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Inhaltsverzeichnis
ERSTER TEIL
Kapitel 1 Die erste Begegnung 9
Kapitel 2 Pedro fliegt 18
Kapitel 3 Sorge dich nicht 28
Kapitel 4 Die Polizei 38
Kapitel 5 Von den Ausserirdischen entführt! 50
Kapitel 6 Alles hängt von den Punkten ab 62
Kapitel 7 Unser Raumschiff wird gesichtet 70
ZWEITER TEIL
Kapitel 8 Ofir 83
Kapitel 9 Das Grundgesetz 96
Kapitel 10 Die interplanetarische Bruderschaft 109
Kapitel 11 Unter Wasser 118
Kapitel 12 Das neue Zeitalter 131
Kapitel 13 Eine blaue Prinzessin 140
Kapitel 14 Bis du wiederkommst, Ami! 154
ERSTER TEIL
9
1. Kapitel
Die erste Begegnung
Alles begann an einem Sommernachmittag in Einem Badeort
am Meer, wohin ich fast jeden Sommer Mit meiner Grossmutter
fahre. Diesmal hatten wir ein Holzhäuschen bekommen mit vielen
Pinien und Eiben im Innenhof und einem Vorgarten voller
Blumen. Es lag nahe am Meer an einem Pfad, der zum Strand
führte. Es waren nur noch wenige Leute da, weil die Badezeit zu
Ende ging. Meine Grossmutter geht gerne in den ersten
Märztagen auf Sommerfrische, weil es dann ruhiger und
ausserdem noch billiger ist, sagt sie.*
Es fing schon an, dunkel zu werden. Ich sass oben auf einem
hohen Felsen am menschenleeren Strand und schaute aufs Meer
hinaus.
Auf einmal sah ich ein rotes Licht am Himmel über
mir. Ich dachte, es wäre ein Feuerwerk oder so eine Rakete, die
man zu Neujahr anzündet. Es kam tiefer und tiefer, während es
die Farben wechselte und Feuer sprühte. Als es noch etwas tiefer
sank, wusste ich, dass es kein Feuerwerk und keine Rakete sein
konnte, weil es immer grösser wurde.
Es war schon so gross wie ein kleines Flugzeug geworden –
oder noch etwas grösser. Ungefähr fünf- zig Meter vor der Küste
sackte es vor meinen Augen ins Meer, ohne einen Ton von sich zu
geben. Ich glaubte,
* Anmerkung des Übers.: Auf der südlichen Erdkugel dauert die Sommerzeit von
Dezember bis März.
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gerade ein Flugzeugunglück beobachtet zu haben, und schaute
angestrengt in den Himmel, ob ich einen Fallschirmspringer
entdecken konnte. Aber da war
keiner. Nichts störte die Stille und Ruhe am Strand. Ich bekam
Angst und wollte loslaufen, um meiner Gross-
mutter davon zu berichten, aber dann beschloss ich,
doch noch ein Weilchen zu warten, ob sich noch etwas ereignete.
Als ich gerade aufbrechen wollte, sah ich
etwas Weisses an der Stelle, wo das Flugzeug – oder
was immer es gewesen sein mochte – abgestürzt war. Jemand
begann, auf die Felsen zuzuschwimmen. Ich
dachte, dass es vielleicht der Pilot sei, der sich beim
Unfall gerettet hatte. Ich wartete darauf, dass er näher kam;
vielleicht konnte ich ihm behilflich sein. Er
schwamm sehr gut, also konnte er sich nicht verletzt
haben.
Bald hatte er die Felsen erreicht und schickte sich an, sie
heraufzusteigen. Er sah mich dabei freundlich an, und jetzt
erkannte ich, dass es ein Junge wie ich war! Ich dachte: muss der
froh sein, dass er gerettet ist, aber er schien die Lage nicht so
dramatisch zu nehm- en. Das erleichterte mich etwas. Als er
neben mir stand, schüttelte er sich das Wasser aus dem Haar und
lächelte mir zu. Jetzt war ich vollkommen beruhigt. Er sah wie ein
netter kleiner Junge aus. Er setzte sich neben mich und tat einen
tiefen Seufzer. Dann fing er an, die Sterne anzuschauen, die hie
und da am Himmel erschienen.
Er war ungefähr so alt wie ich, vielleicht etwas jünger und
auch etwas kleiner. Er hatte einen Piloten-
anzug an, vermutlich aus einem wasserdichten Mate- rial, es war
kein bisschen nass! An den Füssen trug er
weisse Stiefel mit dicken Sohlen. Auf der Brust glänzte ein
goldenes Zeichen: ein Kreis, in dem sich ein Herz
12
mit Flügeln befand. Auch der Gürtel war goldfarben und hatte in
der Mitte eine grosse goldene Schnalle; an jeder Seite hing eine
Art Transistorradio.
Ich setzte mich auch wieder. Wir blieben eine Weile stumm.
Da er nichts sage, fragte ich ihn, was
geschehen sei.
„Notlandung“, antwortete er fröhlich.
Er war sympathisch; seine Aussprache war ziem- lich
eigenartig, deshalb dachte ich mir, dass er mit seinem Flugzeug
aus einem fremden Land gekommen sein müsse. Seine Augen
waren gross und gutmütig.
„Was ist mit dem Piloten passiert?“ fragte ich. Ich dachte, da er
ein Kind war, musste der Pilot ein Erwach-
sener sein.
‚‚Nichts. Er sitzt hier neben dir’’, sagte er.
‚‚Ah’’, sagte ich bewundernd. Dieser Junge war wirklich ein
Weltmeister, so alt wie ich und Pilot eines
Flugzeugs! Seine Eltern mussten steinreich sein.
Langsam wurde es Nacht, und mir wurde kalt. Er musste es
bemerkt haben, weil er mich fragte: ,, Ist dir
kalt?’’
,,Ja.’’
,,Die Temperatur ist angenehm’’, sagte er lä- chelnd, und
wirklich, er hatte recht, es war nicht kalt!
,,Stimmt’’, gab ich zu.
Nach einigen Minuten fragte ich ihn, was er nun machen wolle.
,,Meine Mission erfüllen’’, antwortete er und
schaute immerfort in den Himmel.
Ich dachte, das muss wirklich ein ganz besonderer Junge sein,
nicht wie ich ein einfaches Schulkind in den Sommerferien. Er
hatte eine Mission, vielleicht etwas Geheimes. Ich getraute mich
nicht, ihn zu fra- gen, worum es sich handelte.
13
,,Tut es dir nicht leid um das Flugzeug?’’
,,Es ist nicht verlorengegangen’’, erwiderte er.
Ich verstand ihn nicht. ,,Es ist nicht verlorengegan- gen? Ist es
nicht vollkommen zerstört?’’
,,Nein.’’
,,Wie kann man es aus dem Wasser holen, um es zu
reparieren, oder kann man es aus dem Wasser holen.’’
,,Oh ja, man kann es aus dem Wasser holen.’’
Dabei schaute er mich freundlich an. ,,Wie heisst du?’’
,,Pedro’’, sagte ich zögernd. Es passte mir nicht ganz, dass er
meine Frage nicht beantwortete.
Anscheinend merkte er, dass ich verstimmt war,
und fand es lustig. ,,Werd’ nicht böse, Pedrito, wird’ nicht böse. –
Wie alt bist du?’’
,,Zehn beinah, und du?’’
Er kicherte leise, wie ein Baby, das gekitzelt wird. Mir kam es
so vor, als bildete er sich etwas darauf ein,
dass er schon Pilot eines Flugzeugs war und ich nicht.
Das gefiel mir nicht. Trotzdem fand ich ihn weiterhin
sympathisch, ich konnte ihm nicht wirklich böse sein.
,, Ich bin älter, als du mir glauben würdest’’, meinte er
lächelnd. Dann zog er aus einer seiner Seitenta- schen den
Apparat heraus, der wie ein Transistorradio
aussah. Es war eine Art Taschenrechner. Er schaltete ihn ein, und
es erschienen Leuchtzeichen, die ich nicht deuten konnte. Er
stellte ein paar Berechnungen an,
doch als er die Antwort sah, sagte er lachend: ,, nein, nein, du
würdest es mir doch nicht glauben, wenn ich es dir sagte.’’
Es war inzwischen Nacht geworden, und ein herr- licher
Vollmond war aufgegangen, der den ganzen
Strand in Licht tauchte. Ich schaute mir das Gesicht
meines Nachbarn genau an. Er konnte nicht älter sein als acht
Jahre, und trotzdem war er der Pilot eines
14
Flugzeugs. Vielleicht war er doch älter, oder er war ein Zwerg.
,, Glaubst du an die Ausserirdischen?’’ fragte er mich auf
einmal. Ich konnte nicht so schnell antwor-
ten. Er sah mich mit seinen leuchtenden Augen an; es war, als
spiegelten sich die Sterne in seinen Pupillen. Er war zu schön,
um nicht etwas ganz Aussergewöhnli-
ches zu sein. Ich dachte an das in Flammen stehende Flugzeug, an
sein Erscheinen, seine Aussprache, sei- nen Anzug, an den
Rechner mit den komischen Zei-
chen und daran, dass er ein Kind war, und Kinder flie- gen
bekanntlich keine Flugzeuge!
,, Bist du denn ein Ausserirdischer?’’ Meine Stimme
zitterte ein wenig.
,, Und wenn ich es wäre, würde es dir Angst machen?’’
Da wusste ich, dass er wirklich aus einer anderen Welt kam.
Obwohl er mich in diesem Augenblick ganz lieb ansah, war ich
keineswegs beruhigt. Ich fragte be-
klommmen:,, Bist du böse?’’
Er lachte belustigt. ,, Vielleicht bist du ein bisschen böser als
ich.’’
,,Warum denn das?’’
,, Weil du ein Erdenbewohner bist.’’
,, Und du bist wirklich ein Ausserirdischer?’’
,, Hab keine Angst’’, beruhigte er mich lächelnd. Er zeigte
hinauf zu den Sternen. ,, Dieses Universum ist
voller Leben. Es gibt Millionen und Abermillionen von
bewohnten Planeten; dort oben leben viele gute Wesen.’’
Seine Worte hatten eine eigenartige Wirkung auf mich.
Während er sprach, konnte ich diese Millionen
von bewohnten Welten voller guter Wesen tatsächlich vor mir
sehen! Auf einmal hatte ich keine Angst mehr.
15
Ich beschloss, es einfach hinzunehmen, dass er ein Wesen aus
einer anderen Welt war. Er schien freund- lich zu sein und ganz
harmlos.
,, Warum sagst du, dass wir Erdenbewohner böse sind?’’
Er schaute unentwegt in den Himmel und
schwärmte: ,, Wie herrlich ist das Firmament von der Erde aus!
Diese Atmosphäre gibt ihm Glanz, Farbe…’’
Schon wieder hatte er meine Frage nicht beant-
wortet! Das passte mir nicht. Wer hat es schon gern, wenn jemand
ihm sagt, er sei böse! Ich bin es nämlich
nicht, ganz im Gegenteil. Früher wollte ich Forscher
werden, wenn ich gross sein würde, und in meinen freien Stunden
Jagd auf böse Leute machen!
,, Dort in den Plejaden gibt es eine wunderbare
Zivilisation…’’
,, Wir sind nicht alle böse hier. Ich sagte: nicht alle sind böse
hier! Warum hast du gesagt, dass alle Erden- bewohner böse
sind??’’
,, Das habe ich nicht gesagt’’, antwortete er sanft und schaute
unaufhörlich in den Himmel. Seine Augen
glänzten. ,, Das ist ein Wunder!’’
,, Doch, das hast du gesagt!’’ Meine Stimme war etwas lauter
geworden, und so riss ich ihn endlich aus
seinen Träumen. Er hatte genauso ausgesehen wie
meine Cousine, wenn sie das Foto ihres Lieblingssän- gers
betrachtet; sie ist nämlich verliebt in ihn.
Er sah mich aufmerksam an, aber er schien nicht
verärgert zu sein. ,, Ich wollte sagen, dass die Erdenbe- wohner
meistens weniger gut sind als die Bewohner
anderer Welten im All.’’
,, Siehst du, du hast gesagt, dass wir die aller- schlechtesten im
Weltall sind!’’
Er lachte wieder und strich mir übers Haar, wäh-
16
rend er sagte: ,,Das wollte ich auch nicht sagen.’’
Das gefiel mir noch weniger. Heftig drehte ich den Kopf zur
Seite. Ich werde nicht gern für dumm gehal- ten, weil ich nicht
dumm bin. Ich bin einer der Besten in meiner Klasse und werde
bald zehn Jahre alt sein.
,, Wenn dieser Planet so böse ist, was tust du dann hier?’’
,, Hast du gesehen, wie sich der Mond im Meer spiegelt?’’
Wieder überhörte er meine Worte und wechselte einfach das
Thema!
,, Bist du gekommen, um mir zu sagen, ich soll mir ansehen,
wie sich der Mond im Meer spiegelt?’’
,,Vielleicht. – Hast du gemerkt, dass wir im Univer-
sum schweben?’’
Als er das sagte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: der
Junge war verrückt. Ganz klar! Er glaubte,
ein Ausserirdischer zu sein, deshalb redete er solch komisches
Zeug! Ich hatte genug von ihm. Wie konnte ich auch nur einen
Augenblick lang seine phantasti-
schen Geschichten ernstnehmen! Er hatte sich ganz einfach einen
Spass mit mir erlaubt. Ein Ausserirdi-
scher! Und ich hatte ihm geglaubt!! Ich schämte mich und war
wütend auf ihn und auf mich selbst. Am lieb-
sten hätte ich ihm eine Ohrfeige verpasst!
,,Warum? – sind meiner Ohren denn so hässlich?’’
Ich starrte ihn entgeistert an. Anscheinend hatte
er meine Gedanken gelesen! Er strahlte mich an. Ob- wohl ich
anfing, mich zu fürchten, wollte ich nicht klein beigeben. Das war
sicher nur reiner Zufall. Zufällig hatte er etwas gesagt, was ich
gerade dachte. Ich tat
so, als wäre ich kein bisschen überrascht. Vielleicht war es doch
wahr, vielleicht hatte ich ein Wesen aus einer anderen Welt vor
mir, eine Ausserirdischen, der Ge- danken lesen konnte. Ich
musste es herausfinden.
17
So beschloss ich, ihn auf die Probe zu stellen. ,,Was denke ich
jetzt?’’ fragte ich und stellte mir eine Ge- burtstagstorte vor.
,, Hast du noch nicht genug Beweise?’’ fragte er, doch ich wich
keinen Millimeter zurück. ,,Welche
Beweise?’’
Er streckte seine Beine aus und stützte die Ellbo- gen auf dem
Felsen auf. ,, Schau, Pedrito, es gibt an-
dere Wirklichkeiten, andere feinstoffliche Welten mit
feinen Türen für feine Intelligenzen…’’
,, Was heisst: feinstofflich?’’
Er lachte: ,,Also, mit wie vielen Kerzen?’’
Auf einmal war mir ganz flau im Magen. Am lieb- sten hätte
ich geweint, so dumm und ungeschickt
fühlte ich mich. Ich bat ihn um Verzeihung, aber er
hatte mir gar nichts übelgenommen. Er lachte nur.
Ich beschloss, nicht mehr an ihm zu zweifeln.
18
2. Kapitel
Pedro fliegt
,, Komm mit mir nach Hause’’, bot ich Ami an. Es wurde
langsam spät für mich.
Er machte eine abwehrende Bewegung: ,,Lass uns
Freundschaft schliessen – ohne Erwachsene!’’ Er
Rümpfte lachend die Nase.
,, Ich muss aber gehen.’’
,, Deine Grossmutter schläft schon tief. Du wirst ihr nicht
abgehen, wenn wir noch ein Weilchen mitein-
ander reden.’’
Wieder war ich überrascht und auch verwundert: Wie konnte er
von meiner Grossmutter wissen? Aber
Dann erinnerte ich mich, dass er ja ein Ausserirdischer
war. ,, Kannst du sie sehen?’’
,, Von meinem Raumschiff aus konnte ich sehen, wie sie
gerade einschlief’’, antwortete er verschmitzt. Plötzlich rief er
begeistert: ,, Lass uns am Strand spazieren gehen!’’
Mit einem Satz stand er auf den Beinen, lief bis zur Kante des
hohen Felsens und – sprang hinunter! Langsam schwebte er
abwärts dem Sande entgegen; Er segelte wie eine Möwe. Dieses
unbekümmerte Ster- nenkind sorgte für immer neue
Überraschungen!
Ich stieg vorsichtig, so gut ich konnte, die Felsen hinunter. ,,
Wie machst du das?’’ fragte ich ihn nach seinem unglaublichen
Segelflug.
,, Ich fühle mich einfach wie ein Vogel’’, meinte er und begann
lachend und ohne besonderen Anlass am
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Strand umherzulaufen. Ich hätte es ihm gerne nachge- tan, aber
ich konnte so etwas nicht.
,, Doch, du kannst es!’’ Schon wieder hatte er meine Gedanken
aufgefangen. Er kam zurück, um mir Mut zu
machen. ,, Wir werden laufen und springen wie die Vögel!’’ Er
nahm meine Hand, und ich spürte eine starke Energie. Wir
begannen, den Strand entlangzu-
laufen. ,, Jetzt springen wir!’’
Er konnte viel höher springen als ich und half mir mit seiner Hand
nach. Er schien einige Sekunden in
der Luft hängen zu können! Wir liefen weiter, und in gewissen
Abständen setzten wir zum Sprung an.
,,Wir sind Vogel, wir sind Vogel!’’
Mein Vertrauen wuchs, ich war wie berauscht. Etwas ging in
mir vor- ich hörte langsam zu denken auf und war nicht mehr
derselbe wie früher: Mitgeris- sen von meinem ausserirdischen
Freund, beschloss ich einfach, so leicht wie einer Feder zu sein.
Schliesslich glaubte ich fest, wie ein Vogel fliegen zu können!
,,Jetzt hoch!’’
Wir hielten uns wirklich einige Augenblicke in der Luft, dann
sanken wir sanft nach unten und liefen weiter, um uns später
wieder zu erheben. Zu meinem grossen Erstaunen ging es besser
und besser.
,,Sei nicht erstaunt, du kannst es …jetzt!’’ Jedesmal fiel es mir
leichter. Wie im Zeitlupen-
tempo liefen und sprangen wir am Wasser entlang. Am Himmel
hingen der Mond und die Sterne. Es war eine neue Art zu leben,
eine andere Welt.
,,Tu es mit Liebe, segle mit Liebe!’’ machte er mir Mut. Dann
auf einmal liess er meine Hand los. ,,Du
kannst es, du kannst es’’, stärkte er mein Vertrauen,
indem er neben mir herlief. ,,Jetzt!’’
Wir hoben langsam ab, blieben eine Weile in der
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Luft und schwebten dann tiefer mit ausgebreiteten Armen wie
beim Segeln.
,,Bravo, bravo’’, beglückwünschte er mich.
Ich weiss nicht, wie lange wir in dieser Nacht so spielten. Es
war wie ein Traum. Schliesslich war ich müde;
ausser Atem liess ich mich auf den Sand fallen und
lachte glücklich. Was für eine herrliche, unvergessliche
Erfahrung!
Innerlich dankte ich meinem eigenartigen kleinen
Freund dafür, dass er mir Dinge beigebracht hatte, die ich nicht
für möglich gehalten hätte. Ich wusste noch
nicht, dass in dieser Nacht noch weitere Überraschun-
gen auf mich warteten. Die Lichter eines Badeortes auf der
anderen Seite der Bucht flimmerten. Mein Freund
betrachtete entzückt die tanzenden Lichter auf dem
nächtlichen Meer, während er neben mir auf dem mondhellen
Strand dahingestreckt lag. Dann wieder
sah er den Vollmond an.
Wie wunderbar! Er fällt nicht herunter.’’
Ich hatte mir darüber nie Gedanken gemacht, aber jetzt, wo er
es sagte: Ja, es war wunderbar, Sterne zu haben, ein Meer, einen
Strand und einen hübschen Mond, der da oben hing und nicht
herunterfiel.
,,Ist denn dein Planet nicht schön?’’
Er seufzte tief und sah etwas nach rechts in den Himmel
hinauf. ,,Oh ja, er ist auch schön. Aber das
wissen wir auch alle, und darum passen wir auf ihn auf.’’
Ich erinnerte mich, dass er behauptet hatte, wir
Erdenbewohner seien nicht besonders gut. Nun glaubte ich, eine
der Gründe dafür zu verstehen. Wir halten unseren Planeten
anscheinend nicht für sehr wertvoll, wir passen nicht so sorgsam
auf ihn auf, wie sie es tun.
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‚,Wie heisst du ?’’
Er fand meine Frage lustig. ,,Das kann ich dir nicht sagen.’’
,,Warum nicht? Ist es ein Geheimnis?’’
,,Ach wo, nichts ist ein Geheimnis! Nur gibt es in deiner
Sprache diese Laute nicht.’’
,,Welche Laute?’’
,,Die meines Namens.’’
Das überraschte mich. Ich hätte gewettet, dass er in meiner
eigenen Sprache mit mir redete, wenn auch
mit einem anderen Akzent.
,,Wie konntest du dann meine Sprache lernen?’’
,,Ich spreche sie nicht, und ich würde sie auch nicht verstehen,
wenn ich dies nicht hätte’’, sagte er
belustigt und zog einen Apparat aus seinem Gürtel.
,,Das hier ist ein Übersetzer. Dieses Schächtelchen untersucht mit
Lichtgeschwindigkeit deine Gehirn-
ströme und übermittelt mir genau das, was du sagen
willst; auf diese Weise kann ich dich verstehen. Wenn ich nun
etwas sagen will, hilft es mir, meine Lippen und
meine Zunge so zu bewegen wie du – nun, beinahe so wie du …
nichts ist vollkommen!’’
Er steckte den Übersetzer wieder an seinen Platz
und schaute aufs Meer hinaus. Er sass neben mir im Sand und
hielt seine Knie umschlungen.
,,Wie soll ich dich dann nennen?’’ fragte ich ihn.
,,Du kannst mich >>amigo<< nennen, denn das bin ich , ein
Freund für alle.’’
,,Ich werde dich Ami nennen, das ist kürzer und
klingt mehr wie ein Name.’’
Sein neuer Name schien ihm zu gefallen. ,,In Ord nung,
Pedrito.’’
Wir gaben einander die Hand, und ich spürte, dass ich eine
neue grosse Freundschaft besiegelte. Und so
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sollte es auch sein.
,,Wie heisst dein Planet?’’
,,O je, da haben wir auch keine entsprechenden Laute, aber
dort oben ist er’’, und er zeigte lächeln zu
einigen Sternen hinauf.
Während Ami weiter den Himmel beobachtete, kamen mir
wieder die Filme in den Sinn, die ich so oft
im Fernsehen gesehen hatte, die mit den ausserirdi- schen
Eindringlingen. ,,Wann werdet ihr hier ein- dringen?’’
Er fand meine Frage komisch. ,,Warum denkst du, dass wir die
Erde überfallen wollen?’’
,,Ich weiss nicht. In unseren Filmen überfallen die
Ausserirdischen immer die Erde. Oder nicht? – nicht alle?’’
Diesmal war sein Lachen so ansteckend, dass ich
mitlachen musste. Trotzdem versuchte ich mich zu rechtfertigen:
,,Weißt du, in allen Fernsehfilmen…’’
,,Ja, natürlich, das Fernsehen? – Komm, lass uns
zusammen einen Fernsehfilm ansehen, in dem Ausser- irdische
die Erde überfallen’’, schlug er begeistert vor und zog einen
Apparat diesmal aus der Schnalle sei- nes Gürtels. Er drückte auf
einen Knopf, und wir hatten einen leuchten den Bildschirm vor
uns. Es war ein klei- ner Farbfernseher mit einem gestochen
scharfen Bild. Schnell wechselte er von einem Programm zu
ande-
re. Das überraschte mich, da wir in dieser Gegend nur zwei
Programme empfangen können, aber in diesem Apparat gab es
eine Unmenge von Filmen, Live- Programmen, Nachrichten,
Werbung, alles in ver- schiedenen Sprachen und mit Menschen
verschiede- ner Nationen.
,,Diese Filme mit den Invasoren aus dem Weltraum sind doch
einfach lächerlich’’, meinte Ami fröhlich.
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,,Wie viele Programme bekommst du damit?’’ wollte ich
wissen.
,,Alle Programme, die es in diesem Augenblick auf deinem
Planeten gibt. Ich bekomme aber auch die
Satellitensignale, und zwar verstärkt. Halt, hier gib es einen Film
in Australien, schau’s dir an.’’
Ich konnte eine Anzahl grässlicher Ungeheuer er-
kennen, die Köpfe wie Tintenfische hatten. Aus ihren vielen
vorquellenden Augen mit roten Adern drin schossen sie Strahlen
auf eine Ansammlung völlig ver- ängstigter Menschen. Ich
schauderte, aber mein Freund fand diese Szene nur komisch.
,,Was für ein Unsinn’’, rief er, ,,findest du das nicht lächerlich?’’
,,nein, warum?’’
,,Weil es diese Monsterwesen nur in der krankhaf- ten
Einbildung der Menschen gibt, die solche Filme
fabrizieren!’’
Ich war noch nicht überzeugt. Seit Jahren hatte
man mir alle möglichen Weltraumreisen gezeigt, die zu
schrecklich und bösartig waren, als dass sie jetzt so
einfach aus meinem Kopfe zu blasen wären. ,,Aber es gibt hier
auf der Erde doch auch Leguane, Krokodile
und Meeresungeheuer. Warum sollten die nicht auch in anderen
Welten existieren?’’
,,Ah, die meinst du? Ja, die gibt es natürlich, aber die
konstruieren keine Pistolen, die Strahlen schiessen!
Die sind so wie die euren hier. Es sind Tiere ohne Intelligenz.’’
,,Aber vielleicht gibt es Welten mit Wesen, die böse
und intelligent sind?’’
,,Intelligent und böse?’’ Ami lachte aus vollem Halse. ,,Das ist
dasselbe, als wenn du sagen würdest: böse-gut!’’
Ich konnte ihn nicht verstehen. ,, Und was ist mit
24
diesen verrücken, perversen Wissenschaftlern, die Waffen
erfinden, um die Welt zu zerstören? – Du weisst schon, die gegen
Batman und Superman kämpfen?’’
Ami verstand meine Gedanken und antwortete la- chend: ,,Die
sind nicht intelligent, die sind verrückt!’’
,,Gut, es kann aber doch sein, dass es irgendwo ein
paar verrückte Wissenschaftler gibt, die die Welt zer- stören
könnten’’’
,,Die gibt es nur auf der Erde, sonst nirgendwo.’’
,,Warum?’’
,,Pass auf. Wer verrückt ist, wird immer zuerst sich selbst
zerstören. Verrückte erreichen nie das wissen-
schaftliche Niveau, das nötig wäre, um den Planeten verlassen
und andere Welten erreichen zu können. weisst du, es ist
einfacher, eine Bombe zu konstruieren
als intergalaktische Weltraumschiffe. Hat eine Zivilisa- tion keine
Güte, wendet sich ihre Zerstörungskraft gegen sie selbst, und
zwar bevor es dazu kommt, dass
sie in andere Welten gelangt.’’
,,Aber es könnte ja doch sein, dass Verrückte auf irgendeinem
Planeten überleben, zufällig!’’
,,Zufällig?? In meiner Sprache gibt es diesen Aus-
druck nicht. Was heisst Zufall?’’
Ich führte verschiedene Beispiele an, damit er ver- stand, was
ich meinte. Als er es schliesslich erfasst hatte,
fand er es sehr komisch. Er sagte, dass alles, was es gebe,
zusammenhänge, aber dass wir die Gesetzte, die alle Dinge
miteinander verbinden, nicht verständen
oder nicht verstehen wollten.
,,Wenn es nun aber so viele Millionen von Welten gibt, wie du
sagst, dann könnte es doch sein, dass einige
Böse irgendwo überleben, ohne sich zu zerstören?’’ Ich dachte
immer noch an die Möglichkeit einer Invasion.
25
Nun versuchte Ami, es mir noch besser zu erklä- ren. ,,Stell dir
vor: Viele Personen müssten, eine nach der anderen, eine
glühend heisse Eisenstange mit blo- ssen Händen anfassen. Was
meinst du: hätte einer von ihnen Aussicht, sich nicht zu
verbrennen?’’
,,Keiner’’, antwortete ich. ,,Alle verbrennen sich!’’
,,Siehst du, genauso zerstören sich alle Bösen selbst, wenn sie
nicht imstande sind, ihre Bosheit zu
überwinden. Diesem Gesetz kann niemand entrinnen!’’
,,WelchemGesetz?’’
,,Wenn in einer Welt das Niveau der Wissenschaft höher steigt
als das Niveau der Liebe, dann zerstört diese Welt sich selbst.’’
,,Das Niveau der Liebe?’’ Ich begriff sehr gut, was er mit dem
wissenschaftlichen Niveau eines Planeten meinte, aber unter
einem Niveau der Liebe konnte ich
mir nicht das geringste vorstellen.
,,Das Einfachste ist für manche am schwierigsten zu verstehen.
Die Liebe ist eine Kraft, eine Schwin-
gung, eine Energie, deren Auswirkungen wir mit unse- ren
Instrumenten messen können. Wenn in einer Welt
das Niveau der Liebe niedrig ist, entsteht daraus für alle Unglück,
Hass, Gewalt, Trennung, Krieg, und das
alles mit einem höchst gefährlichen Grad von Zerstö- rungskraft.
Verstehst du mich, Pedrito?’’
,,Eigentlich nicht so ganz. Was willst du damit
sagen?’’
,,Ich will dir viele Dinge sagen, aber wir müssen schrittweise
vorgehen. Mir wäre es lieber, wenn du mir
deine Zweifel mitteiltest.’’
Ich konnte immer noch nicht glauben, dass es keine
Invasorenmonster geben sollte. Ich erzählte ihm darum von einem
Film, in dem ausserirdische Eidech- sen viele Planeten
beherrschten, da sie so gut organi-
26
siert waren.
Er meinte dazu: ,,In einem solchen Fall herrschen Zwang und
Gewalt. Das Resultat davon ist Aufleh-
nung, Trennung, Zerstörung. Ohne Liebe gibt es keine dauerhafte
Organisation. Die einzige universell vollen- dete Ordnung, Die
imstande ist, das Überleben zu ga-
rantieren, ergibt sich von selbst, wenn sich eine Zivili- sation der
Liebe nähert, während sie sich entwickelt. Jene Welten, die dies
erreichen, nennen wir ent-
wickelt, zivilisiert. Da richtet niemand mehr einen Schaden an!
Im ganzen Universum gibt es keine an- dere Alternative. Eine
höhere Intelligenz als die unsere
hat dies alles so eingerichtet.’’
Ich verstand es immer noch nicht so recht. Ami erklärte es mir
noch einmal und noch genauer, aber
mir wollten die Monster, die gleichzeitig böse und in- telligent
waren, einfach nicht aus dem Kopfe!
,,Zu viel Fernsehen!!’’ rief Ami in leiser Verzweif-
lung, aber dann versuchte er es von neuem: ,,Die Mon- ster, die
du dir vorstellst befinden sich in unserem eigenen Inneren.
Solange wir sie nicht loswerden, sind wir es nicht wert, all die
Wunder des Universums zu erleben! Die Bösen sind weder schön
noch intelligent.’’
,,Was ist zum Beispiel mit diesen schönen Frauen, die garstig
sind?’’
,,Entweder sind sie nicht garstig oder nicht wirk- lich schön.
Wahre Intelligenz und Schönheit und Güte gehen immer Hand in
Hand. Das ist alles die Folge
eines einzigen Evolutionsprozesses, der auf der Liebe beruht.’’
,,Damit willst du mir doch wieder sagen, dass es im
ganzen Universum nur auf der Erde böse Wesen gibt!’’
,,Aber nein, die gibt es auch noch woanders, Es gibt zum
Beispiel Welten, in denen du keine halbe
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Stunde überleben würdest, so wie das hier auf der Erde vor ein
paar Millionen Jahren auch mal war. Es gibt sogar Welten, die
von wahren Menschenmonstern be- wohnt sind.’’
,,Na, siehst du, na, siehst du!’’ triumphierte ich. ,,Du sagst es ja
selbst! Ich hatte also doch recht!! Genau diese Monster habe ich
gemeint!’’
,,Du brachst dich nicht aufzuregen. Die sind
unten, nicht oben! Die leben in Welten, die rückständi- ger sind
als diese hier. Die Entwicklung ihrer Gehirne
hat ihnen noch nicht einmal das Rad beschert, also können sie
kaum bis hierher kommen.’’
Das hörte sich wirklich beruhigend an. ,,Dann sind
wir Erdenbewohner also doch nicht die schlechtesten im ganzen
Universum!’’
,,Nein. Aber du bist einer der dümmsten in der
Galaxie!’’
Wir lachten wie zwei gute Freunde.
28
3.Kapitel
Sorge dich nicht
,,Was ist das für ein Zeichen, das du da auf der Brust trägst?’’
fragte ich Ami.
,,Das ist ein Symbol für meine Arbeit’’, entgegnete er. Dann
sagte er, nach oben deutend: ,,Weißt du, dass
es hier >>ganz in der Nähe<< auf einem der Planeten des
Sirius Strände gibt, die violett sind? Sie sind wunder- bar! Du
kannst dir nicht vorstellen, wie ein Sonnenun- tergang dort
aussieht, mit zwei Riesensonnen!’’
,,Bewegst du dich mit Lichtgeschwindigkeit?’’ fragte ich ihn.
Das fand er belustigend. ,,Wenn ich mich so lan-
sam bewegte, wäre ich schon alt gewesen, bevor ich hier
angekommen wäre.’’
,,Wie schnell bewegst du dich dann?’’
,,Wir bewegen uns normalerweise nicht, wir statio- nieren uns.
Aber von einem Punkte der Galaxis zu einem anderen würde ich
brauchen -, warte …’’ – er nahm seinen Taschenrechner aus dem
Gürtel und liess ihn eine Zeitlang tickern - ,,… nach deiner
Zeitrech- nung anderthalb Stunden; von einer Galaxie zu einer
anderen benötigte ich aber bereits mehrere Stunden.’’
,,Toll!! Und wie machst du das?’’
,,Kannst du einem Baby erklären, warum zwei mal zwei vier
ist?’’
,,Nein’’, erwiderte ich, ,,das weiss ich selbst nicht.’’
,,Siehst du, ich kann dir auch nicht Dinge erklären, die sich auf
die Kontraktion und auf die Krümmung
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von Raum und Zeit beziehen. Das ist auch gar nicht notwendig. –
Schau mal die Vögel da! Sie gleiten auf dem Wasser wie mit
Schlittschuhen. Wunderbar!’’
Er sah dem Spiel der Möwen zu, die in Schwärmen am
Wassersaum hin und her trippelten; sie holten sich
die Nahrung, die die Wellen zurückliessen.
Plötzlich erinnerte ich mich, dass es schon spät war. ,,Ich muss
gehen, meine Grossmutter …’’
,,Sie schläft noch.’’
,,Ich mache mir Sorgen.’’
,,Sich Sorgen machen, wie dumm!’’
,,Wieso?’’
,,Ich mache mir nie Sorgen, ich sorge für die Dinge.’’
,,Das ist mir zu hoch, Ami.’’
,,Sorge dich nicht um Dinge, die noch nicht einge- troffen sind
und auch nicht eintreten werden. Geniesse
die Gegenwart. Das Leben ist kurz. Wenn wirklich ein Problem
auftritt, dann sorge für die Lösung! Wäre es
zum Beispiel gut, wenn wir uns jetzt Sorgen machten, dass eine
Riesenwelle kommen und uns wegschwem- men könnte? Es wäre
doch zu schade, diesen Augen- blick jetzt nicht zu geniessen,
diese wundervolle Nacht! Schau den Vögeln zu; sie nehmen das
Futter auf, ohne sich zu sorgen. Merk dir, tausche nie den
Augenblick für etwas ein, das es gar nicht gibt!’’
,,Aber meine Grossmutter gibt es.’’
,,Ja, und das ist überhaupt kein Problem. Dieser Moment aber,
existiert der vielleicht nicht?’’
,,Ich mach mir trotzdem Sorgen…’’
,,Ach, du Erdenbürger, du Erdenbürger’’, seufzte
Ami, ,,okay, lass uns nach deiner Grossmutter schauen.’’ Er nahm
seinen Fernsehapparat und begann an den
Knöpfen zu drehen. Auf dem Bildschirm erschien der
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Weg zu unserem Häuschen. Die Kamera bewegte sich weiter
zwischen Bäumen und Felsen, alles in Farbe und hell erleuchtet
wie am Tage. Wir spazierten durch ein Fenster ins Haus hinein
und sahen meine Gross- mutter schlafend in ihrem Bett. Man
konnte mit diesem unglaublichen Apparat sogar ihr Atmen höre.
,,Sie schläft wie ein Engel’’, meinte Ami lachend.
,,Bist du sicher, dass das hier kein Film ist?’’
,,Nein, Pedrito, das ist live. Gehen wir doch ins Ess- zimmer.’’
Die Kamera drang durch die Wand des
Schlafzimmers, und wir standen im Esszimmer. Auf dem Tisch
mit dem grosskarierten Tischtuch stand an meinem Platz ein
Teller, über den ein zweiter gestülpt
war.
,,Schaut benah wie mein Raumschiff aus’’, meinte Ami witzig.
,,Lass sehen, was es zum Abendessen gibt.’’
Er hantierte an seinem Fernseher, und plötzlich wurde der
obere Teller durchsichtig wie Glas. Da lag ein Steak mit Pommes
frites und Tomatensalat.
,,Uahh!!’’ rief Ami entsetzt aus, ,,wie könnt ihr Lei- chen
essen?’’
,,Leichen?’’
,,Tierleichen! Tote Kühe, ein Stück von einer toten Kuh!!’’
So wie Ami das sagte, klang es auch für mich
ekelerregend.
Ich versuchte abzulenken und fragte ihn: ,,Wie funktioniert das
alles eigentlich? Wo ist die Kamera?’’
,,Ich brauche keine Kamera. Dieser Apparat hier
visiert, nimmt auf, filtert, wählt aus, verstärkt und proji- ziert …,
du siehst, alles höchst einfach!’’ Anscheinend machte er sich über
mich lustig.
,,Wieso ist es Tag hier, wo es doch Nacht ist?’’
,,Es gibt ein Licht, das deine Augen nicht sehen
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können. Dieser Apparat hier kann es.’’
,,Kompliziert!’’
,,Überhaupt nicht. Dieses Ding hier habe ich selbst gebaut.’’
,,Du hast es selbst…?’’
,,Ist schon etwas altmodisch, aber ich hänge nun mal dran. Es
ist ein Andenken, eine Arbeit aus der
Grundschule.’’
,,Seid ihr denn alle Genies??’’
,,Überhaupt nicht. – Kannst du multiplizieren?’’
,,Klar’’, antwortete ich.
,,Dann bist du ein Genie für einen, der das nicht kann. Weißt
du, es ist alles eine Frage des Entwick-
lungsstandes. Ein Transistorradio zum Beispiel ist für einen
Wilden im Urwald ein Wunder.’’
,,Da hast du recht. Glaubst du, dass wir hier auf der
Erde eines Tages auch solche Erfindungen machen werden?’’
Da wurde er zum ersten Mal ernst. Er sah mich an
mit einem Blick, in dem so etwas wie Trauer lag. ,,Ich weiss es
nicht’’ , sagte er leise.
,,Wieso weisst du das nicht? Du weisst doch sonst alles.’’
,,Nicht alles . . . Die Zukunft kennt niemand,
glücklicherweise.’’
,,Warum sagst du: glücklicherweise?’’
,,Stell dir das mal vor! Das Leben hätte doch gar keinen Sinn,
wenn man die Zukunft schon kennen würde. Möchtest du zum
Beispiel schon im vorhinein den Ausgang des Filmes sehen, den
du dir anschauen willst?’’
,,Natürlich nicht, dann wäre ja alle Spannung weg.’’
,,Oder kannst du über einen Witz lachen, den du
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schon kennst?’’
,,Kaum, das wäre doch langweilig.’’
,,Möchtest du vorher schon wissen, was du zum Geburtstag
bekommst?’’
,,Das noch weniger!’’
Es gefiel mir, wie er mir die Dinge mit anschauli- chen
Beispielen klarmachte.
,,Ja, das Leben verlöre vollkommen seinen Sinn, wenn man die
Zukunft kennen würde. Man kann be- stenfalls Möglichkeiten
abschätzen.’’
,,Wie?’’
,,Man kann zum Beispiel Möglichkeiten überden- ken, die die
Erde noch hat, um sich zu retten.’’
,,Zu retten, wovor?’’
,,Was heisst, wovor? Hast du noch nie was von der Vergiftung
der Erde gehört, von Kriegen und Bomben?
,,Ja doch. Willst du damit sagen, dass wir hier auch in Gefahr
sind, uns selbst zu zerstören? Wie in den Welten der Bösen?’’
,,Es gibt viele Möglichkeiten. Pass auf: Wissen- schaft und
Liebe müssen gleich stark sein, wenn alles
gut sein soll. Bei euch aber neigt sich die Waagschale der
Wissenschaft ganz mächtig nach unten. Das ist der
Punkt! Millionen von Zivilisationen wie eure hier haben sich
selbst zerstört. Ihr seid am Wendepunkt, an einem sehr
gefährlichen!’’
Langsam bekam ich es mit der Angst. Ich hatte bisher nicht
wirklich an die Möglichkeit eines dritten Weltkrieges oder
anderer Katastrophen geglaubt. So
blieb ich eine Zeitland in Gedanken versunken. Dann kam mir auf
einmal eine wunderbare Idee: ,,Tut ihr
doch etwas!’’
33
,,Und was zum Beispiel?’’
,,Ich weiss nicht. Vielleicht mit tausend Raumschif- fen landen
und den Präsidenten aller Länder sagen, dass sie Schluss mit den
Kriegen machen sollen … ir- gend so was.’’
Ami lächelte. ,,Wenn wir das täten, gäbe es erstens Tausende
von Herzinfarkten. Alle Welt glaubt doch an
diese Weltraumfilme mit den blutrünstigen Invasoren! Dabei
können wir so unmenschlich gar nicht sein! Und zweitens: Wenn
wir euch zum Beispiel sagten: >>Wan-
delt eure Waffen in Werkzeuge um!<<, dann würdet ihr denken:
das ist wieder so ein raffinierter Plan der Ausserirdischen, um
euch zu schwächen und dann den
ganzen Planeten zu beherrschen! Nehmen wir drittens einmal an,
ihr kämt eines Tages wirklich so weit zu erkennen, dass wir ganz
harmlos sind, dann würdet ihr
trotzdem eure Waffen nicht aus der Hand legen.’’
,,Und warum nicht?’’
,,Weil jedes Land Angst vor dem anderen hätte. Wer wagte es
schon, sich als erster zu entwaffnen?
Niemand!’’
,,Aber man muss doch Vertrauen haben.’’
,,Kinder haben vielleicht Vertrauen, Erwachsene nicht. Und die
Präsidenten der Länder am allerwenig-
sten! Das nicht mal ohne Grund! Einige von ihnen
haben wirklich Lust, die anderen zu unterwerfen!’’
Nun war ich wirklich tief beunruhigt. Ich sann über eine
Lösung nach, die den Krieg und die mögliche Vernichtung der
Menschheit verhindern könnte. Schliesslich schien es mir noch
am besten, dass die Ausserirdischen mit Gewalt die Macht an sich
reissen, die Bomben zerstören und uns zwingen sollten, in
Frieden zu leben. Das sagte ich ihm. Nachdem er aus- giebig
darüber gelacht hatte, meinte er, ich könne es
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einfach nicht lassen, wie ein Erdenbürger zu denken.
,,Warum?’’
,,Gewalt, zerstören, zwingen! Das ist die Sprache der
Erdenbürger! Wir nennen so etwas unzivilisiert,
aggressiv! Die menschliche Freiheit ist etwas Heiliges, die eigene
wie die des anderen. Zwang gibt es in unse- ren Welten nicht.
Jedes Individuum ist wervoll und
wird respektiert. Die Macht an sich reissen und etwas zerstören ist
Gewaltanwendung. Das wäre eine Verlet- zung des universalen
Gesetzes!’’
,,Führt ihr denn keine Kriege?’’ Noch ehe die Frage ganz
heraus war, wusste ich schon, wie dumm sie war.
Er sah mich liebevoll an und legte mir die Hand auf
die Schulter. ,,Wir führen keine Kriege, weil wir an Gott
glauben.’’
Diese Antwort überraschte mich sehr. Ich glaubte
auch an Gott, aber in letzter Zeit schien es eher so, als wenn nur
noch die Patres meiner Schule an ihn glaub- ten und noch ein paar
Leute, die keine allzu grosse Bildung haben. Ich dachte an meine
Onkel, der Atomphysik an der Universität lehrt; er sagt immer,
dass die Intelligenz Gott umgebracht habe.
,,Dein Onkel ist ein Dummkopf.’’ Ami hatte meine Gedanke
aufgefangen!
,,Das stimmt nicht’’, empörte ich mich; ,,mein
Onkel ist einer der intelligentesten Männer des Landes!’’
,,Er ist ein Dummkopf’’, beharrte Ami. ,,Kann denn
ein Apfel einen Apfelbaum umbringen. Kann eine Welle das
Meer umbringen?’’
,,Ich dachte mir …’’
,,Du bist im Irrtum. Gott existiert.’’
Ich begann über Gott nachzudenken, etwas schuldbe- wusst,
weil ich an seiner Existenz gezweifelt hatte.
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,,Hör auf! Lass den weissen Bart und das wallende Gewand
weg!’’
Ami lachte; er hatte mitbekommen, wie ich mir Gott vorstellte.
,,Ja, hat er denn keinen Bart? Rasiert er
sich etwa?’’ Mein Freund amüsierte sich köstlich über meine
Verwirrung. Dann wurde er ernst: ,,Dein Gott entspricht zu sehr
euren irdischen Vorstellung.’’
,,Und warum?’’
,,Weil ihr nicht anders könnt, als ihn euch wie einen Irdischen
Menschen vorzustellen.’’
Wollte Ami mir vielleicht sagen, dass die Ausserirdi- schen
nicht wie menschliche Wesen aussahen? ,,Aber du hast doch
gesagt, dass die menschlichen Wesen
anderer Welten nicht fremdartig oder wie Monster aus- sehen. Du
selbst siehst doch auch wie ein Erdenbürger aus.’’
Ami nahm lächelnd ein Stöckchen vom Boden auf und
zeichnete eine menschliche Figur in den Sand.
,,Das menschliche Modell ist universell: Kopf, Rumpf,
Arme und Beine. Natürlich gibt es in jeder Welt kleine
Abweichungen wie Grüsse, Farbe der Haut, Form der Ohren,
eben kleine Unterschiede. Ich sehe wie ein Erdenbürger aus, weil
die Menschen meiner Welt ge- nauso aussehen wie die Kinder
hier auf der Erde. Aber Gott hat keine menschliche Form. –
Komm, lass uns etwas gehen.’’
Wir nahmen den Pfad, der zum Dorfe führte. Ami legte seinen
Arm um meine Schulter, und ich fühlte, dass er mein Bruder war,
der Bruder, den ich mir immer gewünscht hatte. Ein paar
Nachtvögel krächzten in der Ferne. Ami schien das alles zu
geniessen. Tief atmete er die Meeresluft ein und sagte: ,,Gott hat
kein menschli- ches Aussehen.’’ Sein Gesicht schien in der Nacht
zu leuchten, als er vom Schöpfer sprach. ,,Er hat über-
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haupt keine Form, er ist keine Person wie du und ich, er ist etwas
Unendliches, reine Energie, reine Liebe…’’
,,Ah.’’ Er sagte das so schön, dass auch ich gerührt war.
,,Deshalb ist das Universum schön und gut, es ist wunderbar!’’
Ich dachte an die Bewohner der primitiven Welten,
die er erwähnt hatte, und auch an die bösen Menschen auf diesem
Planeten.
,,Und die Bösen?’’
,,Eines Tages werden auch sie gut sein.’’
,,Aber wäre es nicht viel besser, wenn sie schon von Anfang an
gut geboren worden wären, dann gäbe
es doch nirgends etwas Böses?’’
,,Wenn man das Böse nicht kennt, wie will man dann das Gute
geniessen? Wie kann man es schätzen?’’
fragte Ami.
,,Das versteh ich nicht.’’
,,Findest du es nicht wunderbar, sehen zu können, dein
Augenlicht zu haben? ’’
,,Ich weiss nicht. Darüber hab ich nie gedacht. Wahrscheinlich
schon.’’
,,Wenn du blind geboren wärest und auf einmal
sehen könntest, wäre es für dich doch ein Wunder, sehen zu
können.’’
,,Doch, ja.’’
,,Wenn jemand ein hartes Leben der Gewalt gelebt hat und
dann lernt, ein menschlicheres Leben zu füh- ren, dann schätzt er
das so hoch ein wie niemand ausser ihm. Wenn es keine Nacht
gäbe, könnten wir keinen Sonnenaufgang geniessen.’’
Wir schritten auf dem mondbeschienenen Wege, der von
Bäumen eingesäumt war, voran und erreichten
unser Haus. Ich schlüpfte rasch hinein und kehrte mit
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einem Pullover zu Ami zurück. Dann setzten wir unse- ren
Spaziergang fort. Während wir uns unterhielten, beobachtete
Ami alles, was ihm in den Blick fiel. Wir waren noch ein Stück
vom eigentlichen Dorf entfernt, es gab noch keine
Strassenbeleuchtung.
,,merkst du eigentlich, was du tust?’’ fragte Ami.
,,Nein, warum?’’
,,Du gehst, du kannst gehen!’’
,,Ja, natürlich. Ist da was Besonderes dran?’’
,,Wenn Menschen gehbehindert waren und dann nach Monaten
oder Jahren des Übens endlich wieder
gehen können, dann ist das für sie etwas Wunderba-
res, und sie sind dankbar dafür und geniessen es. Du hingegen
gehst einfach so dahin und denkst dir nichts
dabei!!’’ Ami sah mich bekümmert an.
,,Hast recht, Ami’’, tröstete ich ihn, ,,aber ich muss heute so
viele Dinge von dir lernen.
38
4. Kapitel
Die Polizei
Wir erreichten die ersten Strassenlaternen etwa eine Stunde vor
Mitternacht. Es war für mich schon etwas abenteuerlich, ohne
meine Grossmutter so spät noch durch die Strassen des Dorfes zu
gehen, aber an Amis Seite fühlte ich mich vollkommen sicher.
Wir schritten ruhig vor uns hin. Von Zeit zu Zeit blieb mein
Freund stehen, um irgend etwas zu bewun-
dern: den Mond, der durch die Eukalyptusblätter lugte, dann ein
besonders hübsches Häuschen, eine Weg- biegung oder ein
malerisches Eckchen; er machte
mich auf das Rauschen der fernen Brandung aufmerk- sam, auf
das Quaken der Frösche und das Zirpen der Nachtgrillen. Tief sog
er das Aroma der Nadelbäume,
der Baumrinden und den Duft der Erde in sich ein.
Er geriet ins Schwärmen: ,,Wie schön das alles ist! Schau die
Laterne! Wie ihr Licht auf diese Kletter- pflanze fällt, das müsste
man malen! Schau, wie die Antennen sich von dem
Sternenhimmel abheben! Ge- niesse es, Pedrito, ganz
unbeschwert, das ist der Sinn des Lebens! Sei aufmerksam!
Versuche, ganz in dich aufzunehmen, was das Leben dir bietet.
Du kannst es nur mit dem Gefühl, nicht mit dem Verstand! Den
tiefen Sinn des Lebens findest du jenseits des Denkens! - weisst
du, Pedrito, das Leben ist ein Märchen, das Wirklichkeit wurde,
ein wunderbares Geschenk, das Gott dir gibt. – Gott liebt dich,
Pedrito!!’’
Amis Worte öffneten mir das Tor zu einer völlig
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neuen Welt, die kaum noch Ähnlichkeit hatte mit mei- ner alten,
alltäglichen Welt, auf die ich so wenig geach- tet hatte. Ich begriff
plötzlich, dass ich in einem Para- dies lebte, ohne es zu wissen!
Unterdessen hatten wir den Dorfplatz erreicht. Einige junge
Burschen und Mädchen standen im Ein- gang einer Diskothek
herum, andere unterhielten sich auf der Strasse. Es war ziemlich
ruhig, die Saison ging ja schon zu Ende. Trotz Amis Aufmachung
achtete niemand auf uns, vielleicht dachten sie auch, er hätte sich
zum Karneval verkleidet. Ich stellte mir vor, was passieren würde,
wenn sie wüssten, was für ein sonder- bares Wesen da über den
Platz spazierte. Man würde sich sofort um uns drängen,
Journalisten rückten an und das Fernsehen…
,,Nein, danke’’, sagte Ami, als er meine Gedanken auffing,
,,ich möchte nicht gekreuzigt werden.’’
Ich starrte ihn mit offenem Munde an.
,,Erstens würden sie es sowieso nicht glauben,
und wenn sie es schliesslich doch glaubten, würden sie mich erst
mal verhaften, weil ich ja illegal gelandet bin. Dann würden sie
vermuten, dass ich ein Spion sei, und mich vielleicht sogar
foltern, um an Informationen her- anzukommen. Zum guten
Schluss kämen dann währ- scheinlich noch die Ärzte, um in
meinen Körper hineinzuschauen.’’
Obwohl Ami eine so schwarze Zukunft malte, lachte er.
Wir suchten uns jetzt ein ruhiges Plätzchen und
setzten uns dort auf eine Bank. Ich dachte mir, die
Ausserirdischen sollten sich ruhig nach und nach etwas mehr
zeigen, damit sich die Leute an sie ge- wöhnten; eines Tages
könnten die Sternbewohner dann ja ganz öffentlich auftreten.
,,Ja, so ungefähr machen wir es ja nun’’, bestätigte Ami. ,,Aber
uns öffentlich zeigen! Hast du die drei Gründe vergessen, warum
das nicht möglich ist? Jetzt sage ich dir noch einen, den
Hauptgrund: es wäre gegen die Gesetze!’’
,,Welche Gesetze?’’
,,Die Gesetze des Universums. Pass auf: in deiner Welt gibt es
Gesetze, stimmt’s? In den zivilisierten Wel-
ten gibt es auch Gestze, sagen wir, allgemeine
Grundsätze, die von allen respektiert werden müssen. Einer von
ihnen heisst: Greife nie in die Entwicklungs-
prozesse der unzivilisierten Welten ein!’’
,,Unzivilisiert??’’
,,Wir nennen jene Welten unzivilisiert, die die drei
Grundbedingungen noch nicht erfüllen.’’
,,WelcheGrundbedingungen?’’
,,Die drei Grundbedingungen aller zivilisierten Welten! Sie
lauten erstens: Das Grundgesetz des Uni- versums muss bekannt
sein; aus der Kenntnis und An- wendung dieses Gestzes ergeben
sich die beiden anderen Bedingungen von selbst. Zweitens muss
eine zivilisierte Welt eine Einheit sein, die unter einer einzi- gen
Weltregierung steht, und drittens muss diese zivili- sierte Welt
ihre Verfassung auf dem Grundgesetz des Universums
aufbauen.’’
,,Also ehrlich, davon hab ich nicht allzu viel ver standen. Was
ist das für ein Grundgesetz, wie heisst
es?’’
,,Siehst du, du kennst es nicht’’, lachte er spöttisch,
,,du bist nicht zivilisiert!’’
,,Aber ich bin doch nur ein Kind’’, protestierte ich,
,,die Erwachsenen kennen das Gesetz bestimmt, un- sere
Wissenschaftler und Präsidenten …’’
Jetzt musste Ami noch viel mehr lachen: ,,Die Er-
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wachsenen, die Wissenschaftler, die Präsidenten! Die nun schon
am wenigsten! Mit ganz wenigen Ausnah- men …’’
,,Wie heisst dieses Gesetz?’’
,,Ich werde es dir später mal sagen …’’
,,Wirklich?’’ Ich fand es toll, dass ich bald etwas erfahren
würde, was offensichtlich kaum einer von uns
Menschen wusste.
,,…wenn du ganz brav bist.’’ Mein Freund machte sich schon
wieder über mich lustig.
Wir schwiegen eine Weile. Ich dachte über das Verbot nach, in
die Geschehnisse unzivilisierter Wel- ten einzugreifen. Plötzlich
ging mir ein Licht auf:
,,Dann tust du also etwas, was gegen das Gesetz ist?’’
,,Bravo, du hast es erfasst!’’
,,Na klar, erst sagst du, dass es verboten sei einzu- greifen, und
dann redest du trotzdem mit mir!’’
Ami lächelte. ,,Ja und nein. Das, was ich tue, greift
nicht in die Entwicklung der Erde ein, ich zeige mich nicht offen
und nehme keine Verbindung mit der gro-
ssen Masse der Menschheit auf, denn das wäre gegen das Gesetz.
Das, was ich tue, ist nur ein Teil unseres Nothilfeprogramms.’’
,,Wie bitte? – Das musst du mir näher erklären.’’
,,Weißt du, das ist etwas kompliziert. Alles kann man nicht
erklären, du würdest es doch nicht verste-
hen. Später mal vielleicht. Fürs erste sage ich dir nur soviel: das
Nothilfeprogramm ist so was wie eine Medi- zin, die wir ganz,
ganz vorsichtig und feindosiert
verabreichen.’’
,,Was für eine Medizin?’’
,,Information.’’
,,Information? Was für eine Information?’’
,,Hör zu: Nach der Explosion der ersten Atom-
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bombe begannen unsere Raumschiffe, sich hier und
da zu zeigen. Ihr solltet merken, dass ihr nicht die einzi- gen im
weiten Universum seid. Das ist Information! Mit der Zeit dann
konntet ihr immer mehr Raumschiffe sichten, das ist noch mehr
Information! Irgendwann einmal werden wir uns von euch sogar
fotografieren lassen! Gleichzeitig dazu stellen wir mit einigen
Men- schen direkte Kontakte her wie zum Beispiel mit dir, auch
senden wir Nachrichten auf den Mentalfrequen- zen. Diese
Frequenzen verhalten sich in der Luft wie Radiowellen. Sie
wenden sich an alle Menschen:
Einige haben ihren Sender auf Aufnahme gestellt und empfangen
diese Schwingungen, andere nicht. Von
denen, die unsere Nachrichten aufnehmen, glauben die einen, es
handele sich um ihre ureigenen Ideen, andere denken, dass es
göttliche Eingebungen seien,
und wieder andere kommen dahinter, dass wir es sind, die sie
ausgesandt haben. Es gibt dann welche, die geben diese
Nachrichten ziemlich verdreht wieder,
bunt vermischt mit ihren eigenen Ideen und Überzeu- gungen,
andere drücken sie sehr präzise aus.’’
,,Und wann werdet ihr vor allen Menschen erscheinen?’’
,,Wenn Ihr euch bis dahin nicht selbst zerstört
habt und wenn ihr die drei Grundbedingungen erfüllt. Vorher auf
keinen Fall!’’
,,Ich finde das trotzdem ganz schön egoistisch von euch, dass
ihr nicht eingreift und diese Zerstörung ver- meidet’’, sagte ich
etwas erbost.
Ami lächelte und sah zu den Sternen hinauf.
,,Unser Respekt vor eurer Freiheit geht so weit, dass wir euch dem
Schicksal überlassen müssen, das ihr ver- dient. Entwicklung ist
etwas sehr Heikles. Man kann da nicht einfach eingreifen. Man
kann nur empfehlen,
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ganz sanft, über besondere Menschen wie du.’’
,,Wie ich?? – Was ist denn an mir Besonderes?’’
,,Das sage ich dir vielleicht auch später mal. Im Augenblick
genügt es, dass du gewisse Bedingungen
erfüllst . . . he, das müssen nicht unbedingt Tugenden sein!! –
Pedrito, ich werde dich bald verlassen. Möch- test du mich wieder
sehen?’’
Mein Herz begann zu klopfen. ,,Aber natürlich! Ich hab dich
doch – liebgewonnen!’’
,,Ich dich auch. Aber wenn du wirklich willst, dass
ich wiederkomme, musst du ein Buch schreiben, in dem du alles
erzählst, was wir miteinander erlebt haben. Deshalb bin ich
nämlich gekommen, das ist ein Teil unseres Nothilfeprogramms.
Willst du?’’
,,Ich soll ein Buch schreiben? Aber das kann ich doch gar
nicht!’’
,,Schreibe es einfach als eine Geschichte für Kin- der, als wär
das alles Phantasie. Wende dich an die Kinder; sie werden nicht
glauben, dass du lügst oder
verrückt bist. Übrigens kannst du noch deinen Vetter, der so gerne
schreibt, um Hilfe bitten: Du erzählst ihm
alles, und er schreibt es auf.’’
Anscheinend wusste Ami mehr von mir als ich selbst.
,,Auch diese Buch wird eine Information sein,
mehr dürfen wir nicht tun. – Sag, Pedrito, fürchtest du immer
noch, dass böse Wesen einer fortgeschrittenen
Zivilisation eines Tages kommen und die Erde
überfallen?’’
Ich musste lachen.
,,Na, siehst du! Aber ihr’’, – Ami blickte mich ein- dringlich an
– ,,wenn ihr eure Bosheit nicht überwin- den könntet – nimm an,
wir würden euch helfen zu überleben! – dann würdet ihr nichts
anderes mehr im
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Kopfe haben, als andere Zivilisation zu erobern, zu beherrschen
und auszubeuten! Das zivilisierte Univer- sum ist aber ein Ort der
Liebe, der Brüderlichkeit! – Dann ist da noch etwas: Es gibt im
Weltraum noch viele andere ungeheuer starke Energien – die
Atomenergie würde sich dagegen ausnehmen wie eine
Streichholz- flamme neben der Sonne. Wir können es einfach
nicht erlauben, dass eine gewalttätige Menschenrasse den Frieden
der zivilisierten Welten in Gefahr bringt, und noch viel weniger,
dass sie eine kosmische Katastrophe heraufbeschwört!’’
,,Ich bin beunruhigt, Ami’’, druckste ich.
,,Wegen der Gefahr einer kosmischen Katastrophe?’’
,,Nein, weil ich fürchte, dass es schon sehr spät ist.’’
,,Zu spät, um die Menschheit zu retten, Pedrito?’’
,,Nein, zu spät, um schlafen zu gehen …’’
Ami bog sich vor Lachen. ,,Beruhige dich, Pedrito, wir werden
nach deiner Grossmutter schauen. ‚’ Er be- nutzte wieder den
kleinen Fernseher aus seinem Gür- tel. Meine Grossmutter schlief
mit offenem Munde.
,,Sie geniesst ihren Schlaft wirklich’’, witzelte Ami.
,,Ich bin müde und schläfrig’’, gähnte ich, ,,ich möchte auch
schlafen gehen.’’
,,Gut, gehen wir.’’
Wir waren auf dem Weg zu unserem Haus, als uns ein
Polizeiauto entgegenkam. Für die Polizisten war
der Fall klar: zwei Kinder spät nachts allein auf der Strasse! Sie
hielten den Wagen an, stiegen aus und schritten auf uns zu. Mir
schlotterten die Knie. ,,Was
treibt Ihr den hier um diese Zeit?’’
,,Wir gehen spazieren und geniessen das Leben’’, sagte Ami
betont ruhig, ,,und ihr, was treibt ihr? Arbei- ten? Jagd auf
Schurken machen?’’, und er lachte wie immer. Ich hielt den Atem
an, als ich hörte, wie Ami mit
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den Polizisten umsprang. Aber die fanden das Verhal- ten meines
Freundes seltsamerweise ungeheuer lu- stig. Sie lachten mit ihm
um die Wette. Ich versuchte mitzulachen, aber ich war zu nervös
dazu.
,,Wo hast du denn diesen Anzug her?’’
,,Von meinem Planeten’’, antwortete Ami keck.
,,Ah, du bist wohl ein Marsmensch!’’
,,Nicht gerade das, aber ein Ausserirdischer bin ich allemal.’’
Ami gab sich heiter, fast ausgelassen, ich dagegen wurde immer
zappliger.
,,Und wo hast du deine Ufo gelassen?’’ fragte einer der
Beamten und sah Ami väterlich an, Er glaubte offensichtlich, das
sich mein Freund ein kindliches
Spiel mit ihm erlaubte; er konnte nicht ahnen, dass Ami ganz
einfach die Wahrheit sagte.
,,Das habe ich am Strand geparkt, unten am Meer,
nicht wahr, Pedrito?’’
Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ich lächelte nur
und machte ein ziemlich dummes Gesicht
dazu. Ich hatte nicht den Mut, einfach ja zu sagen.
,,Und hast du keine Pistole, die Strahlen schiesst?’’ Die
Polizisten genossen den Spass, Ami auch. Nur ich war völlig
verwirrt und aufgeschreckt.
,,Die brauche ich nicht, wir greifen niemanden an, wir sind
gut!’’
,,Und was tust du, wenn dir plötzlich ein Schurke
mit einer Pistole wie dieser gegenübersteht?’’ Der Poli- zist tat so,
als ob er ihn mit einer Waffe bedrohte.
,,Wenn er mich angreift, dann setze ich ihn mit
meiner Gedankekraft ausser Gefecht.’’
,,Na, das will ich sehen. Los, setz mich ausser Gefecht!’’
,,Sehr gerne, aber – das wird zehn Minuten anhalten!’’
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Die drei lachten fröhlich. Auf einmal wurde Ami still, fasste die
Männer ins Auge und sagte in einem sehr eigenartigen befehlenden
Ton: ,,Bleibt unbeweglich
für zehn Minuten, ihr könnt – ihr könnt euch nicht bewegen –
jetzt!’’
Die beiden standen plötzlich da wie gelähmt, in
der Haltung, die sie gerade eingenommen hatten; sie lächelten
sogar!
..Siehst du, Pedrito, so kann man die Wahrheit
sagen, als ob es ein Spiel wäre oder Phantasie’’, er- klärte er mir,
während er die Nasen seiner Opfer an-
fasste und ihre Schnurrbärte bewegte. Das Lächeln der
Polizisten wirkte unter diesen Umständen schon fast tragisch!
Ich aber geriet regelrecht in Panik. ,,Mensch,
nichts wie weg hier! Wenn die aufwachen . . .!’’ wollte ich rufen,
aber es kam nur ein heiseres Flüstern aus
meiner Kehle.
,,Mach dir doch keine Sorgen, Pedrito, zehn Minu- ten sind eine
Ewigkeit!’’ Ami hatte noch immer nicht
genug: er gab den Dienstmützen einen Stoss, dass sie auf die Seite
rutschten. Ich wäre am liebsten im Boden
versunken. ,,Los, Ami, lass uns abhauen!!’’
Ami zuckte die Achseln. ,,Jetzt bist du schon wie- der besorgt,
anstatt den Augenblick zu geniessen, aber
– gehen wir eben’’, meinte er resigniert. Er näherte
sich noch einmal den lächelnden Polizisten und befahl ihnen mit
derselben Stimme wie vorher: ,,Wenn ihr auf, werdet ihr für immer
diese beiden Kinder vergessen haben.’’
Wir entfernten uns rasch, bogen an der nächsten Strassenecke
zum Strand ein und gewannen immer mehr Abstand. Mir fiel ein
Stein vom Herzen.
,,Wie hast du das gemacht, Ami?’’
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,,Hypnose! – Das kann jeder!’’
,,Ich hab mal gehört, dass sich nicht jeder hypnoti- sieren lässt;
die beiden hätten ja auch von dieser Sorte sein können.’’
,,Es ist nicht nur so, dass man alle Menschen hyp- notisieren
kann, sondern so: alle Menschen sind hypnotisiert!’’
,,Was willst du damit sagen? Ich zum Beispiel bin nicht
hypnotisiert, ich bin hellwach.’’
Ami lachte über meine Beteuerungen. ,,Erinnerst
du dich, wie es war, als wir den Weg hier herauf- kamen?’’
,,Ja, ich erinnere mich.’’
,,Alles erschien dir anders, alles war schön.’’
,,Oh ja, ich war wie hypnotisiert. Hast du das etwa gemacht?’’
,,Nein, da warst du hellwach, jetzt schläfst du wie- der! Und
zwar ganz fest! Du glaubst, dass das Leben wertlos ist, dass alles
gefährlich ist, weil du wieder
hypnotisiert bist! Du hörst das Meer nicht mehr, du riechst die
Düfte der Nacht nicht mehr, du bist dir
nicht bewusst, dass du gehen und sehen kannst, du spürst deine
Atmung nicht, du bist hypnotisiert, und
zwar negativ! So wie die Leute, die glauben, dass der Krieg
irgendeinen glorreichen Sinn hat, oder wie sol- che, die alle für
ihre Feinde halten, die bei ihrer Hyp-
nose nicht mitmachen, oder wie andere, die der Mei- nung sind,
dass die Art der Kleidung ihrer Person ir- gendeinen besonderen
Wert verleihe. Das alles ist
Hypnose, sie sind alle hypnotisiert, sie schlafen alle! Aber jedes
Mal, wenn jemand spürt, dass das Leben
oder auch nur ein einziger Augenblick im Leben herr-
lich ist, dann fängt er an aufzuwachen. Ein Mensch, der erwacht
ist, weiss, dass das Leben ein herrliches Para-
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dies ist, und geniesst es jeden Augenblick. – Aber so viel kann
man von einer unzivilisierten Welt wohl nicht verlangen! Wenn
ich daran denke, dass es sogar Leute gibt, die sich umbringen!
Stell dir vor, wie kriminell! Sie bringen sich um!!’’
,,Wenn du das so sagst’’, meinte ich nachdenklich,
,,dann gebe ich dir recht. – Aber sag mal, wie kam das eigentlich,
dass die beiden Polizisten sich über deine
Spässe nicht ärgerten?
,,Weil ich an ihre gute Seite appelliert habe, an ihre kindliche
Seite.’’
,,Aber es sind Polizisten!’’
Ami sah mich an, als hätte ich etwas Dummes gesagt. ,,Schau,
Pedro, alle Menschen haben eine gute
Seite, eine kindliche. Beinahe niemand ist vollkommen
schlecht. Wenn du willst, gehen wir in ein Gefängnis und suchen
uns den ärgsten Verbrecher…’’
,, Nein, nein, vielen Dank!’’
,,Alle Menschen sind mehr gut als schlecht, sogar hier auf
deinem Planeten. Alle glauben sie, dass sie dass
Richtige tun, manche irren sich aber. Das ist nicht Bosheit,
sondern Irrtum! Nur wenn sie schlafen, wer- den sie dumpf und
gefährlich. Aber wenn du an ihre
gute Seite rührst, geben sie dir das Gute in ihnen zurück,
appellierst du an ihre schlechte Seite, antwor- ten sie mit ihrem
Schlechten. Aber die meisten von
ihnen spielen gern.’’
,,Warum ist es denn so, dass es auf dieser Welt mehr Unglück
als Glück gibt?’’
,,Das liegt an den alten Systemen, nicht an den Menschen! Die
meisten Menschen haben sich längst
weiterentwickelt, doch eure Organisationssysteme
sind zurückgeblieben. Falsche Systeme schaden den Menschen,
dadurch werden sie unglücklich und bege-
49
hen Irrtümer. Ein gutes System der Weltorganisation könnte die
Bösen ganz leicht in Gute verwandeln.’’
Es klang wunderbar, was Ami sagte, aber ehrlich gesagt, ich
verstand nicht allzu viel von seinen Worten.
50
5. Kapitel
Von den Ausserirdischen entführt!
,,Hier sind wir schon bei deinem Haus. Gehst du jetzt
schlafen?’’
,,Ja, ich bin schrecklich müde, ich kann einfach nicht mehr.
Und du, was wirst du machen?’’
,,Ich geh zu meinem Raumschiff und werde eine
Runde zu den Sternen drehen. Eigentlich wollte ich dich einladen,
aber wenn du zu müde bist …?’’
,,Aber keine Spur! Im Ernst, würdest du mich auf
eine Runde mitnehmen in deinem Ufo?’’
,,Natürlich. Und deine Grossmutter?’’
Die phantastische Möglichkeit, in einer Fliegen- den
Untertasse spazieren zufahren, hatte meine Mü-
digkeit weggeblasen. Ich fühlte mich plötzlich frisch
und unternehmungslustig. Mir fiel auch sofort ein Plan ein, wie
ich wegbleiben könnte, ohne vermisst zu wer-
den.,, Ich werde das Abendbrot aufessen und den lee- ren Teller
auf dem Tisch stehen lassen. Dann stopfe ich mein Kopfkissen
unter die Bettdecke, und wenn
meine Grossmutter aufsteht, wird sie glauben, dass ich zu Hause
bin. Ich werde mir auch was anderes anzie- hen. Wenn ich ganz
leise bin, wird sie mich nicht
hören.’’
,,Wunderbar. Wir werden zurück sein, ehe sie auf- wacht;
mach dir keine Sorgen.’’
Es verlief alles nach Plan; nur als ich das Steak essen wollte,
ekelte ich mich derart, dass es mir fast im Halse stecken geblieben
wäre! Ein paar Minuten später
51
gingen wir zum Strand hinunter.
,,Wie komme ich in das Raumschiff rein?’’
,,Ich werde hinausschwimmen und es an den Strand bugsieren.’’
,,Ist das Wasser nicht’n bisschen kalt für dich?’’ fragte ich.
,,Keine Angst! Dieser Anzug hält mehr Hitze und Kälte aus, als
du dir vorstellen kannst. – Gut, ich
werde das Raumschiff jetzt holen. Wart hier auf mich, und wenn
ich komme – hörst du? – brauchst du dich
nicht zu fürchten!’’
,,Oh, nein, ich hab keine Angst mehr vor euch
Ausserirdischen!’’ Ich lächelte über seine überflüssige
Empfehlung.
Ami marschierte auf die seichten Wellen zu, direkt ins Meer
hinein, und begann dann zu schwimmen.
Weiter draussen konnte ich ihn im Dunkeln dann nicht mehr sehen,
da sich der Mond hinter ein paar eher finsteren Wolken versteckt
hatte. Zum erstenmal,, seit
Ami in meinem Leben aufgetaucht war, hatte ich Zeit, alleine
nachzudenken. Ami? – Ein Ausserirdischer??
– War es wirklich wahr, oder träumte ich das alles nur? –
Ich wartete ziemlich lange und begann langsam,
unruhig zu werden. So gut fühlte ich mich auch wieder nicht, so
ganz allein am dunklen Strand. Und nun sollte
ich ein Raumschiff kennenlernen! Meine Phantasie gaukelte mir
dunkle Schatten zwischen den Felsen vor, im Sande, dann aus dem
Wasser steigen. –
Wenn Ami nun ein Bösewicht wäre, einer, der sich nur als Kind
verkleidet und mir nette Dinge gesagt hatte,
damit ich ihm vertraute? – Nein, das konnte nicht sein.
Von einem Raumschiff entführt werden!
Auf einmal ereignete sich vor meinen Augen ein
52
furchterregendes Schauspiel. Aus den Tiefen des Meeres begann
ein gelbgrüner Schein langsam em- porzusteigen. Plötzlich
erschien eine Kuppel, die sich mit Lichtern in vielen Farben
drehte. Es war tatsächlich wahr! Ich sah wirklich ein Raumschiff
aus einer ande- ren Welt! Dann konnte man das Riesending sehen,
oval mit heller leuchteten Fenstern. Es strahlte ein silbrig- grünes
Licht aus. So etwas Grossartiges hatte ich nicht erwartet. Ich war
vor schreck wie gelähmt!
Es ist eine Sache, mit einem Kind zu reden – Kind? . . . war das
Liebe und gute vielleicht nur
Maske?? – und eine ganz andere, nachts allein am
dunklen Strand zu stehen und dieses Schiff aus einer anderen
Welt zu sehen, ein Schiff, das sich ausserdem
noch auf dich zu bewegt, um dich weit fortzuführen!
Mit einem Schlage vergass ich das Kind und alles, was es mir
gesagt hatte! Für mich war das Schiff nur noch
eine Höllenmaschine, wer weiss, aus welchem dunklen
Fleck im Raume stammend, voller grausamer Monster- wesen,
die gekommen waren, mich zu entführen!! In
diesem Augenblick schien mir das Ding viel, viel grö- sser als das
Objekt, das ich vor ein paar Stunden in Wasser hatte fallen sehen!
Es kam auf mich zu, etwa drei Meter über dem Wasser
schwebend, es gab keinen Ton von sich. Das war eine
schreckliche Stille! Und es kam unausweich-
lich auf mich zu . . .
Ich kämpfte mit mir, ob ich davonlaufen sollte oder nicht.
Hätte ich diesen Ausserirdischen doch niemals
kennengelernt! Wie gerne hätte ich die Zeit zurückge- dreht, dann
schliefe ich jetzt seelenruhig im Häuschen
bei meiner Grossmutter, beschützt in meinem Bett, ein
ganz normales Kind in einem ganz normalen Leben. Dies hier war
schrecklich. Ich konnte nicht laufen und
konnte es auch nicht lassen,
dieses erleuchtete Monstrum anzustarren, das kam, um mich zu
holen. Vielleicht für einen Weltraumzoo . . . !
Als es über meinem Kopf schwebte, fühlte ich mich
vollkommen verloren. Im
Innern des Schiffes erschien ein gelbes Licht,
und dann wurde ich von dem Strahl eines Scheinwerfers
geblendet. Ich war halbtot vor Angst! Ich empfahl meine Seele
Gott und übergab mich seinem höchsten Willen . . .
Da spürte ich, wie ich Hochgehoben wurde in einer Art von
Aufzug, aber meine Füsse standen auf nichts.
Gottergeben erwartete ich die schrecklichen Wesen
Mit Stachelrochenhäuptern und roten, blutrünstigen Augen . . .
54
Auf einmal fühlten meine Füsse weichen Boden unter sich, und
ich befand mich in einem hellerleuch- teten, mit Tapeten und
Teppichen ausgestatteten Raum. Ami stand vor mir und lächelte
mich mit seinen grossen, lieben Kinderaugen an.
Sein Blick beruhigte mich, holte mich in die Wirk- lichkeit
zurück, in diese wunderbare Wirklichkeit, die
er mich zu sehen gelehrt hatte. Er legte seine Hand auf meine
Schulter und sagte: ,,Ruhig … ruhig …, alles ist in Ordnung.’’
Als ich wieder reden konnte, stammelte ich:
,,Mensch, Ami, hatte ich eine Angst!’’ Dabei lächelte ich etwas
schief.
,,Das tut deine ungezügelte Phantasie’’, meinte
Ami lakonisch, ,,zügellose Phantasie kann einen durch Angst
töten, kann Dämonen schaffen, wo in Wirklich-
keit nur Freunde sind! Aber denk daran, es sind immer nur unsere
eigenen inneren Monster, die Wirklichkeit ist einfach und schön
und unkompliziert.’’
,,Dann bin ich jetzt also wirklich in einem Ufo?’’
,,Na ja – Ufo heisst >>Unidentified Flying Object<<. Dies hier
ist völlig identifiziert! Es ist ein Raumschiff! Aber wir können es
Ufo nennen, wenn du willst; und wenn du unbedingt möchtest,
kannst du mich auch einen Marsmenschen nennen.’’
Wir lachten beide, meine ganze Angst war wie weggeblasen.
,,Komm, komm mit in den Kontrollraum’’, lud mich
Ami ein. Durch eine sehr kleine bogenförmige Tür betraten wir
einen anderen, diesmal halbrunden
Raum, der genau so niedrig wie der erste war und ringsum ovale
Fenster hatte. In der Mitte standen drei
verstellbare Lehnsessel vor einer Unzahl von Kontroll-
instrumenten. Auch einige Bildschirme gab es, bei-
55
nahe in Bodenhöhe. Ich begriff: das alles hier war für Kinder
gemacht, die Stühle und auch die Höhe des Raumes! Kein
Erwachsener hätte hier aufrechte stehen können. Wenn ich den
Arm hochreckte, berührte ich die Decke!
,,Das ist ja ganz phantastisch!’’ rief ich begeistert. Ich lief auf
die Fenster zu, während Ami sich vor die
Kontrollinstrumente setzte. Hinter den Scheiben konnte ich in der
Ferne die Lichter des Dorfes sehen. Ich spürte ein leises Zittern
am Boden, und schon war
das Dorf verschwunden. Jetzt sah ich nur noch Sterne!
,,Ami, was hast du mit dem Dorf gemacht?!’’
,,Schau hinunter’’, antwortete Ami.
Ich fiel beinah in Ohnmacht: Wir waren schon Taus- ende von
Metern über der Bucht! Man konnte alle Dörfer der Umgebung
sehen. Mein Dorf lag da unten, ganz tief unten! Wir waren in
einem einzigen Augen- blick Tausende von Metern gestiegen,
und ich hatte keine Bewegung gespürt!
,,Das ist ja super! Supertoll!’’ Meine Begeisterung wurde
immer grösser, aber auf einmal fühlte ich in dieser Höhe einen
merkwürdigen Schwindel. ,,Ami!’’
,,Ja, was ist?’’
,,Bist du sicher, dass dieses Ding hier bestimmt nicht
runterfällt?’’
,,Na ja, wenn jemand an Bord wäre, der immer
noch zu Lügen zuflucht nähme, dann … dann könnten allerdings
gewisse Mechanismen ausfallen…’’
,,Ach, bitte, dann landen wir besser wieder! Bitte,
Ami, lass uns landen!!’’
Als Ami herzlich lachte, wusste ich, dass das ein Witz gewesen
war.
,,Kann man uns von da unten sehen?’’
,,Wenn dieses Licht hier an wäre, dann schon’’. Er
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zeigte auf ein Oval am Armaturenbrett.
,,Willst du damit sagen, dass wir gesehen werden können?’’
,,Wenn dieses Licht ausgeschaltet ist, wie zum Bei- spiel jetzt,
dann sind wir unsichtbar.’’
,,Unsichtbar?’’
,,Ja, genau wie der Herr hier auf diesem Stuhl’’, und er zeigte
auf den leeren Sitz neben sich. Ich war
verwirrt, bis Amis Lachen mich belehrte, dass er schon
wieder einen Witz gemacht hatte.
,,Wie machst du es, dass sie uns nicht sehen?’’
,,Wenn sich das Rad eines Fahrrades sehr schnell dreht, kann
man die Speichen nicht sehen. Wir ma-
chen es durch die Beschleunigung der Moleküle des
ganzen Schiffes.’’
,,Genial! – Du, Ami, ich hätte eigentlich ganz gern, wenn die
da unten uns sehen könnten.’’
,,Das kann ich nicht tun! Ob unsere Raumschiffe in
den unzivilisierten Welten sichtbar oder unsichtbar sind, wird
durch den nothilfeplan bestimmt, und zwar von einem
gigantischen Computer, der sich im Zen- trum dieser Galaxis
befindet.’’
,,Das verstehe ich nicht.’’
,,Dieses Schiff hier ist wie alle anderen mit dem
Zentralcomputer verbunden, und der beschliesst, ob
wir gesehen werden sollen oder nicht.’’
,,Und wie kann dieser Computer wissen, wann?’’
,,Der Computer weiss alles. – Pedrito, möchtest du an eine
bestimmten Ort reisen?’’
,,Ja, in die Hauptstadt. Ich möchte so gern mein Haus von oben
sehen.’’
,,Gut, gehen wir.’’
Ami bewegte ein paar Kontrollhebel und sagte:
,,Jetzt.’’
58
Ich richtete mich auf eine längere Fahrt ein; ich stand am
Fenster, um sie von dort aus zu geniessen.
Aber wir waren schon da! Hundert Kilometer im Bruch- teil einer
Sekunde!! Ich war ganz hingerissen:
,,Mensch, das ging aber schneller als schnell!!’’
,,Ich habe dir schon gesagt, dass wir normalerweise nicht
reisen, sonder uns situieren; eine Sache der
Koordination. Wir können aber auch reisen.’’ Die nächtliche Stadt
sah von hier oben unbe-
schreiblich schön aus. Ich sah die grossen, leuchten-
den Strassen und fand auch das Viertel, in dem wir wohnten. Ich
bat Ami, dorthin zu gehen. ,,Aber, bitte langsam reisen, ich
möchte die Spazierfahrt geniessen.’’
Die Lichter am Armaturenbrett waren ausgeschal- tet; niemand
konnte uns sehen. Leicht und lautlos be- wegten wir uns zwischen
den Sternen und den Lich-
tern der Stadt. Dann sah ich auf einmal mein Haus; es sah von
oben ganz seltsam aus.
,,Möchtest du wissen, ob drinnen alles in Ordnung
ist?’’
,,Wie bitte?’’
,,Wir können es auf diesem Bildschirm sehen.’’ Vor Ami
erschien auf einem der Bildschirme eine
Strasse, von oben gesehen. Es schien dasselbe System zu sein, mit
dem wir meine schlafende Grossmutter beobachtet hatte, und
doch gab es einen Unter-
schied: hier war das Bild viel plastischer, wie ein Relief. Es
schien, als ob man die Hand durch den Bildschirm strecken und
die Dinge anfassen könnte. Ich versuchte
das zu tun, stiess aber gegen unsichtbares Glas.
Ami lachte mich aus. ,,Alle tun dasselbe!’’
,,Alle? Wer alle?’’
,,Du denkst doch nicht etwa, dass du der erste Unzi- vilisierte
bist, der in einem ausserirdischen Raumschiff
spazierenfährt?’’
,,Doch, das habe ich eigentlich geglaubt’’, sagte ich etwas
enttäuscht.
,,Nun, das stimmt leider nicht.’’
Das Bild der Kamera oder was immer es war schien durch das
Dach ins Haus einzudringen, jeden Winkel abtastend. Alles war in
Ordnung.
,,Warum sieht man auf deinem tragbaren Fernse- her nicht so
gut wie auf diesem Bildschirm?’’
,,Ich habe dir schon gesagt, es ist ein altmodisches
System.’’
Jetzt bat ich Ami, eine Runde über der Stadt zu drehen. Wir
flogen über meine Schule; ich sah den Hof,
den Fussballplatz, die Tore, meinen Klassenraum. Ich musste
schmunzeln, als ich mir vorstellte, dass ich mei- nen Mitschülern
später stolz mein grosses Abenteuer
beschreiben würde: ,,Hört mal her, ich habe unsere Schule von
einem Ufo aus gesehen…!’’
Nachdem wir die ganze Stadt überflogen hatten,
meinte ich: ,,Eigentlich schade, dass es nicht Tag ist.’’
,,Warum?’’
,,Weil ich die Städte und Landschaften gern bei Tage von
deinem Raumschiff aus anschauen möchte,
dann, wenn die Sonne scheint.’’
,,Wie üblich’’, lachte Ami.
,,Warum lachst du?’’
,,Möchtest du so gerne, dass es Tag sein soll?’’
,,Schon. Aber das wirst selbst du nicht schaffen, auch noch den
Stand der Sonne zu verändern! – Oder
doch?’’
,,Nein, die Sonne nicht, aber wir können uns ver- ändern.’’
Er tätigte etwas an seinen Kontrollinstrumenten, und wir
begannen uns sehr schnell zu bewegen. Wir
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59
stiegen die Bergkette der Anden hoch und überquer- ten sie in
etwa drei Sekunden. Dann erschienen meh- rere Städte, die wie
Leuchtpunkte aussahen, so gross war die Höhe, die wir
inzwischen erreicht hatten. Dann befanden wir uns schon über
dem riesigen Atlanti- schen Ozean, der im vollen Mondlicht
schimmerte. Es gab einige Wolkenbänke, die die Sicht etwas
behinder- ten. Am Horizont wurde der Himmel langsam heller,
wir bewegten uns gegen Osten. Endlich erreichten wir eine
Landmasse, über der gerade die Sonne aufging. Ich konnte es
kaum fassen: Ami hatte die Sonne be- wegt, nur ein paar
Augenblicke … und schon war es Tag geworden!
,,Warum hast du behauptet, dass du sie nicht bewe- gen
kannst?’’
Ami hatte wieder einmal Grund, sich über meine Unwissenheit
zu amüsieren. ,,Ich habe nicht die Sonne bewegt, wir haben uns
schnell bewegt!’’
Ich sah meinen Irrtum augenblicklich ein, aber schliesslich gab
es gute Gründe dafür, wenn man am
Horizont auf einmal die Sonne aufgehen sieht, und zwar so
schnell, wie man es noch nie zuvor gesehen
hat!
,,Wo sind wir jetzt?’’
,,Über Afrika.’’
,,Aber vor einer Minute waren wir doch noch in Südamerika!’’
,,Da du bei Tage in diesem Raumschiff fliegen
wolltest, flogen wir eben dahin, wo es Tag ist. >>Wenn der Berg
nicht zum Propheten kommt. Geht der Pro- phet zum Berge<<! –
Welches Land in Afrika möchtest du wohl besuchen?’’
,,Ähhh . . . Indien.’’
Als ich Ami kichern hörte, merkte ich, dass mich
61
meine Kenntnisse in Geographie wieder mal im Stich gelassen
hatten.
,,Gut, gehen wir eben nach Asien, nach Indien. Welche Stadt
dort möchtest du dir ansehen?’’
,,Mmh, mir ist alles recht, such du dir eine aus.’’
,,Ist dir Bombay recht?’’
,,Ja, Ami, herrlich!!’’
Sehr hoch und mit grosser Geschwindigkeit über- querten wir
den afrikanischen Kontinent. Ich habe mir später zu Hause auf
einer Karte die ganze Reise noch einmal angesehen. Während die
Sonne schnell höher stieg. Erreichten wir den Indischen Ozean,
und bald waren wir in Indien angelangt. Plötzlich blieb das
Raumschiff still stehen.
,,Wie kommt es, dass wir nicht gegen die Scheiben knallen,
wenn du so scharf bremst?’’ fragte ich über-
rascht.
,,Die Trägheit der Masse wird aufgehoben.’’
,,Ach, so einfach!!’’
62
6. Kapitel
Alles hängt von den Punkten ab
Nachdem wir uns ungefähr hundert Meter über der Stadt
befanden, begann unsere Spazierfahrt über den Himmel von
Bombay.
Ich glaubte zu träumen, es war wie im Kino. Die Menschen
hatte Turbane auf, und die Häuser sahen
alle ganz anders aus als bei mir zu Hause. Unglaublich,
die vielen Menschen, die überall auf den Strassen um- herliefen.
In meiner Stadt ging es nicht einmal im Zen-
trum oder bei Büroschluss so lebhaft zu, hier aber gab
es überall eine Unmenge von Menschen. Ich war in einer anderen
Welt!
Niemand konnte uns sehen, das entsprechende
Licht war ausgeschaltet.
Auf einmal kam ich wieder in die Wirklichkeit zu- rück.
,,Meine Grossmutter!’’
,,Was ist mit deiner Grossmutter?’’
,,Es ist schon Tag. Sie ist aufgestanden und macht sich Sorgen,
weil ich nicht da bin. Gehen wir doch
zurück!’’
Ami schien aber auch alles, was ich sagte, uner- hört komisch
zu finden! ,,Pedrito, deine Grossmutter
schläft tief. Bei ihr am anderen Ende der Welt ist es im
Augenblick zwölf Uhr nachts. Hier ist es nämlich zehn Uhr früh.’’
,,Von gestern oder von heute?’’
,,Von morgen!’’ lachte Ami. ,,Mach dir keine Sor- gen. Wann
steht sie denn gewöhnlich auf?’’
63
,,So gegen halb neun.’’
,,Dann haben wir ja noch achteinhalb Stunden, ganz
abgesehen davon, dass wir die Zeit auch strecken können.’’
,,Ich mache mir trotzdem Sorgen, warum gehen wir nicht
nachsehen?’’
,,Was willst du nachsehen?’’
,,Vielleicht ist sie aufgewacht. Bitte, lass uns doch hingehen.’’
,,Das können wir auch von hier tun.’’
Ami bewegte seine Kontrollknöpfe, und es er- schien die
südamerikanische Küste, aus grosser Höhe gesehen. Dann sauste
das Bild wie im Sturzflug mit phantastischer Geschwindigkeit
nach unten. Bald konnte ich die Bucht sehen, das Dorf, das
Strandhäus- chen, das Dach, meine Grossmutter. Es war nicht zu
glauben, ganz so, als wenn ich dort wäre! Sie schlief mit offenem
Mund, genau wie vorher.
,,Man kann nicht behaupten, dass sie keinen guten Schlaf hat’’,
schmunzelte Ami, und dann sagte er:,,Nun
werden wir etwas tun, damit du völlig beruhigt bist.’’ Er nahm
eine Art Mikrofon und schärfte mir ein, ganz still zu sein. Dann
drückte er auf den Knopf des
Geräts und machte: Pssst.
Meine Grossmutter musste das gehört haben; sie erwachte,
stand auf und ging ins Esszimmer. Wir konn-
ten ihre Schritte hören, ja sogar ihren Atem. Sie sah den
halbleeren Teller auf dem Tisch, nahm ihn und trug ihn in die
Küche. Dann ging sie hinüber in mein
Zimmer, machte die Tür auf, schaltete das Licht an und sah zu
meinem Bett hin. Alles schien in Ordnung, es
sah wirklich so aus, als ob ich im Bett läge. Doch dann
schien ihr etwas aufzufallen. Ich konnte mir nicht vor- stellen,
was es sein könnte, doch Ami schaltete sofort:
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Er begann in sein Mikrofon hineinzuatmen! Als meine
Grossmutter die Atemzüge hörte, war sie überzeugt, dass ich im
Bett war und schlief. Sie löschte das Licht und schlurfte wieder in
ihr Zimmer. Ami schaltete den Bildschirm aus.
,,Bist du nun beruhigt?’’
,,Ja, danke, jetzt schon. Es ist einfach nicht zu glauben: Sie
schläft dort, und wir sind hier am hellich-
ten Tag!’’
,,Ihr Menschen seid zu festgelegt in eurer Vorstel- lung von
Entfernungen und Zeiträumen.’’
,,Das verstehe ich nicht.’’
,,Was würdest du zum Beispiel sagen, wenn wir heute auf
Reisen gingen und gestern ankämen?’’
,,Ami, mach mich doch nicht ganz verrückt! – Du,
könnten wir nicht mal nach China gehen?’’
,,Natürlich. In welche Stadt?’’
Diesmal wollte ich mich nicht schämen müssen, stolz und
sicher sagte ich: ,,Nach Tokio.’’
,,Gut, gehen wir nach Tokio, der Hauptstadt von Japan’’,
meinte er und tat so, als ob es gar nichts zu
lachen gäbe.
Nun flogen wir über ganz Indien von Westen nach Osten und
erreichten die Bergwelt des Himalaja. Dort
blieb das Schiff auf einmal stehen.
,,Wir bekommen Befehle’’, teilte mir Ami mit. Auf dem
Bildschirm erschienen fremdartige Signale. ,,Es
handelt sich darum, jemandem einen Beweis zu lie-
fern. Der Zentralcomputer sagt, dass wir uns an einem
bestimmten Ort von jemandem sehen lassen sollen.’’
,,Wie lustig . . . und von wem?’’
,,Das weiss ich auch nicht, wir werden vom Compu- ter
geleitet. Wir sind übrigens schon da.’’
Wir hatten das System der augenblicklichen Orts-
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veränderung angewandt! Wir befanden uns über einem Walde,
ungefähr fünfzig Meter hoch. Das Licht
zeigte an, dass wir sichtbar waren. Alles in der Gegend war mit
Schnee bedeckt.
,,Das ist Alaska’’, sagte Ami, der die Landschaft kannte. Die
Sonne schickte sich gerade an, über dem Meer unterzugehen. Auf
einmal setzte sich das Raum-
schiff in Bewegung: Es beschrieb ein Riesendreieck und
wechselte dabei unaufhörlich die Farben.
,,Warum tun wir das?’’
,,Um Eindruck zu machen. Wir wollen diesen Freund auf uns
aufmerksam machen. Dort kommt er.’’
Ami sah auf den Bildschirm. Ich schaute zum Fen-
ster hinaus, und dann sah auch ich ihn. Ziemlich weit weg
zwischen den Bäumen stand ein Mann in einer braunen Pelzjacke.
Er trug ein Gewehr. Er schien sich sehr zu fürchten und richtete
plötzlich die Waffe gegen uns. Ich duckte mich unwillkürlich, um
Deckung zu suchen. Ami fand das wieder einmal sehr komisch.
,,Hab keine Angst, dieses Ufo ist natürlich kugelsi- cher – und
auch sicher gegen so manches andere.’’
Wir stiegen nun höher und verhielten dort eine Zeitlang. Jetzt
sandte das Raumschiff Lichter in allen
Farben aus.
,,Es ist notwendig, dass der Mann da unten diese Vision
niemals wieder vergisst.’’
Ich dachte, es wäre sicher nicht nötig gewesen, den Mann so
furchtbar zu erschrecken; wenn wir ein-
fach nur so durch die Luft geflogen wären, hätte er das
Schauspiel auch nie mehr vergessen! Das sagte ich Ami.
,,Da bist du sehr im Irrtum’’, meinte er. ,,Millionen von
Menschen haben unsere Raumschiffe in der Luft
gesehen und es doch wieder vergessen. Meist sind sie
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in dem Augenblick mit ihren eigenen Gedanken be- schäftigt oder
machen sich Sorgen über irgend etwas, und dann sehen sie uns,
ohne uns wirklich zu sehen. Und dann vergessen sie es eben
wieder. Wir haben da eine ziemlich eindrucksvolle Statistik.’’
,,Warum ist es notwendig, dass dieser Mann uns jetzt sieht?’’
,,Das weiss ich nicht genau. Vielleicht ist gerade seine
Wiedergabe des Erlebnisses wichtig für eine an- dere Person, die
wiederum aus anderen Gründen in-
teressant ist, oder vielleicht ist er selber auch was ganz Spezielles.
Ich werde mal mein Sensometer auf ihn richten.’’
Auf einem weiteren Bildschirm konnte man den- selben Mann
sehen, aber diesmal ganz durchsichtig! Mitten in seiner Brust
leuchtete ein goldenes Licht –
wunderschön!
,,Was ist das für ein Licht?’’
,,Man könnte vielleicht sagen, dass dieses Licht die Menge von
Liebe ist, die in ihm steckt …, aber so ganz
genau stimmt das nicht. Vielleicht sagen wir besser, dass es sich
um die Auswirkung der Liebeskraft auf seine Seele handelt. Das
ist dann sein Entwicklungs-
grad. Seiner misst 750 punkte.’’
,,Was heisst das denn nun?’’
,,Dass er interessant ist.’’
,,Interessant,warum?’’
,,Sein Entwicklungsstand ist für einen Erdenbe- wohner
ziemlich hoch.’’
,,Entwicklungsstand?’’
,,Der Grad, der bestimmt, ob er einer Bestie ähnli- cher ist oder
einem Engel. Schau…’’ Auf dem Bild- schirm hatte Ami jetzt
einen Bären, der ebenso durch- sichtig aussah. Auch er trug ein
Licht in der Brust, aber
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das leuchtete viel weniger als das des Mannes. ,,Zwei- hundert
Punkte genau’’, mass Ami. Jetzt richtete er das Gerät auf einen
Fisch: das Licht war minimal. ,,Fünfzig Punkte’’, sagte Ami, und
dann erklärte er: ,,Der Durch- schnitt bei den Menschen auf der
Erde liegt bei 550 Punkten.’’
,,Und wie viel Punkte hast du, Ami?’’
,,760.’’
,,Was? Nur zehn Punkte mehr als der Jäger?’’ Ich war
überrascht über den winzigen Unterschied zwi-
schen einem Erdenmenschen und ihm.
,,Auf der Erde bewegt sich das Niveau zwischen 330 und 800
Punkten.’’
,,Einige von uns haben also mehr als du??’’
,,natürlich! Mein Vorteil ist nur, dass ich gewisse Dinge weiss,
die sie nicht wissen; aber es gibt hier sehr,
sehr wertvolle Menschen … Lehrer, Künstler, Kranken- pfleger,
Feuerwehrleute …’’
,,Feuerwehrleute?’’
,,Nun, findest du es nicht edel, sein Leben für an dere zu
riskieren?’’
,,Da hast du recht. – Aber auch mein Onkel, der Atomphysiker,
ist sicher sehr wertvoll.’’
,,Er ist vielleicht berühmt. Sag mal, auf welchem Gebiet der
Physik betätigt sich denn dein Onkel?’’
,,Er ist dabei, eine neue Waffe zu entwickeln, eine
mit Ultraschallwellen!’’
,,Er glaubt nicht an Gott … und stellt ausserdem Waffen her …
Ich glaube, dass er leider nur ein ziemlich
niedriges Niveau hat.’’
,,Was?? Aber er ist doch ein Weiser!!’’ protestierte ich.
,,Du verwechselst schon wieder die Dinge. Schau, dein Onkel
hat Informationen, aber Informationen
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haben heisst nicht notwendigerweise, dass man auch intelligent
ist, und noch viel weniger weise. Ein Com- puter kann ein sehr
eindrucksvoller Speicher von Daten sein, aber deshalb ist er doch
nicht intelligent! Findest du es zum Beispiel sehr intelligent, wenn
ein Mensch eine Grube gräbt, in die er selbst einmal fallen
wird?’’
,,Nein, aber . . .’’
,,Waffen wenden sich immer gegen diejenigen, die sie
erfinden.’’
Diese Aussage schien mir nicht so sonnenklar, aber ich wollte
ihm trotzdem glauben. Wer war ich denn schliesslich, um an
seinen Worten zu zweifeln?
Aber ich war schon ziemlich durcheinander: Mein Onkel war
immerhin mein Vorbild gewesen, so intelli- gent, wie der war!
,,Er hat einen guten >>Computer<< im Kopf, dein Onkel, das
ist alles’’, sagte Ami, der meine Gedanken las. ,,Es ist ein
Problem der Definition: Auf der Erde
wird jemand intelligent oder weise genannt, wenn er gute
Fähigkeiten in dem einen seiner Gehirne hat, aber
wir haben schliesslich zwei davon!’’
,,Wie bitte??’’
,,Eines im Kopf, das ist der Computer und das einzige, das ihr
anscheinend kennt. Das andere ist in der Brust, zwar nicht
sichtbar, aber es ist dort. Dieses Gehirn ist das wichtigere: Es ist
das Licht, das du in der Brust des Mannes auf dem Bildschirm
gesehen hast. Für uns ist jemand intelligent oder weise, wenn
seine beiden Gehirne im Gleichgewicht stehen. Ein gesun- des
Gleichgewicht haben bedeutet, dass das Gehirn, das im Kopfe
seinen Sitz hat, dem Gehirn in der Brust zu Diensten ist und nicht
umgekehrt wie bei den mei- sten eurer sogenannten
Intellektuellen.’’
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,,Ami, du krempelst meine ganze Welt um! Aber ich glaub, ich
kapier es langsam. – Und was ist mit denen, die das Gehirn in der
Brust besser entwickelt haben als das Gehirn im Kopf?’’
,,Das sind die gutmütigen Dummen. Man kann sie leicht
hereinlegen, und die intelligenten Bösen tun das auch mit Wonne.
Man kann den Dummen sogar einre- den, dass sie das Rechte tun,
während sie in Wahrheit Schaden anrichten. Die Entwicklung des
Verstandes muss Hand in Hand gehen mit der Entwicklung des
Gemütes. Nur so kann jemand wirklich intelligent oder weise
werden. Nur so kann das Licht, das du gesehen hast, wachsen.’’
,,Und ich, Ami? Wieviel Punkte habe ich?’’
,,Das kann ich dir nicht sagen.’’
,,Warum nicht?’’
,,Wenn du eine hohe Punktzahl hättest, würdest du eitel werden
. . .’’
,,Ah, ich verstehe.’’
,, . . . aber wenn sie niedrig läge, wärest du viel- leicht sehr
gekränkt.’’
,,Ah . . .’’
,,Stolz löscht das Licht aus. Der Stolz ist der Same des Bösen.
Das wieder versand ich nicht so ganz.
,,Wir müssen versuchen, immer bescheiden zu sein. – Schau,
wir brechen schon wieder auf.’’
Augenblicklich waren wir wieder in den Bergen
des Himalaja, auf der anderen Seite des Planeten.
70
7. Kapitel
Unser Raumschiff wird gesichtet
In Sekundenschnelle bewegten wir uns auf ein fernes Meer zu,
überquerten es und gelangten zu ein paar Inseln. Dann gingen wir
über der Stadt Tokio nieder. Ich dachte mir, wir würden Häuser
mit diesen komischen Dächern sehen, die sich nach oben hoch-
biegen, aber was ich sah, waren hauptsächlich Wol- kenkratzer,
moderne breite Strassen, Parks und Autos.
,,Wir werden gesichtet’’, sagte Ami und zeigte auf das Licht am
Armaturenbrett.
Auf den Strassen liefen die Leute zusammen und
zeigten mit den Fingern auf uns. Wieder spielten die Aussenlichter
in allen Farben. Wir standen ziemlich hoch und blieben dort für
ungefähr zwei Minuten sichtbar.
,,Noch eine Sichtung’’, erklärte Ami, während er die Zeichen
auf seinem Bildschirm beobachtete.
,,Unser Standort wird verändert werden.’’
Mit einem Male erlosch das Tageslicht; hinter den Fenstern
funkelten die Sterne. Man konnte kaum etwas erkennen: in der
Ferne eine kleine Stadt, wenige
Lichter, dann einen Weg, auf dem uns ein Auto entgegenkam. Ich
stellte mich neben Ami vor den Bild-
schirm. Dort war das gesamte Panorama hell ausge-
leuchtet. Alles, was man wegen der Dunkelheit mit den Augen
nicht wahrnehmen konnte, erschien auf dem Bildschirm so wie bei
Tageslicht. Das Auto, das lang- sam näher kam, war grün; drinnen
sassen ein Mann und
71
eine Frau, anscheinend ein Ehepaar.
Wir standen auf etwa zwanzig Meter Höhe und waren, unseren
Lichtsignalen zufolge, weithin sicht- bar. Ich wollte mir alles
weitere auf dem Bildschirm ansehen, ich kriegte es dort viel
genauer mit als selbst in der Wirklichkeit.
Als das Fahrzeug in unserer Nähe war, blieb es am Wegesrand
stehen, und die Insassen stiegen aus. Sie
begannen zu schreien und zu gestikulieren, während
sie und mit weit aufgerissenen Augen anstarrten.
,,Was sagen sie?’’ fragte ich.
,,Sie wollen Kontakt aufnehmen, mit uns in Verbin- dung
treten. Dieses Ehepaar studieret Ufos oder, besser
gesagt, sie beten die Ausserirdischen an.’’
,,Dann nimm doch Kontakt mit ihnen auf’’, drängte ich, etwas
besorgt wegen dieser aufgeregten Leute.
Sie waren nun niedergekniet und schienen zu beten Oder so
was…
,,Das kann ich nicht so einfach, ich muss die stren-
gen Befehle des Nothilfeprogramms befolgen. Die
Kommunikation erfolgt nicht, wenn jemand es gerade so möchte,
sondern wenn es von oben beschlossen wird. Ausserdem könnte
ich bei so einem Anbetungs- theater nicht mitmachen, das ist
Idolatrie.’’
,,Was ist Idolatrie?’’
,,Eine Verletzung des Universalgesetzes’’, antwor- tete Ami
ernst.
,,Worin besteht sie?’’ Ich war neugierig.
,,Sie glauben, dass wir Götter sind.’’
,,Und wäre das so schlimm?’’
,,Nur Gott darf man anbeten, alles andere ist Ido- latrie. Es
wäre eine grosse Respektlosigkeit, wenn wir versuchten, den
Platz Gottes einzunehmen, den uns die abwegige Religiosität
dieser armen Leute zuwei-
72
sen möchte . . . Wenn sie uns als Brüder betrachten würden, wäre
das etwas anderes.’’
Ich schlug vor, dass Ami diese Leute über ihren Irrtum
aufklären sollte.
Als Ami meine Gedanke auffing, sagte er: ,,Pe- drito, in den
unzivilisierten Welten des Universums gibt es so viele
schreckliche Dinge. Allein in diesem
Augenblick werden auf vielen Planeten unzählige Menschen
wegen Ketzerei lebendig verbrannt, so wie es früher, vor
Jahrhunderten, auf der Erde geschah.
Und in diesem selben Augenblick gibt es Fische unten im Meer,
die andere lebendige Fische fressen. Dieser Planet ist nicht sehr
entwickelt. Genauso wie die Men-
schen verschiedene Entwicklungsebenen haben, haben es auch
die Planeten. Die Gesetze, die das Leben in den niedrigen Welten
bestimmen, erscheinen
uns sehr grausam. Die Erde wurde vor ein paar Millio- nen Jahren
auch von anderen Gesetzen regiert, alles war aggressiv und giftig,
alles hatte Krallen und
scharfe Schneidezähne. Da das Entwicklungsstadium heute höher
ist, gibt es jetzt mehr Liebe. Aber man
kann immer noch nicht sagen, dass dies eine höher entwickelte
Welt wäre! Es gibt noch sehr viel Brutalität.
– Schau . . .’’
Er stellte einen der Bildschirme ein, der uns sofort eine
Kampfszene vor Augen führte: Von einigen Pan-
zern aus beschossen Soldaten Gebäude, bewohnte Gebäude, in
denen es Männer, Frauen und Kinder gab!
,,Das passiert hier in diesem Augenblick, Pedrito,
in einem Land auf dieser Erde! – Aber wir können nichts tun,
denn wir dürfen in den Entwicklungsstand von Planeten, Ländern
oder Personen nicht eingreifen; denn letzten Endes ist alles ein
Lernweg. Ich bin auch mal ein wildes Tier gewesen und wurde
von anderen
73
wilden Tieren zerrissen. Ich war ein Mensch auf niede- rer
Entwicklungsstufe; ich habe getötet und wurde getötet, ich bin
grausam gewesen, und man war grau- sam zu mir. Ich bin viele Male
gestorben und habe nach und nach gelernt, in Harmonie mit dem
Grundge- setz des Universums zu leben. Jetzt ist mein Leben besser,
aber ich kann mich nicht gegen das Entwick- lungsystem stellen, das
von Gott erschaffen wurde.
Dieses Ehepaar verletzt das Universalgesetz, indem es uns mit
etwas so Erhabenem und Majestäti-
schem vergleicht wie Gott. Sie entziehen ihm dadurch ihre Gefühle
der Liebe und Verehrung, um sie auf uns zu richten. Auch die
Soldaten, die wir eben gesehen
haben, verletzen das Universalgesetz: >>Du sollst nicht töten<<. Sie
werden für ihren Irrtum bezahlen, und so lernen sie nach und nach.
Nur Menschen oder auch Welten, die einen gewis- sen
Entwicklungsgrad erreicht haben, können unsere Hilfe erhalten,
sonst verletzen wir die Gesetze des all-
gemeinenEntwicklungssystems.’’
Ich hatte bei weitem nicht alles verstanden; erst später, als ich
über Amis Worte nachdenken konnte, wurde mir einiges klar. Da
war mein Freund aber schon längst nicht mehr hier. Ich konnte erst
nach seiner abreise dies hier alles aufschreiben, mehr oder weni- ger
so, wie er es gesagt hatte.
Während wir darauf warteten, dass uns der Super- computer
umsituieren würde, stellte Ami das japani- sche Fernsehen ein. Es
lief gerade eine Nachrichten- sendung, die Ami mit seinem üblichen
guten Humor begleitete. Ein Journalist, der ein Mikrofon in der
Hand hielt, interviewte die Leute auf der Strasse. Eine Frau
gestikulierte und zeigte zum Himmel, während sie sprach. Ich
verstand natürlich nichts, aber ich bekam
74
schon mit, dass sie von ihrem Ufo-Erlebnis erzählte, von uns also
… Auch andere Leute gaben ihre Meinung über den Vorfall ab.
,,Was sagen sie?’’ fragte ich.
,,Dass sie ein Ufo gesehen haben …, wie verrückt manche
Leute sind!’’ kommentierte er lachend.
Dann erschien ein Mann mit Brille, der Kreise auf
eine Tafel zeichnete und sie dann erklärte. Es handelte sich um
eine Darstellung des Sonnensystems, der Erde und der anderen
Planeten. Er sprach ziemlich lange. Anscheinend verstand Ami
die Sprache, weil er die Sendung sehr unterhaltsam fand; er hatte
ja einen Übersetzer!
,,Was sagt er?’’ fragte ich wieder.
,,Er sagt, dass aufgrund seiner Ausführung wissen- schaftlich
bewiesen sei, dass es ausserhalb der Erde in
der ganzen Galaxis kein intelligentes Leben gebe. Ausserdem sagt
er, dass die Leute, die das vermeintliche Ufo gesehen hätten, an
einer Massenhalluzination lit-
ten und er ihnen empfehle, zum Psychiater zu gehen.’’
,,Im Ernst?’’ fragte ich lachend.
,,Im Ernst’’, sagte Ami, ebenfalls lachend. Der Wissenschaftler
redete immer noch.
,,Und was sagt er jetzt?’’
,,Dass es vielleicht eine Zivilisation gebe, die eben- so
fortgeschritten sei wie diese, aber nach seinen
Berechnungen bestenfalls eine auf zweitausend Gala- xien.’’
,,Und was heisst das nun wieder?’’
,,Das heisst: wenn der Arme erst einmal erfährt, dass es in
dieser Galaxie allein Millionen von Zivilisationen gibt, dann wird
er selbst verrückt, noch verrückter, als er jetzt schon ist.’’
Wir lachten eine Weile darüber. Es war lustig,
75
einem Wissenschaftler zuzuhören, der behauptete, dass Ufos
nicht existierten, während ich das Programm von einem Ufo aus
ansah!
Wir blieben fast eine Stunde an jenem Ort, bis sich das Licht
der Sichtbarkeit ausschaltete.
,,,Jetzt sind wir frei’’, sagte Ami.
,,Dann können wir weiter spazieren fahren?’’ fragte ich.
,,Natürlich, wo möchtest du jetzt hin?’’
,,Hmm … zu den Osterinseln.’’
,,Dort ist jetzt Nacht, schau… ‚’ Wir waren schon dort!
,,Sind das die Osterinseln?’’
,,Ja, genau.’’
,,Wie ungeheuer schnell!’’
,,Das findest du schnell? Warte, schau jetzt zum Fenster
hinaus.’’
Wir befanden uns über einer sehr komischen
Wüste; der Himmel war dunkel, fast schwarz, es war ein etwas
bläulicher Mond zu sehen.
,,Und wo sind wir jetzt? In – Arizona?’’
,,Auf dem Mond.’’
,,Auf dem Mond?’’ Ich sah mir die Scheibe genauer an, die ich
für den Mond gehalten hatte.
,,Dann ist das da . . . ?’’ half Ami nach.
,,Die Erde!!’’
,,Ja, die Erde. Dort schläft deine Grossmutter.’’
Ich war überwältigt. Es war wirklich die Erde! Man konnte ihre
schöne blaue Farbe sehen. Es schien mir
unglaublich, dass etwas so Kleines eine solch grosse menge von
Dingen fassen konnte, Berge, Meere … Und
ohne zu wissen warum, stiegen in mir einige Bilder aus
meiner Kindheit hoch: ein kleiner Bach, eine moos-
überwachsene Mauer, Bienen im Garten, ein Ochsen-
76
karren, ein Sommernachmittag . . . All das war dort ge- wesen,
auf dieser kleinen blauen Kugel, die zwischen den Sternen
schwebte. Auf einmal sah ich die Sonne. Sie war ein entfernter
Stern, aber sie blendete mehr als auf der Erde.
,,Warum sieht sie so klein aus?’’
,,Weil es hier keine Atmosphäre gibt. Die Atmo sphäre wirkt
wie eine Vergrösserungslinse, wie eine
Lupe. Von der Erde aus scheint sie grösser als von hier
aus. Aber wenn diese Spezialfenster hier im Raum- schiff nicht
wären, würde dich diese kleine Sonne ver-
brennen, eben weil es keine Atmosphäre gibt, die ge-
wisse Strahlen filtert, welche für Menschen schädlich sind.’’
Auf dem Mond gefiel es mir nicht sonderlich, von
der Erde sah er viel schöner aus. Es war eine traurige,
furchterregende Stätte.
,,Könnten wir nicht an einen schöneren Ort
gehen?’’
,,Einen bewohnten?’’
,,Natürlich. Aber nicht von Monstern!’’
,,Da müssen wir sehr weit gehen’’, meinte Ami und bewegte
seine Kontrollhebel. Das Raumschiff zitterte
leicht, die Sterne wurden plötzlich zu Strichen, und vor den
Fenstern erschien eine Art weisser, glänzender Nebel, der
vibrierte.
,,Was ist los?’’ fragte ich erschrocken.
,,Wir sind schon dabei, uns zu stationieren.’’
,,Stationieren?’’
,,Auf einem sehr weit entfernten Planeten. Wir müs- sen schon
ein paar Minuten warten. Inzwischen kön- nen wir ja Musik
hören.’’
Ami drückte auf einen Knopf am Armaturenbrett und leise,
eigenartige Töne begannen den Raum zu
77
erfüllen. Mein Freund schloss die Augen und genoss die Musik.
Es waren ganz andere Klänge, als ich bisher ge- hört hatte.
Plötzlich eine ganz tiefe Vibration, die an-
hielt und den Kommandoraum erzittern liess, dann ein ganz hoher
Ton, der plötzlich abbrach, und dann Schweigen während einiger
Sekunden. Dann hörte
man ganz schnelle Töne, die rauf- und runtergingen, dann wieder
das tiefe Brummen, das sich langsam heraufschraubte, während
eine Art von Brüllgeräu-
schen und Glockengeläut im Wechsel einen Rhythmus erzeugten.
Ami schien sich in Ekstase zu befinden. Ich
dachte, dass er diese Melodie sehr gut kennen musste, weil er mit
den Lippen oder mit einer Handbewegung schon im vorhinein
anzeigte, was kommen würde. Es tat mir leid, ihn unterbrechen zu
müssen, aber diese Art von Musik ging mir auf die Nerven.
,,Ami!’’ rief ich, aber er reagierte nicht; er war ganz auf seine
Musik konzentriert, die für mich so klang wie
eine elektrische Störung in einem UKW-Sender.
,,Ami!’’ rief ich noch einmal.
,,Oh, entschuldige, was ist?’’
,,Entschuldige du bitte, aber das da gefällt mir überhaupt
nicht!’’
,,Natürlich nicht. – Diese Musik muss man hören
lernen, - Ich werde etwas suchen, was dem näher- kommt, was du
schon kennst.’’
Er drückte auf einen besonderen Knopf in einer
ganzen Reihe. Sofort ertönte eine Musik, die mir auf
Anhieb gefiel. Sie war lustig und hatte Rhythmus. Das tragende
Instrument klang so etwa wie das Pfeifen
einer schnellen Dampflokomotive.
,,Wie angenehm! Was ist das für ein Instrument,
1-Ami - der Junge von den Sternen (deutsch)
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1-Ami - der Junge von den Sternen (deutsch)

  • 1.
  • 2. Inhaltsverzeichnis ERSTER TEIL Kapitel 1 Die erste Begegnung 9 Kapitel 2 Pedro fliegt 18 Kapitel 3 Sorge dich nicht 28 Kapitel 4 Die Polizei 38 Kapitel 5 Von den Ausserirdischen entführt! 50 Kapitel 6 Alles hängt von den Punkten ab 62 Kapitel 7 Unser Raumschiff wird gesichtet 70 ZWEITER TEIL Kapitel 8 Ofir 83 Kapitel 9 Das Grundgesetz 96 Kapitel 10 Die interplanetarische Bruderschaft 109 Kapitel 11 Unter Wasser 118 Kapitel 12 Das neue Zeitalter 131 Kapitel 13 Eine blaue Prinzessin 140 Kapitel 14 Bis du wiederkommst, Ami! 154
  • 4. 9 1. Kapitel Die erste Begegnung Alles begann an einem Sommernachmittag in Einem Badeort am Meer, wohin ich fast jeden Sommer Mit meiner Grossmutter fahre. Diesmal hatten wir ein Holzhäuschen bekommen mit vielen Pinien und Eiben im Innenhof und einem Vorgarten voller Blumen. Es lag nahe am Meer an einem Pfad, der zum Strand führte. Es waren nur noch wenige Leute da, weil die Badezeit zu Ende ging. Meine Grossmutter geht gerne in den ersten Märztagen auf Sommerfrische, weil es dann ruhiger und ausserdem noch billiger ist, sagt sie.* Es fing schon an, dunkel zu werden. Ich sass oben auf einem hohen Felsen am menschenleeren Strand und schaute aufs Meer hinaus. Auf einmal sah ich ein rotes Licht am Himmel über mir. Ich dachte, es wäre ein Feuerwerk oder so eine Rakete, die man zu Neujahr anzündet. Es kam tiefer und tiefer, während es die Farben wechselte und Feuer sprühte. Als es noch etwas tiefer sank, wusste ich, dass es kein Feuerwerk und keine Rakete sein konnte, weil es immer grösser wurde. Es war schon so gross wie ein kleines Flugzeug geworden – oder noch etwas grösser. Ungefähr fünf- zig Meter vor der Küste sackte es vor meinen Augen ins Meer, ohne einen Ton von sich zu geben. Ich glaubte, * Anmerkung des Übers.: Auf der südlichen Erdkugel dauert die Sommerzeit von Dezember bis März.
  • 5.
  • 6. 11 gerade ein Flugzeugunglück beobachtet zu haben, und schaute angestrengt in den Himmel, ob ich einen Fallschirmspringer entdecken konnte. Aber da war keiner. Nichts störte die Stille und Ruhe am Strand. Ich bekam Angst und wollte loslaufen, um meiner Gross- mutter davon zu berichten, aber dann beschloss ich, doch noch ein Weilchen zu warten, ob sich noch etwas ereignete. Als ich gerade aufbrechen wollte, sah ich etwas Weisses an der Stelle, wo das Flugzeug – oder was immer es gewesen sein mochte – abgestürzt war. Jemand begann, auf die Felsen zuzuschwimmen. Ich dachte, dass es vielleicht der Pilot sei, der sich beim Unfall gerettet hatte. Ich wartete darauf, dass er näher kam; vielleicht konnte ich ihm behilflich sein. Er schwamm sehr gut, also konnte er sich nicht verletzt haben. Bald hatte er die Felsen erreicht und schickte sich an, sie heraufzusteigen. Er sah mich dabei freundlich an, und jetzt erkannte ich, dass es ein Junge wie ich war! Ich dachte: muss der froh sein, dass er gerettet ist, aber er schien die Lage nicht so dramatisch zu nehm- en. Das erleichterte mich etwas. Als er neben mir stand, schüttelte er sich das Wasser aus dem Haar und lächelte mir zu. Jetzt war ich vollkommen beruhigt. Er sah wie ein netter kleiner Junge aus. Er setzte sich neben mich und tat einen tiefen Seufzer. Dann fing er an, die Sterne anzuschauen, die hie und da am Himmel erschienen. Er war ungefähr so alt wie ich, vielleicht etwas jünger und auch etwas kleiner. Er hatte einen Piloten- anzug an, vermutlich aus einem wasserdichten Mate- rial, es war kein bisschen nass! An den Füssen trug er weisse Stiefel mit dicken Sohlen. Auf der Brust glänzte ein goldenes Zeichen: ein Kreis, in dem sich ein Herz
  • 7. 12 mit Flügeln befand. Auch der Gürtel war goldfarben und hatte in der Mitte eine grosse goldene Schnalle; an jeder Seite hing eine Art Transistorradio. Ich setzte mich auch wieder. Wir blieben eine Weile stumm. Da er nichts sage, fragte ich ihn, was geschehen sei. „Notlandung“, antwortete er fröhlich. Er war sympathisch; seine Aussprache war ziem- lich eigenartig, deshalb dachte ich mir, dass er mit seinem Flugzeug aus einem fremden Land gekommen sein müsse. Seine Augen waren gross und gutmütig. „Was ist mit dem Piloten passiert?“ fragte ich. Ich dachte, da er ein Kind war, musste der Pilot ein Erwach- sener sein. ‚‚Nichts. Er sitzt hier neben dir’’, sagte er. ‚‚Ah’’, sagte ich bewundernd. Dieser Junge war wirklich ein Weltmeister, so alt wie ich und Pilot eines Flugzeugs! Seine Eltern mussten steinreich sein. Langsam wurde es Nacht, und mir wurde kalt. Er musste es bemerkt haben, weil er mich fragte: ,, Ist dir kalt?’’ ,,Ja.’’ ,,Die Temperatur ist angenehm’’, sagte er lä- chelnd, und wirklich, er hatte recht, es war nicht kalt! ,,Stimmt’’, gab ich zu. Nach einigen Minuten fragte ich ihn, was er nun machen wolle. ,,Meine Mission erfüllen’’, antwortete er und schaute immerfort in den Himmel. Ich dachte, das muss wirklich ein ganz besonderer Junge sein, nicht wie ich ein einfaches Schulkind in den Sommerferien. Er hatte eine Mission, vielleicht etwas Geheimes. Ich getraute mich nicht, ihn zu fra- gen, worum es sich handelte.
  • 8. 13 ,,Tut es dir nicht leid um das Flugzeug?’’ ,,Es ist nicht verlorengegangen’’, erwiderte er. Ich verstand ihn nicht. ,,Es ist nicht verlorengegan- gen? Ist es nicht vollkommen zerstört?’’ ,,Nein.’’ ,,Wie kann man es aus dem Wasser holen, um es zu reparieren, oder kann man es aus dem Wasser holen.’’ ,,Oh ja, man kann es aus dem Wasser holen.’’ Dabei schaute er mich freundlich an. ,,Wie heisst du?’’ ,,Pedro’’, sagte ich zögernd. Es passte mir nicht ganz, dass er meine Frage nicht beantwortete. Anscheinend merkte er, dass ich verstimmt war, und fand es lustig. ,,Werd’ nicht böse, Pedrito, wird’ nicht böse. – Wie alt bist du?’’ ,,Zehn beinah, und du?’’ Er kicherte leise, wie ein Baby, das gekitzelt wird. Mir kam es so vor, als bildete er sich etwas darauf ein, dass er schon Pilot eines Flugzeugs war und ich nicht. Das gefiel mir nicht. Trotzdem fand ich ihn weiterhin sympathisch, ich konnte ihm nicht wirklich böse sein. ,, Ich bin älter, als du mir glauben würdest’’, meinte er lächelnd. Dann zog er aus einer seiner Seitenta- schen den Apparat heraus, der wie ein Transistorradio aussah. Es war eine Art Taschenrechner. Er schaltete ihn ein, und es erschienen Leuchtzeichen, die ich nicht deuten konnte. Er stellte ein paar Berechnungen an, doch als er die Antwort sah, sagte er lachend: ,, nein, nein, du würdest es mir doch nicht glauben, wenn ich es dir sagte.’’ Es war inzwischen Nacht geworden, und ein herr- licher Vollmond war aufgegangen, der den ganzen Strand in Licht tauchte. Ich schaute mir das Gesicht meines Nachbarn genau an. Er konnte nicht älter sein als acht Jahre, und trotzdem war er der Pilot eines
  • 9. 14 Flugzeugs. Vielleicht war er doch älter, oder er war ein Zwerg. ,, Glaubst du an die Ausserirdischen?’’ fragte er mich auf einmal. Ich konnte nicht so schnell antwor- ten. Er sah mich mit seinen leuchtenden Augen an; es war, als spiegelten sich die Sterne in seinen Pupillen. Er war zu schön, um nicht etwas ganz Aussergewöhnli- ches zu sein. Ich dachte an das in Flammen stehende Flugzeug, an sein Erscheinen, seine Aussprache, sei- nen Anzug, an den Rechner mit den komischen Zei- chen und daran, dass er ein Kind war, und Kinder flie- gen bekanntlich keine Flugzeuge! ,, Bist du denn ein Ausserirdischer?’’ Meine Stimme zitterte ein wenig. ,, Und wenn ich es wäre, würde es dir Angst machen?’’ Da wusste ich, dass er wirklich aus einer anderen Welt kam. Obwohl er mich in diesem Augenblick ganz lieb ansah, war ich keineswegs beruhigt. Ich fragte be- klommmen:,, Bist du böse?’’ Er lachte belustigt. ,, Vielleicht bist du ein bisschen böser als ich.’’ ,,Warum denn das?’’ ,, Weil du ein Erdenbewohner bist.’’ ,, Und du bist wirklich ein Ausserirdischer?’’ ,, Hab keine Angst’’, beruhigte er mich lächelnd. Er zeigte hinauf zu den Sternen. ,, Dieses Universum ist voller Leben. Es gibt Millionen und Abermillionen von bewohnten Planeten; dort oben leben viele gute Wesen.’’ Seine Worte hatten eine eigenartige Wirkung auf mich. Während er sprach, konnte ich diese Millionen von bewohnten Welten voller guter Wesen tatsächlich vor mir sehen! Auf einmal hatte ich keine Angst mehr.
  • 10. 15 Ich beschloss, es einfach hinzunehmen, dass er ein Wesen aus einer anderen Welt war. Er schien freund- lich zu sein und ganz harmlos. ,, Warum sagst du, dass wir Erdenbewohner böse sind?’’ Er schaute unentwegt in den Himmel und schwärmte: ,, Wie herrlich ist das Firmament von der Erde aus! Diese Atmosphäre gibt ihm Glanz, Farbe…’’ Schon wieder hatte er meine Frage nicht beant- wortet! Das passte mir nicht. Wer hat es schon gern, wenn jemand ihm sagt, er sei böse! Ich bin es nämlich nicht, ganz im Gegenteil. Früher wollte ich Forscher werden, wenn ich gross sein würde, und in meinen freien Stunden Jagd auf böse Leute machen! ,, Dort in den Plejaden gibt es eine wunderbare Zivilisation…’’ ,, Wir sind nicht alle böse hier. Ich sagte: nicht alle sind böse hier! Warum hast du gesagt, dass alle Erden- bewohner böse sind??’’ ,, Das habe ich nicht gesagt’’, antwortete er sanft und schaute unaufhörlich in den Himmel. Seine Augen glänzten. ,, Das ist ein Wunder!’’ ,, Doch, das hast du gesagt!’’ Meine Stimme war etwas lauter geworden, und so riss ich ihn endlich aus seinen Träumen. Er hatte genauso ausgesehen wie meine Cousine, wenn sie das Foto ihres Lieblingssän- gers betrachtet; sie ist nämlich verliebt in ihn. Er sah mich aufmerksam an, aber er schien nicht verärgert zu sein. ,, Ich wollte sagen, dass die Erdenbe- wohner meistens weniger gut sind als die Bewohner anderer Welten im All.’’ ,, Siehst du, du hast gesagt, dass wir die aller- schlechtesten im Weltall sind!’’ Er lachte wieder und strich mir übers Haar, wäh-
  • 11. 16 rend er sagte: ,,Das wollte ich auch nicht sagen.’’ Das gefiel mir noch weniger. Heftig drehte ich den Kopf zur Seite. Ich werde nicht gern für dumm gehal- ten, weil ich nicht dumm bin. Ich bin einer der Besten in meiner Klasse und werde bald zehn Jahre alt sein. ,, Wenn dieser Planet so böse ist, was tust du dann hier?’’ ,, Hast du gesehen, wie sich der Mond im Meer spiegelt?’’ Wieder überhörte er meine Worte und wechselte einfach das Thema! ,, Bist du gekommen, um mir zu sagen, ich soll mir ansehen, wie sich der Mond im Meer spiegelt?’’ ,,Vielleicht. – Hast du gemerkt, dass wir im Univer- sum schweben?’’ Als er das sagte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: der Junge war verrückt. Ganz klar! Er glaubte, ein Ausserirdischer zu sein, deshalb redete er solch komisches Zeug! Ich hatte genug von ihm. Wie konnte ich auch nur einen Augenblick lang seine phantasti- schen Geschichten ernstnehmen! Er hatte sich ganz einfach einen Spass mit mir erlaubt. Ein Ausserirdi- scher! Und ich hatte ihm geglaubt!! Ich schämte mich und war wütend auf ihn und auf mich selbst. Am lieb- sten hätte ich ihm eine Ohrfeige verpasst! ,,Warum? – sind meiner Ohren denn so hässlich?’’ Ich starrte ihn entgeistert an. Anscheinend hatte er meine Gedanken gelesen! Er strahlte mich an. Ob- wohl ich anfing, mich zu fürchten, wollte ich nicht klein beigeben. Das war sicher nur reiner Zufall. Zufällig hatte er etwas gesagt, was ich gerade dachte. Ich tat so, als wäre ich kein bisschen überrascht. Vielleicht war es doch wahr, vielleicht hatte ich ein Wesen aus einer anderen Welt vor mir, eine Ausserirdischen, der Ge- danken lesen konnte. Ich musste es herausfinden.
  • 12. 17 So beschloss ich, ihn auf die Probe zu stellen. ,,Was denke ich jetzt?’’ fragte ich und stellte mir eine Ge- burtstagstorte vor. ,, Hast du noch nicht genug Beweise?’’ fragte er, doch ich wich keinen Millimeter zurück. ,,Welche Beweise?’’ Er streckte seine Beine aus und stützte die Ellbo- gen auf dem Felsen auf. ,, Schau, Pedrito, es gibt an- dere Wirklichkeiten, andere feinstoffliche Welten mit feinen Türen für feine Intelligenzen…’’ ,, Was heisst: feinstofflich?’’ Er lachte: ,,Also, mit wie vielen Kerzen?’’ Auf einmal war mir ganz flau im Magen. Am lieb- sten hätte ich geweint, so dumm und ungeschickt fühlte ich mich. Ich bat ihn um Verzeihung, aber er hatte mir gar nichts übelgenommen. Er lachte nur. Ich beschloss, nicht mehr an ihm zu zweifeln.
  • 13. 18 2. Kapitel Pedro fliegt ,, Komm mit mir nach Hause’’, bot ich Ami an. Es wurde langsam spät für mich. Er machte eine abwehrende Bewegung: ,,Lass uns Freundschaft schliessen – ohne Erwachsene!’’ Er Rümpfte lachend die Nase. ,, Ich muss aber gehen.’’ ,, Deine Grossmutter schläft schon tief. Du wirst ihr nicht abgehen, wenn wir noch ein Weilchen mitein- ander reden.’’ Wieder war ich überrascht und auch verwundert: Wie konnte er von meiner Grossmutter wissen? Aber Dann erinnerte ich mich, dass er ja ein Ausserirdischer war. ,, Kannst du sie sehen?’’ ,, Von meinem Raumschiff aus konnte ich sehen, wie sie gerade einschlief’’, antwortete er verschmitzt. Plötzlich rief er begeistert: ,, Lass uns am Strand spazieren gehen!’’ Mit einem Satz stand er auf den Beinen, lief bis zur Kante des hohen Felsens und – sprang hinunter! Langsam schwebte er abwärts dem Sande entgegen; Er segelte wie eine Möwe. Dieses unbekümmerte Ster- nenkind sorgte für immer neue Überraschungen! Ich stieg vorsichtig, so gut ich konnte, die Felsen hinunter. ,, Wie machst du das?’’ fragte ich ihn nach seinem unglaublichen Segelflug. ,, Ich fühle mich einfach wie ein Vogel’’, meinte er und begann lachend und ohne besonderen Anlass am
  • 14. 19 Strand umherzulaufen. Ich hätte es ihm gerne nachge- tan, aber ich konnte so etwas nicht. ,, Doch, du kannst es!’’ Schon wieder hatte er meine Gedanken aufgefangen. Er kam zurück, um mir Mut zu machen. ,, Wir werden laufen und springen wie die Vögel!’’ Er nahm meine Hand, und ich spürte eine starke Energie. Wir begannen, den Strand entlangzu- laufen. ,, Jetzt springen wir!’’ Er konnte viel höher springen als ich und half mir mit seiner Hand nach. Er schien einige Sekunden in der Luft hängen zu können! Wir liefen weiter, und in gewissen Abständen setzten wir zum Sprung an. ,,Wir sind Vogel, wir sind Vogel!’’ Mein Vertrauen wuchs, ich war wie berauscht. Etwas ging in mir vor- ich hörte langsam zu denken auf und war nicht mehr derselbe wie früher: Mitgeris- sen von meinem ausserirdischen Freund, beschloss ich einfach, so leicht wie einer Feder zu sein. Schliesslich glaubte ich fest, wie ein Vogel fliegen zu können! ,,Jetzt hoch!’’ Wir hielten uns wirklich einige Augenblicke in der Luft, dann sanken wir sanft nach unten und liefen weiter, um uns später wieder zu erheben. Zu meinem grossen Erstaunen ging es besser und besser. ,,Sei nicht erstaunt, du kannst es …jetzt!’’ Jedesmal fiel es mir leichter. Wie im Zeitlupen- tempo liefen und sprangen wir am Wasser entlang. Am Himmel hingen der Mond und die Sterne. Es war eine neue Art zu leben, eine andere Welt. ,,Tu es mit Liebe, segle mit Liebe!’’ machte er mir Mut. Dann auf einmal liess er meine Hand los. ,,Du kannst es, du kannst es’’, stärkte er mein Vertrauen, indem er neben mir herlief. ,,Jetzt!’’ Wir hoben langsam ab, blieben eine Weile in der
  • 15. 20 Luft und schwebten dann tiefer mit ausgebreiteten Armen wie beim Segeln. ,,Bravo, bravo’’, beglückwünschte er mich. Ich weiss nicht, wie lange wir in dieser Nacht so spielten. Es war wie ein Traum. Schliesslich war ich müde; ausser Atem liess ich mich auf den Sand fallen und lachte glücklich. Was für eine herrliche, unvergessliche Erfahrung! Innerlich dankte ich meinem eigenartigen kleinen Freund dafür, dass er mir Dinge beigebracht hatte, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Ich wusste noch nicht, dass in dieser Nacht noch weitere Überraschun- gen auf mich warteten. Die Lichter eines Badeortes auf der anderen Seite der Bucht flimmerten. Mein Freund betrachtete entzückt die tanzenden Lichter auf dem nächtlichen Meer, während er neben mir auf dem mondhellen Strand dahingestreckt lag. Dann wieder sah er den Vollmond an. Wie wunderbar! Er fällt nicht herunter.’’ Ich hatte mir darüber nie Gedanken gemacht, aber jetzt, wo er es sagte: Ja, es war wunderbar, Sterne zu haben, ein Meer, einen Strand und einen hübschen Mond, der da oben hing und nicht herunterfiel. ,,Ist denn dein Planet nicht schön?’’ Er seufzte tief und sah etwas nach rechts in den Himmel hinauf. ,,Oh ja, er ist auch schön. Aber das wissen wir auch alle, und darum passen wir auf ihn auf.’’ Ich erinnerte mich, dass er behauptet hatte, wir Erdenbewohner seien nicht besonders gut. Nun glaubte ich, eine der Gründe dafür zu verstehen. Wir halten unseren Planeten anscheinend nicht für sehr wertvoll, wir passen nicht so sorgsam auf ihn auf, wie sie es tun.
  • 16. 21 ‚,Wie heisst du ?’’ Er fand meine Frage lustig. ,,Das kann ich dir nicht sagen.’’ ,,Warum nicht? Ist es ein Geheimnis?’’ ,,Ach wo, nichts ist ein Geheimnis! Nur gibt es in deiner Sprache diese Laute nicht.’’ ,,Welche Laute?’’ ,,Die meines Namens.’’ Das überraschte mich. Ich hätte gewettet, dass er in meiner eigenen Sprache mit mir redete, wenn auch mit einem anderen Akzent. ,,Wie konntest du dann meine Sprache lernen?’’ ,,Ich spreche sie nicht, und ich würde sie auch nicht verstehen, wenn ich dies nicht hätte’’, sagte er belustigt und zog einen Apparat aus seinem Gürtel. ,,Das hier ist ein Übersetzer. Dieses Schächtelchen untersucht mit Lichtgeschwindigkeit deine Gehirn- ströme und übermittelt mir genau das, was du sagen willst; auf diese Weise kann ich dich verstehen. Wenn ich nun etwas sagen will, hilft es mir, meine Lippen und meine Zunge so zu bewegen wie du – nun, beinahe so wie du … nichts ist vollkommen!’’ Er steckte den Übersetzer wieder an seinen Platz und schaute aufs Meer hinaus. Er sass neben mir im Sand und hielt seine Knie umschlungen. ,,Wie soll ich dich dann nennen?’’ fragte ich ihn. ,,Du kannst mich >>amigo<< nennen, denn das bin ich , ein Freund für alle.’’ ,,Ich werde dich Ami nennen, das ist kürzer und klingt mehr wie ein Name.’’ Sein neuer Name schien ihm zu gefallen. ,,In Ord nung, Pedrito.’’ Wir gaben einander die Hand, und ich spürte, dass ich eine neue grosse Freundschaft besiegelte. Und so
  • 17. 22 sollte es auch sein. ,,Wie heisst dein Planet?’’ ,,O je, da haben wir auch keine entsprechenden Laute, aber dort oben ist er’’, und er zeigte lächeln zu einigen Sternen hinauf. Während Ami weiter den Himmel beobachtete, kamen mir wieder die Filme in den Sinn, die ich so oft im Fernsehen gesehen hatte, die mit den ausserirdi- schen Eindringlingen. ,,Wann werdet ihr hier ein- dringen?’’ Er fand meine Frage komisch. ,,Warum denkst du, dass wir die Erde überfallen wollen?’’ ,,Ich weiss nicht. In unseren Filmen überfallen die Ausserirdischen immer die Erde. Oder nicht? – nicht alle?’’ Diesmal war sein Lachen so ansteckend, dass ich mitlachen musste. Trotzdem versuchte ich mich zu rechtfertigen: ,,Weißt du, in allen Fernsehfilmen…’’ ,,Ja, natürlich, das Fernsehen? – Komm, lass uns zusammen einen Fernsehfilm ansehen, in dem Ausser- irdische die Erde überfallen’’, schlug er begeistert vor und zog einen Apparat diesmal aus der Schnalle sei- nes Gürtels. Er drückte auf einen Knopf, und wir hatten einen leuchten den Bildschirm vor uns. Es war ein klei- ner Farbfernseher mit einem gestochen scharfen Bild. Schnell wechselte er von einem Programm zu ande- re. Das überraschte mich, da wir in dieser Gegend nur zwei Programme empfangen können, aber in diesem Apparat gab es eine Unmenge von Filmen, Live- Programmen, Nachrichten, Werbung, alles in ver- schiedenen Sprachen und mit Menschen verschiede- ner Nationen. ,,Diese Filme mit den Invasoren aus dem Weltraum sind doch einfach lächerlich’’, meinte Ami fröhlich.
  • 18. 23 ,,Wie viele Programme bekommst du damit?’’ wollte ich wissen. ,,Alle Programme, die es in diesem Augenblick auf deinem Planeten gibt. Ich bekomme aber auch die Satellitensignale, und zwar verstärkt. Halt, hier gib es einen Film in Australien, schau’s dir an.’’ Ich konnte eine Anzahl grässlicher Ungeheuer er- kennen, die Köpfe wie Tintenfische hatten. Aus ihren vielen vorquellenden Augen mit roten Adern drin schossen sie Strahlen auf eine Ansammlung völlig ver- ängstigter Menschen. Ich schauderte, aber mein Freund fand diese Szene nur komisch. ,,Was für ein Unsinn’’, rief er, ,,findest du das nicht lächerlich?’’ ,,nein, warum?’’ ,,Weil es diese Monsterwesen nur in der krankhaf- ten Einbildung der Menschen gibt, die solche Filme fabrizieren!’’ Ich war noch nicht überzeugt. Seit Jahren hatte man mir alle möglichen Weltraumreisen gezeigt, die zu schrecklich und bösartig waren, als dass sie jetzt so einfach aus meinem Kopfe zu blasen wären. ,,Aber es gibt hier auf der Erde doch auch Leguane, Krokodile und Meeresungeheuer. Warum sollten die nicht auch in anderen Welten existieren?’’ ,,Ah, die meinst du? Ja, die gibt es natürlich, aber die konstruieren keine Pistolen, die Strahlen schiessen! Die sind so wie die euren hier. Es sind Tiere ohne Intelligenz.’’ ,,Aber vielleicht gibt es Welten mit Wesen, die böse und intelligent sind?’’ ,,Intelligent und böse?’’ Ami lachte aus vollem Halse. ,,Das ist dasselbe, als wenn du sagen würdest: böse-gut!’’ Ich konnte ihn nicht verstehen. ,, Und was ist mit
  • 19. 24 diesen verrücken, perversen Wissenschaftlern, die Waffen erfinden, um die Welt zu zerstören? – Du weisst schon, die gegen Batman und Superman kämpfen?’’ Ami verstand meine Gedanken und antwortete la- chend: ,,Die sind nicht intelligent, die sind verrückt!’’ ,,Gut, es kann aber doch sein, dass es irgendwo ein paar verrückte Wissenschaftler gibt, die die Welt zer- stören könnten’’’ ,,Die gibt es nur auf der Erde, sonst nirgendwo.’’ ,,Warum?’’ ,,Pass auf. Wer verrückt ist, wird immer zuerst sich selbst zerstören. Verrückte erreichen nie das wissen- schaftliche Niveau, das nötig wäre, um den Planeten verlassen und andere Welten erreichen zu können. weisst du, es ist einfacher, eine Bombe zu konstruieren als intergalaktische Weltraumschiffe. Hat eine Zivilisa- tion keine Güte, wendet sich ihre Zerstörungskraft gegen sie selbst, und zwar bevor es dazu kommt, dass sie in andere Welten gelangt.’’ ,,Aber es könnte ja doch sein, dass Verrückte auf irgendeinem Planeten überleben, zufällig!’’ ,,Zufällig?? In meiner Sprache gibt es diesen Aus- druck nicht. Was heisst Zufall?’’ Ich führte verschiedene Beispiele an, damit er ver- stand, was ich meinte. Als er es schliesslich erfasst hatte, fand er es sehr komisch. Er sagte, dass alles, was es gebe, zusammenhänge, aber dass wir die Gesetzte, die alle Dinge miteinander verbinden, nicht verständen oder nicht verstehen wollten. ,,Wenn es nun aber so viele Millionen von Welten gibt, wie du sagst, dann könnte es doch sein, dass einige Böse irgendwo überleben, ohne sich zu zerstören?’’ Ich dachte immer noch an die Möglichkeit einer Invasion.
  • 20. 25 Nun versuchte Ami, es mir noch besser zu erklä- ren. ,,Stell dir vor: Viele Personen müssten, eine nach der anderen, eine glühend heisse Eisenstange mit blo- ssen Händen anfassen. Was meinst du: hätte einer von ihnen Aussicht, sich nicht zu verbrennen?’’ ,,Keiner’’, antwortete ich. ,,Alle verbrennen sich!’’ ,,Siehst du, genauso zerstören sich alle Bösen selbst, wenn sie nicht imstande sind, ihre Bosheit zu überwinden. Diesem Gesetz kann niemand entrinnen!’’ ,,WelchemGesetz?’’ ,,Wenn in einer Welt das Niveau der Wissenschaft höher steigt als das Niveau der Liebe, dann zerstört diese Welt sich selbst.’’ ,,Das Niveau der Liebe?’’ Ich begriff sehr gut, was er mit dem wissenschaftlichen Niveau eines Planeten meinte, aber unter einem Niveau der Liebe konnte ich mir nicht das geringste vorstellen. ,,Das Einfachste ist für manche am schwierigsten zu verstehen. Die Liebe ist eine Kraft, eine Schwin- gung, eine Energie, deren Auswirkungen wir mit unse- ren Instrumenten messen können. Wenn in einer Welt das Niveau der Liebe niedrig ist, entsteht daraus für alle Unglück, Hass, Gewalt, Trennung, Krieg, und das alles mit einem höchst gefährlichen Grad von Zerstö- rungskraft. Verstehst du mich, Pedrito?’’ ,,Eigentlich nicht so ganz. Was willst du damit sagen?’’ ,,Ich will dir viele Dinge sagen, aber wir müssen schrittweise vorgehen. Mir wäre es lieber, wenn du mir deine Zweifel mitteiltest.’’ Ich konnte immer noch nicht glauben, dass es keine Invasorenmonster geben sollte. Ich erzählte ihm darum von einem Film, in dem ausserirdische Eidech- sen viele Planeten beherrschten, da sie so gut organi-
  • 21. 26 siert waren. Er meinte dazu: ,,In einem solchen Fall herrschen Zwang und Gewalt. Das Resultat davon ist Aufleh- nung, Trennung, Zerstörung. Ohne Liebe gibt es keine dauerhafte Organisation. Die einzige universell vollen- dete Ordnung, Die imstande ist, das Überleben zu ga- rantieren, ergibt sich von selbst, wenn sich eine Zivili- sation der Liebe nähert, während sie sich entwickelt. Jene Welten, die dies erreichen, nennen wir ent- wickelt, zivilisiert. Da richtet niemand mehr einen Schaden an! Im ganzen Universum gibt es keine an- dere Alternative. Eine höhere Intelligenz als die unsere hat dies alles so eingerichtet.’’ Ich verstand es immer noch nicht so recht. Ami erklärte es mir noch einmal und noch genauer, aber mir wollten die Monster, die gleichzeitig böse und in- telligent waren, einfach nicht aus dem Kopfe! ,,Zu viel Fernsehen!!’’ rief Ami in leiser Verzweif- lung, aber dann versuchte er es von neuem: ,,Die Mon- ster, die du dir vorstellst befinden sich in unserem eigenen Inneren. Solange wir sie nicht loswerden, sind wir es nicht wert, all die Wunder des Universums zu erleben! Die Bösen sind weder schön noch intelligent.’’ ,,Was ist zum Beispiel mit diesen schönen Frauen, die garstig sind?’’ ,,Entweder sind sie nicht garstig oder nicht wirk- lich schön. Wahre Intelligenz und Schönheit und Güte gehen immer Hand in Hand. Das ist alles die Folge eines einzigen Evolutionsprozesses, der auf der Liebe beruht.’’ ,,Damit willst du mir doch wieder sagen, dass es im ganzen Universum nur auf der Erde böse Wesen gibt!’’ ,,Aber nein, die gibt es auch noch woanders, Es gibt zum Beispiel Welten, in denen du keine halbe
  • 22. 27 Stunde überleben würdest, so wie das hier auf der Erde vor ein paar Millionen Jahren auch mal war. Es gibt sogar Welten, die von wahren Menschenmonstern be- wohnt sind.’’ ,,Na, siehst du, na, siehst du!’’ triumphierte ich. ,,Du sagst es ja selbst! Ich hatte also doch recht!! Genau diese Monster habe ich gemeint!’’ ,,Du brachst dich nicht aufzuregen. Die sind unten, nicht oben! Die leben in Welten, die rückständi- ger sind als diese hier. Die Entwicklung ihrer Gehirne hat ihnen noch nicht einmal das Rad beschert, also können sie kaum bis hierher kommen.’’ Das hörte sich wirklich beruhigend an. ,,Dann sind wir Erdenbewohner also doch nicht die schlechtesten im ganzen Universum!’’ ,,Nein. Aber du bist einer der dümmsten in der Galaxie!’’ Wir lachten wie zwei gute Freunde.
  • 23. 28 3.Kapitel Sorge dich nicht ,,Was ist das für ein Zeichen, das du da auf der Brust trägst?’’ fragte ich Ami. ,,Das ist ein Symbol für meine Arbeit’’, entgegnete er. Dann sagte er, nach oben deutend: ,,Weißt du, dass es hier >>ganz in der Nähe<< auf einem der Planeten des Sirius Strände gibt, die violett sind? Sie sind wunder- bar! Du kannst dir nicht vorstellen, wie ein Sonnenun- tergang dort aussieht, mit zwei Riesensonnen!’’ ,,Bewegst du dich mit Lichtgeschwindigkeit?’’ fragte ich ihn. Das fand er belustigend. ,,Wenn ich mich so lan- sam bewegte, wäre ich schon alt gewesen, bevor ich hier angekommen wäre.’’ ,,Wie schnell bewegst du dich dann?’’ ,,Wir bewegen uns normalerweise nicht, wir statio- nieren uns. Aber von einem Punkte der Galaxis zu einem anderen würde ich brauchen -, warte …’’ – er nahm seinen Taschenrechner aus dem Gürtel und liess ihn eine Zeitlang tickern - ,,… nach deiner Zeitrech- nung anderthalb Stunden; von einer Galaxie zu einer anderen benötigte ich aber bereits mehrere Stunden.’’ ,,Toll!! Und wie machst du das?’’ ,,Kannst du einem Baby erklären, warum zwei mal zwei vier ist?’’ ,,Nein’’, erwiderte ich, ,,das weiss ich selbst nicht.’’ ,,Siehst du, ich kann dir auch nicht Dinge erklären, die sich auf die Kontraktion und auf die Krümmung
  • 24. 29 von Raum und Zeit beziehen. Das ist auch gar nicht notwendig. – Schau mal die Vögel da! Sie gleiten auf dem Wasser wie mit Schlittschuhen. Wunderbar!’’ Er sah dem Spiel der Möwen zu, die in Schwärmen am Wassersaum hin und her trippelten; sie holten sich die Nahrung, die die Wellen zurückliessen. Plötzlich erinnerte ich mich, dass es schon spät war. ,,Ich muss gehen, meine Grossmutter …’’ ,,Sie schläft noch.’’ ,,Ich mache mir Sorgen.’’ ,,Sich Sorgen machen, wie dumm!’’ ,,Wieso?’’ ,,Ich mache mir nie Sorgen, ich sorge für die Dinge.’’ ,,Das ist mir zu hoch, Ami.’’ ,,Sorge dich nicht um Dinge, die noch nicht einge- troffen sind und auch nicht eintreten werden. Geniesse die Gegenwart. Das Leben ist kurz. Wenn wirklich ein Problem auftritt, dann sorge für die Lösung! Wäre es zum Beispiel gut, wenn wir uns jetzt Sorgen machten, dass eine Riesenwelle kommen und uns wegschwem- men könnte? Es wäre doch zu schade, diesen Augen- blick jetzt nicht zu geniessen, diese wundervolle Nacht! Schau den Vögeln zu; sie nehmen das Futter auf, ohne sich zu sorgen. Merk dir, tausche nie den Augenblick für etwas ein, das es gar nicht gibt!’’ ,,Aber meine Grossmutter gibt es.’’ ,,Ja, und das ist überhaupt kein Problem. Dieser Moment aber, existiert der vielleicht nicht?’’ ,,Ich mach mir trotzdem Sorgen…’’ ,,Ach, du Erdenbürger, du Erdenbürger’’, seufzte Ami, ,,okay, lass uns nach deiner Grossmutter schauen.’’ Er nahm seinen Fernsehapparat und begann an den Knöpfen zu drehen. Auf dem Bildschirm erschien der
  • 25. 30 Weg zu unserem Häuschen. Die Kamera bewegte sich weiter zwischen Bäumen und Felsen, alles in Farbe und hell erleuchtet wie am Tage. Wir spazierten durch ein Fenster ins Haus hinein und sahen meine Gross- mutter schlafend in ihrem Bett. Man konnte mit diesem unglaublichen Apparat sogar ihr Atmen höre. ,,Sie schläft wie ein Engel’’, meinte Ami lachend. ,,Bist du sicher, dass das hier kein Film ist?’’ ,,Nein, Pedrito, das ist live. Gehen wir doch ins Ess- zimmer.’’ Die Kamera drang durch die Wand des Schlafzimmers, und wir standen im Esszimmer. Auf dem Tisch mit dem grosskarierten Tischtuch stand an meinem Platz ein Teller, über den ein zweiter gestülpt war. ,,Schaut benah wie mein Raumschiff aus’’, meinte Ami witzig. ,,Lass sehen, was es zum Abendessen gibt.’’ Er hantierte an seinem Fernseher, und plötzlich wurde der obere Teller durchsichtig wie Glas. Da lag ein Steak mit Pommes frites und Tomatensalat. ,,Uahh!!’’ rief Ami entsetzt aus, ,,wie könnt ihr Lei- chen essen?’’ ,,Leichen?’’ ,,Tierleichen! Tote Kühe, ein Stück von einer toten Kuh!!’’ So wie Ami das sagte, klang es auch für mich ekelerregend. Ich versuchte abzulenken und fragte ihn: ,,Wie funktioniert das alles eigentlich? Wo ist die Kamera?’’ ,,Ich brauche keine Kamera. Dieser Apparat hier visiert, nimmt auf, filtert, wählt aus, verstärkt und proji- ziert …, du siehst, alles höchst einfach!’’ Anscheinend machte er sich über mich lustig. ,,Wieso ist es Tag hier, wo es doch Nacht ist?’’ ,,Es gibt ein Licht, das deine Augen nicht sehen
  • 26. 31 können. Dieser Apparat hier kann es.’’ ,,Kompliziert!’’ ,,Überhaupt nicht. Dieses Ding hier habe ich selbst gebaut.’’ ,,Du hast es selbst…?’’ ,,Ist schon etwas altmodisch, aber ich hänge nun mal dran. Es ist ein Andenken, eine Arbeit aus der Grundschule.’’ ,,Seid ihr denn alle Genies??’’ ,,Überhaupt nicht. – Kannst du multiplizieren?’’ ,,Klar’’, antwortete ich. ,,Dann bist du ein Genie für einen, der das nicht kann. Weißt du, es ist alles eine Frage des Entwick- lungsstandes. Ein Transistorradio zum Beispiel ist für einen Wilden im Urwald ein Wunder.’’ ,,Da hast du recht. Glaubst du, dass wir hier auf der Erde eines Tages auch solche Erfindungen machen werden?’’ Da wurde er zum ersten Mal ernst. Er sah mich an mit einem Blick, in dem so etwas wie Trauer lag. ,,Ich weiss es nicht’’ , sagte er leise. ,,Wieso weisst du das nicht? Du weisst doch sonst alles.’’ ,,Nicht alles . . . Die Zukunft kennt niemand, glücklicherweise.’’ ,,Warum sagst du: glücklicherweise?’’ ,,Stell dir das mal vor! Das Leben hätte doch gar keinen Sinn, wenn man die Zukunft schon kennen würde. Möchtest du zum Beispiel schon im vorhinein den Ausgang des Filmes sehen, den du dir anschauen willst?’’ ,,Natürlich nicht, dann wäre ja alle Spannung weg.’’ ,,Oder kannst du über einen Witz lachen, den du
  • 27. 32 schon kennst?’’ ,,Kaum, das wäre doch langweilig.’’ ,,Möchtest du vorher schon wissen, was du zum Geburtstag bekommst?’’ ,,Das noch weniger!’’ Es gefiel mir, wie er mir die Dinge mit anschauli- chen Beispielen klarmachte. ,,Ja, das Leben verlöre vollkommen seinen Sinn, wenn man die Zukunft kennen würde. Man kann be- stenfalls Möglichkeiten abschätzen.’’ ,,Wie?’’ ,,Man kann zum Beispiel Möglichkeiten überden- ken, die die Erde noch hat, um sich zu retten.’’ ,,Zu retten, wovor?’’ ,,Was heisst, wovor? Hast du noch nie was von der Vergiftung der Erde gehört, von Kriegen und Bomben? ,,Ja doch. Willst du damit sagen, dass wir hier auch in Gefahr sind, uns selbst zu zerstören? Wie in den Welten der Bösen?’’ ,,Es gibt viele Möglichkeiten. Pass auf: Wissen- schaft und Liebe müssen gleich stark sein, wenn alles gut sein soll. Bei euch aber neigt sich die Waagschale der Wissenschaft ganz mächtig nach unten. Das ist der Punkt! Millionen von Zivilisationen wie eure hier haben sich selbst zerstört. Ihr seid am Wendepunkt, an einem sehr gefährlichen!’’ Langsam bekam ich es mit der Angst. Ich hatte bisher nicht wirklich an die Möglichkeit eines dritten Weltkrieges oder anderer Katastrophen geglaubt. So blieb ich eine Zeitland in Gedanken versunken. Dann kam mir auf einmal eine wunderbare Idee: ,,Tut ihr doch etwas!’’
  • 28. 33 ,,Und was zum Beispiel?’’ ,,Ich weiss nicht. Vielleicht mit tausend Raumschif- fen landen und den Präsidenten aller Länder sagen, dass sie Schluss mit den Kriegen machen sollen … ir- gend so was.’’ Ami lächelte. ,,Wenn wir das täten, gäbe es erstens Tausende von Herzinfarkten. Alle Welt glaubt doch an diese Weltraumfilme mit den blutrünstigen Invasoren! Dabei können wir so unmenschlich gar nicht sein! Und zweitens: Wenn wir euch zum Beispiel sagten: >>Wan- delt eure Waffen in Werkzeuge um!<<, dann würdet ihr denken: das ist wieder so ein raffinierter Plan der Ausserirdischen, um euch zu schwächen und dann den ganzen Planeten zu beherrschen! Nehmen wir drittens einmal an, ihr kämt eines Tages wirklich so weit zu erkennen, dass wir ganz harmlos sind, dann würdet ihr trotzdem eure Waffen nicht aus der Hand legen.’’ ,,Und warum nicht?’’ ,,Weil jedes Land Angst vor dem anderen hätte. Wer wagte es schon, sich als erster zu entwaffnen? Niemand!’’ ,,Aber man muss doch Vertrauen haben.’’ ,,Kinder haben vielleicht Vertrauen, Erwachsene nicht. Und die Präsidenten der Länder am allerwenig- sten! Das nicht mal ohne Grund! Einige von ihnen haben wirklich Lust, die anderen zu unterwerfen!’’ Nun war ich wirklich tief beunruhigt. Ich sann über eine Lösung nach, die den Krieg und die mögliche Vernichtung der Menschheit verhindern könnte. Schliesslich schien es mir noch am besten, dass die Ausserirdischen mit Gewalt die Macht an sich reissen, die Bomben zerstören und uns zwingen sollten, in Frieden zu leben. Das sagte ich ihm. Nachdem er aus- giebig darüber gelacht hatte, meinte er, ich könne es
  • 29. 34 einfach nicht lassen, wie ein Erdenbürger zu denken. ,,Warum?’’ ,,Gewalt, zerstören, zwingen! Das ist die Sprache der Erdenbürger! Wir nennen so etwas unzivilisiert, aggressiv! Die menschliche Freiheit ist etwas Heiliges, die eigene wie die des anderen. Zwang gibt es in unse- ren Welten nicht. Jedes Individuum ist wervoll und wird respektiert. Die Macht an sich reissen und etwas zerstören ist Gewaltanwendung. Das wäre eine Verlet- zung des universalen Gesetzes!’’ ,,Führt ihr denn keine Kriege?’’ Noch ehe die Frage ganz heraus war, wusste ich schon, wie dumm sie war. Er sah mich liebevoll an und legte mir die Hand auf die Schulter. ,,Wir führen keine Kriege, weil wir an Gott glauben.’’ Diese Antwort überraschte mich sehr. Ich glaubte auch an Gott, aber in letzter Zeit schien es eher so, als wenn nur noch die Patres meiner Schule an ihn glaub- ten und noch ein paar Leute, die keine allzu grosse Bildung haben. Ich dachte an meine Onkel, der Atomphysik an der Universität lehrt; er sagt immer, dass die Intelligenz Gott umgebracht habe. ,,Dein Onkel ist ein Dummkopf.’’ Ami hatte meine Gedanke aufgefangen! ,,Das stimmt nicht’’, empörte ich mich; ,,mein Onkel ist einer der intelligentesten Männer des Landes!’’ ,,Er ist ein Dummkopf’’, beharrte Ami. ,,Kann denn ein Apfel einen Apfelbaum umbringen. Kann eine Welle das Meer umbringen?’’ ,,Ich dachte mir …’’ ,,Du bist im Irrtum. Gott existiert.’’ Ich begann über Gott nachzudenken, etwas schuldbe- wusst, weil ich an seiner Existenz gezweifelt hatte.
  • 30. 35 ,,Hör auf! Lass den weissen Bart und das wallende Gewand weg!’’ Ami lachte; er hatte mitbekommen, wie ich mir Gott vorstellte. ,,Ja, hat er denn keinen Bart? Rasiert er sich etwa?’’ Mein Freund amüsierte sich köstlich über meine Verwirrung. Dann wurde er ernst: ,,Dein Gott entspricht zu sehr euren irdischen Vorstellung.’’ ,,Und warum?’’ ,,Weil ihr nicht anders könnt, als ihn euch wie einen Irdischen Menschen vorzustellen.’’ Wollte Ami mir vielleicht sagen, dass die Ausserirdi- schen nicht wie menschliche Wesen aussahen? ,,Aber du hast doch gesagt, dass die menschlichen Wesen anderer Welten nicht fremdartig oder wie Monster aus- sehen. Du selbst siehst doch auch wie ein Erdenbürger aus.’’ Ami nahm lächelnd ein Stöckchen vom Boden auf und zeichnete eine menschliche Figur in den Sand. ,,Das menschliche Modell ist universell: Kopf, Rumpf, Arme und Beine. Natürlich gibt es in jeder Welt kleine Abweichungen wie Grüsse, Farbe der Haut, Form der Ohren, eben kleine Unterschiede. Ich sehe wie ein Erdenbürger aus, weil die Menschen meiner Welt ge- nauso aussehen wie die Kinder hier auf der Erde. Aber Gott hat keine menschliche Form. – Komm, lass uns etwas gehen.’’ Wir nahmen den Pfad, der zum Dorfe führte. Ami legte seinen Arm um meine Schulter, und ich fühlte, dass er mein Bruder war, der Bruder, den ich mir immer gewünscht hatte. Ein paar Nachtvögel krächzten in der Ferne. Ami schien das alles zu geniessen. Tief atmete er die Meeresluft ein und sagte: ,,Gott hat kein menschli- ches Aussehen.’’ Sein Gesicht schien in der Nacht zu leuchten, als er vom Schöpfer sprach. ,,Er hat über-
  • 31. 36 haupt keine Form, er ist keine Person wie du und ich, er ist etwas Unendliches, reine Energie, reine Liebe…’’ ,,Ah.’’ Er sagte das so schön, dass auch ich gerührt war. ,,Deshalb ist das Universum schön und gut, es ist wunderbar!’’ Ich dachte an die Bewohner der primitiven Welten, die er erwähnt hatte, und auch an die bösen Menschen auf diesem Planeten. ,,Und die Bösen?’’ ,,Eines Tages werden auch sie gut sein.’’ ,,Aber wäre es nicht viel besser, wenn sie schon von Anfang an gut geboren worden wären, dann gäbe es doch nirgends etwas Böses?’’ ,,Wenn man das Böse nicht kennt, wie will man dann das Gute geniessen? Wie kann man es schätzen?’’ fragte Ami. ,,Das versteh ich nicht.’’ ,,Findest du es nicht wunderbar, sehen zu können, dein Augenlicht zu haben? ’’ ,,Ich weiss nicht. Darüber hab ich nie gedacht. Wahrscheinlich schon.’’ ,,Wenn du blind geboren wärest und auf einmal sehen könntest, wäre es für dich doch ein Wunder, sehen zu können.’’ ,,Doch, ja.’’ ,,Wenn jemand ein hartes Leben der Gewalt gelebt hat und dann lernt, ein menschlicheres Leben zu füh- ren, dann schätzt er das so hoch ein wie niemand ausser ihm. Wenn es keine Nacht gäbe, könnten wir keinen Sonnenaufgang geniessen.’’ Wir schritten auf dem mondbeschienenen Wege, der von Bäumen eingesäumt war, voran und erreichten unser Haus. Ich schlüpfte rasch hinein und kehrte mit
  • 32. 37 einem Pullover zu Ami zurück. Dann setzten wir unse- ren Spaziergang fort. Während wir uns unterhielten, beobachtete Ami alles, was ihm in den Blick fiel. Wir waren noch ein Stück vom eigentlichen Dorf entfernt, es gab noch keine Strassenbeleuchtung. ,,merkst du eigentlich, was du tust?’’ fragte Ami. ,,Nein, warum?’’ ,,Du gehst, du kannst gehen!’’ ,,Ja, natürlich. Ist da was Besonderes dran?’’ ,,Wenn Menschen gehbehindert waren und dann nach Monaten oder Jahren des Übens endlich wieder gehen können, dann ist das für sie etwas Wunderba- res, und sie sind dankbar dafür und geniessen es. Du hingegen gehst einfach so dahin und denkst dir nichts dabei!!’’ Ami sah mich bekümmert an. ,,Hast recht, Ami’’, tröstete ich ihn, ,,aber ich muss heute so viele Dinge von dir lernen.
  • 33. 38 4. Kapitel Die Polizei Wir erreichten die ersten Strassenlaternen etwa eine Stunde vor Mitternacht. Es war für mich schon etwas abenteuerlich, ohne meine Grossmutter so spät noch durch die Strassen des Dorfes zu gehen, aber an Amis Seite fühlte ich mich vollkommen sicher. Wir schritten ruhig vor uns hin. Von Zeit zu Zeit blieb mein Freund stehen, um irgend etwas zu bewun- dern: den Mond, der durch die Eukalyptusblätter lugte, dann ein besonders hübsches Häuschen, eine Weg- biegung oder ein malerisches Eckchen; er machte mich auf das Rauschen der fernen Brandung aufmerk- sam, auf das Quaken der Frösche und das Zirpen der Nachtgrillen. Tief sog er das Aroma der Nadelbäume, der Baumrinden und den Duft der Erde in sich ein. Er geriet ins Schwärmen: ,,Wie schön das alles ist! Schau die Laterne! Wie ihr Licht auf diese Kletter- pflanze fällt, das müsste man malen! Schau, wie die Antennen sich von dem Sternenhimmel abheben! Ge- niesse es, Pedrito, ganz unbeschwert, das ist der Sinn des Lebens! Sei aufmerksam! Versuche, ganz in dich aufzunehmen, was das Leben dir bietet. Du kannst es nur mit dem Gefühl, nicht mit dem Verstand! Den tiefen Sinn des Lebens findest du jenseits des Denkens! - weisst du, Pedrito, das Leben ist ein Märchen, das Wirklichkeit wurde, ein wunderbares Geschenk, das Gott dir gibt. – Gott liebt dich, Pedrito!!’’ Amis Worte öffneten mir das Tor zu einer völlig
  • 34. 39 neuen Welt, die kaum noch Ähnlichkeit hatte mit mei- ner alten, alltäglichen Welt, auf die ich so wenig geach- tet hatte. Ich begriff plötzlich, dass ich in einem Para- dies lebte, ohne es zu wissen! Unterdessen hatten wir den Dorfplatz erreicht. Einige junge Burschen und Mädchen standen im Ein- gang einer Diskothek herum, andere unterhielten sich auf der Strasse. Es war ziemlich ruhig, die Saison ging ja schon zu Ende. Trotz Amis Aufmachung achtete niemand auf uns, vielleicht dachten sie auch, er hätte sich zum Karneval verkleidet. Ich stellte mir vor, was passieren würde, wenn sie wüssten, was für ein sonder- bares Wesen da über den Platz spazierte. Man würde sich sofort um uns drängen, Journalisten rückten an und das Fernsehen… ,,Nein, danke’’, sagte Ami, als er meine Gedanken auffing, ,,ich möchte nicht gekreuzigt werden.’’ Ich starrte ihn mit offenem Munde an. ,,Erstens würden sie es sowieso nicht glauben, und wenn sie es schliesslich doch glaubten, würden sie mich erst mal verhaften, weil ich ja illegal gelandet bin. Dann würden sie vermuten, dass ich ein Spion sei, und mich vielleicht sogar foltern, um an Informationen her- anzukommen. Zum guten Schluss kämen dann währ- scheinlich noch die Ärzte, um in meinen Körper hineinzuschauen.’’ Obwohl Ami eine so schwarze Zukunft malte, lachte er. Wir suchten uns jetzt ein ruhiges Plätzchen und setzten uns dort auf eine Bank. Ich dachte mir, die Ausserirdischen sollten sich ruhig nach und nach etwas mehr zeigen, damit sich die Leute an sie ge- wöhnten; eines Tages könnten die Sternbewohner dann ja ganz öffentlich auftreten.
  • 35. ,,Ja, so ungefähr machen wir es ja nun’’, bestätigte Ami. ,,Aber uns öffentlich zeigen! Hast du die drei Gründe vergessen, warum das nicht möglich ist? Jetzt sage ich dir noch einen, den Hauptgrund: es wäre gegen die Gesetze!’’ ,,Welche Gesetze?’’ ,,Die Gesetze des Universums. Pass auf: in deiner Welt gibt es Gesetze, stimmt’s? In den zivilisierten Wel- ten gibt es auch Gestze, sagen wir, allgemeine Grundsätze, die von allen respektiert werden müssen. Einer von ihnen heisst: Greife nie in die Entwicklungs- prozesse der unzivilisierten Welten ein!’’ ,,Unzivilisiert??’’ ,,Wir nennen jene Welten unzivilisiert, die die drei Grundbedingungen noch nicht erfüllen.’’ ,,WelcheGrundbedingungen?’’ ,,Die drei Grundbedingungen aller zivilisierten Welten! Sie lauten erstens: Das Grundgesetz des Uni- versums muss bekannt sein; aus der Kenntnis und An- wendung dieses Gestzes ergeben sich die beiden anderen Bedingungen von selbst. Zweitens muss eine zivilisierte Welt eine Einheit sein, die unter einer einzi- gen Weltregierung steht, und drittens muss diese zivili- sierte Welt ihre Verfassung auf dem Grundgesetz des Universums aufbauen.’’ ,,Also ehrlich, davon hab ich nicht allzu viel ver standen. Was ist das für ein Grundgesetz, wie heisst es?’’ ,,Siehst du, du kennst es nicht’’, lachte er spöttisch, ,,du bist nicht zivilisiert!’’ ,,Aber ich bin doch nur ein Kind’’, protestierte ich, ,,die Erwachsenen kennen das Gesetz bestimmt, un- sere Wissenschaftler und Präsidenten …’’ Jetzt musste Ami noch viel mehr lachen: ,,Die Er- 40
  • 36. 41 wachsenen, die Wissenschaftler, die Präsidenten! Die nun schon am wenigsten! Mit ganz wenigen Ausnah- men …’’ ,,Wie heisst dieses Gesetz?’’ ,,Ich werde es dir später mal sagen …’’ ,,Wirklich?’’ Ich fand es toll, dass ich bald etwas erfahren würde, was offensichtlich kaum einer von uns Menschen wusste. ,,…wenn du ganz brav bist.’’ Mein Freund machte sich schon wieder über mich lustig. Wir schwiegen eine Weile. Ich dachte über das Verbot nach, in die Geschehnisse unzivilisierter Wel- ten einzugreifen. Plötzlich ging mir ein Licht auf: ,,Dann tust du also etwas, was gegen das Gesetz ist?’’ ,,Bravo, du hast es erfasst!’’ ,,Na klar, erst sagst du, dass es verboten sei einzu- greifen, und dann redest du trotzdem mit mir!’’ Ami lächelte. ,,Ja und nein. Das, was ich tue, greift nicht in die Entwicklung der Erde ein, ich zeige mich nicht offen und nehme keine Verbindung mit der gro- ssen Masse der Menschheit auf, denn das wäre gegen das Gesetz. Das, was ich tue, ist nur ein Teil unseres Nothilfeprogramms.’’ ,,Wie bitte? – Das musst du mir näher erklären.’’ ,,Weißt du, das ist etwas kompliziert. Alles kann man nicht erklären, du würdest es doch nicht verste- hen. Später mal vielleicht. Fürs erste sage ich dir nur soviel: das Nothilfeprogramm ist so was wie eine Medi- zin, die wir ganz, ganz vorsichtig und feindosiert verabreichen.’’ ,,Was für eine Medizin?’’ ,,Information.’’ ,,Information? Was für eine Information?’’ ,,Hör zu: Nach der Explosion der ersten Atom-
  • 37. 42 bombe begannen unsere Raumschiffe, sich hier und da zu zeigen. Ihr solltet merken, dass ihr nicht die einzi- gen im weiten Universum seid. Das ist Information! Mit der Zeit dann konntet ihr immer mehr Raumschiffe sichten, das ist noch mehr Information! Irgendwann einmal werden wir uns von euch sogar fotografieren lassen! Gleichzeitig dazu stellen wir mit einigen Men- schen direkte Kontakte her wie zum Beispiel mit dir, auch senden wir Nachrichten auf den Mentalfrequen- zen. Diese Frequenzen verhalten sich in der Luft wie Radiowellen. Sie wenden sich an alle Menschen: Einige haben ihren Sender auf Aufnahme gestellt und empfangen diese Schwingungen, andere nicht. Von denen, die unsere Nachrichten aufnehmen, glauben die einen, es handele sich um ihre ureigenen Ideen, andere denken, dass es göttliche Eingebungen seien, und wieder andere kommen dahinter, dass wir es sind, die sie ausgesandt haben. Es gibt dann welche, die geben diese Nachrichten ziemlich verdreht wieder, bunt vermischt mit ihren eigenen Ideen und Überzeu- gungen, andere drücken sie sehr präzise aus.’’ ,,Und wann werdet ihr vor allen Menschen erscheinen?’’ ,,Wenn Ihr euch bis dahin nicht selbst zerstört habt und wenn ihr die drei Grundbedingungen erfüllt. Vorher auf keinen Fall!’’ ,,Ich finde das trotzdem ganz schön egoistisch von euch, dass ihr nicht eingreift und diese Zerstörung ver- meidet’’, sagte ich etwas erbost. Ami lächelte und sah zu den Sternen hinauf. ,,Unser Respekt vor eurer Freiheit geht so weit, dass wir euch dem Schicksal überlassen müssen, das ihr ver- dient. Entwicklung ist etwas sehr Heikles. Man kann da nicht einfach eingreifen. Man kann nur empfehlen,
  • 38. 43 ganz sanft, über besondere Menschen wie du.’’ ,,Wie ich?? – Was ist denn an mir Besonderes?’’ ,,Das sage ich dir vielleicht auch später mal. Im Augenblick genügt es, dass du gewisse Bedingungen erfüllst . . . he, das müssen nicht unbedingt Tugenden sein!! – Pedrito, ich werde dich bald verlassen. Möch- test du mich wieder sehen?’’ Mein Herz begann zu klopfen. ,,Aber natürlich! Ich hab dich doch – liebgewonnen!’’ ,,Ich dich auch. Aber wenn du wirklich willst, dass ich wiederkomme, musst du ein Buch schreiben, in dem du alles erzählst, was wir miteinander erlebt haben. Deshalb bin ich nämlich gekommen, das ist ein Teil unseres Nothilfeprogramms. Willst du?’’ ,,Ich soll ein Buch schreiben? Aber das kann ich doch gar nicht!’’ ,,Schreibe es einfach als eine Geschichte für Kin- der, als wär das alles Phantasie. Wende dich an die Kinder; sie werden nicht glauben, dass du lügst oder verrückt bist. Übrigens kannst du noch deinen Vetter, der so gerne schreibt, um Hilfe bitten: Du erzählst ihm alles, und er schreibt es auf.’’ Anscheinend wusste Ami mehr von mir als ich selbst. ,,Auch diese Buch wird eine Information sein, mehr dürfen wir nicht tun. – Sag, Pedrito, fürchtest du immer noch, dass böse Wesen einer fortgeschrittenen Zivilisation eines Tages kommen und die Erde überfallen?’’ Ich musste lachen. ,,Na, siehst du! Aber ihr’’, – Ami blickte mich ein- dringlich an – ,,wenn ihr eure Bosheit nicht überwin- den könntet – nimm an, wir würden euch helfen zu überleben! – dann würdet ihr nichts anderes mehr im
  • 39. 44 Kopfe haben, als andere Zivilisation zu erobern, zu beherrschen und auszubeuten! Das zivilisierte Univer- sum ist aber ein Ort der Liebe, der Brüderlichkeit! – Dann ist da noch etwas: Es gibt im Weltraum noch viele andere ungeheuer starke Energien – die Atomenergie würde sich dagegen ausnehmen wie eine Streichholz- flamme neben der Sonne. Wir können es einfach nicht erlauben, dass eine gewalttätige Menschenrasse den Frieden der zivilisierten Welten in Gefahr bringt, und noch viel weniger, dass sie eine kosmische Katastrophe heraufbeschwört!’’ ,,Ich bin beunruhigt, Ami’’, druckste ich. ,,Wegen der Gefahr einer kosmischen Katastrophe?’’ ,,Nein, weil ich fürchte, dass es schon sehr spät ist.’’ ,,Zu spät, um die Menschheit zu retten, Pedrito?’’ ,,Nein, zu spät, um schlafen zu gehen …’’ Ami bog sich vor Lachen. ,,Beruhige dich, Pedrito, wir werden nach deiner Grossmutter schauen. ‚’ Er be- nutzte wieder den kleinen Fernseher aus seinem Gür- tel. Meine Grossmutter schlief mit offenem Munde. ,,Sie geniesst ihren Schlaft wirklich’’, witzelte Ami. ,,Ich bin müde und schläfrig’’, gähnte ich, ,,ich möchte auch schlafen gehen.’’ ,,Gut, gehen wir.’’ Wir waren auf dem Weg zu unserem Haus, als uns ein Polizeiauto entgegenkam. Für die Polizisten war der Fall klar: zwei Kinder spät nachts allein auf der Strasse! Sie hielten den Wagen an, stiegen aus und schritten auf uns zu. Mir schlotterten die Knie. ,,Was treibt Ihr den hier um diese Zeit?’’ ,,Wir gehen spazieren und geniessen das Leben’’, sagte Ami betont ruhig, ,,und ihr, was treibt ihr? Arbei- ten? Jagd auf Schurken machen?’’, und er lachte wie immer. Ich hielt den Atem an, als ich hörte, wie Ami mit
  • 40. 45 den Polizisten umsprang. Aber die fanden das Verhal- ten meines Freundes seltsamerweise ungeheuer lu- stig. Sie lachten mit ihm um die Wette. Ich versuchte mitzulachen, aber ich war zu nervös dazu. ,,Wo hast du denn diesen Anzug her?’’ ,,Von meinem Planeten’’, antwortete Ami keck. ,,Ah, du bist wohl ein Marsmensch!’’ ,,Nicht gerade das, aber ein Ausserirdischer bin ich allemal.’’ Ami gab sich heiter, fast ausgelassen, ich dagegen wurde immer zappliger. ,,Und wo hast du deine Ufo gelassen?’’ fragte einer der Beamten und sah Ami väterlich an, Er glaubte offensichtlich, das sich mein Freund ein kindliches Spiel mit ihm erlaubte; er konnte nicht ahnen, dass Ami ganz einfach die Wahrheit sagte. ,,Das habe ich am Strand geparkt, unten am Meer, nicht wahr, Pedrito?’’ Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ich lächelte nur und machte ein ziemlich dummes Gesicht dazu. Ich hatte nicht den Mut, einfach ja zu sagen. ,,Und hast du keine Pistole, die Strahlen schiesst?’’ Die Polizisten genossen den Spass, Ami auch. Nur ich war völlig verwirrt und aufgeschreckt. ,,Die brauche ich nicht, wir greifen niemanden an, wir sind gut!’’ ,,Und was tust du, wenn dir plötzlich ein Schurke mit einer Pistole wie dieser gegenübersteht?’’ Der Poli- zist tat so, als ob er ihn mit einer Waffe bedrohte. ,,Wenn er mich angreift, dann setze ich ihn mit meiner Gedankekraft ausser Gefecht.’’ ,,Na, das will ich sehen. Los, setz mich ausser Gefecht!’’ ,,Sehr gerne, aber – das wird zehn Minuten anhalten!’’
  • 41. 46 Die drei lachten fröhlich. Auf einmal wurde Ami still, fasste die Männer ins Auge und sagte in einem sehr eigenartigen befehlenden Ton: ,,Bleibt unbeweglich für zehn Minuten, ihr könnt – ihr könnt euch nicht bewegen – jetzt!’’ Die beiden standen plötzlich da wie gelähmt, in der Haltung, die sie gerade eingenommen hatten; sie lächelten sogar! ..Siehst du, Pedrito, so kann man die Wahrheit sagen, als ob es ein Spiel wäre oder Phantasie’’, er- klärte er mir, während er die Nasen seiner Opfer an- fasste und ihre Schnurrbärte bewegte. Das Lächeln der Polizisten wirkte unter diesen Umständen schon fast tragisch! Ich aber geriet regelrecht in Panik. ,,Mensch, nichts wie weg hier! Wenn die aufwachen . . .!’’ wollte ich rufen, aber es kam nur ein heiseres Flüstern aus meiner Kehle. ,,Mach dir doch keine Sorgen, Pedrito, zehn Minu- ten sind eine Ewigkeit!’’ Ami hatte noch immer nicht genug: er gab den Dienstmützen einen Stoss, dass sie auf die Seite rutschten. Ich wäre am liebsten im Boden versunken. ,,Los, Ami, lass uns abhauen!!’’ Ami zuckte die Achseln. ,,Jetzt bist du schon wie- der besorgt, anstatt den Augenblick zu geniessen, aber – gehen wir eben’’, meinte er resigniert. Er näherte sich noch einmal den lächelnden Polizisten und befahl ihnen mit derselben Stimme wie vorher: ,,Wenn ihr auf, werdet ihr für immer diese beiden Kinder vergessen haben.’’ Wir entfernten uns rasch, bogen an der nächsten Strassenecke zum Strand ein und gewannen immer mehr Abstand. Mir fiel ein Stein vom Herzen. ,,Wie hast du das gemacht, Ami?’’
  • 42. 47 ,,Hypnose! – Das kann jeder!’’ ,,Ich hab mal gehört, dass sich nicht jeder hypnoti- sieren lässt; die beiden hätten ja auch von dieser Sorte sein können.’’ ,,Es ist nicht nur so, dass man alle Menschen hyp- notisieren kann, sondern so: alle Menschen sind hypnotisiert!’’ ,,Was willst du damit sagen? Ich zum Beispiel bin nicht hypnotisiert, ich bin hellwach.’’ Ami lachte über meine Beteuerungen. ,,Erinnerst du dich, wie es war, als wir den Weg hier herauf- kamen?’’ ,,Ja, ich erinnere mich.’’ ,,Alles erschien dir anders, alles war schön.’’ ,,Oh ja, ich war wie hypnotisiert. Hast du das etwa gemacht?’’ ,,Nein, da warst du hellwach, jetzt schläfst du wie- der! Und zwar ganz fest! Du glaubst, dass das Leben wertlos ist, dass alles gefährlich ist, weil du wieder hypnotisiert bist! Du hörst das Meer nicht mehr, du riechst die Düfte der Nacht nicht mehr, du bist dir nicht bewusst, dass du gehen und sehen kannst, du spürst deine Atmung nicht, du bist hypnotisiert, und zwar negativ! So wie die Leute, die glauben, dass der Krieg irgendeinen glorreichen Sinn hat, oder wie sol- che, die alle für ihre Feinde halten, die bei ihrer Hyp- nose nicht mitmachen, oder wie andere, die der Mei- nung sind, dass die Art der Kleidung ihrer Person ir- gendeinen besonderen Wert verleihe. Das alles ist Hypnose, sie sind alle hypnotisiert, sie schlafen alle! Aber jedes Mal, wenn jemand spürt, dass das Leben oder auch nur ein einziger Augenblick im Leben herr- lich ist, dann fängt er an aufzuwachen. Ein Mensch, der erwacht ist, weiss, dass das Leben ein herrliches Para-
  • 43. 48 dies ist, und geniesst es jeden Augenblick. – Aber so viel kann man von einer unzivilisierten Welt wohl nicht verlangen! Wenn ich daran denke, dass es sogar Leute gibt, die sich umbringen! Stell dir vor, wie kriminell! Sie bringen sich um!!’’ ,,Wenn du das so sagst’’, meinte ich nachdenklich, ,,dann gebe ich dir recht. – Aber sag mal, wie kam das eigentlich, dass die beiden Polizisten sich über deine Spässe nicht ärgerten? ,,Weil ich an ihre gute Seite appelliert habe, an ihre kindliche Seite.’’ ,,Aber es sind Polizisten!’’ Ami sah mich an, als hätte ich etwas Dummes gesagt. ,,Schau, Pedro, alle Menschen haben eine gute Seite, eine kindliche. Beinahe niemand ist vollkommen schlecht. Wenn du willst, gehen wir in ein Gefängnis und suchen uns den ärgsten Verbrecher…’’ ,, Nein, nein, vielen Dank!’’ ,,Alle Menschen sind mehr gut als schlecht, sogar hier auf deinem Planeten. Alle glauben sie, dass sie dass Richtige tun, manche irren sich aber. Das ist nicht Bosheit, sondern Irrtum! Nur wenn sie schlafen, wer- den sie dumpf und gefährlich. Aber wenn du an ihre gute Seite rührst, geben sie dir das Gute in ihnen zurück, appellierst du an ihre schlechte Seite, antwor- ten sie mit ihrem Schlechten. Aber die meisten von ihnen spielen gern.’’ ,,Warum ist es denn so, dass es auf dieser Welt mehr Unglück als Glück gibt?’’ ,,Das liegt an den alten Systemen, nicht an den Menschen! Die meisten Menschen haben sich längst weiterentwickelt, doch eure Organisationssysteme sind zurückgeblieben. Falsche Systeme schaden den Menschen, dadurch werden sie unglücklich und bege-
  • 44. 49 hen Irrtümer. Ein gutes System der Weltorganisation könnte die Bösen ganz leicht in Gute verwandeln.’’ Es klang wunderbar, was Ami sagte, aber ehrlich gesagt, ich verstand nicht allzu viel von seinen Worten.
  • 45. 50 5. Kapitel Von den Ausserirdischen entführt! ,,Hier sind wir schon bei deinem Haus. Gehst du jetzt schlafen?’’ ,,Ja, ich bin schrecklich müde, ich kann einfach nicht mehr. Und du, was wirst du machen?’’ ,,Ich geh zu meinem Raumschiff und werde eine Runde zu den Sternen drehen. Eigentlich wollte ich dich einladen, aber wenn du zu müde bist …?’’ ,,Aber keine Spur! Im Ernst, würdest du mich auf eine Runde mitnehmen in deinem Ufo?’’ ,,Natürlich. Und deine Grossmutter?’’ Die phantastische Möglichkeit, in einer Fliegen- den Untertasse spazieren zufahren, hatte meine Mü- digkeit weggeblasen. Ich fühlte mich plötzlich frisch und unternehmungslustig. Mir fiel auch sofort ein Plan ein, wie ich wegbleiben könnte, ohne vermisst zu wer- den.,, Ich werde das Abendbrot aufessen und den lee- ren Teller auf dem Tisch stehen lassen. Dann stopfe ich mein Kopfkissen unter die Bettdecke, und wenn meine Grossmutter aufsteht, wird sie glauben, dass ich zu Hause bin. Ich werde mir auch was anderes anzie- hen. Wenn ich ganz leise bin, wird sie mich nicht hören.’’ ,,Wunderbar. Wir werden zurück sein, ehe sie auf- wacht; mach dir keine Sorgen.’’ Es verlief alles nach Plan; nur als ich das Steak essen wollte, ekelte ich mich derart, dass es mir fast im Halse stecken geblieben wäre! Ein paar Minuten später
  • 46. 51 gingen wir zum Strand hinunter. ,,Wie komme ich in das Raumschiff rein?’’ ,,Ich werde hinausschwimmen und es an den Strand bugsieren.’’ ,,Ist das Wasser nicht’n bisschen kalt für dich?’’ fragte ich. ,,Keine Angst! Dieser Anzug hält mehr Hitze und Kälte aus, als du dir vorstellen kannst. – Gut, ich werde das Raumschiff jetzt holen. Wart hier auf mich, und wenn ich komme – hörst du? – brauchst du dich nicht zu fürchten!’’ ,,Oh, nein, ich hab keine Angst mehr vor euch Ausserirdischen!’’ Ich lächelte über seine überflüssige Empfehlung. Ami marschierte auf die seichten Wellen zu, direkt ins Meer hinein, und begann dann zu schwimmen. Weiter draussen konnte ich ihn im Dunkeln dann nicht mehr sehen, da sich der Mond hinter ein paar eher finsteren Wolken versteckt hatte. Zum erstenmal,, seit Ami in meinem Leben aufgetaucht war, hatte ich Zeit, alleine nachzudenken. Ami? – Ein Ausserirdischer?? – War es wirklich wahr, oder träumte ich das alles nur? – Ich wartete ziemlich lange und begann langsam, unruhig zu werden. So gut fühlte ich mich auch wieder nicht, so ganz allein am dunklen Strand. Und nun sollte ich ein Raumschiff kennenlernen! Meine Phantasie gaukelte mir dunkle Schatten zwischen den Felsen vor, im Sande, dann aus dem Wasser steigen. – Wenn Ami nun ein Bösewicht wäre, einer, der sich nur als Kind verkleidet und mir nette Dinge gesagt hatte, damit ich ihm vertraute? – Nein, das konnte nicht sein. Von einem Raumschiff entführt werden! Auf einmal ereignete sich vor meinen Augen ein
  • 47. 52 furchterregendes Schauspiel. Aus den Tiefen des Meeres begann ein gelbgrüner Schein langsam em- porzusteigen. Plötzlich erschien eine Kuppel, die sich mit Lichtern in vielen Farben drehte. Es war tatsächlich wahr! Ich sah wirklich ein Raumschiff aus einer ande- ren Welt! Dann konnte man das Riesending sehen, oval mit heller leuchteten Fenstern. Es strahlte ein silbrig- grünes Licht aus. So etwas Grossartiges hatte ich nicht erwartet. Ich war vor schreck wie gelähmt! Es ist eine Sache, mit einem Kind zu reden – Kind? . . . war das Liebe und gute vielleicht nur Maske?? – und eine ganz andere, nachts allein am dunklen Strand zu stehen und dieses Schiff aus einer anderen Welt zu sehen, ein Schiff, das sich ausserdem noch auf dich zu bewegt, um dich weit fortzuführen! Mit einem Schlage vergass ich das Kind und alles, was es mir gesagt hatte! Für mich war das Schiff nur noch eine Höllenmaschine, wer weiss, aus welchem dunklen Fleck im Raume stammend, voller grausamer Monster- wesen, die gekommen waren, mich zu entführen!! In diesem Augenblick schien mir das Ding viel, viel grö- sser als das Objekt, das ich vor ein paar Stunden in Wasser hatte fallen sehen! Es kam auf mich zu, etwa drei Meter über dem Wasser schwebend, es gab keinen Ton von sich. Das war eine schreckliche Stille! Und es kam unausweich- lich auf mich zu . . . Ich kämpfte mit mir, ob ich davonlaufen sollte oder nicht. Hätte ich diesen Ausserirdischen doch niemals kennengelernt! Wie gerne hätte ich die Zeit zurückge- dreht, dann schliefe ich jetzt seelenruhig im Häuschen bei meiner Grossmutter, beschützt in meinem Bett, ein ganz normales Kind in einem ganz normalen Leben. Dies hier war schrecklich. Ich konnte nicht laufen und
  • 48. konnte es auch nicht lassen, dieses erleuchtete Monstrum anzustarren, das kam, um mich zu holen. Vielleicht für einen Weltraumzoo . . . ! Als es über meinem Kopf schwebte, fühlte ich mich vollkommen verloren. Im Innern des Schiffes erschien ein gelbes Licht, und dann wurde ich von dem Strahl eines Scheinwerfers geblendet. Ich war halbtot vor Angst! Ich empfahl meine Seele Gott und übergab mich seinem höchsten Willen . . . Da spürte ich, wie ich Hochgehoben wurde in einer Art von Aufzug, aber meine Füsse standen auf nichts. Gottergeben erwartete ich die schrecklichen Wesen Mit Stachelrochenhäuptern und roten, blutrünstigen Augen . . .
  • 49. 54 Auf einmal fühlten meine Füsse weichen Boden unter sich, und ich befand mich in einem hellerleuch- teten, mit Tapeten und Teppichen ausgestatteten Raum. Ami stand vor mir und lächelte mich mit seinen grossen, lieben Kinderaugen an. Sein Blick beruhigte mich, holte mich in die Wirk- lichkeit zurück, in diese wunderbare Wirklichkeit, die er mich zu sehen gelehrt hatte. Er legte seine Hand auf meine Schulter und sagte: ,,Ruhig … ruhig …, alles ist in Ordnung.’’ Als ich wieder reden konnte, stammelte ich: ,,Mensch, Ami, hatte ich eine Angst!’’ Dabei lächelte ich etwas schief. ,,Das tut deine ungezügelte Phantasie’’, meinte Ami lakonisch, ,,zügellose Phantasie kann einen durch Angst töten, kann Dämonen schaffen, wo in Wirklich- keit nur Freunde sind! Aber denk daran, es sind immer nur unsere eigenen inneren Monster, die Wirklichkeit ist einfach und schön und unkompliziert.’’ ,,Dann bin ich jetzt also wirklich in einem Ufo?’’ ,,Na ja – Ufo heisst >>Unidentified Flying Object<<. Dies hier ist völlig identifiziert! Es ist ein Raumschiff! Aber wir können es Ufo nennen, wenn du willst; und wenn du unbedingt möchtest, kannst du mich auch einen Marsmenschen nennen.’’ Wir lachten beide, meine ganze Angst war wie weggeblasen. ,,Komm, komm mit in den Kontrollraum’’, lud mich Ami ein. Durch eine sehr kleine bogenförmige Tür betraten wir einen anderen, diesmal halbrunden Raum, der genau so niedrig wie der erste war und ringsum ovale Fenster hatte. In der Mitte standen drei verstellbare Lehnsessel vor einer Unzahl von Kontroll- instrumenten. Auch einige Bildschirme gab es, bei-
  • 50. 55 nahe in Bodenhöhe. Ich begriff: das alles hier war für Kinder gemacht, die Stühle und auch die Höhe des Raumes! Kein Erwachsener hätte hier aufrechte stehen können. Wenn ich den Arm hochreckte, berührte ich die Decke! ,,Das ist ja ganz phantastisch!’’ rief ich begeistert. Ich lief auf die Fenster zu, während Ami sich vor die Kontrollinstrumente setzte. Hinter den Scheiben konnte ich in der Ferne die Lichter des Dorfes sehen. Ich spürte ein leises Zittern am Boden, und schon war das Dorf verschwunden. Jetzt sah ich nur noch Sterne! ,,Ami, was hast du mit dem Dorf gemacht?!’’ ,,Schau hinunter’’, antwortete Ami. Ich fiel beinah in Ohnmacht: Wir waren schon Taus- ende von Metern über der Bucht! Man konnte alle Dörfer der Umgebung sehen. Mein Dorf lag da unten, ganz tief unten! Wir waren in einem einzigen Augen- blick Tausende von Metern gestiegen, und ich hatte keine Bewegung gespürt! ,,Das ist ja super! Supertoll!’’ Meine Begeisterung wurde immer grösser, aber auf einmal fühlte ich in dieser Höhe einen merkwürdigen Schwindel. ,,Ami!’’ ,,Ja, was ist?’’ ,,Bist du sicher, dass dieses Ding hier bestimmt nicht runterfällt?’’ ,,Na ja, wenn jemand an Bord wäre, der immer noch zu Lügen zuflucht nähme, dann … dann könnten allerdings gewisse Mechanismen ausfallen…’’ ,,Ach, bitte, dann landen wir besser wieder! Bitte, Ami, lass uns landen!!’’ Als Ami herzlich lachte, wusste ich, dass das ein Witz gewesen war. ,,Kann man uns von da unten sehen?’’ ,,Wenn dieses Licht hier an wäre, dann schon’’. Er
  • 51. 56 zeigte auf ein Oval am Armaturenbrett. ,,Willst du damit sagen, dass wir gesehen werden können?’’ ,,Wenn dieses Licht ausgeschaltet ist, wie zum Bei- spiel jetzt, dann sind wir unsichtbar.’’ ,,Unsichtbar?’’ ,,Ja, genau wie der Herr hier auf diesem Stuhl’’, und er zeigte auf den leeren Sitz neben sich. Ich war verwirrt, bis Amis Lachen mich belehrte, dass er schon wieder einen Witz gemacht hatte. ,,Wie machst du es, dass sie uns nicht sehen?’’ ,,Wenn sich das Rad eines Fahrrades sehr schnell dreht, kann man die Speichen nicht sehen. Wir ma- chen es durch die Beschleunigung der Moleküle des ganzen Schiffes.’’ ,,Genial! – Du, Ami, ich hätte eigentlich ganz gern, wenn die da unten uns sehen könnten.’’ ,,Das kann ich nicht tun! Ob unsere Raumschiffe in den unzivilisierten Welten sichtbar oder unsichtbar sind, wird durch den nothilfeplan bestimmt, und zwar von einem gigantischen Computer, der sich im Zen- trum dieser Galaxis befindet.’’ ,,Das verstehe ich nicht.’’ ,,Dieses Schiff hier ist wie alle anderen mit dem Zentralcomputer verbunden, und der beschliesst, ob wir gesehen werden sollen oder nicht.’’ ,,Und wie kann dieser Computer wissen, wann?’’ ,,Der Computer weiss alles. – Pedrito, möchtest du an eine bestimmten Ort reisen?’’ ,,Ja, in die Hauptstadt. Ich möchte so gern mein Haus von oben sehen.’’ ,,Gut, gehen wir.’’ Ami bewegte ein paar Kontrollhebel und sagte: ,,Jetzt.’’
  • 52.
  • 53. 58 Ich richtete mich auf eine längere Fahrt ein; ich stand am Fenster, um sie von dort aus zu geniessen. Aber wir waren schon da! Hundert Kilometer im Bruch- teil einer Sekunde!! Ich war ganz hingerissen: ,,Mensch, das ging aber schneller als schnell!!’’ ,,Ich habe dir schon gesagt, dass wir normalerweise nicht reisen, sonder uns situieren; eine Sache der Koordination. Wir können aber auch reisen.’’ Die nächtliche Stadt sah von hier oben unbe- schreiblich schön aus. Ich sah die grossen, leuchten- den Strassen und fand auch das Viertel, in dem wir wohnten. Ich bat Ami, dorthin zu gehen. ,,Aber, bitte langsam reisen, ich möchte die Spazierfahrt geniessen.’’ Die Lichter am Armaturenbrett waren ausgeschal- tet; niemand konnte uns sehen. Leicht und lautlos be- wegten wir uns zwischen den Sternen und den Lich- tern der Stadt. Dann sah ich auf einmal mein Haus; es sah von oben ganz seltsam aus. ,,Möchtest du wissen, ob drinnen alles in Ordnung ist?’’ ,,Wie bitte?’’ ,,Wir können es auf diesem Bildschirm sehen.’’ Vor Ami erschien auf einem der Bildschirme eine Strasse, von oben gesehen. Es schien dasselbe System zu sein, mit dem wir meine schlafende Grossmutter beobachtet hatte, und doch gab es einen Unter- schied: hier war das Bild viel plastischer, wie ein Relief. Es schien, als ob man die Hand durch den Bildschirm strecken und die Dinge anfassen könnte. Ich versuchte das zu tun, stiess aber gegen unsichtbares Glas. Ami lachte mich aus. ,,Alle tun dasselbe!’’ ,,Alle? Wer alle?’’ ,,Du denkst doch nicht etwa, dass du der erste Unzi- vilisierte bist, der in einem ausserirdischen Raumschiff
  • 54. spazierenfährt?’’ ,,Doch, das habe ich eigentlich geglaubt’’, sagte ich etwas enttäuscht. ,,Nun, das stimmt leider nicht.’’ Das Bild der Kamera oder was immer es war schien durch das Dach ins Haus einzudringen, jeden Winkel abtastend. Alles war in Ordnung. ,,Warum sieht man auf deinem tragbaren Fernse- her nicht so gut wie auf diesem Bildschirm?’’ ,,Ich habe dir schon gesagt, es ist ein altmodisches System.’’ Jetzt bat ich Ami, eine Runde über der Stadt zu drehen. Wir flogen über meine Schule; ich sah den Hof, den Fussballplatz, die Tore, meinen Klassenraum. Ich musste schmunzeln, als ich mir vorstellte, dass ich mei- nen Mitschülern später stolz mein grosses Abenteuer beschreiben würde: ,,Hört mal her, ich habe unsere Schule von einem Ufo aus gesehen…!’’ Nachdem wir die ganze Stadt überflogen hatten, meinte ich: ,,Eigentlich schade, dass es nicht Tag ist.’’ ,,Warum?’’ ,,Weil ich die Städte und Landschaften gern bei Tage von deinem Raumschiff aus anschauen möchte, dann, wenn die Sonne scheint.’’ ,,Wie üblich’’, lachte Ami. ,,Warum lachst du?’’ ,,Möchtest du so gerne, dass es Tag sein soll?’’ ,,Schon. Aber das wirst selbst du nicht schaffen, auch noch den Stand der Sonne zu verändern! – Oder doch?’’ ,,Nein, die Sonne nicht, aber wir können uns ver- ändern.’’ Er tätigte etwas an seinen Kontrollinstrumenten, und wir begannen uns sehr schnell zu bewegen. Wir
  • 55. 60 59 stiegen die Bergkette der Anden hoch und überquer- ten sie in etwa drei Sekunden. Dann erschienen meh- rere Städte, die wie Leuchtpunkte aussahen, so gross war die Höhe, die wir inzwischen erreicht hatten. Dann befanden wir uns schon über dem riesigen Atlanti- schen Ozean, der im vollen Mondlicht schimmerte. Es gab einige Wolkenbänke, die die Sicht etwas behinder- ten. Am Horizont wurde der Himmel langsam heller, wir bewegten uns gegen Osten. Endlich erreichten wir eine Landmasse, über der gerade die Sonne aufging. Ich konnte es kaum fassen: Ami hatte die Sonne be- wegt, nur ein paar Augenblicke … und schon war es Tag geworden! ,,Warum hast du behauptet, dass du sie nicht bewe- gen kannst?’’ Ami hatte wieder einmal Grund, sich über meine Unwissenheit zu amüsieren. ,,Ich habe nicht die Sonne bewegt, wir haben uns schnell bewegt!’’ Ich sah meinen Irrtum augenblicklich ein, aber schliesslich gab es gute Gründe dafür, wenn man am Horizont auf einmal die Sonne aufgehen sieht, und zwar so schnell, wie man es noch nie zuvor gesehen hat! ,,Wo sind wir jetzt?’’ ,,Über Afrika.’’ ,,Aber vor einer Minute waren wir doch noch in Südamerika!’’ ,,Da du bei Tage in diesem Raumschiff fliegen wolltest, flogen wir eben dahin, wo es Tag ist. >>Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt. Geht der Pro- phet zum Berge<<! – Welches Land in Afrika möchtest du wohl besuchen?’’ ,,Ähhh . . . Indien.’’ Als ich Ami kichern hörte, merkte ich, dass mich
  • 56. 61 meine Kenntnisse in Geographie wieder mal im Stich gelassen hatten. ,,Gut, gehen wir eben nach Asien, nach Indien. Welche Stadt dort möchtest du dir ansehen?’’ ,,Mmh, mir ist alles recht, such du dir eine aus.’’ ,,Ist dir Bombay recht?’’ ,,Ja, Ami, herrlich!!’’ Sehr hoch und mit grosser Geschwindigkeit über- querten wir den afrikanischen Kontinent. Ich habe mir später zu Hause auf einer Karte die ganze Reise noch einmal angesehen. Während die Sonne schnell höher stieg. Erreichten wir den Indischen Ozean, und bald waren wir in Indien angelangt. Plötzlich blieb das Raumschiff still stehen. ,,Wie kommt es, dass wir nicht gegen die Scheiben knallen, wenn du so scharf bremst?’’ fragte ich über- rascht. ,,Die Trägheit der Masse wird aufgehoben.’’ ,,Ach, so einfach!!’’
  • 57. 62 6. Kapitel Alles hängt von den Punkten ab Nachdem wir uns ungefähr hundert Meter über der Stadt befanden, begann unsere Spazierfahrt über den Himmel von Bombay. Ich glaubte zu träumen, es war wie im Kino. Die Menschen hatte Turbane auf, und die Häuser sahen alle ganz anders aus als bei mir zu Hause. Unglaublich, die vielen Menschen, die überall auf den Strassen um- herliefen. In meiner Stadt ging es nicht einmal im Zen- trum oder bei Büroschluss so lebhaft zu, hier aber gab es überall eine Unmenge von Menschen. Ich war in einer anderen Welt! Niemand konnte uns sehen, das entsprechende Licht war ausgeschaltet. Auf einmal kam ich wieder in die Wirklichkeit zu- rück. ,,Meine Grossmutter!’’ ,,Was ist mit deiner Grossmutter?’’ ,,Es ist schon Tag. Sie ist aufgestanden und macht sich Sorgen, weil ich nicht da bin. Gehen wir doch zurück!’’ Ami schien aber auch alles, was ich sagte, uner- hört komisch zu finden! ,,Pedrito, deine Grossmutter schläft tief. Bei ihr am anderen Ende der Welt ist es im Augenblick zwölf Uhr nachts. Hier ist es nämlich zehn Uhr früh.’’ ,,Von gestern oder von heute?’’ ,,Von morgen!’’ lachte Ami. ,,Mach dir keine Sor- gen. Wann steht sie denn gewöhnlich auf?’’
  • 58. 63 ,,So gegen halb neun.’’ ,,Dann haben wir ja noch achteinhalb Stunden, ganz abgesehen davon, dass wir die Zeit auch strecken können.’’ ,,Ich mache mir trotzdem Sorgen, warum gehen wir nicht nachsehen?’’ ,,Was willst du nachsehen?’’ ,,Vielleicht ist sie aufgewacht. Bitte, lass uns doch hingehen.’’ ,,Das können wir auch von hier tun.’’ Ami bewegte seine Kontrollknöpfe, und es er- schien die südamerikanische Küste, aus grosser Höhe gesehen. Dann sauste das Bild wie im Sturzflug mit phantastischer Geschwindigkeit nach unten. Bald konnte ich die Bucht sehen, das Dorf, das Strandhäus- chen, das Dach, meine Grossmutter. Es war nicht zu glauben, ganz so, als wenn ich dort wäre! Sie schlief mit offenem Mund, genau wie vorher. ,,Man kann nicht behaupten, dass sie keinen guten Schlaf hat’’, schmunzelte Ami, und dann sagte er:,,Nun werden wir etwas tun, damit du völlig beruhigt bist.’’ Er nahm eine Art Mikrofon und schärfte mir ein, ganz still zu sein. Dann drückte er auf den Knopf des Geräts und machte: Pssst. Meine Grossmutter musste das gehört haben; sie erwachte, stand auf und ging ins Esszimmer. Wir konn- ten ihre Schritte hören, ja sogar ihren Atem. Sie sah den halbleeren Teller auf dem Tisch, nahm ihn und trug ihn in die Küche. Dann ging sie hinüber in mein Zimmer, machte die Tür auf, schaltete das Licht an und sah zu meinem Bett hin. Alles schien in Ordnung, es sah wirklich so aus, als ob ich im Bett läge. Doch dann schien ihr etwas aufzufallen. Ich konnte mir nicht vor- stellen, was es sein könnte, doch Ami schaltete sofort:
  • 59. 64 Er begann in sein Mikrofon hineinzuatmen! Als meine Grossmutter die Atemzüge hörte, war sie überzeugt, dass ich im Bett war und schlief. Sie löschte das Licht und schlurfte wieder in ihr Zimmer. Ami schaltete den Bildschirm aus. ,,Bist du nun beruhigt?’’ ,,Ja, danke, jetzt schon. Es ist einfach nicht zu glauben: Sie schläft dort, und wir sind hier am hellich- ten Tag!’’ ,,Ihr Menschen seid zu festgelegt in eurer Vorstel- lung von Entfernungen und Zeiträumen.’’ ,,Das verstehe ich nicht.’’ ,,Was würdest du zum Beispiel sagen, wenn wir heute auf Reisen gingen und gestern ankämen?’’ ,,Ami, mach mich doch nicht ganz verrückt! – Du, könnten wir nicht mal nach China gehen?’’ ,,Natürlich. In welche Stadt?’’ Diesmal wollte ich mich nicht schämen müssen, stolz und sicher sagte ich: ,,Nach Tokio.’’ ,,Gut, gehen wir nach Tokio, der Hauptstadt von Japan’’, meinte er und tat so, als ob es gar nichts zu lachen gäbe. Nun flogen wir über ganz Indien von Westen nach Osten und erreichten die Bergwelt des Himalaja. Dort blieb das Schiff auf einmal stehen. ,,Wir bekommen Befehle’’, teilte mir Ami mit. Auf dem Bildschirm erschienen fremdartige Signale. ,,Es handelt sich darum, jemandem einen Beweis zu lie- fern. Der Zentralcomputer sagt, dass wir uns an einem bestimmten Ort von jemandem sehen lassen sollen.’’ ,,Wie lustig . . . und von wem?’’ ,,Das weiss ich auch nicht, wir werden vom Compu- ter geleitet. Wir sind übrigens schon da.’’ Wir hatten das System der augenblicklichen Orts-
  • 60. 65 veränderung angewandt! Wir befanden uns über einem Walde, ungefähr fünfzig Meter hoch. Das Licht zeigte an, dass wir sichtbar waren. Alles in der Gegend war mit Schnee bedeckt. ,,Das ist Alaska’’, sagte Ami, der die Landschaft kannte. Die Sonne schickte sich gerade an, über dem Meer unterzugehen. Auf einmal setzte sich das Raum- schiff in Bewegung: Es beschrieb ein Riesendreieck und wechselte dabei unaufhörlich die Farben. ,,Warum tun wir das?’’ ,,Um Eindruck zu machen. Wir wollen diesen Freund auf uns aufmerksam machen. Dort kommt er.’’ Ami sah auf den Bildschirm. Ich schaute zum Fen- ster hinaus, und dann sah auch ich ihn. Ziemlich weit weg zwischen den Bäumen stand ein Mann in einer braunen Pelzjacke. Er trug ein Gewehr. Er schien sich sehr zu fürchten und richtete plötzlich die Waffe gegen uns. Ich duckte mich unwillkürlich, um Deckung zu suchen. Ami fand das wieder einmal sehr komisch. ,,Hab keine Angst, dieses Ufo ist natürlich kugelsi- cher – und auch sicher gegen so manches andere.’’ Wir stiegen nun höher und verhielten dort eine Zeitlang. Jetzt sandte das Raumschiff Lichter in allen Farben aus. ,,Es ist notwendig, dass der Mann da unten diese Vision niemals wieder vergisst.’’ Ich dachte, es wäre sicher nicht nötig gewesen, den Mann so furchtbar zu erschrecken; wenn wir ein- fach nur so durch die Luft geflogen wären, hätte er das Schauspiel auch nie mehr vergessen! Das sagte ich Ami. ,,Da bist du sehr im Irrtum’’, meinte er. ,,Millionen von Menschen haben unsere Raumschiffe in der Luft gesehen und es doch wieder vergessen. Meist sind sie
  • 61. 66 in dem Augenblick mit ihren eigenen Gedanken be- schäftigt oder machen sich Sorgen über irgend etwas, und dann sehen sie uns, ohne uns wirklich zu sehen. Und dann vergessen sie es eben wieder. Wir haben da eine ziemlich eindrucksvolle Statistik.’’ ,,Warum ist es notwendig, dass dieser Mann uns jetzt sieht?’’ ,,Das weiss ich nicht genau. Vielleicht ist gerade seine Wiedergabe des Erlebnisses wichtig für eine an- dere Person, die wiederum aus anderen Gründen in- teressant ist, oder vielleicht ist er selber auch was ganz Spezielles. Ich werde mal mein Sensometer auf ihn richten.’’ Auf einem weiteren Bildschirm konnte man den- selben Mann sehen, aber diesmal ganz durchsichtig! Mitten in seiner Brust leuchtete ein goldenes Licht – wunderschön! ,,Was ist das für ein Licht?’’ ,,Man könnte vielleicht sagen, dass dieses Licht die Menge von Liebe ist, die in ihm steckt …, aber so ganz genau stimmt das nicht. Vielleicht sagen wir besser, dass es sich um die Auswirkung der Liebeskraft auf seine Seele handelt. Das ist dann sein Entwicklungs- grad. Seiner misst 750 punkte.’’ ,,Was heisst das denn nun?’’ ,,Dass er interessant ist.’’ ,,Interessant,warum?’’ ,,Sein Entwicklungsstand ist für einen Erdenbe- wohner ziemlich hoch.’’ ,,Entwicklungsstand?’’ ,,Der Grad, der bestimmt, ob er einer Bestie ähnli- cher ist oder einem Engel. Schau…’’ Auf dem Bild- schirm hatte Ami jetzt einen Bären, der ebenso durch- sichtig aussah. Auch er trug ein Licht in der Brust, aber
  • 62. 67 das leuchtete viel weniger als das des Mannes. ,,Zwei- hundert Punkte genau’’, mass Ami. Jetzt richtete er das Gerät auf einen Fisch: das Licht war minimal. ,,Fünfzig Punkte’’, sagte Ami, und dann erklärte er: ,,Der Durch- schnitt bei den Menschen auf der Erde liegt bei 550 Punkten.’’ ,,Und wie viel Punkte hast du, Ami?’’ ,,760.’’ ,,Was? Nur zehn Punkte mehr als der Jäger?’’ Ich war überrascht über den winzigen Unterschied zwi- schen einem Erdenmenschen und ihm. ,,Auf der Erde bewegt sich das Niveau zwischen 330 und 800 Punkten.’’ ,,Einige von uns haben also mehr als du??’’ ,,natürlich! Mein Vorteil ist nur, dass ich gewisse Dinge weiss, die sie nicht wissen; aber es gibt hier sehr, sehr wertvolle Menschen … Lehrer, Künstler, Kranken- pfleger, Feuerwehrleute …’’ ,,Feuerwehrleute?’’ ,,Nun, findest du es nicht edel, sein Leben für an dere zu riskieren?’’ ,,Da hast du recht. – Aber auch mein Onkel, der Atomphysiker, ist sicher sehr wertvoll.’’ ,,Er ist vielleicht berühmt. Sag mal, auf welchem Gebiet der Physik betätigt sich denn dein Onkel?’’ ,,Er ist dabei, eine neue Waffe zu entwickeln, eine mit Ultraschallwellen!’’ ,,Er glaubt nicht an Gott … und stellt ausserdem Waffen her … Ich glaube, dass er leider nur ein ziemlich niedriges Niveau hat.’’ ,,Was?? Aber er ist doch ein Weiser!!’’ protestierte ich. ,,Du verwechselst schon wieder die Dinge. Schau, dein Onkel hat Informationen, aber Informationen
  • 63. 68 haben heisst nicht notwendigerweise, dass man auch intelligent ist, und noch viel weniger weise. Ein Com- puter kann ein sehr eindrucksvoller Speicher von Daten sein, aber deshalb ist er doch nicht intelligent! Findest du es zum Beispiel sehr intelligent, wenn ein Mensch eine Grube gräbt, in die er selbst einmal fallen wird?’’ ,,Nein, aber . . .’’ ,,Waffen wenden sich immer gegen diejenigen, die sie erfinden.’’ Diese Aussage schien mir nicht so sonnenklar, aber ich wollte ihm trotzdem glauben. Wer war ich denn schliesslich, um an seinen Worten zu zweifeln? Aber ich war schon ziemlich durcheinander: Mein Onkel war immerhin mein Vorbild gewesen, so intelli- gent, wie der war! ,,Er hat einen guten >>Computer<< im Kopf, dein Onkel, das ist alles’’, sagte Ami, der meine Gedanken las. ,,Es ist ein Problem der Definition: Auf der Erde wird jemand intelligent oder weise genannt, wenn er gute Fähigkeiten in dem einen seiner Gehirne hat, aber wir haben schliesslich zwei davon!’’ ,,Wie bitte??’’ ,,Eines im Kopf, das ist der Computer und das einzige, das ihr anscheinend kennt. Das andere ist in der Brust, zwar nicht sichtbar, aber es ist dort. Dieses Gehirn ist das wichtigere: Es ist das Licht, das du in der Brust des Mannes auf dem Bildschirm gesehen hast. Für uns ist jemand intelligent oder weise, wenn seine beiden Gehirne im Gleichgewicht stehen. Ein gesun- des Gleichgewicht haben bedeutet, dass das Gehirn, das im Kopfe seinen Sitz hat, dem Gehirn in der Brust zu Diensten ist und nicht umgekehrt wie bei den mei- sten eurer sogenannten Intellektuellen.’’
  • 64. 69 ,,Ami, du krempelst meine ganze Welt um! Aber ich glaub, ich kapier es langsam. – Und was ist mit denen, die das Gehirn in der Brust besser entwickelt haben als das Gehirn im Kopf?’’ ,,Das sind die gutmütigen Dummen. Man kann sie leicht hereinlegen, und die intelligenten Bösen tun das auch mit Wonne. Man kann den Dummen sogar einre- den, dass sie das Rechte tun, während sie in Wahrheit Schaden anrichten. Die Entwicklung des Verstandes muss Hand in Hand gehen mit der Entwicklung des Gemütes. Nur so kann jemand wirklich intelligent oder weise werden. Nur so kann das Licht, das du gesehen hast, wachsen.’’ ,,Und ich, Ami? Wieviel Punkte habe ich?’’ ,,Das kann ich dir nicht sagen.’’ ,,Warum nicht?’’ ,,Wenn du eine hohe Punktzahl hättest, würdest du eitel werden . . .’’ ,,Ah, ich verstehe.’’ ,, . . . aber wenn sie niedrig läge, wärest du viel- leicht sehr gekränkt.’’ ,,Ah . . .’’ ,,Stolz löscht das Licht aus. Der Stolz ist der Same des Bösen. Das wieder versand ich nicht so ganz. ,,Wir müssen versuchen, immer bescheiden zu sein. – Schau, wir brechen schon wieder auf.’’ Augenblicklich waren wir wieder in den Bergen des Himalaja, auf der anderen Seite des Planeten.
  • 65. 70 7. Kapitel Unser Raumschiff wird gesichtet In Sekundenschnelle bewegten wir uns auf ein fernes Meer zu, überquerten es und gelangten zu ein paar Inseln. Dann gingen wir über der Stadt Tokio nieder. Ich dachte mir, wir würden Häuser mit diesen komischen Dächern sehen, die sich nach oben hoch- biegen, aber was ich sah, waren hauptsächlich Wol- kenkratzer, moderne breite Strassen, Parks und Autos. ,,Wir werden gesichtet’’, sagte Ami und zeigte auf das Licht am Armaturenbrett. Auf den Strassen liefen die Leute zusammen und zeigten mit den Fingern auf uns. Wieder spielten die Aussenlichter in allen Farben. Wir standen ziemlich hoch und blieben dort für ungefähr zwei Minuten sichtbar. ,,Noch eine Sichtung’’, erklärte Ami, während er die Zeichen auf seinem Bildschirm beobachtete. ,,Unser Standort wird verändert werden.’’ Mit einem Male erlosch das Tageslicht; hinter den Fenstern funkelten die Sterne. Man konnte kaum etwas erkennen: in der Ferne eine kleine Stadt, wenige Lichter, dann einen Weg, auf dem uns ein Auto entgegenkam. Ich stellte mich neben Ami vor den Bild- schirm. Dort war das gesamte Panorama hell ausge- leuchtet. Alles, was man wegen der Dunkelheit mit den Augen nicht wahrnehmen konnte, erschien auf dem Bildschirm so wie bei Tageslicht. Das Auto, das lang- sam näher kam, war grün; drinnen sassen ein Mann und
  • 66. 71 eine Frau, anscheinend ein Ehepaar. Wir standen auf etwa zwanzig Meter Höhe und waren, unseren Lichtsignalen zufolge, weithin sicht- bar. Ich wollte mir alles weitere auf dem Bildschirm ansehen, ich kriegte es dort viel genauer mit als selbst in der Wirklichkeit. Als das Fahrzeug in unserer Nähe war, blieb es am Wegesrand stehen, und die Insassen stiegen aus. Sie begannen zu schreien und zu gestikulieren, während sie und mit weit aufgerissenen Augen anstarrten. ,,Was sagen sie?’’ fragte ich. ,,Sie wollen Kontakt aufnehmen, mit uns in Verbin- dung treten. Dieses Ehepaar studieret Ufos oder, besser gesagt, sie beten die Ausserirdischen an.’’ ,,Dann nimm doch Kontakt mit ihnen auf’’, drängte ich, etwas besorgt wegen dieser aufgeregten Leute. Sie waren nun niedergekniet und schienen zu beten Oder so was… ,,Das kann ich nicht so einfach, ich muss die stren- gen Befehle des Nothilfeprogramms befolgen. Die Kommunikation erfolgt nicht, wenn jemand es gerade so möchte, sondern wenn es von oben beschlossen wird. Ausserdem könnte ich bei so einem Anbetungs- theater nicht mitmachen, das ist Idolatrie.’’ ,,Was ist Idolatrie?’’ ,,Eine Verletzung des Universalgesetzes’’, antwor- tete Ami ernst. ,,Worin besteht sie?’’ Ich war neugierig. ,,Sie glauben, dass wir Götter sind.’’ ,,Und wäre das so schlimm?’’ ,,Nur Gott darf man anbeten, alles andere ist Ido- latrie. Es wäre eine grosse Respektlosigkeit, wenn wir versuchten, den Platz Gottes einzunehmen, den uns die abwegige Religiosität dieser armen Leute zuwei-
  • 67. 72 sen möchte . . . Wenn sie uns als Brüder betrachten würden, wäre das etwas anderes.’’ Ich schlug vor, dass Ami diese Leute über ihren Irrtum aufklären sollte. Als Ami meine Gedanke auffing, sagte er: ,,Pe- drito, in den unzivilisierten Welten des Universums gibt es so viele schreckliche Dinge. Allein in diesem Augenblick werden auf vielen Planeten unzählige Menschen wegen Ketzerei lebendig verbrannt, so wie es früher, vor Jahrhunderten, auf der Erde geschah. Und in diesem selben Augenblick gibt es Fische unten im Meer, die andere lebendige Fische fressen. Dieser Planet ist nicht sehr entwickelt. Genauso wie die Men- schen verschiedene Entwicklungsebenen haben, haben es auch die Planeten. Die Gesetze, die das Leben in den niedrigen Welten bestimmen, erscheinen uns sehr grausam. Die Erde wurde vor ein paar Millio- nen Jahren auch von anderen Gesetzen regiert, alles war aggressiv und giftig, alles hatte Krallen und scharfe Schneidezähne. Da das Entwicklungsstadium heute höher ist, gibt es jetzt mehr Liebe. Aber man kann immer noch nicht sagen, dass dies eine höher entwickelte Welt wäre! Es gibt noch sehr viel Brutalität. – Schau . . .’’ Er stellte einen der Bildschirme ein, der uns sofort eine Kampfszene vor Augen führte: Von einigen Pan- zern aus beschossen Soldaten Gebäude, bewohnte Gebäude, in denen es Männer, Frauen und Kinder gab! ,,Das passiert hier in diesem Augenblick, Pedrito, in einem Land auf dieser Erde! – Aber wir können nichts tun, denn wir dürfen in den Entwicklungsstand von Planeten, Ländern oder Personen nicht eingreifen; denn letzten Endes ist alles ein Lernweg. Ich bin auch mal ein wildes Tier gewesen und wurde von anderen
  • 68. 73 wilden Tieren zerrissen. Ich war ein Mensch auf niede- rer Entwicklungsstufe; ich habe getötet und wurde getötet, ich bin grausam gewesen, und man war grau- sam zu mir. Ich bin viele Male gestorben und habe nach und nach gelernt, in Harmonie mit dem Grundge- setz des Universums zu leben. Jetzt ist mein Leben besser, aber ich kann mich nicht gegen das Entwick- lungsystem stellen, das von Gott erschaffen wurde. Dieses Ehepaar verletzt das Universalgesetz, indem es uns mit etwas so Erhabenem und Majestäti- schem vergleicht wie Gott. Sie entziehen ihm dadurch ihre Gefühle der Liebe und Verehrung, um sie auf uns zu richten. Auch die Soldaten, die wir eben gesehen haben, verletzen das Universalgesetz: >>Du sollst nicht töten<<. Sie werden für ihren Irrtum bezahlen, und so lernen sie nach und nach. Nur Menschen oder auch Welten, die einen gewis- sen Entwicklungsgrad erreicht haben, können unsere Hilfe erhalten, sonst verletzen wir die Gesetze des all- gemeinenEntwicklungssystems.’’ Ich hatte bei weitem nicht alles verstanden; erst später, als ich über Amis Worte nachdenken konnte, wurde mir einiges klar. Da war mein Freund aber schon längst nicht mehr hier. Ich konnte erst nach seiner abreise dies hier alles aufschreiben, mehr oder weni- ger so, wie er es gesagt hatte. Während wir darauf warteten, dass uns der Super- computer umsituieren würde, stellte Ami das japani- sche Fernsehen ein. Es lief gerade eine Nachrichten- sendung, die Ami mit seinem üblichen guten Humor begleitete. Ein Journalist, der ein Mikrofon in der Hand hielt, interviewte die Leute auf der Strasse. Eine Frau gestikulierte und zeigte zum Himmel, während sie sprach. Ich verstand natürlich nichts, aber ich bekam
  • 69. 74 schon mit, dass sie von ihrem Ufo-Erlebnis erzählte, von uns also … Auch andere Leute gaben ihre Meinung über den Vorfall ab. ,,Was sagen sie?’’ fragte ich. ,,Dass sie ein Ufo gesehen haben …, wie verrückt manche Leute sind!’’ kommentierte er lachend. Dann erschien ein Mann mit Brille, der Kreise auf eine Tafel zeichnete und sie dann erklärte. Es handelte sich um eine Darstellung des Sonnensystems, der Erde und der anderen Planeten. Er sprach ziemlich lange. Anscheinend verstand Ami die Sprache, weil er die Sendung sehr unterhaltsam fand; er hatte ja einen Übersetzer! ,,Was sagt er?’’ fragte ich wieder. ,,Er sagt, dass aufgrund seiner Ausführung wissen- schaftlich bewiesen sei, dass es ausserhalb der Erde in der ganzen Galaxis kein intelligentes Leben gebe. Ausserdem sagt er, dass die Leute, die das vermeintliche Ufo gesehen hätten, an einer Massenhalluzination lit- ten und er ihnen empfehle, zum Psychiater zu gehen.’’ ,,Im Ernst?’’ fragte ich lachend. ,,Im Ernst’’, sagte Ami, ebenfalls lachend. Der Wissenschaftler redete immer noch. ,,Und was sagt er jetzt?’’ ,,Dass es vielleicht eine Zivilisation gebe, die eben- so fortgeschritten sei wie diese, aber nach seinen Berechnungen bestenfalls eine auf zweitausend Gala- xien.’’ ,,Und was heisst das nun wieder?’’ ,,Das heisst: wenn der Arme erst einmal erfährt, dass es in dieser Galaxie allein Millionen von Zivilisationen gibt, dann wird er selbst verrückt, noch verrückter, als er jetzt schon ist.’’ Wir lachten eine Weile darüber. Es war lustig,
  • 70. 75 einem Wissenschaftler zuzuhören, der behauptete, dass Ufos nicht existierten, während ich das Programm von einem Ufo aus ansah! Wir blieben fast eine Stunde an jenem Ort, bis sich das Licht der Sichtbarkeit ausschaltete. ,,,Jetzt sind wir frei’’, sagte Ami. ,,Dann können wir weiter spazieren fahren?’’ fragte ich. ,,Natürlich, wo möchtest du jetzt hin?’’ ,,Hmm … zu den Osterinseln.’’ ,,Dort ist jetzt Nacht, schau… ‚’ Wir waren schon dort! ,,Sind das die Osterinseln?’’ ,,Ja, genau.’’ ,,Wie ungeheuer schnell!’’ ,,Das findest du schnell? Warte, schau jetzt zum Fenster hinaus.’’ Wir befanden uns über einer sehr komischen Wüste; der Himmel war dunkel, fast schwarz, es war ein etwas bläulicher Mond zu sehen. ,,Und wo sind wir jetzt? In – Arizona?’’ ,,Auf dem Mond.’’ ,,Auf dem Mond?’’ Ich sah mir die Scheibe genauer an, die ich für den Mond gehalten hatte. ,,Dann ist das da . . . ?’’ half Ami nach. ,,Die Erde!!’’ ,,Ja, die Erde. Dort schläft deine Grossmutter.’’ Ich war überwältigt. Es war wirklich die Erde! Man konnte ihre schöne blaue Farbe sehen. Es schien mir unglaublich, dass etwas so Kleines eine solch grosse menge von Dingen fassen konnte, Berge, Meere … Und ohne zu wissen warum, stiegen in mir einige Bilder aus meiner Kindheit hoch: ein kleiner Bach, eine moos- überwachsene Mauer, Bienen im Garten, ein Ochsen-
  • 71. 76 karren, ein Sommernachmittag . . . All das war dort ge- wesen, auf dieser kleinen blauen Kugel, die zwischen den Sternen schwebte. Auf einmal sah ich die Sonne. Sie war ein entfernter Stern, aber sie blendete mehr als auf der Erde. ,,Warum sieht sie so klein aus?’’ ,,Weil es hier keine Atmosphäre gibt. Die Atmo sphäre wirkt wie eine Vergrösserungslinse, wie eine Lupe. Von der Erde aus scheint sie grösser als von hier aus. Aber wenn diese Spezialfenster hier im Raum- schiff nicht wären, würde dich diese kleine Sonne ver- brennen, eben weil es keine Atmosphäre gibt, die ge- wisse Strahlen filtert, welche für Menschen schädlich sind.’’ Auf dem Mond gefiel es mir nicht sonderlich, von der Erde sah er viel schöner aus. Es war eine traurige, furchterregende Stätte. ,,Könnten wir nicht an einen schöneren Ort gehen?’’ ,,Einen bewohnten?’’ ,,Natürlich. Aber nicht von Monstern!’’ ,,Da müssen wir sehr weit gehen’’, meinte Ami und bewegte seine Kontrollhebel. Das Raumschiff zitterte leicht, die Sterne wurden plötzlich zu Strichen, und vor den Fenstern erschien eine Art weisser, glänzender Nebel, der vibrierte. ,,Was ist los?’’ fragte ich erschrocken. ,,Wir sind schon dabei, uns zu stationieren.’’ ,,Stationieren?’’ ,,Auf einem sehr weit entfernten Planeten. Wir müs- sen schon ein paar Minuten warten. Inzwischen kön- nen wir ja Musik hören.’’ Ami drückte auf einen Knopf am Armaturenbrett und leise, eigenartige Töne begannen den Raum zu
  • 72. 77 erfüllen. Mein Freund schloss die Augen und genoss die Musik. Es waren ganz andere Klänge, als ich bisher ge- hört hatte. Plötzlich eine ganz tiefe Vibration, die an- hielt und den Kommandoraum erzittern liess, dann ein ganz hoher Ton, der plötzlich abbrach, und dann Schweigen während einiger Sekunden. Dann hörte man ganz schnelle Töne, die rauf- und runtergingen, dann wieder das tiefe Brummen, das sich langsam heraufschraubte, während eine Art von Brüllgeräu- schen und Glockengeläut im Wechsel einen Rhythmus erzeugten. Ami schien sich in Ekstase zu befinden. Ich dachte, dass er diese Melodie sehr gut kennen musste, weil er mit den Lippen oder mit einer Handbewegung schon im vorhinein anzeigte, was kommen würde. Es tat mir leid, ihn unterbrechen zu müssen, aber diese Art von Musik ging mir auf die Nerven. ,,Ami!’’ rief ich, aber er reagierte nicht; er war ganz auf seine Musik konzentriert, die für mich so klang wie eine elektrische Störung in einem UKW-Sender. ,,Ami!’’ rief ich noch einmal. ,,Oh, entschuldige, was ist?’’ ,,Entschuldige du bitte, aber das da gefällt mir überhaupt nicht!’’ ,,Natürlich nicht. – Diese Musik muss man hören lernen, - Ich werde etwas suchen, was dem näher- kommt, was du schon kennst.’’ Er drückte auf einen besonderen Knopf in einer ganzen Reihe. Sofort ertönte eine Musik, die mir auf Anhieb gefiel. Sie war lustig und hatte Rhythmus. Das tragende Instrument klang so etwa wie das Pfeifen einer schnellen Dampflokomotive. ,,Wie angenehm! Was ist das für ein Instrument,