Baden-Württemberg ist das Pharmaland - die Nummer 1 in Deutschland: der größte Pharma- und Medizintechnikstandort und der zweitgrößte Biotech-Standort. Unter den Mitgliedsunternehmen der Chemie-Verbände macht die Pharmaindustrie einen Anteil von 35 Prozent aus. In einem ausführlichen Papier haben wir zusammengestellt, was die Hersteller von Arzneimitteln und Diagnostika im Land ausmacht.
1. Die pharmazeutische Industrie in Baden-Württemberg
- Nummer 1 in Deutschland –
In Deutschland ist Baden-Württemberg der größte Pharma- und
Medizintechnik-Standort und der zweitgrößte Biotech-Standort.
Etwa 110 reine Arzneimittelunternehmen haben ihren Sitz in BadenWürttemberg.
Branchenstruktur der chemischen und pharmazeutischen Industrie in BadenWürttemberg
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2.
Die Branche ist überwiegend mittelständisch strukturiert. Die Mehrzahl der
Unternehmen (80%) hat weniger als 300 Beschäftigte.
Größenstruktur
Baden-Württemberg liegt im Bundesländervergleich nach Umsatz und
Beschäftigten an der Spitze. In den Bereichen pflanzliche Arzneimittel,
Homöopathie und Anthroposophie und dem neuen Feld, Tissue Engineering,
ist Baden-Württemberg europaweit führend.
Die in Baden-Württemberg ansässigen Unternehmen decken alle Bereiche
der Pharmaindustrie ab, von den Globalplayern, über junge Biotechnologieunternehmen, Impfstoffhersteller, Generikahersteller und klassische Pharmaunternehmen bis hin zu den Herstellern von Arzneimitteln der besonderen
Therapierichtungen.
Etliche internationale Konzerne sind mit ihren F&E-Standorten hier vertreten.
Beispiele: Roche Diagnostics GmbH in Mannheim, Roche Pharma AG in
Grenzach-Wyhlen, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Standort
Biberach, Sanofi Pasteur MSD GmbH, Leimen. Aber auch mittelständische
Unternehmen forschen. Beispiele: Biosyn Arzneimittel GmbH in Fellbach,
Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG in Karlsruhe und Tetec AG in
Reutlingen.
Im Raum Biberach/Ulm steht die größte Multiprodukt-Biotechnologie-Anlage in
Europa.
Auch die Hersteller von patentfreien Arzneimitteln (Generika) sind in BadenWürttemberg noch in großer Zahl vertreten. Neben dem großen Standort
ratiopharm / Teva gibt es auch in diesem Bereich zahlreiche mittelständische
Unternehmen.
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3. Therapievielfalt
Neben den klassischen Arzneimittel-Herstellern hat Baden-Württemberg einige
besondere Stärken aufzuweisen:
BioMedizintechnik in Baden-Württemberg
Die Verbindung von Biotechnologie und Medizintechnik besitzt ein großes
wirtschaftliches Potenzial und trägt entscheidend zur Verbesserung der Gesundheit
und Lebensqualität bei. Baden-Württemberg ist mit mehr als 603 Medizintechnik-,
über 160 Biotechnologie-Unternehmen und einer exzellent strukturierten
Forschungslandschaft einer der führenden Standorte der BioMedizintechnik in
Europa.
Homöopathie / Anthroposophie
Das KompetenzForum Homöopathie und Anthroposophie wurde 2005 in BadenWürttemberg gegründet. Darin sind die weltweit führenden Hersteller
homöopathischer und anthroposophischer Arzneimittel vertreten. Ziel ist es, die
Homöopathische und Anthroposophische Medizin und deren Arzneimittel stärker im
Gesundheitswesen zu verankern und die Sachkenntnis über Homöopathische und
Anthroposophische Medizin zu verbessern.
Pflanzliche Arzneimittel
Die Hersteller von pflanzlichen Arzneimitteln in Baden-Württemberg sind wichtige,
meist mittelständische Unternehmen in einem interessanten Markt. Etwa 82 % der
pflanzlichen Arzneimittel werden im „Selbstkauf“, d.h., ohne GKV-Erstattung gekauft.
Sie sind wichtige Problemlöser, die den Patientenerwartungen entsprechen, die
Eigenverantwortung unterstützen, die Patientencompliance fördern und helfen,
Arztbesuche bei leichten, vorübergehenden Beschwerden zu vermeiden.
Impfstoffe
Mit dem Standort Sanofi Pasteur MSD GmbH in Leimen ist in Baden-Württemberg
ein Unternehmen ansässig, das sich als Einziges ausschließlich auf die Herstellung
und den Vertrieb von Impfstoffen spezialisiert hat. Impfungen gehören zu den
wirksamsten und wichtigsten vorbeugenden Gesundheitsmaßnahmen. Impfstoffe
schützen Menschen aller Altersklassen vor 20 Infektionskrankheiten.
Personalisierte Medizin
Das in der Arzneimitteltherapie bisher praktizierte „One-fits-all-Prinzip“ führt dazu,
dass je nach Indikationsgebiet 20 – 80 % der behandelten Patienten einen
ungenügenden Nutzen aus ihren Medikamenten ziehen oder Nebenwirkungen
ausgesetzt sind, die unter Umständen vermeidbar wären. Die personalisierte
Medizin ist daher eine Weiterentwicklung auf dem Weg zur effektiveren Therapie.
Höhere Kosten in der Forschung einerseits können im Idealfall durch die
Vermeidung von Fehlbehandlungen und eine gesteigerte Versorgungsqualität
andererseits ausgeglichen werden. U.a. Roche Pharma und Roche Diagnostics, die
beide mit Standorten in Baden-Württemberg vertreten sind, setzen massiv auf
Forschung und Innovation. Mit dieser Maxime ist auch das Thema der so genannten
personalisierten oder stratifizierenden Arzneimitteltherapie eng verknüpft.
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4. Die personalisierte Medizin ist heute schon in der Praxis angekommen. Dabei ist
entscheidend, dass der Patient profitiert: Hier gibt es heute schon Beweise für den
hohen Nutzen: Bei Brustkrebserkrankungen profitieren erstmals die Patientinnen von
einer Personalisierten Therapie, die bisher die schlechteste Überlebensprognose
hatten. Beim so genannten schwarzen Hautkrebs gibt es erstmals seit 30 Jahren
Therapiefortschritte mit Hilfe der Personalisierten Medizin.
Regenerative Medizin
Ein Beispiel für die personalisierte Medizin ist das Tissue Engineering. Mit Tissue
Engineering bezeichnet man in der Biotechnologie die Behandlung und Heilung von
Gewebedefekten durch lebende, zumeist körpereigene Zellen. Diese werden dem
Patienten entnommen, in spezialisierten Labors durch natürliche Wachstumsprozesse vermehrt und ihm anschließend wieder retransplantiert.
Tissue Engineering wird den Ersatz von Gewebe und Organen in der Zukunft weiter
revolutionieren. Bereits heute werden vor allem Knorpel-, Knochen- und Hautdefekte
mit biologischen Rekonstruktionsverfahren erfolgreich behandelt.
Baden-Württemberg ist EU-weit führend.
Selbstmedikation
Dieser Markt hat seit der Ausgrenzung der rezeptfreien Arzneimittel 2004 aus der
Kassenerstattung eine große Bedeutung. In diesem vom Bürger direkt nachgefragten
Arzneimittelsegment ist Baden-Württemberg führend. Immerhin 1/3 des gesamten
Selbstmedikamentenumsatzes kommt von Unternehmen aus Baden-Württemberg.
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5. Pharma: Die Innovatoren
Nur mit innovativen Produkten und Produktionsprozessen können deutsche
Unternehmen und damit der Wirtschaftsstandort Deutschland auch in Zukunft auf
dem Weltmarkt bestehen. Dafür sind die forschungsintensiven Branchen der
Hochtechnologie und der Spitzentechnologie unerlässlich. Die Pharma-Industrie
bildet eine der forschungsintensivsten Industrien Deutschlands. Sechs von zehn
Pharmaunternehmen engagieren sich in Deutschland dauerhaft in Forschung und
Entwicklung. Damit liegt die Pharmaindustrie im Branchenvergleich weit vorn.
Innovationsintensität nach Branchen
Langfristiges Forschungsengagement
Die Entwicklung eines Medikaments bis zu seiner Zulassung verschlingt 1,0 bis 1,6
Milliarden US-Dollar. Diese Summe berücksichtigt aber nicht nur das entwickelte
Medikament, sondern auch Projekte, die fehlgeschlagen sind. Denn typisch für die
Pharmaindustrie ist, dass am Ende des Entwicklungsprozesses von anfangs
ausgewählten 5.000 bis 10.000 Substanzen durchschnittlich nur eine auch
tatsächlich auf den Markt kommt. Dieser Prozess nimmt in der Regel mehr als 13
Jahre in Anspruch. 60 Prozent der Pharmaunternehmen in Deutschland engagieren
sich kontinuierlich in F&E. Der Anteil der Unternehmen mit fest geplanten
Innovationsaktivitäten für das Jahr 2011 ist laut ZEW (Zentrum für Europäische
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6. Wirtschaftsforschung) mit 86 Prozent in dieser Industrie besonders hoch. Allein die
FuE-Ausgaben der vfa-Mitgliedsunternehmen betrugen im Jahr 2010 rund 5,2
Milliarden Euro. Durch die zunehmende Komplexität der Therapieabläufe werden
auch komplexe Studiendesigns notwendig, die die Studienkosten kontinuierlich
erhöhen. So haben sich die Kosten für klinische Studien in den letzten 15 Jahren
verdreifacht.
Wirkstoffentwicklung und Kosten
Anteil der Unternehmen mit dauerhaft durchgeführten F&E-Aktivitäten nach Branche
im Jahr 2009 in Prozent
Chemieindustrie
63
Pharmaindustrie
59
Elektronik / Messtechnik / Optik
52
Schiff‐ / Bahn‐ / Flugzeugbau
51
Elektrotechnik
39
Maschinenbau
Automobilbau
34
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Branchen: nach der Klassifikation der
Wirtschaftszweige WZ 2008; Pharmaindustrie:
Herstellung von
pharmazeutischen Erzeugnissen.
Quelle: ZEW Branchenreport Innovation
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7. Was macht Deutschland / Baden-Württemberg attraktiv?
Wachsender Gesundheitsmarkt
Mit rund 81 Millionen Einwohnern ist Deutschland der größte Gesundheitsmarkt
Europas und der drittgrößte weltweit.
Die pharmazeutische Industrie wirkt auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten
stabilisierend auf die gesamtwirtschaftliche Situation der Beschäftigten und
unterstützt die Wirtschaftskraft durch ihren gleichbleibend hohen Exportanteil.
Der Gesundheitssektor ist schon heute der größte Arbeitgeber in Deutschland und
spielt für Binnenkonjunktur und Volkswirtschaft eine bedeutende Rolle (2007: 11 %
aller Beschäftigten arbeiten im Gesundheitswesen, das sind 4,4 Millionen
Beschäftigte).
Die Zahl der Beschäftigten steigt zwischen 1999 und 2007 um 6,5 %; (annähernd
doppelt so hoch wie die Zahl der gesamten Erwerbstätigen, die bei 3,4 % liegt).
Die Bruttowertschöpfung ist innerhalb von nur vier Jahren, von 2005 bis 2009, um
knapp 1,9 Milliarden Euro, das heißt über ein Viertel gestiegen.
Das Wachstum der Gesundheitsbranche steigert das Bruttosozialprodukt und
generiert neue Arbeitsplätze, und zwar für gering qualifizierte Kräfte ebenso wie für
hoch qualifizierte Spezialisten. Die Gesundheitswirtschaft hat nachgewiesenermaßen
ein hohes Wachstums-, Beschäftigungs- und Innovationspotenzial. Im Jahre 2030
werden voraussichtlich über 20 % und damit jeder fünfte Beschäftigte in der
Gesundheitswirtschaft arbeiten.
Deutschland ist Exportland
Die Exporte sind von 2005 bis 2010 um mehr als ein Drittel gestiegen. Damit lag die
Exportquote im Schnitt um 15 Prozent, 2009 sogar um über 20 Prozent über der
Exportquote der Automobilindustrie.
In Baden-Württemberg liegt die durchschnittliche Exportquote der pharmazeutischen
Industrie bei 72 %, teilweise bis über 90 %.
Universitäre Spitzenforschung
Die Hochschul- und Forschungslandschaft in Baden-Württemberg ist herausragend.
Leistungsstarke Cluster
Clusterlandschaft ist in Deutschland, insbesondere in Baden-Württemberg sehr gut
ausgebaut und wird aktiv von staatlicher Seite gefördert.
Staatliche Forschungsförderung
Die Wettbewerbsfähigkeit des F&E-Standortes Deutschland kann durch eine
Forschungsförderung für forschende Arzneimittelhersteller deutlich verstärkt werden.
Wenn heute bereits rund 10 % des Bruttoinlandprodukts von den Unternehmen der
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8. Gesundheitswirtschaft erbracht werden, könnten es im Jahr 2030 Hochrechnungen
zufolge bereits 13 % sein.
Arbeitsplätze in der Gesundheitswirtschaft sind krisenfest und standortgebunden,
weil aufgrund der demographischen Entwicklung mehr Menschen älter werden und
damit die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen vor Ort steigt.
Die demographische Herausforderung
Die demographische Entwicklung fördert und verändert den Bedarf an Arzneimitteln
durch die Zunahme an chronischen Erkrankungen und durch die Modernisierung der
Therapien durch Arzneimittelinnovationen, die zu einem verbesserten Krankheitsmanagement führen und Arbeitsausfälle verringern. Aufgrund der veränderten
Altersstrukturen wird auch die deutsche Wirtschaft darauf angewiesen sein, ihre
Beschäftigten länger im Arbeitsverhältnis zu halten. Dies macht im Übrigen auch vor
den Ärzten nicht halt - bis 2016 werden 46 % der niedergelassenen Ärzte über 65
Jahre sein.
Prävention, lebenslanges Lernen und gesunde Lebensweise müssen gestärkt
werden.
Die Versorgung und Prävention mit und durch Arzneimittel muss
gewährleistet sein.
Der „zweite Gesundheitsmarkt“
Neben dem GKV-Markt, der aus den Beiträgen der Versicherten finanziert wird,
entwickelt sich zunehmend ein so genannter zweiter Gesundheitsmarkt, dessen
Wachstum vom Bundesministerium für Wirtschaft in den letzten Jahren mittels einer
„Gesundheitssatellitenstudie“ eng beobachtet wird. Die Gesundheitsausgaben
beliefen sich bereits im Jahr 2009 insgesamt auf rund 270 Milliarden Euro oder
11,4 % des BIP. Hierzu gehört der bereits erwähnte Bereich Selbstmedikation. Ein
Drittel dieses Umsatzes kommt aus Baden-Württemberg.
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9. Was macht Deutschland / Baden-Württemberg schwierig?
Reformkarussell „Gesundheitsreformen“ seit 2000
2000: GKV-Gesundheitsreformgesetz
2001: Festbetrags-Anpassungsgesetz
2002: Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz
2003: Beitragssatzsicherungsgesetz
2003: 12. SGB-V-Änderungsgesetz
2004: GKV-Modernisierungsgesetz
2006: Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz
2007: GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, 1. Teil
2009: GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, 2. Teil
2009: 15. AMG-Novelle
2010: GKV-Änderungsgesetz
2011: Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG)
2011: GKV-Finanzierungsgesetz
2012: GKV-Versorgungsstrukturgesetz
2012: 2. Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften
Verlässliche Rahmenbedingungen – Fehlanzeige !
Der Arzneimittelmarkt in Deutschland ist ein hochregulierter Markt. Die Instrumente
reichen von Arzneimittelvereinbarungen über Festbeträge, Herstellerabschläge und
Erstattungshöchstbeträge bis hin zu Importförderung, Richtgrößen und Rabattverträgen. Die Einführung weiterer preisregulierender Maßnahmen in Form von
Preismoratorium und Zwangsrabatten durch das GKV-Änderungsgesetz im Jahr
2010 haben das Vertrauen der pharmazeutischen Unternehmen in den Standort
Deutschland zusätzlich geschwächt.
Inlandsumsatzentwicklung
Pharmazeutische Industrie Baden-Württemberg
In den letzten 5 Jahren ist der Inlandsumsatz um 25 % zurückgegangen.
Umsätze Januar bis August 2013
Pharmazeutische Umsatz gesamt
Industrie
(Statistisches
5,7 Mrd. EUR
Landesamt Baden+ 2,7 %
Württemberg)
Auslandsumsatz
Inlandsumsatz
4,2 Mrd. EUR
+ 10,1 %
1,5 Mrd. EUR
- 13,7 %
Veränderung gegenüber
dem Vorjahreszeitraum
Die Unternehmen setzen daher zunehmend auf den Auslandsmarkt. Die durchschnittliche Exportquote liegt bei 73%, bei einzelnen Unternehmen bis zu 93 %.
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