„Es geht um eine Entwicklung, die die
gesellschaftlichen Strukturen vollkommen
verändern wird.“ Angela Merkels
Eröffnungsrede auf der CeBIT im März
2013 drückte aus, was viele Unternehmen
befürchten. Und dabei noch immer gern
übersehen, dass es bereits geschehen ist.
Dass Kunden mittlerweile stark nutzen -
orientiert handeln. Dass sie andere
Kanäle wie Facebook und Twitter statt
E-Mails und SMS verwenden.
Fachartikel "Digitalisierung hört nicht bei der Technik auf", Call Center for Finance, 09/ 2013
1. STRATEGIE
Call Center for Finance 2/2013, September 2013, Fachartikel
Social Media wird die Telefonie verstärken
Digitalisierung hört nicht bei
der Technik auf
„Es geht um eine Entwicklung, die die
gesellschaftlichen Strukturen vollkommen
verändern wird.“ Angela Merkels
Eröffnungsrede auf der CeBIT im März
2013 drückte aus, was viele Unternehmen
befürchten. Und dabei noch immer gern
übersehen, dass es bereits geschehen ist.
Dass Kunden mittlerweile stark nutzenorientiert handeln. Dass sie andere
Kanäle wie Facebook und Twitter statt
E-Mails und SMS verwenden.
Viele Unternehmen verstehen anhand ihrer sinkenden Telefonieund Mail-Kennzahlen, dass sich
etwas geändert hat. Vielerorts wird
ein konsequenter Omni-ChannelAnsatz mit starker Fokussierung auf
die digitale Welt als Allheilmittel für
den Finanzbereich beschworen –
durch Statistiken wie in der BainRetail-Banking-Studie „Digitalisierung“ aus dem Jahr 2012 abgefedert
und nachvollziehbar dargestellt.
Und sicherlich ein guter Anfang.
Doch hier gibt es einen so typischen
Denkfehler: Erneut steht die seit geraumer Zeit verwendete Technik
und nicht das geänderte Nutzerverhalten im Mittelpunkt.
Und so verwundert es nicht, dass
die Servicewelt dem Wunsch des
Kunden nach asynchroner Kommunikation nach einigen Jahren roter
Zahlen im Telefoniebereich des
hauseigenen Contactcenters nachkam. Schließlich verstand jeder
nach diversen Statistiken und ROIBerechnungen, dass die Menschen
lieber schreiben als dass sie sprechen, dass sie tatsächlich die Nachrichtenfunktion bei Facebook, Twitter oder (noch) die E-Mail als Kom-
Bild: Kaarsten – Fotolia.com
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munikationsmedium nutzen und
Chats vermutlich der nächste große
Hype sein müssen. Schließlich benutzen nach dem im August veröffentlichten „Smartphone Insights
Report“ von Nielsen fast zwei Drittel aller Handybesitzer ein Smartphone – für Instant Messaging
(wuchs von 28 auf 35 Prozent) und
für die sozialen Netze (wuchs von
46 auf 52 Prozent) und für das mobile Shoppingerlebnis (26 Prozent).
Solche Zahlen hatten zur Folge,
dass viele Experten und hochdotierte Beratungshäuser – nun der Telefonie den Tod voraussagen. Kanal
wird durch Kanal ausgetauscht, ein
altes Spiel, kennen wir noch vom
Faxgerät, oder? Doch es hat sich
mehr geändert, perfekt durch die
Bundeskanzlerin ausgedrückt: Die
Änderungen in den gesellschaftlichen Strukturen waren es, nicht
nur die technischen.
Der Konsument wurde zum Prosument – sicherlich stark getrieben
durch die neuen Möglichkeiten der
Communitys und Echtzeitkommunikation. Eben jener Prosument
bleibt weiterhin so selbstbewusst
und auf Augenhöhe bedacht, selbst
wenn morgen Facebook, Twitter
und Google gleichzeitig abgeschaltet werden würden.
Weil nun je nach ganz persönlichem Bedarf, Stimmung und Inhalt
der Information der Kunde den jeweilig passenden Kanal nutzt. Und
– lange Zeit unter dem Begriff „Medienbruch“ verschrien – er mixt
diese gern miteinander. Die heutige
Kommunikation ist differenzierter
und feiner auf die aktuelle Situation
abgestimmt. Nimmt man diese kulturellen Entwicklungen zur vorhandenen Technik hinzu, so ergibt sich
ein anderes Bild. Gerade die sozialen Netze und die damit verbundenen und vom User gelebten Technologien werden dafür sorgen, dass
der „böse“ Kanal Telefonie einen
starken Aufschwung erfährt – wenn
auch erst mittelfristig. Denn sie
spielt bei all den neuen Gadgets
eine Schlüsselrolle. Damit ist zum
Beispiel die neue Entwicklung im
Hause Google gemeint – die Google
Glasses. Dieses, derzeit von den
Medien gefeierte, Brillengestell mit
dem kleinen Bildschirm wird ohne
Zweifel auf vielen Visaabrechnungen stehen. Per Sprachsteuerung
CallCenter for Finance 2/2013
2. STRATEGIE
wird es dem Träger bei Bedarf zum
Fotoapparat, Telefon, Videokonferenzsystem, Navigationssystem, zur
Videokamera und Wissensdatenbank. Gleiches gilt für die neue
Apple-Kreation, eine Uhr mit voraussichtlich deutlich geringerem,
aber funktional ähnlichem Umfang.
Ähnlich wie bei der Brille wurde
kein (sinnvolles) Display für die
Eingabe von Textnachrichten für
eine asynchrone Kommunikation
vorgesehen, nur der Umweg über
Spracherkennung würde dies ermöglichen. Aktuellstes Produkt mit
vermutetem Verkaufsstart Ende des
Jahres ist die Galaxy Gear – ein
Armband mit vielen der bereits genannten Funktionen aus dem
Hause Samsung.
Und auch in den sozialen Netzwerken gibt es sie – die ersten Anzeichen, dass (Video-)Telefonie der Zukunft gehört: Facebook überraschte
mit dieser Funktion dank des Partners Skype bereits Ende Januar
seine Nutzer und mauserte sich
mittlerweile zum kompletten Betriebssystem für Smartphones. Beim
kleinen und in Deutschland weniger
bedeutenden Netzwerk Google+
sind diese als „Hangout“ bekannten
Videochats schon länger bekannt.
Aufgrund der fehlenden Masse setzten sich „Hangouts“ allerdings noch
nicht durch. Eine Tatsache, die sich
durch die Google-Brille schnell ändern dürfte. Und weil Google in seiner Strategie meist umsichtig verfährt, ist es schon interessant zu
sehen, dass das Unternehmen bereits angefangen hat, eigene Netze
zu kaufen. Schon wird die fast totgesagte Videotelefonie Teil eines disruptiven Geschäftsmodells. Vom
Stiefkind der Generation Y zum Star
in der Manege. Denn wer kann zur
Gratistelefonie schon nein sagen?
Vor allem wenn er im Auto sitzt und
schlecht Chatnachrichten absetzen
kann und er – jetzt und sofort – eine
Antwort braucht oder bestimmte
Dinge nun mal am besten in einem
Telefonat erledigt werden können?
Durch die Kostenlos-Modelle von
Facebook, Google und Apples „Facetime“ (iPhone 5) mit einer Abdeckung von mindestens 70 Prozent in
der Bevölkerung und der Tatsache,
dass jedes Smartphone ein geeigne-
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tes Übermittlungsmedium darstellt
und die neuen Gadgets wie die Google-Brille oder die Apple-Uhr, wird
sich nun eine breite Masse damit
auseinandersetzen. Die Voraussetzungen sind also in beiden Bereichen gegeben: Technik und Kultur.
Deshalb ist es wichtig, bei der Kommunikationsstrategie nicht nur die
möglichen Kanäle zu betrachten,
sondern die sich auch weiterhin ändernde Kundenkultur mit in die
Überlegungen einzuschließen. Am
schönsten hat es Dirk Vater von
Bain ausgedrückt: „Bei einer Digitalisierungsstrategie geht es nicht
darum, immer mehr Kunden dazu
zu motivieren, immer mehr Bankgeschäfte online zu tätigen. Vielmehr
ermöglicht sie dem Kunden, künftig
selbst zu entscheiden, wann, wie
und wo er mit seinem Institut in
Kontakt treten möchte und ob die
Kundenberatung in der zuständigen
Filiale, per Video-Chat, über soziale
Netzwerke oder direkt bei sich zu
Hause erwartet wird. Vielleicht
sogar per Telefon.
Autorin: Anja Bonelli, Business
Development Executive Telenet
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