Materialbedingte Schwächen in der Aufnahme von
Zugkräften machten solch eine Konstruktion sehr unwirtschaftlich. Die Wände des
Flachbodenbehälters mussten mit Ankern versehen werden und der
biegebeanspruchte Boden lagerte auf einem starken Trägerrost. Als
Weiterentwicklung kann der zylindrische Flachbodenbehälter gesehen werden,
dessen Wände aus Schmiedeeisen hergestellt wurden. Dieser Werkstoff war zwar
teurer als das nur bedingt geeignete Gusseisen, jedoch hatte man erkannt, dass eine
bestimmte Formgebung der nur auf Zug beanspruchten Wände für die Tragfähigkeit
von großer Bedeutung war. Die Überlegung, sowohl die Behälterwände als auch den
21
Abb. 27: Übersicht der Entwicklungsstufen von Wasserhochbehältern
34. Behälterboden ausschließlich auf Zugkräfte zu beanspruchen, um die
Materialeigenschaften noch effizienter ausnutzen zu können, führte zu einer weiteren
Entwicklung. Diese ist auf den Franzosen Jules Dupuit44 zurückzuführen, der in den
Jahren 1854/55 einen „Behälter mit hängendem Kugelboden“ [5/S.73] entwickelte.
Die neue Formgebung führte in den Wand- und doppelt gekrümmten Bodenblechen
zu einem Lastabtrag, der sich in den Hauptrichtungen auf Zug ausbildete. Im
Behälterboden entstanden durch die neue Formgebung hohe Zugkräfte. Diese
horizontal verlaufenden Kräfte aus dem Behälterboden mussten über einen
geschlossenen Auflagerring auf das darunter liegende Mauerwerk übertragen
werden. Daher musste der Auflagerring gleichzeitig als Druckring fungieren. Die
Anschlussstelle dieses Details konstruktiv angemessen auszubilden war eine
Herausforderung. Einige Nachteile dieser Konstruktion, wie z.B. eine Ausdehnung oder
Verengung des Auflagerringes bei unterschiedlicher Füllhöhe sowie relativ große
Horizontalkraftanteile auf das Auflagermauerwerk veranlassten den deutschen
Ingenieur Otto Intze45 1883 einen fortschrittlicheren Entwurf eines Behälterbodens zu
entwickeln. Der Fortschritt beim Intze-I Behälter lag in der Spannungsfreiheit des
Auflagerringes. Intze dachte sich einen nach oben geöffneten Kegel, dessen
Auflagerring nun nach unten versetzt wurde. Der noch überbleibende Teil des
hängenden Innenkegels wurde nach seinem Entwurf durch einen stützenden
Kugelboden ersetzt [5/S.81]. Spannungsfrei wird der Auflagerring, weil sich die
horizontalen Zugkomponenten, links und rechts von diesem, entgegenwirken und
aufheben. Intze konnte durch diese Konstruktion eine Bewegung des Ringes auf dem
darunter liegenden Mauerwerk fast gänzlich verhindern.
Diese Erkenntnis war richtungsweisend für die Verwendung eines neuen Baustoffes,
der relativ schnell für den Behälterbau verwendet wurde – der Eisenbeton. Durch die
neue Formgebung mussten im Wasserhochbehälter nur noch Normalkräfte
übertragen werden, da eine Biegebelastung praktisch ausgeschlossen werden
konnte. Im Bereich des gesprengten Bodens treten nur noch Meridian- und
Ringkräfte auf und die Mantelflächen erfahren ebenfalls keine Biegebeanspruchung
mehr. Das hat zur Folge, dass die lastabtragenden Bauteile unter dem Behälter selbst
nur noch Vertikallasten aus eben diesem abzutragen hatten. Diese Tatsache erlaubt,
das Tragwerk filigraner zu gestalten und Material einzusparen.
44 Jules Dupuit (1804-1866) war ein französcher Bauingenieur, der sich dem Wasserbau
verschrieben hatte.
45 Otto Intze (1843-1904) war ein deutscher Bauingenieur, Statiker und Professor an der TH
Aachen, der führend auf dem Gebiet des Wasserbaus war.
22
35. Der Intze-I Behälter brachte durch seine Konstruktion in mancher Hinsicht ästhetische
Nachteile mit sich. Durch den notwendigen äußeren Stützkegel musste der Turmkopf
ausgelagert werden. Dieser Problemstellung trat man mit einer neuen Behälterform
entgegen – dem kuppelförmigen Stützbodenbehälter. Bei dieser Behälterkonstruktion
wurde auf den angesprochenen Stützkegel verzichtet. Schließlich war ein
freitragender Kuppelboden das Ergebnis, der bis zu Füllmengen von ca. 750m³ ein
wirtschaftliches Arbeiten ermöglichte. Die entstehenden Horizontalkräfte mussten
über einen Auflager-Zugring kurzgeschlossen werden. Einer Auslagerung des
Turmkopfes wurde somit vorgebeugt.
23
36. 2.2 Weißer Turm in Jekaterinburg
Der Weiße Turm (Abb. 28) wurde in den Jahren 1929-1931 im damaligen Sverdlowsk
(Ural) erbaut. Der leitende Ingenieur bei Bau des Turmes war Moiseji Reischer, der für
die Baugesellschaft Techbeton arbeitete. Der Turm
diente der Versorgung der Arbeiter mit Wasser, die
mit dem Bau der Werkssiedlung beschäftigt waren.
Grundsätzlich besteht er aus zwei geometrischen
Körpern. Der Treppenturm gleicht einem
rechteckigen Prisma und das Behältergehäuse
einem Zylinder. Der Zylinder ist verhältnismäßig groß,
da er ca. die Hälfte der gesamten Turmhöhe von
über 35m ausmacht. Der darin befindliche
Wasserbehälter wurde nach dem Intze-I Prinzip
gefertigt. Der Boden besteht aus Stahlbeton. Die
Behälterwand wurde aus Stahl hergestellt und
musste wasserdicht an den Stützkegel des Bodens
angeschlossen werden. Bis zu einer Füllmenge von
500m³ war ein wirtschaftliches Konstruieren mit dieser Behälterform möglich. Man
behielt sich beim Weißen Turm vor, den Behälter auf bis zu 700m³ auszubauen. Der
gesamte Wasserbehälter lagert auf einem polygonal
verlaufenden Ring, der unmittelbar mit dem Auflagerring des
Behälterbodens verbunden ist. Unterhalb dieses Ringes
schließen sich insgesamt sechs Stützen an, die verglichen zum
Volumen des gesamten Bauwerks ausgesprochen filigran
erscheinen. Umlaufend befindet sich innerhalb des Zylinders,
zwischen Behälterwand und der Wand des Gehäuses ein Spalt
von ca. 70cm (s. Längsschnitt Abb. 29). Die Planung dieses
Freiraumes beabsichtigte eine Isolierung des Wasserbehälters
gegen z.T. extreme Temperaturen im Winter. Weiterhin wurde
im gesamten Bauwerk mit einer verlorenen Holzschalung
gearbeitet. Das unter einer Putzschicht verdeckte Holz isolierte
den Turm zusätzlich. In Bereichen der Ausfachung,
insbesondere in der Gehäusewand, wurde statt des Holzes
auf Holzwolle-Leichtbauplatten zurückgegriffen, um eine
24
Abb.28: Weißer Turm in Jekaterinburg
Abb. 29: Längsschnitt
37. Dämmung zu gewährleisten.
Aufgrund des angesprochenen Freiraumes verbreiterte sich der Zylinder auf der
Ebene des polygonalen Ringes. Es besteht aus einem Stahlbetonsockel, an welchen
insgesamt 10 vertikale Stützen monolithisch angeschlossen sind. In regelmäßigen
Abständen verlaufen über die gesamte Höhe des Zylinders verteilt drei horizontal
angeordnete Stahlbetonringe. Die Verbreiterung des Zylinders, im Bild als Auskragung
ersichtlich, wird durch sechs massive Konsolen, die jeweils an die Haupttragstützen
anschließen, abgefangen. Genau mittig zwischen den Konsolen sind weiterhin
starke, vertikale Riegel angeordnet, die einen Teil der Zylinderlast in die
abschließende „Bodenplatte“ einleiten, die wiederum die Lasten zu den Stützen
bringt. In dieser massiven Bodenplatte von ca. 60cm Dicke (25cm Stahlbeton und
35cm Aufschüttung), verlaufen Stahlbetonbalken, die die einzelnen Stützenköpfe
untereinander verbinden. Das trägt zur Aussteifung in horizontaler Richtung bei, da
die Bodenplatte die Funktion einer Scheibe übernimmt. Weiterhin wirkt der
Treppenturm durch eine Kopplung zum Zylinder in der Aussteifung mit.
Im oberen Drittel des Turmes ist ein für die Architekturperiode typisches Fensterband
vorhanden, welches sich von einer Seite des Treppenhauses bis hin zur anderen Seite
zieht. Des Weiteren befinden sich insgesamt 10 bullaugenähnliche Fenster in der
Zylinderwand. Diese stehen in Kontrast zu den rechteckigen Öffnungen ober- und
unterhalb dieser und spiegeln die Suche nach expressiven Ausdrucksformen
während der Avantgarde wieder.
Das Dach des Turmes ist eine schalenartige Konstruktion aus Stahlbeton, welche mit
einer Attika und einem Aussteifungsring direkt oberhalb des Fensterbandes versehen
ist. Auf der Schale enden vier kleinere Stützen, die einen Teil der Lasten aus der
darüber liegenden Aussichtsplattform einleiten. Der Weiße Turm als städtebauliche
Dominante entworfen, sollte von Beginn an für die Öffentlichkeit zugänglich sein und
neben seiner Funktion als Wasserturm auch als Aussichtspunkt über die
Werksplansiedlung dienen.
25
38. 2.3 Wasserturm des Kupferkombinats in Krasnouralsk
Bei der Besichtigung dieses Wasserturmes wurden Planungsunterlagen zur Verfügung
gestellt, die auf den 7.März 1929 datiert sind. Genauere Angaben bezüglich des Baus
sind nicht bekannt –
eine Errichtung des
Turmes in den
darauffolgenden zwei
Jahren ist jedoch sehr
wahrscheinlich. Er
diente bis in die 1960er
Jahre der Fabrik auf
dessen Gelände er bis
heute steht. Danach
konnte er den erhöhten
Anforderungen hinsicht-lich
des erforderlichen
Abb.30: Wasserturm des
Kupferkombinates in Krasnouralsk
Abb. 31: Längsschnitt
Wasserdrucks nicht mehr gerecht werden und wurde außer Betrieb genommen.46
Äußerlich erinnert dieser Turm stark an den Weißen Turm aus Jekaterinburg. Die
konstruktivistische Bauweise lässt sich auch hier sehr gut erkennen. Bandähnliche
Fensteröffnungen auf verschiedenen Ebenen des Turmes sind als charakteristisches
Gestaltungsmerkmal wiederzufinden. Zusammengesetzt aus einfachen
geometrischen Formen, wie dem rechteckigen Prisma (Treppenhaus) und dem
Zylinder (Behältergehäuse) ragt der Turm bis in knapp 25m Höhe (Abb. 30). Die
Vereinigung dieser Elemente unterscheidet sich von der im Weißen Turm. Verlief bei
diesem noch das Treppenhaus außerhalb des Zylinders bis nach oben auf die
Plattform, so befindet es sich bei dem Turm in Krasnouralsk unterhalb des
Wasserbehälters und endet dort (Zugang zum Wasserbehälter selbst und darüber
hinaus nur über eine schmale Leiter möglich). Insofern ist es möglich, dass der
Zylinder, den darunter liegenden „Treppenblock“ ganz umschließt und nicht wie
beim Weißen Turm nur teilweise „hineingesetzt“ wurde.
Auch hier wird die Art der Konstruktion und des daraus resultierenden Lastabtrages
durch die Wasserbehälterform bestimmt. In diesem Turm wurde ein
Stützbodenbehälter des Typs 1 verwendet (s. Abb. 31 - vgl. Abb. 27 Kap. 2.1). Der
freitragende Kuppelboden ist komplett zugänglich und genau wie die
26
46 mdl. Information während der Werksführung am 31.08.2013
39. Behälterwandung aus Stahlbeton hergestellt. Der Boden endet entsprechend der
Konstruktion in einem monolithisch angeschlossenen Zugring, in welchem die
Horizontalkräfte, die durch den Wasserbehälter entstehen, kurzgeschlossen werden.
Der vertikale Lastfluss wird durch acht Stützen gewährleistet. Diese sind durchgehend
vom Fundament bis unterhalb der Dachkonstruktion betoniert. Im Bereich des
Behälterbodens, mussten sie nach außen versetzt werden, um einen Freiraum
zwischen der Behälter- und der zylindrischen Gehäusewand zu schaffen. Der
Freiraum isoliert den Wasserbehälter vor Kälte und ermöglicht gleichzeitig den
direkten Zugang zu diesem. Dieser Versatz nach außen wird oberhalb des
Behälterbodens durch eine Konsole (angevoutete Verstärkung an jeder Stütze) sicher
gestellt. Die Bereiche im Zylinder zwischen den Stützen wurden schließlich mit Beton
ausgefacht.
Der Boden des polygonalen Teils unterhalb der zweiten Fensterreihe schließt direkt an
den Treppenblock an. Auf der einen Seite gehen von diesem zwei massive,
horizontal verlaufende Balken ab, die monolithisch mit jeweils einer Stütze verbunden
sind. Des Weiteren unterstützen zwei Unterzüge darüber die „Bodenplatte“. Auf der
anderen Seite begrenzt an jeweils einer Ecke eine Stütze den Treppenblock. Sowohl
die Verbindung zu dem Treppenblock, als auch die symmetrische, polygonale
Anordnung der Stahlbetonstützen tragen so zur Aussteifung des Bauwerks in jede
Richtung bei.
Seit den 60ern hat der Turm keine direkt Nutzfunktion mehr. Allerdings ist das Interesse
des Werkes in Krasnouralsk an ihm sehr groß. Die Angestellten wurden an der
Erhaltung maßgeblich beteiligt. Die Stützen innerhalb des Zylinders wurden
nachträglich mit einer Stahleinfassung verstärkt und die Fenster sowie alle der
Witterung ausgesetzten Flächen entsprechend saniert, um die vorhandene Substanz
zu bewahren. Anschließend wurde der Turm in den Werksfarben gestrichen.
27
40. 28
2.4 Wasserturm auf dem Werksgelände des Uralmasch
Unweit des Weißen Turmes befindet sich auf
dem Werksgelände des Uralmasch ein eigener
Wasserturm. Dieser wurde im Jahr 1931
vermutlich bei der gleichen Baugesellschaft
wie der Weiße Turm in Auftrag gegeben -
Techbeton47 (Abb. 32). Der Turm diente der
Versorgung des Thermo-elektrischen Werkes auf
demselben Betriebsgelände.
Er unterscheidet sich grundlegend von allen
hier aufgeführten Türmen durch seine
Bauweise. Ausschließlich zylindrische Formen
bestimmen die äußere Erscheinung. Die
Tragstruktur bildet ein zentraler
Stahlbetonschaft, der sich vom Fundament bis
zum Wasserbehälterboden erstreckt. Dieser
Schaft, durch Lisenen48 unterstützt, leitet die
Lasten aus dem Wasserbehälter ab. Der
Behälter entspricht dem gleichen Typ wie im
Weißen Turm. Jedoch wurde die Nutzung des
Intze-I Behälters abgeändert. Direkt über dem
Turmschaft liegt der horizontale Auflagerring,
welcher gleichzeitig die Trennstelle eines Zwei-
Kammerbehälters darstellt. Der komplett aus
Stahlbeton hergestellte Behälter bot somit die
Möglichkeit Flüssigkeiten für verschiedenartige
Nutzungszwecke zur Verfügung zu stellen. An
der Tragweise ändert sich für das Intze-Prinzip,
abgesehen von der erhöhten vertikalen
Normalkraft nichts. Diese Vertikalkraft setzt sich
aus zwei Teilen zusammen. Zum einen aus dem
Abb. 32: Bauphase mit ausgekoffertem
Bereich für die Rohrleitungen
Abb. 33: Wasserturm auf dem
Werksgelände (gut sichtbar die große
„Konsole“ über der vertikalen Fensterreihe)
47 mdl. Quelle – Museumsleiter während einer Führung über das Werksgelände
48 Lastabtragendes Element. Leicht hervortretende, vertikale Verstärkung im Schaftbereich
41. Eigengewicht der zusätzlichen Behälterwand und zum
anderen aus dem Lastanteil des Turmdaches. Diese relativ
leichte Holzdachkonstruktion in ca. 32m Höhe wird über zwei
Stahlbetonringe mittels mehrerer quadratischer Stützen auf
die Behälterwände übertragen und belastet somit den
Auflagerring zusätzlich. Daher ist die Anordnung des
charakteristischen Fensterbandes am oberen Ende des
Turmkopfes problemlos möglich. Die Fenster erfahren keine
Belastung und werden so auch nicht durch lastabtragende
Bauteile unterbrochen. Anders als bei dem Weißen Turm,
dessen Lasten von oben über den zylindrischen Teil nach
außen geleitet werden, findet hier im Inneren ein zentraler
Lastabtrag auf den Stahlbetonschaft statt. Über
Stahlbetonkonsolen im Bereich der unteren Fensterreihe ist
der außenliegende Zylinder unmittelbar mit der äußeren
Behälterwand verbunden. Die Konsolen leiten die Lasten des Zylinders in den
äußeren Stützkegel des Intze-I Behälters und weiter in den Auflagerring. Dieser
konstruktive Vorteil verhindert eine zusätzliche Lastexzentrizität außerhalb der
Turmschaftachse.
Die auf der Abb. 33 überdimensional groß wirkende Konsole, die eine Verbindung
zwischen Schaft und Kopf realisiert, hat keine statische Relevanz. Dieses Bauteil ist
eine Ankofferung für eine innenliegende Treppe, von der aus man den Turmkopf
29
Abb. 34: schematischer
Querschnitt durch den
Werksturm
Abb. 35: Dachunterseite mit 2-Kammerbehälter
betreten kann.
Der Wasserbehälter unterstützt des
Weiteren die Aussteifung des
gesamten Turmes. Dem relativ
steifen Turmschaft folgt der, durch
die Wasserbehälterform beeinflusste,
ausgelagerte Turmkopf. Die
Verbindungsstellen des Behälters mit
der Dachkonstruktion am oberen
Ende und mit den Konsolen am unteren Ende des Zylinders sorgen für die
notwendige Steifigkeit des gesamten Tragwerks oberhalb des Turmschaftes.
42. Um das Wasser vor extremer Kälte zu schützen wurde neben einer verlorenen
Schalung eine Heizungsanlage mit einer großen Anzahl an walzenförmigen
Heizflächen installiert.
30
43. 2.5 Der Rote Nagel in St. Petersburg
Der Wasserturm der „Roten Nagel-Fabrik“ (Abb. 36) wurde nach Entwürfen von
Jakow G. Tschernikow zwischen1930 – 1931 erbaut. Dieser ist Bestandteil des
ehemaligen Stahlwalzwerkes „Krasnyi Gvozdilščik“49, das im Südwesten der Vasilievskij
Insel in St. Petersburg liegt [3/S.116]. An der Ecke einer langen, relativ flachen
Produktionshalle errichtet, überragt er mit einer Gesamthöhe von exakt 34m50
sämtliche Bauwerke der Umgebung. Ein schmaler Schaft mit einem verhältnismäßig
wuchtig wirkenden Turmkopf erinnert an einen Nagel [8/S.373]. Die industrielle
Ausrichtung der Produktionsstätte wird durch dieses Bauwerk eindeutig symbolisch
dargestellt.
Die Ausführung ähnelt dem ursprünglichen Entwurf des Weißen Turmes (vgl. Kap. 1.3).
Sie wirkt durch die Kombination von einer klaren vertikalen Struktur und der
zylindrischen Kopfform sehr dynamisch. Die strikt, einfach gehaltenen Formen bieten
die besten Voraussetzungen für die Anwendung von Stahlbeton.
49 Красный гвоздильщик – „Roter Nagel – Fabrik“
50 Den Plänen von Maximilian Wetzig entnommen. Wetzig ist der Bearbeiter einer
Diplomarbeit aus dem Jahr 2008 an der TU Berlin, die ein Umnutzungskonzept der direkt
angrenzenden Produktionshalle thematisiert.
31
Abb. 36: Der Wasserturm „Roter Nagel“ an der Ecke der ehemaligen Produktionshalle
44. 32
Abb. 37: Schnitt durch den Turmkopf
Der Turmkopf beinhaltet als einziger der hier
aufgeführten Türme einen zylindrischen
Flachbodenbehälter aus Stahl (Abb. 37).
Die Wandungen überlappen und sind
miteinander vernietet, wobei der
Lastabtrag entsprechend des auf Biegung
beanspruchten Bodens über einen
Trägerrost gewährleistet ist. Der Behälter
selbst liegt auf rechtwinklig angeordneten
Profileisen, die wiederum auf einem Sockel
befestigt sind. Dieser leitet die Lasten des
Behälters in die Stahlbetonbalken, die
unterhalb des Turmkopfes konstruktiv
auffällig angeordnet sind. Durch die relativ
große statische Höhe besitzen diese unterzugartigen Balken ein
Flächenträgheitsmoment, das die Behälterlast mühelos aufnehmen kann. In dem
Querschnitt ist deutlich zu sehen, dass die Balken unterhalb des Turmkopfes nicht
vollständig massiv ausgebildet wurden, sondern in der Mitte hohl blieben. Da die
einzuleitenden Lasten dies zuließen, konnte dadurch Material und weiterhin
Eigengewicht eingespart werden. Die abzutragende Last ist bei dem
Fassungsvermögen des Behälters von ca. 50m³ relativ gering und wird auf vier
Stützen verteilt. Diese Stützen sind im Bereich des Erdbodens Teil des Treppenhauses.
Ab einer Höhe von ca. 10m verspringt der Treppenturm nach hinten und lässt so
einen Blick auf zwei der filigranen Stützen zu, die bis in die Höhe unterhalb des
Turmkopfes reichen. Die anderen beiden Stützen grenzen den Treppenturm ab und
sind von außen nur ansatzweise zu erkennen. Der Treppenturm selbst besteht aus
einer Stützen-Riegel Konstruktion und stellt den aussteifenden Kern des gesamten
Bauwerkes dar.
Entsprechend des Baustils ist auch hier wieder das großzügige Fensterband zu
erkennen. Drei Längsöffnungen im Treppenturm sind weiterhin ähnlich angeordnet
wie bei dem Weißen Turm in Jekaterinburg. Bei fast gleicher Bauhöhe wirkt der
Wasserturm der „Roten Nagel – Fabrik“ jedoch viel filigraner, was nicht zuletzt durch
die Wasserbehältergröße bestimmt wird.
45. 33
3. KONSTRUKTIVE BESTANDSAUFNAHME
3.1 Methodik
„Bauaufnahme ist die Bestands- und Zustandserfassung eines dreidimensionalen
Objektes und dessen Wiedergabe in zweidimensionalen maßstabsgerechten Plänen
und/oder dreidimensionalen Modellen. Die Bauaufnahme kann eine Vorstufe zu
einer Bestandsaufnahme bilden. Sie dient zur Bauvorbereitung, der Dokumentation
für die Denkmalpflege und der wissenschaftlichen Erforschung von Bauwerken.“51
Die konstruktive Bestandsaufnahme fällt dabei in den Ingenieurbereich. Sie
unterscheidet sich von der klassischen Bauaufnahme, in dem sie sich auf
Rohbaumaße und die Klärung des Lastflusses konzentriert. Verkleidungen,
gestalterische Architekturdetails und Ausbauten spielen hier keine Rolle. Ziel ist es am
Ende ein statisches Modell aus den aufgenommenen Daten zu ermitteln. Hierbei ist
auch die maßtechnische Aufnahme von Materialeigenschaften von Bedeutung. Aus
ihnen können Aussagen über Steifigkeit und Zusammensetzung gewonnen werden,
die entscheidend für die Bemessung sind.
Zur Dokumentation gehören die Anfertigung von Bestandszeichnungen (Grundriss,
Schnitte und Details falls notwendig), Beschreibung der baulichen Besonderheiten
und Problemstellen sowie eine der vorhandenen Systeme und Materialien. Weiterhin
muss eine genaue Auswertung von Messergebnissen erfolgen, falls eine
Untersuchung mit Messgeräten durchgeführt wurde.
Als erstes wird das Objekt in Augenschein genommen, um erste Eindrücke über das
vorhandene Bauwerk und dessen System zu gewinnen. Zur Erkenntnis dienen
Öffnungen, Fehlstellen, markante Bauteile und Schäden. Um sich dabei Gewissheit
über bestimmte Materialien oder Aufbaustrukturen zu verschaffen, kann die
„Abklopfmethode“ (z.B. mit einem Hammer) verwendet werden. Wichtig ist hierbei,
dass hauptsächlich zerstörungsfrei gearbeitet wird, um nicht neue Schäden am
Bestandsbauwerk zu erzeugen.
51Skript „Konstruktive Bestandsaufnahme. VL – Einführung“ des LS Bautechnikgeschichte und
Tragwerkserhaltung der BTU Cottbus-Senftenberg, Stand 29.11.2013
46. Im nächsten Schritt werden die Rohbaumaße aufgenommen. Gängige Hilfsmittel
sind dabei Messutensilien wie Distanzmessgeräte, Zollstöcke oder Schiebelehren.
Weitere Hilfsmittel können Lote oder Schlauchwagen sein. Für eine Dokumentation
der Ergebnisse ist es wichtig Bezugsachsen und –höhen zu definieren.
Im letzten Schritt kann dann Messtechnik zum Einsatz kommen. Welche Geräte
verwendet werden, hängt mit der Zielstellung der Bauaufnahme zusammen. Der
Profometer dient z.B. zur Bewehrungssuche und Feststellung der Betondeckung. Mit
einem Schmidt-Hammer kann man die Festigkeit von Beton ermitteln.
Im Endeffekt verfährt der Bauingenieur hier als eine Art Bauwerksdoktor. Wie ein Arzt
muss er seinen Patienten untersuchen – zuerst werden die Art der Beschwerden und
die Symptome besprochen (optische Betrachtung), im Anschluss daran allgemeine
Daten und Untersuchungen durchgeführt (vgl. Rohbaumaße und
z.B. „Abklopfmethode“). Zuletzt folgen genauere Untersuchungen wie Röntgen, EKG
u.ä. (vgl. Profometer, Schmidt-Hammer etc.), um ein vollständiges Bild über die Lage
des Patienten zur erhalten. Schließlich kann der Arzt eine Diagnose stellen – „In
welchem Zustand ist der Patient?“, „Was fehlt ihm?“, „Was kann man tun?“. Genau
diese Schlussfolgerungen gehören zu der erfolgreichen Arbeit eines Bauingenieurs
beim Umgang mit bestehenden Gebäuden.
34
3.2 Vorbereitung
Vor der örtlichen Begehung des Weißen Turmes war eine gezielte Vorbereitung
notwendig.
Vorhandene bauzeitliche Archivunterlagen und existierende Bauzeichnungen
wurden untersucht. Es waren jedoch auch Zeichnungen von einem nicht realisierten
Umbauvorhaben aus den 1970ern vorhanden ([25] № 1-6 und 11-13). Ein Ziel war
diese in einer einzigen Zeichnung zusammenzufassen, um grundlegende Geometrien
des Weißen Turmes zu erfassen. In den Archivunterlagen fehlten jedoch Zeichnungen
zu den vier Stützen unter dem Zylinder, sowie eine Zeichnung zu den wahren Maßen
des Zylinders selbst. Diese konnten näherungsweise aus einer Zeichnung zum Behälter
entnommen werden ([25] № 16 und 17). Außerdem fehlten Informationen zu dem
oberen Verlauf des Treppenhauses und den Anschlüssen zwischen Treppenturm und
dem Zylinder sowie zwischen Zylinderaußenwand, Stütze und Behälter. Der zuletzt
genannte Knotenpunkt war besonders wichtig für die Bauaufnahme, da er Aussagen
47. über das Tragverhalten erlaubte.
Um reibungsloses Arbeiten vor Ort zu ermöglichen, wurden nach den Archivmaßen
Vorlagen für ausgewählte Bauteile angefertigt. Sie wurden in drei Typen unterteilt, je
nach Phase der Bauaufnahme – 1. Rohbaumaße, 2. Schadenskartierung,
3. Gerätebasierende Untersuchung. In die Vorlagen mussten dann die jeweiligen
Informationen passend zur Phase eingetragen werden.
3.3.1 Vorphase
In der Vorphase wurde die erste Begehung des Bauwerks unternommen. Dabei
verschaffte man sich einen ersten Eindruck über die Schäden, die Werkstoffe und die
Anschlüsse.
Außerdem wurde das Hauptquartier für die Bauaufnahme eingerichtet und der
Ablauf der Arbeiten für die nächsten Tage festgelegt.
Zu dem Team gehörten zusätzlich vier russische Studenten, die die Bauaufnahme im
Rahmen eines freiwilligen Praktikums absolvierten, sowie die Organisatoren von der
Architekturgruppe PODELNIKI, die sämtliche logistische Schwierigkeiten lösten.
35
3.3 Untersuchungsablauf
3.3.2 Phase 1 – Aufnahme der Rohmaße
Abb. 38: Arbeiten mit dem Hubsteiger
Am ersten Tag der Bauaufnahme wurden die
Rohbaumaße aufgenommen. Das
Hauptaugenmerk lag auf den vier Stützen unter
dem Behälter, dem Anschluss zwischen diesen
und dem Behälter, sowie auf dem Aussichtsturm
über dem Zylinder. Passend zu den Abschnitten
gab es Teams zu je zwei Personen, welche die
Bauteile genauer untersuchten.
Das Fazit des Tages war, dass der Turm nicht
ganz symmetrisch gebaut wurde, sondern eine
Abweichung von 10 cm zur Achse A3
(vgl. Positionsplan, Anlage A1) aufweist. Diese
Feststellung beruht nur auf Innenabmessungen.
48. Außenabmessungen konnten nicht genau ermittelt werden, da der eingeplante
Geodät nicht zu Verfügung stand. Lediglich die Auskragung der Zylinderwand
konnte bei der Arbeit mit dem Hubsteiger (Abb. 38) vermessen werden.
3.3.3 Phase 2 - Schadenskartierung
Schon bei dem Begehungstermin konnte festgestellt werden, dass der Turm an
einigen Stellen massive Schäden aufweist. Dazu zählen besonders Flächen, die der
Witterung direkt ausgesetzt sind. Zu den Hauptschadensbildern gehören die
vermehrte Rissbildung, zahlreiche Abplatzungen und die Karbonatisierung, der
offenliegenden Bewehrung. Auf eine Aufnahme der Wasserschäden wurde
verzichtet, da diese zu großflächig auftraten. Gleiches gilt für feine Risse, da diese zu
zahlreich waren. Betrachtet wurden nur Risse ab 8 mm Breite.
Bei der Untersuchung lag das Hauptaugenmerk wieder bei den bedeutendsten
Haupttragelementen. Das Treppenhaus wurde nur in der Erdgeschossebene
betrachtet.
Zu den verwendeten Werkzeugen zählten Maßbänder, Zollstöcke, Schiebelehren und
Rissbreitenmesser (Tab. 1). Mit Letzterem konnte der aktuelle Durchmesser von
freigelegter Bewehrung ermittelt werden, der anschließend mit den vorhandenen
Archivdaten verglichen wurde.
Die in den Archivplänen festgestellten Umbiegungen von Stabenden in den Stützen
konnten anhand von freiliegenden Stellen bestätigt werden. Im Voraus wurde diese
Ausführung angezweifelt, da dies bei Druckstößen unzulässig ist.
36
Messgeräte Hilfsmittel
Distanzmessgerät
Stahlmaßband (30m)
Zollstöcke
Schiebelehre
Rissbreitenmesser
Schmidthammer
Profometer
Diodenstrahler, Taschenlampen
Kamera (auch mit Stativ)
Hammer
Phenolphtalein-Lösung mit Zerstäuber
Zeichenunterlagen und -utensilien
Tab. 1 – Liste der verwendeten Materialen und Hilfsmittel
49. Ein Teil der Schäden konnte auf die gar nicht vorhandene oder geringe
Betondeckung von maximal 2 cm, sowie auf den fehlenden Witterungsschutz des
kompletten Gebäudes zurückgeführt werden. Sämtliche Verglasungen sind nicht
mehr erhalten. Das Bauwerk wurde in den letzten Jahren zum beliebten Ziel für
Vandalen – einige Bauteile sind mit Graffiti überdeckt. Für die Durchführung der
Bauaufnahme wurde der Turm im Voraus von den Organisatoren und Freiwilligen von
Müll und Schutt beräumt.
So ist es erstaunlich anzumerken, dass der Innenraum des Zylinders nahezu
unbeschädigt ist. Schäden an der Wand des Wasserbehälters konnten nicht ermittelt
werden, da dieser bereits vor Jahrzehnten entfernt wurde.
3.3.4 Phase 3 – Gerätebasierende Untersuchung
Die gerätebasierenden Untersuchungen wurden in 3 separate, parallellaufende
Einheiten eingeteilt. Jeweils ein Team untersuchte die Bauteile auf
Bewehrungsführung und Betonfestigkeiten. Eine Karbonatisierungsuntersuchung
wurde mit Hilfe der Phenolphtalein-Lösung separat durchgeführt (Abb. 39). Dabei
37
Abb. 39: Phenolphtalein-Lösung an einer Stütze
konnten keine flächendeckenden
Ergebnisse erzielt werden. Jedoch ist
Anzumerken, dass bei den
Außenstützen im Fußbereich kritische
Stellen vorhanden sind.
Die Bewehrungssuche wurde mit
einem Profometer durchgeführt
(Abb. 41). Dieser bietet ein
impulsgestütztes Verfahren zur
Ermittlung der Betondeckung und zur zerstörungsfreien Ortung vorhandener
Bewehrung. So konnten in den vier Hauptstützen, zu denen jegliche Angaben über
Tab. 2: Schmidt-Hammer Ergebnisse in N/mm²
Armierung fehlen, auf der Erdgeschossebene und in Stützenmitte (zugänglich über
den Hubsteiger) die Verläufe und Lage der Bewehrung dokumentiert werden. Für die
50. Feststellung der Betondruckfestigkeit wurde der Schmidt-Hammer verwendet.
Prinzipiell funktioniert er über Umwandlung von kinetischer Energie in
Verformungsenergie. Je härter ein Werkstoff ist, desto geringer ist die Verformung
durch die beschleunigte Kugel innerhalb der Hammerspitze und desto größer
wiederum der Rückschlag. Dadurch lässt sich die Festigkeit bestimmen. Um ein
Ergebnis zu erhalten wird die Spitze an einen vorher geschliffenen Betonabschnitt
platziert und gegen diesen gedrückt bis ein Aufprall hörbar wird. Dann kann ein
Ergebnis auf einer Skala abgelesen werden und mit Hilfe einer beigelegten Tabelle in
eine moderne EC-konforme Druckfestigkeit umgerechnet werden. Die Messung muss
in einem Untersuchungsbereich an 8 bis 10 verschiedenen Stellen wiederholt werden
(Abb. 40).
Das Verfahren wurde an allen Stützen im Erdgeschoss und zur Kontrolle am
Stützenkopf der Stützen C 4b sowie auf derselben Höhe bei Stütze C 2b durchgeführt
(vgl. Positionsplan, Anlage 1). Außerdem wurden sowohl der Behälterboden und der
darunterliegende polygonförmige Balken, als auch die Ringbalken im Zylinder
untersucht. Die ermittelten Festigkeiten können der Tab. 2 entnommen werden.
Es ist zu erwähnen, dass auch hier relevante Bauteile nur teilweise untersucht werden
konnten, da es an personellen Kapazitäten mangelte.
38
Abb. 40: Schmidthammermessung Abb. 41: Profometermessung
Durch die Benutzung von Hilfsmitteln beim Aufmaß können sich auch bei größter
Sorgfalt immer kleine Ungenauigkeiten ergeben. Bei der Benutzung des
Distanzmessgerätes wurden einfache, leicht verformbare Reflexionsflächen wie z.B.
Blöcke verwendet, um bestimmte Randmaße aufnehmen zu können. Außerdem
weisen die Oberflächen des Bauwerks lokale Imperfektionen und Schäden auf, so
dass es keine einheitlichen Abmessungen für gleiche Bauteiltypen gibt. Für die
weitere Bearbeitung wurden anhand der Messergebnisse plausible Mittelwerte für
die Abmessungen gebildet und falls vorhanden mit den Archivunterlagen
51. verglichen.
Fehler bei der gerätebasierenden Untersuchung (Profometer, Schmidt-Hammer)
können nicht ausgeschlossen werden, jedoch wurden die Geräte im Voraus
sorgfältig geprüft.
39
3.4 Fazit: Schadensbilder und Ursachen
Der Weiße Turm wird seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr in seiner ursprünglichen
Funktion genutzt. Nennenswerte Sanierungsmaßnahmen seit der Errichtung sind nicht
bekannt, es ist jedoch davon auszugehen, dass kosmetische Reparaturen über die
Jahre vorgenommen wurden. Dafür sprechen die äußere Erscheinung und
vereinzelte Teile im Inneren. Der Turm wurde vor einigen Jahren weiß gestrichen und
Teile der Unterseite der Dachschale wurden notdürftig saniert.
Da sämtliche Verglasungen fehlen, sind die dadurch exponierten Bauteile im Inneren
der Witterung ausgesetzt. Das hat den Verfall des Bauwerkes beschleunigt.
Außerdem ist kein effizientes Niederschlagsableitungssystem vorzufinden. Es existieren
Längsöffnungen (Achse A 8, Anlage 1) im Traufbereich der Zylinderschale für den
Abfluss des Regenwassers (Abb. 42), jedoch fließt dieses einfach an der Fassade
herunter. Dasselbe gilt auch für das leicht geneigte Flachdach des Aussichtsturmes.
Ein weiteres großes Problem ist die geringe bis nicht vorhandene Betondeckung.
Nach Archivunterlagen für den Treppenturm (№300513, Anlage A3) waren dort 2 cm
Betondeckung vorgesehen. Das erweist sich nach dem heutigen Wissensstand als
deutlich zu gering. Bei den Witterungsverhältnissen und dem Betonstahl sind
mindestens 4 cm notwendig, um einigen der Schäden vorzubeugen (Annahme: XC4
für abwechselnd nasse und trockene Bauteile wie Außenwände). Außerdem wird
nach dem EC 2 für die Expositionsklasse XC4 ein
Beton von der Mindestfestigkeitsklasse C25/30
verlangt. Diese scheint zwar teilweise durch die
Schmidt-Hammer-Versuche (Tab. 2), Positionen
C1a/b-C5a/b) bestätigt, jedoch kann davon
ausgegangen werden, dass bei der Planung
diese Sachverhalte mangels ausreichendem
Kenntnis- und Forschungsstand nicht
Abb. 42: Öffnung über der Dachschale –
Ablaufmöglichkeit für Niederschlag
berücksichtigt wurden. Zu geringe Betondeckung und die Witterungsverhältnisse
52. führten zur Abplatzung des Betons, einhergehend mit freiliegender Bewehrung
(Abb. 42-44, 46). Das begünstigte die Korrosion des Stahls sowie die Karbonatisierung
des Betons, da die Oberfläche CO2 ausgesetzt wird und somit auch tief in das
Betongefüge eindringen kann. Inwieweit verborgene Stellen betroffen sind, war nicht
ermittelbar.
Ein weiteres Problem stellen sogenannte Kiesnester dar (Abb. 43). Diese können
aufgrund von Undichtigkeitsstellen in der Schalung entstanden sein. Sollte diese
Lücken aufweisen, so können feine Betonpartikel entweichen und nur die gröberen
verbleiben unbemerkt. Weiterhin kann ein zu
hoher Bewehrungsgrad dazu geführt haben.
Jedoch kann zu dicht liegende Bewehrung
als Grund für Kiesnester weitgehend
ausgeschlossen werden.
So wird das homogene Betongefüge zerstört
(Betonentmischung) und ein durchgehender
Verbund von Stahl und Beton ist nicht mehr
gewährleistet. An einigen Teilen des
Tragwerks sind grobe Fehler während der
Betonage auszumachen. Es ist erkennbar,
dass die Bewehrung teilweise direkt an der
Schalung anliegt. Eine Ursache kann die
nicht sachgerechte Nutzung von
Abstandhaltern sein (insofern diese
überhaupt zum Einsatz kamen). Das
begünstigt zusätzlich Abplatzungen am Beton und korrosive Schäden der
Bewehrung. Weiterhin verfügte diese nicht über die heute gängige Rippenstruktur,
die erst ab den späten 1930er Jahren zum Einsatz kam. Der verwendete Stahl weist
ausschließlich eine glatte Oberfläche auf. Die daraus resultierenden schlechteren
Verbundbedingungen wurden über Aufbiegungen von Stabenden kompensiert.
Dieses Vorgehen wurde sehr wahrscheinlich im gesamten Turm angewandt. Selbst
bei Druckstößen in Bauteilen, die hauptsächlich Drucknormalkräfte übertragen sind
Haken und Schlaufen zu finden, was bei entsprechend großen Druckkräften auch zu
Abplatzungen führen kann.
Der verwendete Betonstahl hat eine geringere Zugfestigkeit als der heutige Baustahl.
Somit liegt die Grenze der Zugfestigkeit tiefer und die Bewehrung gerät eher ins
40
Abb. 43: Fehlende Betondeckung und
sichtbare Entmischung (Kiesnester) an Stütze
C 2b
53. Fließen. Dadurch wird der Beton eher einer Zugkraft ausgesetzt, welche schließlich zu
Rissen führt. Weitere Gründe für die starke Rissbildung am Bauwerk können starke
Temperatureinwirkungen (Frost), Veränderungen in der Belastungssituation durch die
Entfernung des Wasserbehälters, Fundamentsetzungen (Schnittgrößenumlagerung)
und die Korrosion der Bewehrung sein. Die Entstehung von Rissen schon während der
Bauphase kann nicht ausgeschlossen werden. Der Turm gilt als eines der ersten in
Stahlbeton ausgeführten Bauwerke. Man hatte kaum Erfahrung mit diesem Baustoff.
Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass der Beton u.a. nicht richtig nachbehandelt
wurde.
Abb. 44: Schaden an der Unterseite der Dachschale Abb. 45: Schaden an der Außenseite der
41
Zylinderwand
Abb. 46: offenliegende Bewehrung und abgebröckelter Beton im Bereich des Fensterbandes
54. Tab. 3: tabellarische Übersicht der Schäden
Diese Tabelle 3 soll schließlich einen Überblick über ausgewählte Schadensbilder und
deren Häufigkeit geben. Sie wurde im Nachhinein angefertigt und basiert auf einer
sehr groben Schätzung, die anhand von Bildern und den Handaufzeichnungen
während der Bauaufnahme gemacht wurde. Sie gibt den Flächenanteil der
jeweiligen betroffenen Fläche an und kann als Grundlage für ein Sanierungskonzept
herangezogen werden. Die beschädigten Stellen und ihr quantitatives Vorkommen
sind vor Ort noch einmal zu überprüfen. Schäden, wie z.B. Risse und Stellen, die durch
permanente Durchfeuchtung schadhaft in Erscheinung treten, wurden nicht in die
Tabelle mit aufgenommen. Sie kommen zahllos an sehr vielen Stellen des Bauwerkes
vor, sodass eine grobe Schätzung nicht ausreicht, um eine konkrete Angabe über ihr
Auftreten machen zu können. Abbildungen 44 – 46 zeigen noch nicht einmal im
Detail, wie der allgemeine Zustand des Turmes ist und lassen dennoch erahnen, wie
vielfältig sich die Schadensbilder im gesamten Bauwerk wiederfinden lassen.
42
55. 43
4. STATISCHE BERECHNUNG UND BEMESSUNG
Das Ziel der Bearbeitung war für den Weißen Turm ein plausibles Tragfähigkeitsmodell
zu entwickeln. Mit Hilfe des Programms Dlubal RSTAB 8 für räumliche Stabwerke
wurden zwei voneinander unabhängige statische Modelle für die Haupttragsysteme
erstellt. Es sollte geprüft werden, ob beide Teilsysteme allein unter entsprechender
Belastung in sich stabil und tragfähig sind. Die vorhandenen Archivunterlagen sowie
die Beurteilung vor Ort ließen diesbezüglich keine 100%-ig sichere Aussage zu.
Ein Modell stellt den Treppenturm und ein zweites den zylindrischen Behälter mit dem
Wassertank dar. Für diese beiden Haupttragsysteme des Weißen Turmes wurden
getrennte statische Modelle entwickelt, die mit verschiedenen Lastfällen belastet
wurden. Zu diesen gehörten neben dem Eigengewicht, die Verkehrslast und die
Einwirkungen Schnee und Wind. Entscheidend war über das statische System eine
möglichst reale Abbildung des vorhandenen Tragwerks bzw. des
Tragmechanismusses zu erreichen, um spätere Ergebnisse auch richtig interpretieren
zu können. Dabei musste beachtet werden, dass die Ingenieure damals nur über
einfache Handrechenverfahren verfügten und das System somit auch mit wenigen
Mitteln berechenbar sein musste. Es wurden mehrere Varianten erstellt und
hinsichtlich der auftretenden Schnittkräfte und Verformungen auf ihre Plausibilität
untersucht. Dieses Vorgehen wird in den folgenden Texten ausführlich erläutert.
Nach der Plausibilitätsprüfung der einzelnen Modelle konnten diese
zusammengesetzt werden, um schlussendlich den Wasserturm als Ganzes abzubilden
und anhand der Schnittgrößen eine Bemessung vorzunehmen.
56. Abb. 47: Statisches System eines
Vierendeelträgers
44
4.1 Modellierung der Varianten
Modell 1: Der Treppenturm
Der Treppenturm war durch die vergleichsweise gute Dokumentation in den
Archivunterlagen nicht im Fokus der konstruktiven Bestandsaufnahme, so dass die
Annahmen bei der Modellierung weitestgehend auf Archivalien basieren [25]. Als
Betongüte wurde C16/20 gewählt, um auf der sicheren Seite zu liegen und mögliche
Querschnittsschwächungen zu berücksichtigen.
Im ersten Schritt wurde der Treppenturm abseits des Behälterbaus als eigenständiges
Bauwerk betrachtet. Es wurden insgesamt drei Modellvarianten untersucht, auf die
im folgenden Text näher eingegangen wird. Alle Abmessungen wurden aus den
Plänen №300514 (Anlage A3) und №300395 [25] genommen.
Im Grundriss erkennt man, dass die Stützen über verschiedene Abmessungen
verfügen, so dass die Knotenpunkte
teilweise exzentrisch platziert werden
mussten, um die tatsächliche
Belastungssituation zu simulieren.
Es wurde angenommen, dass der Turm die
Lasten über ein System von
Vierandeelträgern52 (Abb. 47) abträgt, d.h. dass alle Anschlüsse zwischen Bauteilen
als biegesteif modelliert wurden.
Es wurden gelenkige Auflager am unteren Stützenende angenommen, weil die
Schlankheit der Stützen sowie die Ausführung des Fundamentes in Mauerwerk samt
Lastsockel (vgl. Anlage A3) eine Einspannung weitestgehend ausschließen. An den
Auflagerpunkten dieser Stützen (C 1a/b, C 3a/b, Anlage A1) mussten Starrstäbe
eingefügt werden, da an Stützenfußpunkten keine Momente sein dürften, die durch
die exzentrische Platzierung des Knotens entstanden.
Die ersten zwei Varianten unterscheiden sich nicht gravierend in ihrer Geometrie
(Abb. 48 und 49). Die einzige Differenz ist der Versprung des Balkenquerschnittes
(Abb. 50 und 51) zwischen den Stützen C 1a und C 1b (Anlage A1). In der ersten
Variante wurde ein Balken mit einen konstanten Querschnitt von 20x20 cm
angenommen, um die Notwendigkeit eines Querschnittsversprunges zu prüfen. In der
52 ein Träger, der durch biegesteifangeschlossene vertikale und horizontale Stäbe, die einen
steifen Rahmen bilden, seine Lasten abträgt
57. zweiten Variante ist der Querschnitt jeweils an den Stützen von 20x40
Länge von 1,1 m angesetzt worden, während dazwischen ein Querschnitt von
20x20 cm vorhanden ist. Es ist anzunehmen, dass diese Querschnittänderung für die
bessere Aufnahme von Biegemomenten gewählt wurde, da dies
Abb. 48: Variante 1 und 2
(gleiches System)
Abb. 49:
drucksteifen Diagonalen
cm über eine
diese an den Rändern
höher sind als in der
Abb. 50: Balken ohne Querschnittsversprung
Abb. 51: Balken mit Querschnittsv
Querschnittsversprung
In der dritten Variante wurde
geprüft, ob die Ausfachung zur
Aussteifung beiträgt. Dafür wurden
auskreuzende Diagonalen mit einem
Querschnitt von 20x20
ausgefachten Stellen eingefügt.
Diese wurden als Druckstäbe
definiert und sind somit zugschlaff.
Das Einfügen der Aussteifung macht
besonders bei der Verformun
Variante 3 mit
deutlichen Unterschied aus, da das System
an Steifigkeit zunimmt.
Für die das zusammengesetzte Modell wurde die Variante 2 gewählt, da
plausibelsten war. . Die statischen Berechnungen
eines solchen System
den Mitteln der 1920er/1930
war damals schon bekannt. Außerdem sind die Schnittkräfte ein wenig gr
Variante 3, was zu einer zusätzlichen Sicherheitsquelle bei der Bemessung führt.
1930er möglich gewesen. Das System des Vierendeelträgers
45
e Mitte.
ung cm an allen
Verformung einen
es am
Systems wären mit
er größer als bei
58. Der Behälterteil steht auf insgesamt sechs Stützen deren Stützenköpfe unmittelbar
unterhalb des ehemaligen Wasserbehälters anschließen (vgl. Achse A 7, AnlageA1).
Dort bilden sie zusammen mit der Konsole (vgl. Positionsplan Detail A, Anlage A1)
eine monolithische Einheit. Die Stützen stehen auf einem Stahlbetonsockel dessen
Querschnitt nach unten hin zunimmt. Nach Durchsicht der Archivalien scheinen sie
unterhalb des Sockels auf einem gemauerten Fundament zu stehen. Diese Erkenntnis
und die sehr große Schlankheit der Stützen lassen einen Rückschluss auf eine
gelenkige Lagerung zu. Aus diesem Grund wurde allen Stützen ein zweiwertiges
Lager zugeordnet. Im Programm wurden die Stützen als Balkenstab definiert. Da sie
am Stützenkopf unmittelbar an den polygonalen Auflagerring des Behälters
anschließen, wurden dort biegesteife Anschlüsse modelliert.
Die Ebene unterhalb des Behälterbodens ist in der Realität eine kreisrunde
Stahlbetonscheibe (Achse 6, Anlage A1). Diese Scheibe beinhaltet
Stahlbetonbalken, die die einzelnen Stützen untereinander verbinden und als eine
Art Überzüge fungieren. Diese Scheibenwirkung wird in das Modell übertragen,
46
Modell 2: Der Behälter
Abb. 52: räumliches, statisches Modell mit äußerem und innerem Ring
indem eben diese Stahlbetonbalken auch als Balkenstäbe darin aufgenommen
werden. Insgesamt acht Balken liegen in der Scheibenebene (Achse A6, Anlage A1),
welche im Modell allerdings nicht als kreisrund erscheint.
Das statische System des Behälterteils wurde konkret bis zu der Achse A 6konstruiert.
Dabei war die Ausbildung der Konsole entscheidend. Diese ist maßgeblich am
Lastabtrag auf die Hauptstützen unterhalb des Wasserbehälters beteiligt. Die
Zylinderwand, auf der im Modell als äußeren Ring erkennbaren Auskragung