Hengl & Gould (2002) "Rules of Thumb of Writing a Research Article"
Cialdini (2007) - Die Psychologie des Überzeugens
1. 1 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Die Psychologie des Überzeugens
Kapitel 1 – Die Waffen der Einflussnahme
Bsp.: Türkis-Steine in einem Geschäft für indianischen Schmuck verkauften sich
nicht, obwohl relativ günstig. Der Preis wurde dann irrtümlich doppelt so hoch
angesetzt (statt um die Hälfte) – plötzlich verkauften sich die Steine. Grund:
teuer=gut-Heuristik.
Feste Handlungsmuster (fixed action patterns) wie bei Truthennen, die bei
ihren Küken nur dann das Programm „Aufzucht“ abspielen, wenn die Küken
tschilpen. Funktioniert auch, wenn zum Erscheinen eines natürlichen Feindes
das Geräusch abgespielt wird – dieses löst blind die mechanische
Bemutterungsreaktion aus. Dieses Handlungsmuster funktioniert in den meisten
Fällen sehr gut.
Das Gleiche gilt für die Türkise: die Kunden dachten aufgrund des Preises, die
Steine wären von hoher Qualität und diese erschienen daher wertvoller und
verlockender -> Preis war zum Auslösemerkmal (trigger feature) für Qualität
geworden.
Bsp: Automatisches Verhalten: einer Bitte wird eher entsprochen, wenn ein
Grund dafür angegeben wird. Dafür reicht das Wort „weil“ aus, danach
braucht keine neue Information zu kommen. Experiment vor Kopierer:
„Entschuldigung, ich habe fünf Seiten, können Sie mich bitte vorlassen?“ –
60% ließen sie vor. „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten, können Sie mich
bitte vorlassen, weil ich es sehr eilig habe?“ – 94%. . „Entschuldigung, ich habe
fünf Seiten, können Sie mich bitte vorlassen, weil ich Kopien machen muss?“ –
ebenfalls 93% ließen die Person vor, obwohl kein wirklicher Grund angegeben
wurde. Das Wort weil löste eine automatische Einwilligungsreaktion aus.
Bsp: Mann möchte Schmuck für Freundin kaufen, sieht schöne Kette,
Verkäufer gibt sie ihm um 250 statt 500 Dollar. Der Mann nimmt sie nicht, weil
er etwas „wirklich Nettes“ will. Beim nächsten Mal zeigt ihm der Verkäufer eine
andere um ebenfalls 500 Dollar, nennt diesen Preis, senkt den Preis dann aber
auf 250 – Kunde war begeistert.
Vorteil von „Faustregeln“: Effizienz und Ökonomie, der Aufwand an Zeit,
Energie und mentaler Kapazität reduziert sich.
Nachteil: man wird anfällig für dumme und folgenschwere Fehler, wenn man
sein Verhalten von einem kleinen Teil der verfügbaren Info abhängig macht.
Teuer=gut und andere (vor)eilige Schlüsse
Das Stereotyp teuer=gut ist vernünftig, da der Preis ein bewährtes, leicht
erkennbares Merkmal des Wertes einer Sache ist. „Alles hat seinen Preis“ –
damit wächst man auf und es ist nachvollziehbar, dass man sich in der Regel
auf diese Heuristik verlässt, v.a. wenn man sich unsicher in Bezug auf die
Qualität einer Sache ist. In vielen Fällen ist es am effizientesten, sich
2. 2 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
automatisch und stereotyp zu verhalten. Unsere Welt ist komplex und
schnelllebig – daher brauchen wir shortcuts, um ohne langes Überlegen
reagieren zu können. Es können nicht alle Menschen und Situationen in allen
Details analysiert werden – mit Stereotypen kann man die Dinge anhand
weniger Schlüsselmerkmale einordnen und dementsprechend reagieren.
Bsp: Eine Reifenfirma stellte fest, dass versendete Coupons, die wegen eines
Druckfehlers gar keinen Nachlass gewährten, die gleiche Nachfrage
auslösten wie die fehlerfreien Gutscheine mit hohem Rabatt.
Eine andere Heuristik ist: „Wenn es ein Experte so gesagt hat, wird es wohl
stimmen.“ (siehe Kapitel 6). Die Argumente werden häufig ignoriert und es
wird einfach auf den Expertenstatus vertraut. Die Tendenz, mechanisch auf
eine bestimmte Info in einer gegebenen Situation zu reagieren, heißt
automatic responding; während auf der Grundlage gründlicher Analysen aller
verfügbaren Info zu reagieren controlled responding oder kontrolliertes
Verhalten heißt.
Studien haben gezeigt, dass Menschen eher Infos kontrolliert verarbeiten,
wenn sie sowohl fähig als auch motiviert sind, sie sorgfältig zu analysieren;
ansonsten ist automatisches Verhalten einfacher.
Bsp: Studenten wurde Rede vorgespielt, in der für umfangreiche
Zwischenprüfungen plädiert wurde. Diejenigen Studenten, denen gesagt
wurde, diese Regelung würde sie noch betreffen, ignorierten den
Expertenstatus des Sprechers und ließen sich vor allem durch die Qualität der
Argumente überzeugen. Die Studenten, denen gesagt wurde, die Regelung
würde sie nicht mehr betreffen (keine persönliche Relevanz), achteten wenig
auf die Argumente und verließen sich auf den Experten.
Wenn es um etwas für uns sehr Wichtiges geht, widerstehen wir also der
Versuchung, nur ein einziges Merkmal der Situation zu registrieren und davon
unser Handeln abhängig zu machen.
Allerdings ist manchmal das Problem so kompliziert, die Zeit so knapp, die
Ablenkungen so aufdringlich, die emotionale Erregung so stark oder die
Erschöpfung so tief, dass wir kognitiv nicht in der Verfassung sind, überlegt zu
handeln, auch wenn es dramatische Folgen haben kann.
Bsp: Captainitis: Bei der Untersuchung von Flugzeugunfällen wurde festgestellt,
dass diese häufig darauf zurückzuführen waren, dass offensichtliche Fehler
des Kapitäns von niemandem korrigiert wurden (Expertenstatus).
Die Nutznießer
Es gibt Lebewesen – mimics – die Auslösemerkmale anderer Tiere
nachahmen, um wieder andere Tiere dazu zu bringen, das richtige „Band“
zum falschen Zeitpunkt abzuspielen. Die mimics nutzen dann das
unangemessene Verhalten zu ihrem Vorteil aus. Selbst die primitivsten
Krankheitserreger eignen sich Merkmale von nützlichen Hormonen oder
Nährstoffen an und finden dadurch Einlass in eine gesunde Wirtszelle – Z.B.
Erkältung, Tollwut etc.
3. 3 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Auch beim Menschen gibt es Individuen, die andere ausnutzen, indem sie
Auslösemerkmale vortäuschen, die automatische Verhaltensweisen in Gang
setzen.
Bsp.: Sid und Harry Drubeck, hatten in den 30ern Herrenmodegeschäft. Sid
gab immer vor schwerhörig zu sein. Wenn ein Kunde einen Anzug probierte,
rief Sid seinem Bruder die Frage zu, was dieser koste, Harry antwortete 42
Dollar, Sid tat so als hätte er nicht richtig verstanden und sagte 22 Dollar.
(teuer=gut)
Kontrastprinzip: Wir empfinden zwei Dinge, die wir unmittelbar nacheinander
wahrnehmen, als unterschiedlicher, als sie sind.
Bsp: Eine Hand in einem Kübel voll heißem Wasser halten, die andere in kaltes,
dann beide gleichzeitig in lauwarmes. Eine Hand wird es als kalt empfinden,
die andere als heiß! Ein und dieselbe Sache kann je nach
Vergleichsgrundlage sehr verschieden wahrgenommen werden.
Bsp: In Herrenmodegeschäften wird immer als erstes der Anzug verkauft (das
teuerste) und danach die Accessoires, die im Vergleich dazu billig wirken.
Umgekehrt würde der Anzug sonst noch teurer wirken, als er wirklich ist.
Bsp: Immobilienmakler Phil zeigte Kunden zuerst ein heruntergekommenes,
überteuertes Haus, so dass das Haus, das er ihnen wirklich verkaufen wollte,
noch besser aussah.
Bsp: Autoverkäufer warten bis der Preis für ein Auto ausgehandelt ist, bis sie
verschiedene Extras anbieten; die sie unabhängig voneinander nennen, so
dass der Preis neben dem bereits feststehenden großen Beitrag
vergleichsweise unbedeutend wirkt.
Compliance-Prozess: Im Laufe dessen wird eine Person dazu gebracht, zu tun,
was eine andere will.
Kapitel 2 – Reziprozität
Die Reziprozitätsregel besagt, dass wir uns bemühen sollen, anderen
zurückzugeben, was wir von ihnen bekommen haben. Sie schreibt vor, dass
wir uns für Gefälligkeiten, Geschenke, Einladungen zu revanchieren haben.
Diese Regel ist eines der durchschlagendsten Instrumente zur Beeinflussung
anderer Menschen,
Bsp: Professor schickte Weihnachtskarten an völlig Fremde, die meisten
schrieben zurück, sogar ohne wissen zu wollen, wer er war.
Das Beeindruckende an der Regel und dem Gefühl des Verpflichtetseins ist
ihre weite Verbreitung in der menschlichen Kultur – die Verpflichtung zur
Gegenseitigkeit gibt es in allen menschlichen Gesellschaften. Möglicherweise
gilt ein hoch entwickeltes System des gegenseitigen Verpflichtetseins zu den
typischen Merkmalen menschlicher Kulturen. Richard Leakey (Archäologe)
behauptet, dass wir sind, was wir sind, weil unsere Vorfahren gelernt haben,
ihre Nahrung und ihre Fähigkeiten miteinander zu teilen. Kulturanthropologen
4. 4 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
sehen in diesem Netz aus gegenseitiger Dankesschuld einen einzigartigen
Anpassungsmechanismus der Menschen und die Grundlage für
Arbeitsteilung, den Austausch von Gütern und Dienstleistungen sowie das
Entstehen von Abhängigkeiten, die Individuen zu Gruppen zusammenführen.
Ein von vielen geteiltes Gefühl des Verpflichtetseins hat die Sozialevolution der
Menschen sehr beeinflusst, da es dazu geführt hat, dass eine Person einer
anderen etwas schenken konnte in der Zuversicht, dass das Geschenk für sie
nicht verloren ging. Hoch entwickelte und gut koordinierte Systeme der
gegenseitigen Hilfeleistung, des Schenkens, der Verteidigung und des Handels
wurden möglich und brachten den Gesellschaften, die über sie verfügten,
immense Vorteile.
Da ist es nicht verwunderlich, dass die Reziprozitätsregel derart tief in uns
verwurzelt ist.
Bsp: 1985 spendete das Rote Kreuz in Äthiopien (das notleidendste Land der
Welt) 5000 Dollar an die Opfer eines Erdbebens in Mexiko. Wieso? Mexiko
hatte Äthiopien 1935, im Jahr der Invasion durch Italien, Hilfe zukommen
lassen. Nach einem halben Jahrhundert hatte die Verpflichtung zur
Reziprozität über alle Gegenkräfte gesiegt.
Wie die Regel funktioniert
Jeder von uns hat gelernt, sich an die Regel zu halten, und jeder kenn die
Sanktionen, die den treffen, der dies nicht tut. Deswegen tun wir alles
Mögliche dafür, nicht als geizig oder undankbar zu gelten.
Bsp: Zwei Personen sollten zusammen die Qualität einiger Bilder einschätzen.
Die zweite Person, Joe, war allerdings ein Assistent des Forschers Regan. In der
Pause holte er sich ein Cola und brachte der Versuchsperson auch eines mit.
In einer anderen Bedingung brachte Joe überhaupt kein Cola mit. Später bat
Joe die Versuchspersonen, ihm Lose zum Preis von 25 Cent anzukaufen, da
ihm eine Prämie von 50 Dollar winke. Die Personen, die ein Cola bekommen
hatten, kauften doppelt so viele Lose wie die anderen.
Die Regel ist so mächtig, dass sie den Einfluss anderer Faktoren, die
normalerweise ausschlaggebend für compliance sind, ausschalten kann. Z.B.
Sympathie: bei den Versuchspersonen, die Joe nichts schuldig waren, hing
die Sympathie für Joe mit der Anzahl der gekauften Lose zusammen. Bei
denen, die Joe etwas schuldig waren, war die Sympathie irrelevant: jene, die
ihn nicht mochten, kauften ebenso viele Lose wie jene, die ihn mochten. Die
innere Verpflichtung zur Gegenleistung war so stark, dass sie den Einfluss der
Sympathie ausschaltete.
Bsp: Hare Krishna-Sekte begann in den 1970ern, Geschenke wurden an
Passanten verteilt, die auf keinen Fall zurückgenommen wurden,
anschließend wurden sie um eine Spende gebeten – diese Strategie erwies
sich als sehr erfolgreich, die Sekte erzielte große Gewinne. Relativierte sich
aber mit der Zeit, die Menschen lernten, ihnen auszuweichen bzw. bereiteten
sich darauf vor, die Geschenke abzulehnen -> schwere Krise der Krishnas.
Auch bei versendeten Fragebögen ist die Rücklaufquote viel höher, wenn die
Teilnehmer gleich zu Anfang ein kleines Geldgeschenk erhalten (Beigabe
5. 5 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
eines 5-Dollar-Schecks ist doppelt so effektiv wie das Angebot, ausgefüllte
Bögen mit 50 $ zu belohnen!).
Auch in der Politik spielt die Reziprozität eine wichtige Rolle – „Eine Hand
wäscht die andere“. Man erweise Gefälligkeiten und fordert diese später
zurück, so kommt es zu unerwarteten Abstimmungsverhalten eines
Abgeordneten über ein Gesetz oder eine Maßnahme. Im Gegenzug haben
diejenigen Probleme, die niemanden etwas schulden und denen selbst auch
niemand etwas schuldet (Jimmy Carter, Bill Clinton). Auch Spenden an
Vertreter der Justiz oder Parteien erfüllen den Zweck der Verpflichtung zur
Reziprozität.
Bsp: 100% der Wissenschaftler, die Ergebnisse zu Gunsten kontroversieller
Medikamente (Kalziumkanalblocker) gefunden hatte, Zuwendungen der
Pharmaindustrie bekommen hatten, jedoch nur 37% der Kritiker.
Gratisproben funktionieren nach dem gleichen Schema.
Bsp: wenn im Supermarkt kleine Kostproben von Produkten angeboten
werden, kaufen viele das Produkt, auch wenn es ihnen nicht geschmeckt hat.
Bsp: Amway Corporation mit Vertretern im Hausverkauf, bringen ein Sortiment
von Produkten ins Haus, man darf es kostenlos ausprobieren, die meisten
kaufen danach im Schnitt die Hälfte der Produkte.
Bsp: Soldat nahm feindliche Soldaten für Verhör gefangen. Einmal bat ihm ein
solcher Feind ein Stück seines Brotes an, daraufhin konnte der Soldat den
Feind nicht mehr gefangen nehmen.
Nicht erbetene Gefälligkeiten
Die Regel ist so stark, dass sogar ungebetene Geschenke oder Gefälligkeiten
ein Gefühl des Verpflichtetseins hervorrufen.
Bsp: Organisation amerikanischer Kriegsversehrter: bei Briefspendenaktionen
reagieren 18% mit einer Spende, wenn kleines Geschenk dabei 35%
(obwohl das Geschenk ungebeten kam).
Es gibt eine Verpflichtung zum Geben, eine zum Annehmen und eine zur
Gegenleistung. Die Verpflichtung, anzunehmen, was uns gegeben wird,
schränkt unsere Möglichkeit ein, selbst zu entscheiden, wem wir etwas
schulden wollen und wem nicht. Frei entscheiden kann nur der Gebende:
was er gibt und auch was er dafür will (siehe Bsp. Mit dem Cola).
Ein kleiner erster Gefallen kann das Gefühl erzeugen, verpflichtet zu sein, der
Bitte um eine bedeutend größere Gegenleistung nachzukommen. Ein
wichtiger Grund dafür ist, dass es so unangenehm ist, sich jemandem
verpflichtet zu fühlen. Wir wurden schon als Kinder darauf geeicht, offen
stehende Schulden als belastend zu empfinden. Außerdem ist eine Person,
die nimmt, ohne zu geben, nicht besondern beliebt. Ebenso stoßen
Menschen auf Ablehnung, die geben, ohne die Möglichkeit zur
Gegenleistung zu bieten. Dadurch wird es auch verständlich, dass man
vermeidet, andere um etwas zu bitten, das man braucht, wenn man keine
Gegenleistung erbringen kann.
6. 6 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Bsp: Auto einer Frau springt nicht an, ein junger Mann kommt vorbei und
bringt das Auto zum Laufen. Sie sagt, wenn er etwas brauche, könne er
vorbeikommen. Einen Monat später möchte er sich das Auto ausborgen, sie
zögert, sagt aber ja, er fährt das Auto zu Schrott.
In Familien und Freundschaften ist Reziprozität in Reinkultur nicht erwünscht,
hier steht das gemeinschaftliche Miteinander im Vordergrund.
Gegenseitige Zugeständnisse
Eine andere Konsequenz der Reziprozitätsregel liegt darin, jemandem, der uns
ein Zugeständnis gemacht hat, ebenfalls eines zu machen.
Bsp: Pfadfinder möchte Cialdini 5$-Karten für einen Pfadfinderabend
verkaufen, dieser lehnt ab, daraufhin bietet ihm der Junge Schokoriegel für 1
$ an, Cialdini kauft 2, obwohl sie überteuert sind und er keine Schokoriegel
mag. Zugeständnis auf beiden Seiten!
Der Grund dafür liegt in dem Vorteil, den eine solche Tendenz für die
Gesellschaft hat. Bei vielen Interaktionen kommen die Partner zu Beginn mit
Ansprüchen, die für den anderen nicht annehmbar sind. Daher muss die
Gesellschaft dafür sorgen, dass die ersten, inkompatiblen Wünsche um der
sozial wünschenswerten Kooperation willen zurückgestellt werden.
Die Reziprozitätsregel führt auf zweifachem Weg zu gegenseitigen
Konzessionen. 1. übt sie auf den Nutznießer eines erfolgten Zugeständnisses
Druck aus, sich zu revanchieren. 2. ermöglicht die Tatsache, dass ihr
Gegenüber zu einer Gegenleistung verpflichtet ist, einer Person, als Erste ein
Zugeständnis zu machen und damit den günstigen Austauschprozess in Gang
zu setzen.
Die Neuverhandeln nach Zurückweisung – Taktik
Diese Technik wird auch Tür-ins-Gesicht-Taktik genannt. Die Neuverhandeln
nach Zurückweisung – Taktik besteht darin, dass man eine Person, von der
man etwas möchte, zunächst um etwas Größeres bittet, das der andere
wahrscheinlich ablehnen wird. Wenn man anschließend etwas Kleineres
fordert, ist das Gegenüber fast gezwungen, dieses zu erfüllen.
Die Forscher baten Studenten auf dem Campus, ob sie bereit wären,
eine Gruppe jugendlicher Straftäter bei einem Tagesausflug in den Zoo zu
beaufsichtigen. 83% lehnten ab.
Andere Studenten wurden zuerst gefragt, ob sie bereit wären, zwei Jahre lang
2 Stunden die Woche als Berater für jugendliche Straftäter zu arbeiten. Diese
Bitte schlugen alle ab. Danach wurde der Vorschlag mit dem Zoo gemacht
3 Mal so viele Stundenten sagten ja.
Bei Tarifverhandlungen kommt diese Taktik ebenfalls zum Einsatz. Wenn die
ersten Forderungen allerdings ZU extrem sind, wird der Partei abgesprochen,
ernsthaft zu verhandeln. Forderungen sollen also so angesetzt werden, dass
man Raum für mehrere Konzessionen und Gegenangebote hat, und am
Schluss genau das Angebot bekommt, das man haben wollte.
7. 7 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Bsp: Fernsehproduzenten brachten absichtlich Zeilen in die Drehbücher, die
von der Selbstkontrolle wieder herausgenommen werden würden, um dann
die einzusetzen, die sie von vornherein wollten.
Bsp: Haustür-Vertreter: wenn die Ware abgelehnt wird, wird Kunde darum
gebeten, Namen von Freunden zu nennen, die Interesse haben könnten.
Gegenseitige Zugeständnisse und der Wahrnehmungskontrast
Ein weiterer Grund für den Erfolg der Neuverhandeln nach Zurückweisung –
Taktik neben der Reziprozität ist das Kontrastprinzip (eine Sache wirkt nach
der vorherigen Darstellung einer größeren Sache kleiner, als sie ist). In der
Kombination können Reziprozitäts- und Kontrastprinzip eine erschreckende
Wirkung entfalten. In Gestalt der Abfolge a) Ablehnung einer großen Bitte und
b) Rückzug auf eine geringfügigere bringen sie erstaunliche Effekte hervor.
Bsp: Nixon und der Watergate-Skandal: Urheber des Plans, in die Watergate-
Büros des Präsidiums der Demokratischen Partei einzudringen, die zum
vorzeitigen Ende der Amtszeit Nixons führte, war Gordon Liddy, der für die
Beschaffung von Info für das Komitee zur Wiederwahl des Präsidenten
zuständig war. Die Verwirklichung des Plans sollte 250.000 $ kosten. Der Plan
war teuer, schwierig, unsinnig und riskant - wieso stimmten intelligente und
erfahrene Männer wie Mitchell (Ausschussvorsitzender) und Magruder zu? – Es
war nicht Liddys erster Vorschlag. Liddy nahm mit dem Plan von zwei früheren
Abstand, die noch viel aufwändiger und teurer gewesen wären. Die Männer
scheuten sich, Liddy auch noch den 3., wesentlich billigeren Vorschlag
abzulehnen. Frederick LaRue erhob als einziger Einwände – warum? Er hatte
an den beiden vorherigen Treffen nicht teilgenommen…
Außerdem gibt es einen weitere Aspekt der Taktik, der diese so erfolgreich
macht: wenn man jemanden um 10 $ bittet, obwohl man nur 5 möchte, kann
im Grunde nichts schief gehen. Entweder man bekommt die 10, also doppelt
so viel, wie man wollte, oder man weicht auf die 5 $ aus und hat gute
Chancen auf Erfolg.
Diese Tatsache machen sich Verkäufer zu Nutze: „talking the top of the line“
bedeutet, bei den Waren, die man dem Kunden zeigt, am oberen Preislimit zu
beginnen. Wenn er ablehnt, kann man immer noch mit guten
Erfolgsaussichten ein Produkt einer vernünftigeren Preisklasse anbieten.
Bsp: Zur Frage, ob ein Opfer der Neuverhandeln nach Zurückweisung – Taktik
seine gemachte Zusage auch einhält: Studenten wurden gefragt, ob sie 2
Stunden pro Woche in einer Beratungsstelle arbeiten würden. Wurde vorher
eine größere Bitte vorgebracht, stimmten 76% zu, ansonsten 29%. 85%
derjenigen, die zuvor eine größere Bitte abgelehnt hatten, erschienen
tatsächlich, versus 50% derjenigen, die keine große Bitte gehört hatten.
Die Neuverhandeln nach Zurückweisung – Taktik scheint auch nicht das
Gefühl zu wecken, manipuliert worden zu sein. Im Gegenteil, eine Studie von
Cialdini und Ascani zeigte, dass 84% aller Studenten, die durch die Taktik zum
Blutspenden gebracht wurden, wollten auch zukünftig spenden, hingegen
nur 43% der anderen Studenten.
8. 8 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Der Grund dafür liegt darin, dass es 2 Nebenwirkungen von Abmachungen
gibt, die durch Konzessionen entstanden: eine stärker empfundene
Verantwortung für die Vereinbarung sowie eine größere Zufriedenheit mit ihr.
Verantwortung: Die Neuverhandeln nach Zurückweisung – Taktik führt dazu,
dass sich Personen in stärkerem Maß verantwortlich für das Zustandekommen
der Vereinbarung fühlen: Jemand, der sich für eine ausgehandelten Vertrag
verantwortlich fühlt, wird sich auch eher daran halten.
Zufriedenheit: Die Opfer der Strategie sind mit dem Endergebnis der
Verhandlung zufriedener. Anscheinend ist eine Vereinbarung, die durch
Zugeständnisse des Gegenübers entsteht, zufrieden stellend.
Wie eine Studie über Verkaufsstrategien zeigte, führt das Gefühl, selbst dafür
verantwortlich zu sein, ein gutes Geschäft gemacht zu haben, zu höherer
Zufriedenheit und zu einer höheren Bereitschaft, das Produkt erneut zu kaufen.
Abwehrstrategien
Wir haben die Möglichkeit, dem Wunsch des anderen zu folgen und damit
vor der Reziprozitätsregel zu kapitulieren, oder wir schlagen das Anliegen aus
und müssen dann aushalten, gegen das tief in uns verwurzelte, konditionierte
Gefühl für Fairness und Verpflichtung verstoßen zu haben. Wir müssen
einsehen, dass der eigentliche Gegner die Regel selbst ist, deren Wirkung wir
entschärfen müssen.
Man könnte verweigern, von anderen etwas anzunehmen, andererseits kann
man nicht ständig Leute vor den Kopf stoßen, die etwas für einen tun wollen.
Die Lösung liegt darin, Angebote anzunehmen, diese aber nur als das zu
betrachten, was sie sind. Wenn man zu der Erkenntnis gelangt, dass es sich
bei dem ersten Gefallen nicht um einen echten Gefallen, sondern um ein
taktisches Manöver gehandelt hat, sollte man in einem mentalen Akt die
Situation für sich neu definieren. Die „Geschenke“ sind auf einmal
„Verkaufstricks“ – dann fällt es leichter, nicht in die Fänge der Regel zu
geraten und selbst zu entscheiden, was man kaufen oder wozu man
zustimmen möchte.
Kapitel 3 – Commitment und Konsistenz
Es ist unser zwanghaftes Bestreben, konsistent oder konsequent zu sein oder
zu erscheinen, d.h. in Übereinstimmung mit unserem früheren Verhalten zu
handeln. Sobald wir eine Entscheidung treffen oder eine Position vertreten,
entstehen intrapsychische und interpersonelle Kräfte, die uns dazu drängen,
uns konsistent mit dieser Festlegung zu verhalten. Diese Kräfte veranlassen und
zu Reaktionen, die unsere frühere Entscheidung rechtfertigen. Wir überzeugen
uns einfach selbst davon, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, und
fühlen uns dadurch wohler mit ihr.
Bsp: Pferdewetten – kurz nach dem Tätigen der Wetteinsätze sind die Leute
zuversichtlicher, was die Siegeschancen ihres Pferdes angeht, obwohl sich an
9. 9 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
den tatsächlichen Chancen natürlich nichts geändert hat. Dasselbe gilt für
die Stimmabgabe bei einer Wahl.
Man will unbedingt an die Richtigkeit einer einmal getroffenen, schwierigen
Entscheidung glauben. Wir alle machen uns manchmal etwas vor, um einen
Bruch mit unserer früheren Handlungen und Entscheidungen zu vermeiden.
Das Streben nach Konsistenz ist ein zentrales psychologisches Motiv.
Bsp: ein vorgetäuschter Diebstahl am Strand. Eine Person legt sich neben eine
andere und schlendert dann davon. Der Versuchsleiter kommt vorbei und
nimmt den Radio mir – nur 4 der 20 „Nachbarn“ greifen ein. Andere 20
Personen wurden vorher von der Person mit dem Radio gebeten, auf die
Sachen aufzupassen – 19 von 20 griffen ein!
Konsistenz ist unter den meisten Umständen sinnvoll und nützlich und deshalb
ein so starkes Motiv, Inkonsistenz dagegen wird als wenig wünschenswert
betrachtet. Ein hoher Grad an Konsistenz wird mit persönlicher und
intellektueller Stärke, mit Logik, Vernunft und Ehrlichkeit gleichgesetzt.
Der Luxus automatischer Konsistenz
Da es in der Regel unserem Interesse dient, konsistent zu sein, neigen wir auch
in Situationen, in denen dies nicht das Vernünftigste ist, dazu, automatisch
konsistent zu reagieren. Blinde, unüberlegte Konsistenz kann verheerende
Folgen haben und hat dennoch ihre Vorzüge.
Erstens stellt sie eine Erleichterung beim Umgang mit dem komplexen
modernen Leben dar: haben wir uns einmal eine Meinung über eine Sache
gebildet, verschafft uns sture Konsistenz den Luxus, eine Angelegenheit
abhaken zu könne, ohne uns Gedanken zu machen, eine Flut von Info zu
beachten, ohne abzuwägen, keine Entscheidung muss getroffen werden.
Zweitens gibt es einen problematischeren Vorteil mechanischer Konsistenz:
Gewisse, beunruhigende Dinge wollen wir einfach nicht wahrhaben –
geradliniges Denken würde uns aber zu unbarmherzig klaren und trostlosen
Antworten führen. Als Methode, sich vorprogrammiert und gedankenlos zu
verhalten, kann uns mechanische Konsistenz einen Zufluchtsort bieten, an
dem wir vor unbequemen Einsichten sicher sind.
Bsp: Vortrag für Transzendentale Meditation, der Vortragende wird von einem
Zuhörer bloßgestellt und aus der Fassung gebracht, dennoch meldeten sich
die Leute danach zahlreich für einen Kurs an. Nach dem Grund gefragt,
sagte einer, er wollte sich lieber schnell anmelden, bevor er über die
Gegenargumente nachzudenken begann und sich dann niemals anmelden
würde. Die Leute hatten sich für TM als Lösung für ihre Probleme entschieden
und wollten davon nicht abrücken.
Spielzeughersteller nützen dieses Prinzip aus: sie werben vor Weihnachten in
starkem Ausmaß für bestimmte Spielsachen, die die Eltern ihren Kindern
daraufhin versprechen. Dann liefern sie viel zu wenig davon an die Geschäfte
10. 10 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
aus, so dass die Eltern Ersatzgeschenke kaufen müssen. Im Jänner/Februar, wo
ansonsten Flaute herrschen würde, fangen sie wieder zu werben an und
liefern an die Geschäfte aus – um ihre Kinder nicht zu enttäuschen, kaufen die
Eltern das jetzt erhältliche Geschenk und geben so doppelt so viel aus wie sie
wollten.
Commitment
Die Bindung an etwas bzw. die Festlegung drauf heißt commitment. Sobald
man einmal einen Standpunkt eingenommen hat, besteht eine natürliche
Tendenz, konsistent bei diesem zu bleiben.
Mit Strategien, die uns dazu bringen sollen, uns auf etwas festzulegen,
arbeiten alle möglichen Überzeugungsprofis. Jede dieser Taktiken zielt darauf
ab, dass wir etwas tun oder sagen, was uns aufgrund des Zwangs zur
Konsistenz später dazu bringt, zu tun, was man von uns will.
Bsp: Sherman, ein Sozialpsychologe, rief eine Stichprobe von Menschen an
und bat sie vorherzusagen was geschehen würde, wenn jemand sie fragte,
ob sie 3 Stunden lang Geld für die Krebshilfe sammeln würden. Viele sagten
natürlich, sie würden mitmachen. Einige Tage später rief tatsächlich ein
Vertreter der Krebshilfe an – bei den „präparierten“ Personen war die
Zustimmung 7 Mal so hoch wie bei den anderen!
Mehrere Wohltätigkeitsorganisationen benutzen folgenden Trick: sie fragen
bei Anrufen zuerst, wie es der Person geht, wenn diese dann wie gewohnt
„gut“ drauf antwortet, ist es leichter, sie damit in die Ecke zu drängen, etwas
für diejenigen zu spenden, denen es nicht so gut geht.
Bsp: Koreakrieg – viele amerikanische Soldaten landeten in Lagern der
chinesischen Kommunisten. Dort herrschte eine „Politik der Milde“, es gab
keine Brutalität. Die Amerikaner wurden langsam zu „Kollaborateuren“
gemacht, indem sie zuerst zu schwach antiamerikanischen Aussagen
aufgefordert wurden (die fast belanglos erschienen), die dann immer weiter
gesteigert wurden (worin liegt der Mangel an Perfektion der USA, Liste
schreiben, später Aufsatz usw.) Diese Aufsätze wurden dann beispielsweise im
Radio gesendet. In dem Bewusstsein, den Aufsatz ohne Zwang geschrieben
zu haben, veränderten viele der Männer ihr Selbstbild und brachten es in
Einklang mit dem Etikett „Kollaborateur“. Mit diesem Vorgehen wurden den
Männern Geständnisse, Infos und Selbstkritik abgerungen.
Dasselbe Vorgehen wählen manche karitative Organisationen, sie arbeiten
mit einer abgestuften Folge von zustimmenden Äußerungen, die sie den
Leuten abringen, um sie schließlich zu einer großen Gefälligkeit zu bewegen
(z.B. Knochenmarkspende).
Funktioniert auch beim Verkauf: Verkäufer versuchen manchmal, jemandem
zum Kauf einer großen Sache zu bringen, indem sie ihm zunächst etwas
Kleines verkaufen, um commitment zu erreichen. Dies führt quasi automatisch
zu weiteren Käufen.
Die Taktik, mit einer kleinen Bitte zu beginnen, um schließlich Zustimmung zu
einer größeren zu erreichen, heißt Fuß-in-der-Tür-Taktik.
11. 11 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Bsp: Freedman und Fraser baten Leute, eine riesige Plakatwand mit der
Aufschrift „Augen auf im Straßenverkehr“ in ihrem Garten aufzustellen. 76%
derjenigen, die 2 Wochen vorher zugestimmt hatten, ein kleines Plakat
aufzustellen, sagten diesmal wieder zu. Dasselbe Ergebnis kam heraus bei
Leuten, die zwei Wochen vorher auf einer Unterschriftenliste zum Thema
„Kalifornien soll noch schöner werden“ unterzeichnet hatten, und das, obwohl
das eine nichts mit dem anderen zu tun hatte. Anscheinend hatte sich das
Selbstbild der Personen verändert (Bürger mit Gemeinsinn).
Sobald man das Selbstbild einer Person einmal da hat, wo man es haben will,
kommt sie automatisch den unterschiedlichsten Bitten nach, wenn diese mit
ihrer neuen Sicht von sich selbst konsistent sind.
Allerdings haben nicht alle commitments (Bindungen) einen Einfluss auf das
Selbstbild: Das commitment muss aktiv, öffentlich, mit Anstrengung
verbunden und freiwillig sein. Die Kriegsgefangenen in China hatten nach
dem Krieg völlig umgekrempelte Ansichten über den Krieg und auch ihre
allgemeine politische Einstellung hatte sich nachhaltig verändert.
Die magische Handlung
Menschen bilden sich aufgrund ihres eigenen Verhaltens eine Meinung über
sich selbst.
Bsp: In einer Studie beteiligten sich College-Studenten freiwillig an einem Aids-
Aufklärungsprojekt an örtlichen Schulen. Die Hälfte hatte sich aktiv dazu
bereiterklärt (mit Unterschrift), die andere passiv (durch Nicht-Unterschreiben
eines Formulars zur Nicht-Bereitschaft). Die Studenten, die dann tatsächlich
erschienen, stammten zu 74% aus der aktiven Gruppe. Die aktiven Teilnehmer
begründeten ihre Entscheidung mit höherer Wahrscheinlichkeit mit
persönlichen Werten und Eigenschaften.
Daraus ergibt sich, dass aktives commitment uns die Art von Info gibt, mit der
wir unser Selbstbild formen, welches dann unsere neuen Handlungen
beeinflusst usw.
Es gibt eine natürliche Tendenz, zu glauben, dass eine Aussage stets die
wirkliche Einstellung desjenigen widerspiegelt, der sie gemacht hat – das gilt
auch dann, wenn man weiß, dass die Person die Aussage nicht aus freien
Stücken gemacht hat.
Bsp: Studenten hören Pro-Fidel-Castro-Rede; auch jene, die glaubten, der
Autor der Rede sei dazu aufgefordert worden, pro zu sein, schätzten seine
wahre Einstellung als pro Castro ein.
Bei den Kriegsgefangenen hatte also das Aufschreiben der prochinesischen
Erklärung zwei Effekte: es gab etwas, das sie auf Dauer an ihre Handlung
erinnerte, und obendrein würde dies auch andere davon überzeugen, dass
darin deren wahre Meinung zum Ausdruck kam. Was andere von uns denken,
hat einen enormen Einfluss darauf, was wir selbst von uns denken.
Bsp: der ägyptische Präsident Anwar Sadat versicherte vor Verhandlungen
den Gegnern häufig, dass sie weithin für ihre Fairness bekannt seien. Damit
brachte er andere dazu, in seinem Interesse zu handeln, da sie ihrem „guten
Ruf“ gerecht werden wollten.
12. 12 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Hat man sich einmal aktiv auf etwas festgelegt, ist das Selbstbild von 2 Seiten
einem Konsistenzdruck ausgesetzt: von innen her gibt es den Druck, das Bild in
Einklang mit der Handlung zu bringen und von außen her einen Druck, dieses
Bild der Sicht anzupassen, die andere von uns haben. Die Kriegsgefangenen
der Chinesen schrieben z.B. Briefe mit pro-kommunistischen Aussagen, damit
diese ihre Familien wirklich erreichen würden und nicht der Zensur zum Opfer
fielen. Auch damit veränderte sich ihr Selbstbild langsam.
Auch machen überrumpelte Opfer von Haustürvertretern weniger Gebrauch
von ihrem Rücktrittsrecht, wenn sie selber den Vertrag ausfüllen.
Bsp: es gibt häufig Gewinnspiele, bei denen man etwas gewinnen kann,
wenn man Karten ausfüllt, die mit dem Satz „An dem Produkt gefällt mir,
dass…“ Aufschreiben einer positiven Aussage.
Vor aller Augen
Jedes Mal, wenn wir einen Standpunkt einnehmen und andere dies
mitbekommen, entsteht eine Motivation, diesen Standpunkt auch in Zukunft
zu vertreten. Das gilt besonders für schriftliche Stellungnahmen, weil sie so
leicht öffentlich gemacht werden können.
Bsp: Versuchspersonen sollten eine Länge schätzen, einige schrieben sie auf
und gaben sie dann ab, einige schrieben sie nur für sich kurz auf und andere
gar nicht. Die Gruppe mit dem öffentlichen commitment blieb am meisten
bei ihrer Meinung, auch nachdem sich diese als falsch erwiesen hatte.
Das kann man auch für sich nutzen – Abnehmen oder mit dem Rauchen
aufzuhören funktioniert besser, wenn man möglichst vielen Leuten von dem
Vorhaben erzählt.
Kosten und Mühen
Es gibt überzeugende Belege dafür, dass commitments umso größere
Auswirkungen haben, je mehr Kosten und Mühen mit ihnen verbunden sind.
Bsp: bei Konzertwerbungen steht häufig kein Preis, daraufhin erkundigen sich
Interessierte per Telefon, wo sie oft lange warten müssen oder es öfter
versuchen müssen –> wenn man bedenkt, wie viel man schon dafür getan
hat, den Preis zu erfahren, gibt es kaum noch einen Weg zurück.
Bsp: Brutale Aufnahmerituale sowohl bei Studentenverbindungen als auch
beim Stamm der Tonga im Süden Afrikas (Knaben müssen es durchlaufen, um
zum Mann zu werden): bestehen aus Schlägen, Kälte, Durst, Ekel, Bestrafung
und Todesdrohung.
Diese Riten lassen sich durch nichts unterbinden, obwohl es oft versucht
wurde. In irgendeiner Hinsicht muss die Gruppe von dieser Härte profitieren: je
schmerzvoller oder peinlicher die Aufnahme in eine Gruppe ist, umso
interessanter und attraktiver erscheint sie. Auch wenn es auf den ersten Blick
unverständlich anmutet, mit dem, was die Gruppenmitglieder tun, sorgen sie
dafür, dass die zukünftigen Mitglieder die Gemeinschaft lohnender und
attraktiver empfinden. Solange Menschen etwas, das sie sich mühsam
erkämpfen mussten, höher schätzen und mehr davon überzeugt sind, so
13. 13 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
lange werden diese Gruppen mit ihren belastenden Ritualen weitermachen.
Die Loyalität und Hingabe derer, die sie hinter sich bringen, stärkt den
Zusammenhalt der Gruppe und letztlich ihre Überlebenschancen.
Eigene Entscheidungen und innere Überzeugungen
Die commitments, die aktiv, mühevoll und öffentlich sind, ändern am
effektivsten das Selbstbild einer Person und ihr zukünftiges Verhalten. Es gibt
jedoch einen weiteren wichtigen Punkt: Wir fühlen uns dann innerlich für ein
Verhalten verantwortlich, wenn wir glauben, dass wir es ohne besonderen
äußeren Druck ausgeübt haben. Eine hohe Belohnung etwa wäre eine Form
äußerlichen Drucks. Sie bringt uns vielleicht dazu, Dinge zu tun, aber sie
verhindert, dass wir auch innerlich die Verantwortung dafür übernehmen. Das
Gleiche gilt für eine starke Bedrohung – dadurch erreicht man keine
dauerhafte Bindung an ein ausgeführtes Verhalten.
Bsp: Kindern wurde gesagt, sie sollen mit einem attraktiven Spielzeug
(Roboter) nicht spielen, weil sonst eine Strafe drohe. Die Kinder hielten sich
daran, jedoch nur, so lange sie überwacht wurden. Wenn den Kindern
allerdings nur gesagt wurde, sie sollen nicht damit spielen, ohne Angabe
eines Grundes, dann war die Verhaltensweise dauerhaft (Kinder spielten auch
in einer anderen Situation nicht damit). Sie glaubten anscheinend, sie spielten
nicht damit, weil sie es nicht wollten, schließlich hatte keine besondere Strafe
gedroht, mithilfe derer sich die Jungen ihr Verhalten anders hatten erklären
können. wichtig für Kindererziehung!
Aus demselben Grund gaben die Chinesen den Kriegsgefangenen in den
Aufsatzwettbewerben nur geringe Belohnungen – durch eine große
Belohnung wäre das antiamerikanische Schreiben begründet gewesen und
damit nicht als eigene Entscheidung angesehen worden.
„He who agrees against his will, is of the same opinion still“
Wenn sich Entscheidungen ihre eigenen Gründe suchen
Commitments, die zu inneren Veränderungen führen, schlagen Wurzeln und
verstärken sich durch das Konsistenzmotiv selbst. Nimmt man sich selbst
einmal als sozial eingestellt wahr, überzeugt man sich selbst davon, dass man
so sein muss, haben auf einmal ein offenes Ohr für Argumente, die dafür
sprechen,… Man bestätigt sich selbst immer wieder dass seine Entscheidung
richtig war, und immer neue Argumente werden geschaffen, die eine
getroffene Entscheidung rechtfertigen. Sollte also der ursprüngliche Grund,
sich sozial zu verhalten, nicht mehr gegeben sein, wird er durch die neu
entdeckten Gründe ersetzt.
Dieses Prinzip wird von Autohändlern verwendet: „throwing a low ball“.
Bestimmten Kunden wird ein Auto viel billiger angeboten als bei der
Konkurrenz, und dann wird beim Kunden ein Gefühl des Festgelegtseins auf
das Auto hervorgerufen (Unterlagen ausgefüllt, über Finanzierung
gesprochen, Probefahrt) Dann entdeckt der Verkäufer plötzlich einen
14. 14 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
„Fehler“ in der Kalkulation und kann das Auto derart billig nicht hergeben –
wenn er dann um den vorher abgezogenen Betrag erhöht, kostet das Auto
immer noch nicht mehr als bei der Konkurrenz. Oder der alte Wagen wird
übermäßig hoch in Zahlung genommen, später merkt ein Mitarbeiter des
Verkäufers, dass der angesetzte Betrag zu hoch war und reduziert ihn –
Kunde fühlt sich schuldig, weil er darauf eingehen wollte. Durch ein
besonderes Entgegenkommen wird der Kunde zu einer Kaufentscheidung
verleitet, dann, nachdem die Entscheidung getroffen wurde, macht der
Anbieter einen Rückzieher. Sie wissen, dass commitments sich ihre eigene
Grundlage suchen, eine, die aus neuen Argumenten für dieses commitment
besteht, auch wenn der ursprüngliche Grund entzogen wird.
Das Beeindruckende an der low ball-Technik ist also, dass man damit andere
dazu bringen kann, sich mit einer schlechten Wahl zufrieden zu geben.
Bsp: Studenten telefonisch gebeten, an einer Denk-Studie 7 Uhr früh
teilzunehmen, nur 24% sagten zu. Anderen wurde die Uhrzeit nicht gleich
gesagt, 56% stimmten zu, dann wurde die Uhrzeit gesagt und keiner lehnte ab
(95% hielten ihre Zusage und kamen!)
Low ball kann jedoch auch für einen guten Zweck eingesetzt werden:
Familien wurde versprochen, dass sie in einer Zeitung namentlich erwähnt
würden, wenn sie energiesparender leben würden. Die Familien sparten im
Monat 12 Kubikmeter Erdgas, anschließend wurde ihnen mitgeteilt, dass die
namentliche Erwähnung nicht möglich sein würde. Trotzdem sank der
Verbrauch noch weiter! Die Familien hatten sich von der Sinnhaftigkeit des
Sparens überzeugt und ihr Selbstbild verändert, außerdem verstärkte der
Entzug der „Belohnung“ die Identifizierung mit ihrem neuen Selbstbild.
Abwehrstrategien
Man muss sich bewusst machen, dass Konsistenz zwar gut und unverzichtbar
ist, automatische Konsistenz jedoch gefährlich sein kann und dazu führen,
ausgenutzt zu werden. Es gibt 2 Signale, die darauf hinweisen, dass Konsistenz
in einer Situation zu einer schlechten Wahl führt.
Signale vom Magen: ein komisches Bauchgefühl, wenn wir eine Bitte erfüllen
und gleichzeitig wissen, dass wir das nicht wollen.
Signale vom Herzen: Sie helfen uns, wenn wir nicht wissen, ob ein anfängliches
commitment falsch war. Auf die erste gefühlsmäßige Reaktion hören, wenn
wir uns eine bestimmte Frage stellen, nicht auf das, was der Verstand kurz
darauf sagt.
Kapitel 4 – Soziale Bewährtheit
Bsp: Lachkonserven: keiner mag sie, jeder weiß, dass sie nicht echt sind. Aber
Experimente haben gezeigt, dass ein Publikum länger und öfter über eine
15. 15 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Szene lacht und sie komischer einschätzt, wenn Lachkonserven dazu
abgespielt werden. Wieso? …
Das Prinzip der sozialen Bewährtheit besagt, dass wir uns bei der
Entscheidung, ob etwas richtig ist, häufig an anderen orientieren. Das gilt
besonders für die Angemessenheit von Verhalten: Wir betrachten ein
Verhalten in einer gegebenen Situation in dem Maß als richtig, in dem wir es
bei anderen beobachten.
Normalerweise ist das durchaus sinnvoll, wenn viele Leute etwas tun, ist es
meist das Richtige (naja… ;) ). Das Prinzip der sozialen Bewährtheit bietet ein
praktisches Schnellverfahren, um zu entscheiden, wie man sich in einer
gegebenen Situation am besten verhält, macht einen jedoch auch zur
leichten Beute für diejenigen, die es zu ihrem Zweck ausnutzen.
Im Fall der Lachkonserven reagieren wir so gedankenlos und reflexartig, dass
wir uns durch unechte Beweise für die soziale Bewährtheit einer Sache für
dumm verkaufen lassen. Dumm deshalb, weil wir auf der Grundlage
offensichtlich gestellten Gelächters urteilen.
Bsp: Barkeeper legen am Anfang des Abends Geldscheine in ihre
Trinkgeldgläser, damit Gäste es als üblich betrachten, hier einen Geldschein
als Trinkgeld zu geben.
Die Werbung argumentiert gern damit, dass ein Produkt „die höchsten
Zuwachsraten“ hat oder das „meistverkaufte“ ist – es reicht zu sagen, dass
viele andere es kaufen, anstatt die Vorteile anzupreisen. Auch bei
Fernsehspendensendungen werden sehr häufig Namen von Personen
genannt, die schon gespendet haben.
Bsp: Diskobesitzer ließen Schlange vor dem Lokal stehen, auch wenn drinnen
noch Platz war.
Auch Verkäufer weisen häufig darauf hin, wer das Produkt schon gekauft hat.
Bsp: Eine Studie von Craig und Prachkin 1978 zeigte, dass Versuchspersonen
Elektroschocks (tatsächlich) als weniger schmerzhaft empfanden, wenn eine
weitere Versuchsperson zugegen war, die die Schocks ohne Anzeichen von
Schmerzen ertrug.
Bsp: Kinder mit Hundephobie beobachteten 20 Minuten täglich ein Kind im
Spiel mit einem Hund, nach 4 Tagen waren 67 % bereit, einen Hund zu
streicheln!
Bsp: Extrem schüchterne Vorschulkinder sahen einen Film über ein ängstliches
Kind, das andere beim Spielen beobachtete und sich schließlich daran
beteiligte. Die Interaktionshäufigkeit der Kinder erhöhte sich sofort aufs
normale Niveau, 6 Wochen später waren sie sogar die sozial aktivsten!
Bei Sekten ist häufig ein Phänomen zu beobachten: kurz nachdem eine
Weltuntergangsprophezeiung nicht eingetreten ist, erscheinen die Anhänger
in ihrem Glauben noch gestärkt, verteidigen ihre Lehre und versuchen mit
ungebremsten Eifer, andere zu bekehren. Warum? Forscher hatten sich in eine
Weltuntergangssekte in Chicago eingeschlichen und konnten daher von den
Ereignissen vor und nach dem prophezeiten Untergang berichten. Die
Gruppenmitglieder hatten zu viel für ihre Überzeugung aufgegeben, um nun
tatenlos mitanzusehen, wie sich alles in Luft auflöste: die Blamage, der Spott,
16. 16 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
der finanzielle Verlust wären nicht zu ertragen gewesen. Sie hatten also ein
starkes Bedürfnis, an ihrem Glauben festhalten zu können, das commitment
war so stark, dass jede andere Wahrheit unerträglich war. Die Gruppe musste
sich also andere Beweise für die Gültigkeit ihrer Überzeugungen verschaffen:
soziale Beweise. Nur das Verbreiten ihrer Botschaft, die Weitergabe ihres
Wissens, das Überzeugen der Skeptiker konnte ihre Glaubensideen wieder
wahr werden lassen. Je mehr Leute eine bestimmte Idee für richtig halten,
umso mehr nimmt der Einzelne sie als richtig wahr.
Unsicherheit
Wenn wir uns unsicher sind, wenn die Situation unklar oder mehrdeutig ist,
wenn alles ungewiss ist, neigen wir am ehesten dazu, unser Augenmerk
darauf zu richten, was andere tun, und machen deren Verhalten zur
Richtschnur unseres eigenen Handelns.
Dabei übersehen wir aber gerne eine elementare Tatsache: auch die
anderen halten wahrscheinlich gerade nach Hinweisen dafür Ausschau, was
für ein Verhalten unter diesen Umständen das sozial bewährte sein mag.
Insbesondere in uneindeutigen Situationen kann das zum „kollektiven Nicht-
sehen-wollen“ führen: ganze Gruppen von Zuschauern werden Zeuge einer
Situation, in der ein Opfer dringend auf Hilfe angewiesen ist, und tun nichts.
Bsp: Mord an Catherine Genovese in Queens: 38 (!) Personen hatten das
Ganze von ihren Fenstern aus beobachtet – der Täter hatte Catherine 35
Minuten lang verfolgt und immer wieder angegriffen, es war eine langes,
lautes Ereignis, und doch hatte keiner die Polizei gerufen. Dies wurde
landläufig als Gleichgültigkeit im Stadtleben, als Abstumpfung der Leute
betrachtet.
Man kann es aber auch anders erklären: Niemand hatte eingegriffen, weil,
nicht obwohl, es so viele beobachtet hatten. Wenn mehrere potenzielle
Helfer da sind, verringert sich die Verantwortlichkeit jedes Einzelnen. Jeder
denkt, es wurde sicher schon eingeschritten, und letztlich greift keiner ein. Der
zweite Grund beruht auf dem Prinzip der sozialen Bewährtheit. Sehr oft ist eine
Notlage nicht eindeutig als solche zu erkennen – solche Unsicherheit führt
dazu, dass man sich an seinen Mitmenschen orientiert. Anhand ihrer
Reaktionen versucht man herauszufinden, ob ein Notfall vorliegt oder nicht.
Die anderen tun aber dasselbe, also unauffällig auf andere Anwesende
achten, daher wird jeder seine Umgebung als ruhig und untätig wahrnehmen.
Dies hat wiederum zur Folge, dass das Ereignis überhaupt nicht als Notfall
interpretiert wird.
Die Annahme, es gebe „Sicherheit in der Menge“ (safety in numbers“), ist also
unzulässig. Die Chancen auf Hilfe stehen wesentlich besser, wenn nur ein
einziger Zuschauer anwesend ist. Darley, Latané und Mitarbeiter führten dazu
ein Forschungsprogramm durch, indem sie Notsituationen vortäuschten.
Wenn nur eine weitere Person anwesend war, half sie in 85% der Fälle, wenn
mehrere anwesend waren, wurde dem Opfer nur in 31% der Fälle geholfen.
Andere Studien ergaben, dass die Wahrscheinlichkeit, Hilfe zu erhalten, am
geringsten ist, wenn Personen anwesend sind, die so tun, als wäre nichts.
17. 17 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Wenn die Zuschauer überzeugt davon sind, dass tatsächlich eine Notsituation
vorliegt, sind die Zahlen derer, die helfen, beruhigend hoch. Wenn jedoch
Unsicherheit herrscht, ist die Wahrscheinlichkeit für Hilfe sehr viel höher, wenn
nur ein Zuschauer anwesend ist. Anscheinend ist das kollektive Nicht-sehen-
wollen in Gruppen vom Fremden am stärksten.
In der Großstadt herrschen Bedingungen, die die Chancen eines Opfers, Hilfe
zu bekommen, stark verringern: 1. viel Lärm, Ablenkung und rasche
Veränderungen, was die Bewertung von Ereignissen erschwert, 2. die
Anwesenheit vieler Leute, 3. diese Leute kennen sich nicht.
Wenn man selber in eine Notlage gerät, ist es am besten, eine konkrete
Person anzusprechen (Verantwortlichkeit hervorrufen) und genau zu sagen,
welche Art von Hilfe man braucht (Unsicherheit beseitigen).
Ähnlichkeit
Neben Unsicherheit kommt das Prinzip der sozialen Bewährtheit am stärksten
zur Geltung, wenn wir das Verhalten von Leuten beobachten, die so sind wie
wir. Es sind die Reaktionen von unseresgleichen, die uns am meisten
Aufschluss darüber geben, welches Verhalten für uns selbst angemessen ist.
Deswegen werde in der Werbung Produkte meist vom „einfachen Mann auf
der Straße“ angepriesen.
Bsp: Experiment, auf der Straße liegt Brieftasche, es wird durch einen Brief
darin simuliert, dass jemand die Brieftasche gefunden hatte, zurückschicken
wollte und sie dann auf dem Weg zum Postkasten selber verloren hat. Die
Hälfte der Briefe war in fehlerfreiem Englisch geschrieben, die andere in
gebrochenem, von einem noch nicht lange hier lebenden Ausländer. Wenn
man sich durch letzteren Brief dem 1. Finder unähnlich fand, wurde dien
Brieftasche nur zu 33% zurückgegeben, wenn man sich ähnlich fand, zu 70%.
Die Versuchspersonen handelten also eher wie der 1. Finder, wenn sie sich mit
diesem (aufgrund der Sprachkenntnisse) identifizierten.
Bsp: Schulisches Programm gegen Rauchen hilft nur, wenn es von gleich
bleibenden Jugendlichen vermittelt wird.
Bsp: Bei Kindern führt ein angenehmer Zahnarztfilm nur dann zu Reduktion der
Angst, wenn das gezeigte Kind ca. gleich alt ist.
Der Werther-Effekt
In der Folge von Selbstmorden, die Schlagzeilen gemacht haben, kommt es
regelmäßig zu einer alarmierenden Anstieg von Flugzeugabstürzen bzw.
tödlichen Autounfällen. Zu solche einem Anstieg kommt es allerdings nur in
Gebieten, in denen ausgiebig über den Suizid berichtet wurde (es kann also
nicht an allgemein schlechten Lebensbedingungen liegen). Die Zunahme der
Unfallzahlen ist umso ausgeprägter, je breiter die Berichterstattung war.
Suizidberichte, bei denen nur einer Person zu Tode kommt, ziehen Unfälle mit
nur einem Todesopfer nach sich, Berichte über erweiterte Suizide, bei denen
mehrere Menschen starben, führen zu Unfällen mit mehreren Opfern. Der
18. 18 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Grund dafür liegt im Werther-Effekt: Problembeladene Leute, die über den
Suizid einer anderen Person lesen, nehmen sich an dieser ein Vorbild und
bringen sich ebenfalls um.
Phillips stellte die Theorie auf, dass es sich bei allen zusätzlichen Todesfällen im
Anschluss an einen Suizid, über den berichtet wurde, letztlich um
Nachahmesuizide handelt. Die Nachricht vom Selbstmord eines Menschen
lässt eine hohe Anzahl anderer zu dem Schluss kommen, dass auch für sie der
Suizid eine angemessene Handlung sei. Einige davon schreiten dann direkt zur
Tat, andere wollen vermeiden, als Selbstmörder erkannt zu werden und führe
einen Auto- oder Flugzeugunfall herbei. Diese herbeigeführten Unfälle sind
„tödlicher“ als andere, sprich die Selbstmörder achten darauf, dass die
Unfälle mit größtmöglicher Sicherheit tödlich ausgehen.
Auch hier wirkt die Ähnlichkeit: die Nachahm-Selbstmörder ähnelten in ihrem
Alter immer dem Selbstmörder, über den berichtet wurde.
Auch Mord und Totschlag haben oft Nachahmungscharakter und ereignen
sich häufig im Anschluss an Gewaltdarstellung in den Medien. Die
Fernsehübertragung von Kämpfen um die Meisterschaft im Schwergewicht
scheint in den USA einen messbaren Anstieg von Morden nach sich zu ziehen.
Diese imitatorische Aggression hat dabei eine bemerkenswerte Spezifität:
verliert ein schwarzer Mann, kommt es zu einem Anstieg der Tötungen junger
schwarzer Männer, verliert ein weißer Mann, werden signifikant mehr weiße
Männer umgebracht. (wurde für die Jahre 1973-1978 untersucht)
In den 1970ern gab es zahlreiche Fälle von Flugzeugentführungen, in den
80ern Verunreinigungen von Lebensmitteln und in jüngerer Zeit Amokläufe in
den USA. Die Amokläufe an amerikanischen Schulen passierten immer in
ländlichen Gebieten – Prinzip der Ähnlichkeit.
Bsp: „The People’s Temple“ – sektenähnliche Organisation in San Francisco,
die 1977 zusammen mit Anführer Jim Jones in den südamerikanischen Urwald
übersiedelte. Dort führten sie ein unbeachtetes Dasein bis am 18. 11. 1978 der
Kongressabgeordnete Leo Ryan ( der nach Guyana gekommen war, um die
Vorgänge in der Sekte zu untersuchen) und 3 Leute seine Ermittlungsgruppe
sowie ein abtrünniges Sektenmitglied bei dem Versuch, Jonestown mit dem
Flugzeug zu verlassen, ermordet wurden. In der Überzeugung, man würde ihn
verhaften, versammelte Jones die Gemeinschaft und rief zum
Massenselbstmord auf. 910 Menschen gingen freiwillig und friedlich in den
Tod. Warum? IN der fremden Umgebung von Guyana bestand eine sehr
hohe Beritschaft, sich nach den anderen zu richten („In Kalifornien wäre dies
nicht passiert.“) Unsicherheit, Ähnlichkeit mit den anderen. Es muss zu
„kollektivem Nicht-sehen-wollen“ gekommen sein: Die Menschen
beobachteten die anderen um sich herum, um sich über die Lage klar zu
werden, aber auch alle anderen peilten nur verstohlen die Lage. Daher
schlussfolgerten die Anhänger, dass geduldiges Warten, bis man an der Reihe
war, wohl die beste Lösung war.
Abwehrstrategien
19. 19 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Es gibt zwei Arten von Situationen, in denen inkorrekte Daten dazu führen,
dass das Prinzip der sozialen Bewährtheit uns ein schlechter Ratgeber ist. Die
erste tritt ein, wenn die sozialen Beweise bewusst verfälscht wurden (z.B.
eingespieltes Gelächter).
Bsp: Sauton und Porcher gründeten 1820 eine Organisation, die sich für Beifall
und Jubel in der Oper bezahlen ließ. Diese waren nicht einmal getarnt und
saßen oft Tag für Tag am selben Platz! [Claqueur-effekt = Beifallklatscher-
Effekt] – „Applause auf Bestellung“.
Bsp: zahlreiche Werbespots arbeiten mit offensichtlich gestellten Interviews
und Kundenbefragungen, um soziale Bewährtheit vorzutäuschen. Man sollte
sich dann bewusst machen, dass hier etwas (obendrein dilettantisch)
vorgetäuscht wird.
Zusätzlich zu solchen Gelegenheiten, in denen soziale Beweise bewusst
gefälscht werden, gibt es auch die, in denen ein harmloser Fehler eine große
Zahl sozialer Beweise nach sich zieht, die uns zu einer falschen Entscheidung
drängen.
Bsp: Eine Bank in Singapur, die Kunden ließen sich ganz plötzlich ihre Einlagen
auszahlen. Was war geschehen? Wegen eines Busstreiks hatte sich eine
Ansammlung vor der Bank (Bushaltestelle) gebildet. Passanten dachten,
wegen eines Bankzusammenbruchs hoben alle Leute ihr Geld ab, gerieten in
Panik und taten dasselbe!
Wir gehen anscheinend davon aus, dass viele Leute, die dasselbe tun, etwas
wissen müssen, was wir nicht wissen. Aber auch die Menge irrt sich recht
häufig, da die Einzelnen eben nicht auf der Grundlage bessere Info handeln,
sondern selbst auf das Prinzip der sozialen Bewährtheit reagieren.
Kapitel 5 – Sympathie
Wir sind am ehesten bereit, den Bitten von Leuten nachzukommen, die wir
kennen und mögen. Diese Regel wird beispielsweise von Tupperware mit den
„Tupperparties“ ausgenutzt: die Person, die die Party gibt, verdient an allen
gekauften Produkten mit – dadurch kaufen deren Freunde die Artikel
eigentlich von einer befreundeten Person anstatt von einer fremden
Verkäuferin (die auch anwesend ist). Der Grad der freundschaftlichen
Verbundenheit ist dabei doppelt so ausschlaggebend für den Kauf eines
Artikels wie die Vorliebe für das Produkt selbst! Die Kunden sind sich dabei
anscheinend des Drucks, der bei solchen Parties durch Sympathie und
Freundschaft aufgebaut wird, voll bewusst, können sich dem aber nicht
entziehen, weil sie nicht wissen, wie.
Obendrein kommen Faktoren wie Reziprozität (am Anfang bekommt jeder ein
Geschenk), Commitment (jeder soll die Vorteile der Produkte, die er besitzt,
schildern) und soziale Bewährtheit ins Spiel (sobald der Verkauf beginnt,
bestätigt jeder Artikel, der den Besitzer wechselt, erneut, dass andere die
Produkte haben wollen). Statistiken zeigen, dass mittlerweile alle 2,7 Sekunden
irgendwo eine Tupperparty beginnt!!
20. 20 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Manchmal muss der Freund gar nicht anwesend sein, es reicht seine
Erwähnung (z.B. bei Haustürverkauf, sobald ein Kunde zeigt, dass ihm ein
Produkt gefällt, wird er dazu gebracht, Namen von weiteren Interessenten zu
nennen, die dann ebenfalls aufgesucht werden usw.).
Im Folgenden werden sympathiefördernde Faktoren dargestellt, die alle auch
von Überzeugungsprofis genutzt werden.
1. Äußerliche Attraktivität
Halo-Effekt: Wenn der Gesamteindruck, den eine Person auf eine andere
macht, durch ein einzelnes positives Merkmal, das sie hat, dominiert wird.
Gut aussehenden Menschen schreiben wir automatisch Begabung,
Ehrlichkeit, Freundlichkeit und Intelligenz zu, noch dazu, ohne uns über den
Einfluss ihrer Attraktivität bewusst zu sein.
Bsp: Untersuchung über die kanadischen Parlamentswahlen 1974 – attraktive
Kandidaten erhielten mehr als 2,5 Mal so viele Stimmen wie unattraktive!
Doch die Wähler waren sich dessen nicht bewusst, 73% bestritten heftig, dass
ihre Entscheidung etwas mit dem Äußeren zu tun hatte.
Ein ähnlicher Effekt konnte für Bewerbungssituationen nachgewiesen werden.
In einer Studie zeigte sich, dass eine gute äußere Aufmachung in einem
simulierten Gespräch für ihre Jobchancen von größerer Bedeutung waren als
ihre beruflichen Qualifikationen und das, obwohl ihre Gesprächspartner
behaupteten, dass die äußere Erscheinung nur eine kleine Rolle bei ihren
Entscheidungen spielte. – Selbst das Einkommen von gutaussehenden
Menschen liegt 12 bis 14 % über dem der weniger attraktiven Kollegen!
Auch deutet vieles darauf hin, dass attraktive Menschen in unserem
juristischen System eine Vorzugsbehandlung erhalten. Eine Studie über die
Attraktivität 74 männlicher Angeklagter ergab, dass die gut aussehenden zu
signifikant geringeren Strafen verurteilt worden waren. Dies ging so weit, dass
den attraktiven Angeklagten doppelt so häufig wie den unattraktiven eine
Gefängnisstrafe erspart geblieben war.
Bsp: Entstellte Gefangene im Gefängnis NY unterzogen sich einer Schönheits-
OP, wurden nach Entlassung signifikant seltener wieder inhaftiert als andere
Entstellte, die sich nicht operieren hatten lassen, und zwar unabhängig
davon, ob sie Rehabilitationsmaßnahmen mitgemacht hatten oder nicht
wahrscheinlich wurde aber nicht die Wahrscheinlichkeit für Rückfälle, sondern
nur für Reinhaftierung vermindert.
Attraktiven Menschen wird auch eher geholfen, wenn sie in Not sind;
aggressive Handlungen von hübschen Kindern werden als weniger
verwerflich angesehen etc.
Äußerliche Attraktivität wird daher auch von Verkäufern genutzt, da sie
sympathisch und gefügig macht. Boutiquenbesitzer wählen ihr Personal unter
den besser aussehenden Kandidaten aus.
2. Ähnlichkeit
21. 21 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Wir mögen Leute, die uns ähnlich sind. Dies gilt anscheinend unabhängig
davon, ob die Ähnlichkeit im Bereich von Meinungen,
Charaktereigenschaften, Herkunft oder Lebensstil besteht. Mehrer
Untersuchungen haben gezeigt, dass unsere Hilfsbereitschaft gegenüber
Leuten, die so angezogen sind wie wir, größer ist.
Eine andere Möglichkeit, den Eindruck von Ähnlichkeit entstehen zu lassen,
besteht in der Behauptung, eine ähnliche Herkunft oder Interessen wie das
Gegenüber zu haben.
Bsp: Kunden waren eher geneigt, eine Versicherung abzuschließen, wenn
zwischen ihnen und dem Vertreter Ähnlichkeit hinsichtlich Alter, Religion,
politischer Einstellung und Tabakkonsum bestand.
Das geht sogar so weit, dass Ähnlichkeiten beeinflussen, wem wir lieber das
Leben retten: Versuchspersonen, die entscheiden sollten, welche
nierenkranken Personen es am ehesten verdienen, sobald wie möglich
behandelt zu werden, wählten solche Patienten, die dieselbe politische Partei
bevorzugten wie sie selbst.
In vielen kaufmännischen Ausbildungsgängen werden die angehenden
Verkäufer angeleitet, Körperhaltung, Stimmung und Ausdrucksweise des
Kunden zu übernehmen (mirror and match).
3. Komplimente
Die Mitteilung, dass jemand von uns angetan ist, kann ein effektives Mittel
sein, uns zur Erwiderung dieser Sympathie zu bringen und zugänglich für sei
Anliegen zu machen.
Bsp: der erfolgreichste Autoverkäufer der Welt Joe Girard schickte jedem
seiner 13000 früheren Kunden 12 Mal pro Jahr (!) eine Karte mit dem Aufdruck
„Ich mag Sie.“ Er verkaufte an jedem Tag durchschnittlich mehr als 5 Pkws
und LKWs.
Dabei müssen die Komplimente nicht einmal stimmen, um zu wirken, und es
funktioniert auch, wenn sich die Umschmeichelten der Hintergedanken des
anderen bewusst sind. Offensichtlich haben wir die Tendenz, mechanisch
positiv auf Komplimente zu reagieren.
4. Kontakt und Kooperation
In der Regel mögen wir das, was wir kennen.
Bsp: 2 Abzüge eines Porträts, eines normal, eines seitenverkehrt. Selber gefällt
man sich auf der seitenverkehrten Aufnahme besser, da man dieses
„Gesicht“ täglich im Spiegel sieht. Freunde bevorzugen die normale
Aufnahme, da das jenes Gesicht ist, das sie immer sehen.
Vertrautheit ruft unbewusst Zuneigung hervor. Oft sind wir uns der Tatsache
gar nicht bewusst, dass unsere Einstellung zu einer Sache dadurch beeinflusst
ist, wie häufig wir in der Vergangenheit mit ihr in Berührung gekommen sind.
Bsp: Gesichter wurden so kurz auf eine Meinwand projiziert, dass die
Versuchspersonen sich später nicht erinnern konnten, diese gesehen zu
haben. Doch fanden sie eine Person bei einer späteren Begegnung umso
22. 22 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
sympathischer, je öfter das Gesicht der Person auf der Leinwand erschienen
war.
Danach sollte eigentlich die Rassenintegration an Schulen bewirken, dass
eine Annäherung der ethnischen Gruppen stattfindet, jedoch ist das
Gegenteil der Fall. Warum? In der Schule herrscht Konkurrenz, einzig mögliche
Lösung: mehr auf kooperatives Lernen zu bauen.
Bsp: eine Studie von Sherif in einem Zeltlager ergab: wenn man zwei
Jugendgruppen getrennt schlafen lässt, ihnen 2 verschiedene Namen gibt
und sie gegeneinander antreten lässt, entsteht Feindschaft. Wenn man sie
jedoch erfolgreich an etwas, das für beide wichtig ist, zusammenarbeiten
lässt, entsteht Freundschaft. Das gilt nicht nur für Jungendliche!
Jigsaw- bzw. Puzzle-Ansatz an US-Schulen: Schüler sind zur Zusammenarbeit
gezwungen, um sich den Stoff für eine Prüfung anzueignen, da jeder Schüler
nur einige der relevanten Infos besitzt, die Schüler müssen sich gegenseitig
helfen. sehr gute Erfolge! Mehr Freundschaft, Abbau von Feindschaft,
Minoritäten und die übrigen Schüler werden selbstbewusster und erbringen
bessere Leistungen. Dennoch ist auch Wettbewerb wichtig, darf nicht
komplett eliminiert werden.
Kontakt ist also in der Regel sympathiefördernd, nicht aber, wenn der Kontakt
mit negativen Erlebnissen verbunden ist. Auch Kooperation bewirkt
Sympathie.
Bsp: good cop, bad cop bei Verhören. Der gute Polizist sagt dem bösen, er
solle sich nicht so aufregen, beruhigen; sagt er möchte dem Verhörten eine
lange Strafe ersparen, wenn er gesteht etc. Er erweckt den Eindruck, als
stünde er auf seiner Seite, als arbeite er mit ihm zusammen. Kann oft zu einem
Geständnis führen.
5. Konditionierung und Assoziationen
Wettersprecher werden sehr häufig für das Wetter verantwortlich gemacht
und angegriffen – es gibt eine elementare menschliche Abneigung gegen
Personen, die schlechte Nachrichten überbringen. Die bloße Assoziation mit
schlechten oder guten Dingen hat einen Einfluss darauf, wie beliebt wir bei
anderen sind.
Bsp: In einer Studie schätzten Männer, die eine Werbung für ein Auto
gesehen hatten, in der auch eine verführerische Frau abgebildet war, als
schneller, ansprechender, teurer aussehend und besser gestylt ein als Männer,
die dieselbe Werbung ohne das Model gesehen hatten- positive
Assoziation Model und Auto.
Bsp: Kreditkarten werden meist mit den positiven Aspekten von Einkäufen
assoziiert, da man damit Dinge kaufen kann, für die man erst viel später
bezahlt. Wenn auf einer Restaurantrechnung, an der Wand oder irgendwo
Kreditkarten-Signets zu sehen sind, sind die Leute bereit, mehr Geld zu geben
(sei es Trinkgeld, Spenden, etc.), unabhängig davon, ob sie bar zahlen oder
mit Kreditkarte!
23. 23 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Deswegen werden Produkte oft mit gerade aktuellen Ereignissen
(Mondlandung, Marssonde, Olympische Spiele) beworben, eine positive
Assoziation soll entstehen. Dasselbe soll Werbung mit Prominente bezwecken,
sei es für ein Produkt oder einen Präsidentschaftskandidaten.
luncheon technique: man kann die Meinung von Personen über Menschen,
Dinge, Aussagen,… dadurch verbessern, dass sie beim Essen mit ihnen in
Berührung kommen. Mit fauligen Gerüchen z.B. kann man das Gegenteil
erreichen.
So sind wir, auch wenn wir selbst oft nicht merken, wie wir mithilfe des
Assoziationsprinzips beeinflusst werden, doch darauf bedacht, selber nicht der
Überbringer schlechter Nachrichten zu werden. Wir wissen also, wie das Prinzip
funktioniert und wenden es auch selber an.
Die Beziehung zwischen Sport und eifrigem Fan ist etwas sehr Ernstes,
Intensives und außerordentlich Persönliches.
Bsp: ein Soldat im 2. Weltkrieg sprach nach seiner Rückkehr nicht mehr, 30
Jahre lang, bei einer Radioübertragung eines Spiels zwischen seinem
Heimatort und einem alten Gegner schrie er vor lauter Zorn über eine
Entscheidung des Schiedsrichters „ Du alter Idiot! Willst du denen das Spiel
schenken?“ Danach versank er wieder in Schweigen, das er nie mehr brach.
Eine Niederlage „seiner“ Mannschaft hätte für ihn persönlich eine
Demütigung bedeutet, der Sieg einen Triumph. Allein die Herkunft aus
derselben Stadt machte den möglichen Sieg der Mannschaft oder ihre
Niederlage zu etwas, was ganz viel mit ihm zu tun hatte.
Bsp: Messerattacke auf Monica Seles 1993, der Attentäter stammte aus
derselben Stadt wie Steffi Graf, die von Seles vom ersten Platz der
Weltrangliste verdrängt worden war.
Asimov (1975): „Wen auch immer man anfeuert, er steht letztendlich für einen
selbst; und wenn er gewinnt, gewinnt man selbst.“ Gemäß dem
Assoziationsprinzip steigt unser öffentliches Ansehen, wenn wir uns selbst mit
Erfolgen umgeben, auch wenn uns nur etwas ganz Oberflächliches mit ihnen
verbindet.
Bsp: wenn eine Mannschaft gewonnen hat, sprechen die Menschen oft von
„Wir haben gewonnen“, wenn sie verloren hat, heißt es auf einmal: „Sie
haben verloren“…Wir manipulieren also die Sichtbarkeit unserer Verbindung
zu Gewinnern und Verlierern bewusst, aus Imagegründen.
Name-dropping, Groupies (Sex gegen das Recht, mit dieser Verbindung
anzugeben), Bühnenmütter,… sind Beispiele für das Assoziationsprinzip.
Abwehrstrategien
Besonders darauf achten, wie nett wir Menschen finden, die uns von etwas
überzeugen wollen. Sobald wir erkennen, dass wir unter den gegebenen
Umständen ungewöhnlich viel Zuneigung für unser Gegenüber zu empfinden,
empfiehlt es sich, einen Schritt zurückzutreten und allein aufgrund der Vorzüge
des Angebotes zu entscheiden.
24. 24 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Kapitel 6 – Autorität
Das berühmte Milgram-Experiment (1974) schockierte die Welt und auch
Milgram selber, weil es zeigte, wie weit Menschen bereit sind zu gehen, nur
weil jemand es ihnen befiehlt. Er ließ die Versuchspersonen anderen Personen
Elektroschocks erteilen (für falsche Antworten in einer Gedächtnisaufgabe).
Die andere Person war nur ein Schauspieler, doch das wussten die
Versuchspersonen natürlich nicht. Die frage war, bis zu welcher Grenze die
Versuchspersonen gehen würden. 2/3 aller Teilnehmer legten alle 30 Schalter
um, bis der Versuchsleiter nach dem letzten (450 Volt) den Versuch
beendete! Das Opfer schrie vor Schmerzen und flehte immer wieder um
Beendigung der Schocks, dadurch fiel es den Versuchspersonen nicht leicht,
sie litten selber mit und baten den Versuchsleiter immer wieder, aufhören zu
dürfen. Als dieser das verneinte, machten sie jedoch weiter. Die Ergebnisse
waren dieselben, wenn sich die Versuchspersonen der möglichen
gesundheitlichen Konsequenzen bewusst waren, weil das Opfer immer wieder
seine Herzprobleme erwähnte. Die „Sadisten“ unterschieden sich in Alter,
Geschlecht oder Ausbildung nicht vom Durchschnitt und hatten auch ganz
normale Persönlichkeitstestergebnisse.
Laut Milgram liegt der Grund für diese erschreckenden Ergebnisse in einer tief
verwurzelten Autoritätshörigkeit. Verbot der Versuchsleiter, weitere Schocks zu
geben, obwohl das Opfer tapfer weitermachen wollte, ließen die
Versuchspersonen sofort davon ab.
Ein vielschichtiges und weithin akzeptiertes Autoritätssystem bringt einer
Gesellschaft enorme Vorteile – es ist die Voraussetzung für die Entwicklung
differenzierter Strukturen für die Produktion von Gütern, für Handel,
Verteidigung, Expansion und soziale Kontrolle. Die Alternative hieße im
Extremfall Anarchie, ein Zustand, der nicht gerade förderlich für menschliche
Kulturen wäre. Daher wird uns von Geburt an eingetrichtert, dass Gehorsam
gegenüber den richtigen Autoritäten gut und Ungehorsam schlecht ist (Eltern,
Schule, rechtliche, militärische und politische Systeme).Häufig gehorchen wir
quasi automatisch, ohne uns dessen überhaupt bewusst zu sein. Alles, was aus
dem Mund einer anerkannten Autorität kommt, kann uns wertvolle
Entscheidungshilfe in schwierigen Situationen sein.
In der Medizin z.B. gibt es eine streng hierarchische Machtstruktur, über die
sich alle Mitarbeiter in diesem Bereich sehr genau bewusst sind. Niemand darf
sich über das Urteil eines Doktors hinwegsetzen, außer vielleicht ein
höherrangiger Dr. med. Es hat sich daher eine feste Tradition automatischen
Gehorsams gegenüber ärztlichen Anordnungen gebildet. Dies wiederum
bringt mit sich, dass bei einem eindeutigen Fehler eines Arztes niemand auf
einer niedrigeren Stufe überhaupt die Möglichkeit eines solchen Fehlers in
Betracht zieht. Sobald eine Autorität eine Anordnung gegeben hat, stellen die
Untergebenen das Denken ein und schalten auf bloßes Reagieren um. So
zeigt eine Untersuchung der US-Gesundheitsbehörden, dass allein im Bereich
25. 25 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
der medikamentösen Therapie das durchschnittliche Krankenhaus eine
Tagesfehlerquote von 12 % hat.
Das gleiche Phänomen der sturen Unterwerfung zeigt sich in Affenhorden, in
denen strenge Hierarchien bestehen, finden neue Errungenschaften nur dann
rasch Verbreitung, wenn sie zuerst einem der dominierenden Tiere
beigebracht werden.
Bsp: Jungen Affen wurden Karamellbonbons gegeben, also ein neues
Nahrungsmittel, die Vorliebe dafür hatten nach 1,5 Jahren erst 51% der Tiere
erworben. Gab man zuerst dem ranghöchsten Tier Weizen (ebenfalls neue
Nahrung), hatte sich dies in 4 Stunden in der ganzen Gruppe durchgesetzt.
Bsp: ein Schauspieler, der in Amerika ein bekannter TV-Arzt war, warb für
koffeinfreien Kaffee – Spot war sehr erfolgreich und lief jahrelang in
verschiedenen Versionen, obwohl der Mann nur Schauspieler und kein echter
Arzt war.
Autoritätssymbol 1 – Titel
Untersuchungen zum Einfluss des Autoritätsstatus auf die Wahrnehmung der
Körpergröße zeigen, dass Menschen mit hoch angesehenen Titeln größer
geschätzt werden, als sie sind. „Professoren“ wurden in einem Experiment 6,5
cm größer geschätzt als „Studenten“ (es war immer derselbe Mann).
Entscheidend für die Wahrnehmung der Größe einer Sache oder eines
Menschen ist, wie bedeutsam (nicht aber wie positiv) sie ist. Es ist also
möglich, Status mithilfe der Größe vorzutäuschen, z.B. ist bei einigen
Tiergemeinschaften die Körpergröße ein entscheidender Faktor für die
Stellung eines Individuums in der Gruppe.
Hochstapler mit normaler Größe tragen oft Spezialeinlagen, die sie optisch
größer machen.
Bsp: Ein Forscherteam aus Ärzten und Pflegenden führte ein Experiment zum
Gehorsam aufgrund von Titeln durch: sie riefen in Spitälern an und gaben sich
als Arzt der Klinik aus und gaben der Pflegekraft am Telefon die Anweisung,
einem bestimmten Patienten eine Überdosis eines nicht genehmigten
Medikaments zu verabreichen. 95% der Pflegenden machten sich sofort auf
den Weg, obwohl 1. die Anweisung per Telefon kam, 2. das Medikament
nicht genehmigt war, 3. die Dosis viel zu hoch war und4. sie den Arzt nicht
persönlich kannten. (!!!)
Bsp: Peters und Ceci veränderten die Namen der Verfasser und der Institution
von wissenschaftlichen Artikeln, die 18 bis 32 Monate zuvor veröffentlicht
worden waren, und reichten sie erneut bei den Zeitschriften ein. 9 der 12
Artikel flogen nicht auf, 8 von den 9 wurden aber abgelehnt.
Autoritätssymbol 2 – Kleidung
Bsp: Bickman konnte zeigen, wie schwer es sein kann, jemandem eine Bitte
abzuschlagen, der in „Autoritätskleidung“ daherkommt. Passanten wurden
um etwas Ungewöhnliches gebeten, der Bitte kamen viel mehr Leute nach,
wenn der Bittsteller eine Wachdienstuniform anhatte (statt normaler Kleidung).
26. 26 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Bsp: Ein Mann spricht Passanten an, zeigt auf einen Mann bei einer Parkuhr
und sagt, dieser Mann habe nicht genug Geld und man solle diesem einen
Zehner geben. Dann ging er davon. Wenn der befehlende Mann als
Wachmann gekleidet war, entsprachen fast alle seinem Befehl, war er normal
gekleidet, waren es weniger als die Hälfte.
Auch Anzüge bewirken Autorität. Wenn ein Anzugträger bei Rot über die
Ampel geht, folgen ihm 3,5 Mal so viele Leute wie wenn ein normal
gekleideter Mann dasselbe tut.
Autoritätssymbol 3 – Luxus
Stilvolle und teure Kleidung verbreitet eine Aura von Status und Rang, ähnlich
wie andere Luxusartikel (Schmuck, Autos,)
Wir verhalten uns Besitzern von Nobelautos gegenüber besonders respektvoll.
Bsp: Steht vor uns an einer grünen Ampel ein altes, kleines Auto, hupen wir viel
früher wie hinter einem neuen, teuren Auto (50% hupten hier gar nicht).
Abwehrstrategien
Schutz gegen die nachteiligen Auswirkungen des Einflusses von Autoritäten
bieten zwei Fragen: Ist die Autoritätsperson tatsächlich ein Experte? (siehe
Fernseharzt) Und inwieweit können wir diesem Experten vertrauen? Die erste
Frage lenkt unsere Aufmerksamkeit weg von den Symbolen und hin zu den
echten Beweisen für die vermutete Autorität. Durch die zweite wird uns nahe
gelegt, nicht nur das Wissen eines Experten zu berücksichtigen, sondern auch
seine Vertrauenswürdigkeit. Mit Bezug auf diese 2. Überlegung sollten wir uns
vor einer vertrauensfördernden Taktik in Acht nehmen, die darin besteht, dass
uns unser Gegenüber anfangs eine etwas ungünstige Information über sich
gibt. Mithilfe dieser Strategie versucht die Person, einen besonders ehrlichen
Eindruck zu machen, damit wir nachher leichtgläubiger sind.
Kapitel 7 – Knappheit
Das Knappheitsprinzip besagt, dass Möglichkeiten uns umso wertvoller
erscheinen, je weniger erreichbar sie sind.
Bsp: Studenten bewerteten Mensaessen als unbefriedigend, als diese wegen
eines Feuers 2 Wochen geschlossen wurde, wurde das Essen signifikant besser
beurteilt.
Sammler (Eintrittskarten für Baseballspiele, Antiquitäten,..) sind sich der
Bedeutung des Knappheitsprinzips bewusst. In der Regel sind Sammlerstücke,
die rar sind, auch wertvoller.
Precious mistake – Phänomen: Stücke mit Mängeln – z.B. eine doppelt
geprägte Münze – sind oft diejenigen mit dem höchsten Wert
(Seltenheitswert).
Der Gedanke, etwas verlieren zu können, hat eine stärker motivierende
Wirkung als der Gedanke, etwas Gleichwertiges gewinnen zu können. So
zeigen beispielsweise Studenten sehr viel stärkere Gefühle, wenn sie gebeten
werden, sich mögliche Verluste vorzustellen (persönliche Beziehungen,
27. 27 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Durchschnittsnoten), als wenn sie gebeten werden, etwas hinzuzugewinnen.
Vor allem in Risiko- und Unsicherheitssituationen spielt die Gefahr eines
möglichen Verlusts eine große Rolle in Entscheidungsprozessen.
Bsp: Broschüren, in denen junge Frauen zur Brustkrebsvorsorge durch
Selbstuntersuchung aufgefordert werden, sind erfolgreicher, wenn sie auf
mögliche Verluste hinweisen statt auf positive Folgen einer frühen Diagnose.
Auch bei Rauchern ist es effektiver, sie darauf hinzuweisen, wie viele Jahre sie
weniger leben, wenn sie weiter rauchen, anstatt wie viele Jahre mehr sie
leben, wenn sie aufhören zu rauchen.
„Taktik der kleinen Menge“: ein Kunde wird darüber informiert, dass ein
bestimmtes Produkt nur in begrenzter Anzahl vorhanden und vermutlich nicht
mehr lang zu haben ist. Dadurch gewinnen die Waren in den Augen des
Kunden an Wert.
Zeitlimits: Dem Kunden wird eine Frist gesetzt, nach deren Ablauf das
Angebot nicht mehr gilt. Es passiert den meisten Leuten immer wieder einmal,
dass sie etwas tun wollen, worauf sie sonst nicht erpicht wären, nur weil sie
nicht mehr lang die Gelegenheit dazu haben. Damit lässt sich beim Kunden
Interesse erzeugen, wo vorher keines war.
Eine besonders aggressive Variante der Fristentaktik besteht darin, dem
Kunden gar keine Bedenkzeit zu geben: wenn er sich nicht sofort entscheidet,
bekommt er den Artikel später nur teurer oder gar nicht mehr.
Reaktanz
Dinge, die nur schwer zu bekommen sind, sind in der Regel besser als solche,
die leicht zu bekommen sind. Oft lässt daher die Verfügbarkeit einer Sache
schnell und treffsicher auf ihre Qualität schließen. Ein Grund für den Einfluss
des Knappheitsprinzips liegt darin, dass es ermöglicht, ohne großen Aufwand
gute Entscheidungen zu treffen.
Es gibt aber noch eine weitere Quelle für die Macht des Knappheitsprinzips;
wenn Möglichkeiten weniger erreichbar werden, bedeutet das einen Verlust
von Freiheiten. Und der Verlust von einmal besessenen Freiheiten ist etwas,
das wir partout nicht ausstehen können. Das Bestreben, einmal erworbene
Vorrechte zu erhalten, ist der Kern der Reaktanztheorie. Nach dieser Theorie
bewirkt das Bedürfnis nach Erhaltung unserer Freiheiten, dass wir sie bei einer
Einschränkung unserer Wahlfreiheit noch mehr wollen als zuvor.
Bei Kindern beginnt diese Tendenz im 3. Lebensjahr, dann, wenn sie
anfangen, sich als Individuum zu betrachten. Das führt zu dem Konzept der
Freiheit: ein unabhängiges Wesen kann seine eigenen Entscheidungen
treffen. In dieser Zeit tun sie garantiert das Gegenteil von dem, was von ihnen
verlangt wird, weil sie ihren Spielraum und ihre Grenzen kennen lernen wollen.
Bsp: Wenn ein Spielzeug hinter einer 30 cm hohen Plexiglasscheibe stand, war
es nicht begehrenswerter als andere, war die Scheibe jedoch so hoch, dass
man darum herumgehen müsste, um das Spielzeug zu bekommen,
bevorzugten die Kinder (24 Monate) dieses Spielzeug.
28. 28 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
In der Pubertät wird die Reaktanz wieder besonders stark. Romeo-und-Julia-
Effekt: Gegen alle Versuche, sie voneinander fernzuhalten, schafften es die
jungen Liebenden durch ihren Doppelsuizid, eine ultimativen Demonstration
des freien Willens, für alle Zeiten vereint zu bleiben. Möglicherweise wäre die
starke Liebe der beiden, wenn man sie in Ruhe gelassen hätte, nur eine kurze
Schwärmerei geworden. ;)
Bsp: Studie mit 140 Teenagern – Einmischung der Eltern ging mit mehr
Problemen, aber auch mit größerer Zuneigung und Heiratswunsch einher.
Bsp: in Kennesaw wurde das Gesetz erlassen, dass jeder Erwachsene der
Stadt eine Schusswaffe besitzen müsse. Daraufhin boomte in der Stadt das
Geschäft mit Schusswaffen – allerdings kauften nur Leute von außerhalb der
Stadt welche, deren Freiheit war ja nicht eingeschränkt worden. Die
Bewohner der Stadt reagierten mit Reaktanz und kauften keine Waffen.
Zensur
In einer Zeit, in der die Möglichkeit, Informationen zu erlangen, zu speichern
und zu verarbeiten, eine immer größere Bedeutung für die Erlangung von
Reichtum und Macht spielt, ist es eine interessante Frage, wie wir auf
Versuche reagieren, uns Information vorzuenthalten. Fast immer besteht
unsere Reaktion darin, dass wir stärker daran interessiert sind, diese
Informationen zu bekommen, und dass wir eine bessere Meinung von ihr
haben als zuvor. Der Wunsch, an diese Info zu kommen, wird größer, und sie
wird für glaubwürdiger gehalten, obwohl man sie nicht kennt.
Bsp: Studenten hörten, dass eine Rede gegen gemischte Wohnheime
verboten worden war, dadurch wuchs die Opposition gegen solche
Wohnheime.
Besonders clevere Leute, die eine schwache oder unpopuläre Meinung
vertreten, könnten uns also davon überzeugen, indem sie es darauf anlegen,
dass der Zugang zu ihren Botschaften beschränkt wird (von offizieller Seite
zensieren lassen und dann die Zensur publik machen).
Auch der Zugang zu Material mit sexuellen Inhalten wird häufig beschränkt.
Allerdings kann das oftmals das Gegenteil der gewünschten Wirkung
erzeugen.
Bsp: Studenten wurde Werbeanzeige für Roman vorgelegt, bei einer Hälfte
der Zusatz „nur für Erwachsene ab 21 Jahren“. Später diejenigen mit der
Altersbeschränkung waren stärker an dem Buch interessiert und es hatte
ihnen besser gefallen als es bei denen ohne Beschränkung der Fall war.
Zensur kann das Gegenteil bewirken!
Bsp: bei Geschworenenprozesse werden manchmal Beweise erst nach deren
Darbietung für unzulässig erklärt, die Geschworenen sollen diese dann außer
Acht lassen. Laut einer Studie von Broeder steigt der Wert dieser verbotenen
Info dann, so dass diese umso mehr beachtet wird!!!
Informationen müssen nicht unbedingt zensiert werden, damit wir ihnen einen
höheren Wert beimessen, es reicht, wenn sie knapp sind (=exklusiv, wenn man
sie nicht überall bekommt).
29. 29 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Bsp: Experiment, Verkäufer riefen Kunden an, um deren Rindfleischbestellung
aufzunehmen. Wenn man ihnen mitteilte, dass in den kommenden Monaten
mit einer Verknappung zu rechnen war, bestellten sie doppelt so viel wie
diejenigen, die das nicht dachten. Wenn man zusätzlich dazusagte, dass die
Verknappung noch nicht allgemein bekannt war, bestellten die Kunden 6 Mal
so viel!!!
Wie gewonnen, so zerronnen
Der Wechsel von Überfluss zu Knappheit beeinflusst die Einstellung zu Dingen,
Rechten,… stärker positiv als permanente Knappheit: einmal gewonnene
Freiheiten werden nicht kampflos wieder aufgegeben.
Bsp: Black riots in US-Großstädten Mitte der 60er: die beiden Jahrzehnte davor
hatten der schwarzen Bevölkerung drastische politische und wirtschaftliche
Fortschritte gebracht, dann gerieten diese Prozesse ins Stocken und
verschiedene Ereignisse trübten den Optimismus. Rassentrennung gab es
immer noch, Gewalttaten an Schwarzen etc. der Stillstand des sozialen
Aufstieges führte zu den Unruhen.
Bsp: Gorbatschow räumte der Bevölkerung nach Jahrzehnten der
Unterdrückung neue Freiheiten und Rechte ein, so kam es am 19.8.1991 zu
einem Putschversuch und er wurde unter Hausarrest gestellt. Jeder erwartete,
dass sich die Bevölkerung wieder ohne Widerstand fügte, jedoch kam es zu
massivem und sofortigem Widerstand, so dass die Putschisten nach 3 Tagen
aufgaben.
Das gilt auch für die Kindererziehung: beim Durchsetzen von Verboten sollte
man konsequent sein, wenn man etwas manchmal erlaubt und manchmal
nicht, ist der Widerstand stärker, als wenn man es immer verbietet.
Kampf um knappe Ressourcen
Unser Interesse an einer bestimmten Sache, die knapp ist, wird noch größer,
wenn wir mit anderen um sie konkurrieren müssen. Große Nachfrage (social
demand) führt zu einer besseren Bewertung der knappen Sache. Auch in
Liebesbeziehungen – hört man von einem Konkurrenten, wird die
Leidenschaft plötzlich wieder entfacht.
Bsp: Hausverkäufer erwähnen oft einen anderen Interessenten, auch wenn es
ihn nicht gibt (am liebsten jemand mit viel Geld).
Bsp: bei Schlussverkäufen wird oft sehr aggressiv mit wenigen, ganz billigen
Artikeln geworben, wenn die Kunden dann da sind und „gierig“ auf die
Waren, verlieren sie ob der großen Menschenmenge den Blick dafür, was sie
eigentlich wollten, und stürzen sich auf alles. Versteigerungen funktionieren
nach dem Prinzip des Konkurrenzkampfes.
Was uns so an knappen Gütern reizt, ist nicht die Vorstellung, sie zu
verwenden, sondern sie zu besitzen.
Abwehstrategien
30. 30 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens
Es ist nicht einfach, sich rein verstandesmäßig gegen den Einfluss von
Knappheit zu wappnen, da sie eine emotionale Erregung hervorruft, die klares
Denken erschwert. Wir sollten allerdings versuchen, in Situationen, in denen wir
es mit knappen Sachen zu tun haben, auf Erregungszustände zu achten.
Wenn wir einen solchen feststellen, können wir darauf reagieren, indem wir
uns zu beruhigen versuchen und das Angebot daraufhin überprüfen, ob wir
wirklich bekommen, was wir wollen.
Single-piece-of-good-evidence-approach: Eine Entscheidung nur von einem
einzigen Indiz abhängig machen.