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Diplomarbeit
Herstellung von
SCHOTT BK7-Glaskugeln
Vincent Fetzer
Im Fachbereich
Werkstoffwissenschaften
durchgeführt am
Lehrstuhl für Pulvertechnologie von Glas und Keramik
Universität des Saarlandes
Prof. Dr. Rolf Clasen
In Kooperation mit SCHOTT Glas Mainz
Dr. U. Kolberg
Mai 2004
Hiermit erkläre ich, dass ich diese Arbeit selbständig und nur mit Zuhilfenahme der
angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe.
Saarbrücken, den 10.05.2004
Vincent Fetzer
Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. R. Clasen für die Bereitstellung dieses interessanten
Themas. Frau E. Jungblut und Herrn Dipl. -Ing. S. Kühn danke ich auch für die
fachliche Betreuung, die vielen Korrekturen und die wertvollen Anregungen während
dieser Arbeit. Herrn Dr. G. Falk möchte ich für die Korrektur der Arbeit und seine
nützlichen Verbesserungsvorschläge danken.
Herrn Dr. U. Kolberg danke ich für die Betreuung und seine Ratschläge. Herrn Dr. F.
Büllesfeld möchte ich in diesem Zusammenhang ebenfalls danken.
Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls für Pulvertechnologie von
Glas und Keramik spreche ich für die vielen hilfreichen Diskussionen und
Anregungen ebenfalls meinen Dank aus.
Danken möchte ich Herrn Dipl.-Ing. A. Bub und Frau M. Oliveras für die Röntgen-
Computer-Tomographie, Herrn Dipl.-Ing. N. Jeanvoine für die WLI-
Rauhigkeitsmessungen, Herrn Dipl.-Ing. Y. Wolff für die Temperatur- und die
Druckmessungen, und Herrn H. Strauß für das Goldbesputtern.
Meiner Familie danke ich für die Unterstützung während meines gesamten Studiums.
Inhaltsverzeichnis 4
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Aufgabenstellung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Verfahren zur Kugelherstellung
2.1.1 Sprühverfahren
2.1.1.1 Plasmaspritzen
2.1.1.2 Drehender Lichtbogen
2.1.1.3 Versprühen von Suspensionen
2.1.2 Sinterverfahren
2.1.2.1 Klassische Sinterverfahren
2.1.2.2 Sol-Gel-Verfahren
2.1.3 Heißformgebung
2.1.3.1 Flammverfahren
2.1.3.2 Versprühen von schmelzflüssigem Glas
2.1.3.3 Vergießen von Glas auf gekühlter Walze
2.1.4 Schmelzvorrichtung mit wärmeabgebenden Stoffen
2.2 Theorie der Benetzungsvorgänge
3 Experimentelle Grundlagen
3.1 Verschiedene Methoden zum Schmelzen von Glas
3.1.1 Induktionsschmelzen
3.1.1.1 Induktionserhitzung
3.1.1.2 Induktionsofen
3.1.1.3 Versuchsbeschreibung zum Erschmelzen von Glaskugeln
3.1.1.3.1 Schmelzen eines Grünkörpers auf Graphit (I1)
3.1.1.3.2 Schmelzen von Grünkörper und Pulver im Graphittiegel (I2)
3.1.1.3.3 Schmelzen von Grünkörper und Pulver im Graphittiegel mit
Deckel (I3)
3.1.1.3.4 Schmelzen von BK7-Glas im Graphittiegel mit Deckel (I4)
3.1.1.3.5 Schmelzen von konstanter Pulvermengen im Graphittiegel mit
Deckel (I5)
3.1.1.3.6 Schmelzen von siebgedruckten Grünkörper auf Graphitplatte (I6)
3.1.1.3.7 Schmelzen eines Tiegels durch Bohrungen in Graphit (I7)
....................................................................... 7
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......................................................................... 9
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............. 40
.......................................................................................... 41
.. 43
............. 44
Inhaltsverzeichnis 5
3.1.1.3.8 Schmelzen mit Boron-Nitrid-Spray auf dem Graphitsubstrat (I8)
3.1.1.3.9 Schmelzen mit drehbarer Induktionsofenanlage im Rohr (I9)
3.1.2 Mikrowellenerhitzung
3.2 Charakterisierungsmethoden
3.2.1 Kontaktwinkelmessungen
3.2.1.1 Erster Kontaktwinkelmessaufbau
3.2.1.2 Grünkörper auf grobem Graphitsubstrat (K1)
3.2.1.3 Kontaktwinkelmessungen von BK7-Glasteilchen auf verschiedenen
Substraten (K2)
3.2.1.4 Kontaktwinkelmessungen von Teilchengröße von BK7-Glas (K3)
3.2.1.5 Zweiter Kontaktwinkelmessaufbau
3.2.1.6 Vergleich der verschiedenen Kontaktwinkel im Abhängigkeit des Na-
Sulfat-gehaltes (K4)
3.2.1.7 Einfluss der Rauhigkeit verschiedener Graphitsubstrate (K5)
3.2.1.8 Fehlerproblem bei der Kontaktwinkelmessung
3.2.2 Computer-Tomographie
3.2.3 Weisslichtinterferometrie
3.2.3.1 Weisslichtinterferometer
3.2.3.2 Bestimmung der Rauhigkeit im Weisslichtinterferometer
3.3 Proben und Probenpräparation
3.3.1 Ausgangsrohstoffe
3.3.1.1 N-BK7 von Schott, Optisches Glas
3.3.1.2 Grünkörpern
3.3.2 Substrate
3.4 Vorstellung des gesamten Untersuchungsprogramms
3.4.1 Erschmelzen von Glaskugeln
3.4.2 Kontaktwinkelmessunge
4 Ergebnisse und Diskussion
4.1 Ergebnisse der Schmelzprozesse
4.1.1 Vergleich der verschiedenen Substratformen
4.1.2 Vergleich unterschiedlicher Vorbehandlungen der Ausgangsmaterialien
4.1.3 Dichteverteilung
4.1.4 Vergleich der Ausgangsform der BK7 Teilchen
........ 45
............. 45
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.............................................................................. 49
............................................................ 49
.......................................... 50
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........... 51
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.......................................................................... 59
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....................................................................... 67
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..................................................................... 72
............................................... 72
..... 73
............................................................................................ 52
............................................ 74
Inhaltsverzeichnis 6
4.1.5 Vergleich der Haltezeiten bei gleicher Schmelztemperatur mit BK7-
Teilchen als Ausgangsmaterial
4.1.6 Vergleich der Haltezeiten bei gleicher Schmelztemperatur mit
gemahlenem Grünkörper als Ausgangsmaterial
4.1.7 Versuch zur Verkleinerung des Kugeldurchmessers
4.1.8 Versuche zur Transparenzsteigerung
4.1.8.1 Temperatureinfluss und violette Verfärbung
4.1.8.2 Einfluss der Haltezeit
4.1.9 Schmelzen von siebgedruckten Grünkörper auf Graphitplatte
4.1.10 Schmelzen im Tiegel mit Vertiefungen
4.1.11 Schmelzen auf Boro-Nitrid beschichteten Substraten
4.1.12 Sinterversuch mit dem Levi-Graphitrohr
4.2 Kontaktwinkelergebnisse
4.2.1 Grünkörper auf grobem Graphitsubstrat
4.2.2. Zeitliche Änderung des Kontaktwinkels auf verschiedenen Substraten
4.2.3 Abhängigkeit von der Teilchengröße der BK7-Glasteilchen
4.2.4 Vergleich der verschiedenen Kontaktwinkel im Abhängigkeit des Na-
Sulfat- gehaltes
4.2.5 Einfluss verschiedener Rauhigkeit des Graphitsubstrates
5 Zusammenfassung
6 Ausblick
7 Literaturverzeichnis
8 Anhang
8.1 Schott N-BK7, Optisches Glas
8.2 Graufilter
8.3 Technische Zeichnungen
.................................................................. 75
....................................... 75
................................. 76
........................................................ 77
......................................... 77
............................................................................ 78
.................. 79
.................................................... 79
............................. 80
.................................................. 80
................................................................................ 82
.................................................... 82
... 83
...................... 83
......................................................................................... 84
......................... 86
............................................................................................. 87
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........................................................................................... 90
................................................................................................................ 93
........................................................................ 93
......................................................................................................... 94
............................................................................... 95
1 Einleitung und Aufgabenstellung 7
1 Einleitung und Aufgabenstellung
Die Herstellung von Glaskugeln ist charakterisiert durch die Größe und Form der
Kügelchen sowie die Eigenschaften des Glases. Die Produktionsmethoden werden
überwacht, um die Prozessparameter zu überprüfen. Es gibt drei verschiedene Glas-
kugeltypen: hohle, poröse und feste. Hohle und poröse Kugeln können durch die
Randdicke, die Form und die Porenverteilung charakterisiert werden. Die Oberfläche
und Kugelform sind auch wichtige Parameter. Jedes Verfahren ist nur zur Herstel-
lung spezifischer Größen geeignet, man kann Kugeldurchmesser zwischen 10 nm
und einigen Zentimetern erreichen.
Die Kugeln haben verschiedene interessante Anwendungen in folgenden Berei-
chen: Füllung in Polymeren oder Lacken, reflektierende Oberfläche für Verkehrsbe-
schilderung und Straßenlinien, optische Linsen, Verbindungen zwischen zwei Licht-
wellenleitern, Abstandhalter in Flüssigkristall-Bildschirmen, Kugeln zum Kochen von
Chemikalien, Trägermaterial für Katalysatoren zur Abgasreinigung, Kugeln zum
Dampfstrahlen, Senkung der Explosionsgefahr in explosiven Flüssigkeiten, elektri-
sche Isolation, Strahlentherapie gegen Krebs, klinische Betten für Behandlung der
Brandpatienten, Kosmetikum, Spaltungreaktor-Kraftstofffördermaschine, Destillati-
onskolonne, Chromatographie- oder Trennkolonne, Entgraten, Endbearbeitung.
Es ist das Ziel des Projektes, Wege zur Herstellung von hochpräzisen Glasku-
geln aus Schott BK7 mit einem Durchmesser von 0,500 ± 0,005 mm über eine Sin-
terglasroute kombiniert mit einer Heißverrundung aufzuzeigen und experimentell
möglichst genau zu verifizieren. Die Glaskugeln sollen aus Grünkörpern als Aus-
gangsmaterial hergestellt werden.
Im Rahmen dieser Arbeit sollen die Möglichkeiten untersucht werden, einen al-
ternativen Prozess zur Mikrokugelherstellung aus Schott BK7-Glas auf Graphitsub-
strat zu erproben.
Zur Lösung des Problems werden verschiedene Ansätze erprobt:
Variation des Ausgangsmaterials: Es können Grünkörper oder gemahlene Grün-
körper eingesetzt werden oder Pulver mit ähnlicher Zusammensetzung wie BK7-
Glas verwendet werden.
1 Einleitung und Aufgabenstellung 8
Variation von Tiegelgeometrie und Tiegelwerkstoff : Wahl des Substratswerk-
stoffes und seiner Geometrie. Es werden verschiedene Graphite, Bornitrid und Glas-
kohlenstoff eingesetzt.
Studie der Wechselwirkung zwischen Glas und Substrat: die Eignung bestimmter
Tiegelwerkstoffe und –geometrien zur Ausbildung einer Kugelform wird mittels Kon-
taktwinkelmessungen untersucht. Je schlechter die Benetzung, desto runder wird die
Kugel.
Prozessparameter der Herstellung: Variation der Heizmittel, Sinterkinetik (Tem-
peratur/Zeit Profile), Atmosphäre und weiterer Parameter.
Analyse der Ergebnisse: Die Charakterisierung der Glaskugeln nach Rundheit
und Größe, erfolgte mittels Lichtmikroskopie und Computer-Tomographie. Die
Dichte der Glaskugeln wurde mit Hilfe des Archimedisches Prinzips bestimmt.
Es handelt sich um ein Grenzflächenproblem, wobei von besonderem Interesse
die Grenzflächen fest/flüssig sind. Allerdings sind diese Daten der Grenzflächen-
energien schwer zu bestimmen, da sie, wegen der hohen Temperatur des geschmol-
zenen Glases, nicht einfach experimentell gemessen werden können. In dieser Ar-
beit wird aufgezeigt, welches Verfahren bei der Bestimmung der Parameter am bes-
ten geeignet erscheint, um die BK7-Glaskugelherstellung zu optimieren.
2 Theoretische Grundlagen 9
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Verfahren zur Kugelherstellung
2.1.1 Sprühverfahren
2.1.1.1 Plasmaspritzen
Mit Hilfe der Plasmatechnologie können Glasmikrokugeln hergestellt werden.
Als Ausgangsmaterial wird je nach erwünschter Kugelgröße gemahlenes Glas für
Kugeln mit einem Durchmesser zwischen 5 und 500 µm oder eine Glasstange für
Kugeln mit einem Durchmesser zwischen 500 und 1500 µm benutzt. Um größere
Kugeln zu erreichen, werden die Glasstangen im Gasstrom eines Plasmabrenners
aufgeschmolzen und versprüht. Die Glaskugeln werden dann abgekühlt und aufge-
fangen. Für dieses Verfahren werden hoch schmelzende und zähflüssige Gläser be-
nutzt. Bei der hohen Temperatur des Plasmas können Mikrokugeln schnell herge-
stellt werden [1].
Das Verfahren zur Mikrokugelherstellung durch Plasmaspritzen ist in der Ab-
bildung 2.1 dargestellt. Glasfasern mit einem Durchmesser zwischen 1,0 und 2,5 µm
werden automatisch in den Plasmabrenner (1) eingeführt. Aufgrund der hohen Tem-
peratur wird das Ende der Fasern abgeschmolzen und gelangt in den Gasstrom. Die
Schmelze wird zerstäubt und Mikrokugeln bilden sich im Plasmagasstrom. Die Mik-
rosphären kühlen schon beim Fliegen entlang der refraktären Kegel (2) ab. Dann
werden die Kugeln beim Kontakt mit der wassergekühlten Metallhemisphäre (3)
gänzlich abgekühlt. Die Kugeln fallen in ein vibrierendes Sieb (4), wo sie nach Teil-
chengröße separiert werden. Die Charge mit den großen Kugeln wird in einem Be-
hälter (5) angesammelt, während die kleinen Kugeln über eine Rohrleitung (6) entla-
den werden. Das Plasmagas wird über Ventilation (7) abgesaugt.
Je höher der Gasfluss ist, desto genauer ist die Korngrößenverteilung um den
Mittelwert konzentriert. Mit einem optischen Mikroskop sind Luftblasen mit einem
Durchmesser zwischen 20 und 50 µm in den Kugeln erkennbar. Auf der Oberfläche
der Kugel kann während des Plasmaspritzens der Dampfdruck des Kalknatronglases
im Temperaturintervall zwischen 2000 und 3000 K erreicht werden. Alkalische Oxide
verdampfen zuerst und zerfallen. Siliziumoxide verdampfen als Letzte. Es ändert sich
also die Glaszusammensetzung: die Konzentration an metallischen Oxiden wird ge-
2 Theoretische Grundlagen 10
senkt (Rückgang von 0,7 ± 0,2 % im Gewicht), aber die Konzentrationen der Calci-
um- und Siliziumoxide werden erhöht (Anstieg von 0,6 ± 0,2 % und
0,9 ± 0,2 Gew. %). Diese Veränderung der chemischen Zusammensetzung des Gla-
ses verändert den Brechungsindex (um 0,005 bis 0,008) und erhöht die chemische
Beständigkeit, was ein Vorteil beim Plasmaspritzen von Mikrosphären ist [1].
Abbildung 2.1: Plasmaspritzaufbau [1]
2.1.1.2 Drehender Lichtbogen
Bei diesem Verfahren wird ein Lichtbogen mit einer Leistung von 5 kW einge-
setzt. Als Ausgangsprodukt benutzt man gemahlene Teilchen aus Glas mit einer
Partikelgröße knapp unter 100 µm. Nach dem Sieben werden nur Partikel mit
Durchmesser kleiner als 30 µm verwendet. Mit willkürlich geformten Partikeln unter-
schiedlicher Durchmesser (Verteilungsbreite Durchmesser: 5 µm) werden 85 % der
Pulverteilchen zu Mikrosphären umgewandelt. Die Kugelförmigkeit erhöht sich mit
der Abnahme der Pulverdurchflussrate [2].
Dieser Prozess zum Herstellen der Mikrokugeln im drehenden elektrischen
Bogenplasma ist in der Abbildung 2.2 dargestellt. Der elektrische Bogen zwischen
Elektroden (1) und (2) wird von der Stromquelle (3) geliefert. Die Spulen (4) und (5)
produzieren ein magnetisches Feld, so dass die Induktion B zum elektrischen Entla-
dungsstromvektor J senkrecht steht.
Das magnetische Feld bewirkt die Lorenz Kraft F = J×B, d.h. die Ablenkung
des Lichtbogens. Die Frequenz des magnetischen Feldes wird gemessen (6). Mit der
7
6
3
5
4
1
2
1 Plasmabrenner
2 refraktärer Kegel
3 wassergekühlte Metallhemisphäre
4 vibrierendes Sieb
5 Auffangbehälter
6 Rohrleitung
7 Ventilation
2 Theoretische Grundlagen 11
Anlage (7) werden Glaspartikel unter Argon-Gasdruck mit vorher festgesetzter
Durchflussrate, begrenzt durch einen Druckminderer (8), in das thermisch ionisierte
Gas getragen [2].
Abbildung 2.2: Prinzip der Herstellung von Mikrokugeln im drehenden elektrischen
Bogenplasma (1 und 2 Elektroden, 3 Stromquelle, 4 und 5 Spulen,
6 Drehmessgerät, 7 Düse, 8 Druckminderer) [2]
2.1.1.3 Versprühen von Suspensionen
Das Verfahren dient der Herstellung von anorganischen Mikrokugeln. Die
Suspension wird zu einer durchschnittlichen Tröpfchengröße von 3 µm versprüht.
Diese versprühten Schlicker werden erhitzt, um das Pulver aufzuschmelzen oder zu
sintern [3].
Mit diesem Verfahren ist es möglich Glasteilchen, Quarz, SiO2-Gel oder Pulver
mit unterschiedlicher Zusammensetzung als Ausgangsmaterial zu benutzen.
Zum Versprühen soll der Durchmesser der Suspensionströpfchen kleiner als
5 µm sein. Um den Prozess zu vereinfachen, wird als Flüssigkeit Kerosin, helles Öl
oder Alkohol benutzt. Da die flüssige Phase brennbar ist, kann sie zum Aufschmel-
zen des Pulvers in der Flamme dienen. Wenn der Füllgrad der Suspension zu niedrig
ist, verringert sich die Kugelausbeute. Wenn er zu hoch ist, erhöht sich die Viskosität,
weshalb feine flüssige Tröpfchen durch die Düse schwer zu bilden sind und man kei-
ne einheitliche Kugelform und Kugelgröße erreichen kann.
1 2
4 5
8 7 7
I
6
B = B1 + B2
→ →
→ →
→ → →
B1 B2
B1 B2
3
2 Theoretische Grundlagen 12
Die Suspension fließt zunächst durch einen Ultraschallzerstäuber. Die entste-
henden Tröpfchen werden in der Flamme erhitzt, um das Pulver in den verbrennen-
den Tröpfchen zu sintern oder zu schmelzen. Die Mikrokugeln bilden sich dabei. Mit
einer Doppeldüse werden die Suspension und die Gasmischung gleichzeitig ver-
sprüht. Der Sauerstoffgasstrom beeinflusst die Verbrennungstemperatur. Wenn die
Sauerstoffgaskonzentration zu niedrig ist, ist die Temperatur zu niedrig, um das Pul-
ver vollständig aufzuschmelzen, und man kann Agglomeratbildung und eine
schlechte Kugelform beobachten. Als Ausgangsmaterial wird eine Suspension aus
250 g Quarz, 12 g einer Säure mit Oligomertensid und 600 g Kerosin in einer Kugel-
mühle gemischt. Der Mittelwert des Tröpfchendurchmessers beträgt bei diesem
Verfahren 0,2 µm. Diese Suspension wird mit einer Mischung aus 20 % Kohlendioxid
und 80 % Sauerstoffgas gesprüht. Die Temperatur in dem Brenner erreicht 1200 °C.
Es werden Kugeln mit einem durchschnittlich Durchmesser von 3 µm (93 % der Ku-
geldurchmesser sind kleiner 10 µm) erreicht [3].
2.1.2 Sinterverfahren
2.1.2.1 Klassische Sinterverfahren
Teilchen aus Bi2O3, TiO2 und WO3 werden dosiert in einen Mörser gegeben
und dort mit dem Stampfer gründlich vermischt. Die trockenen Pulvermischungen
werden zu Pellets unter einem Druck von etwa 17,2 MPa und bei 600 °C gesintert,
die gesinterten Pellets werden zu Teilchen der gewünschten Mikrokugelgröße gesto-
ßen, in einer Flamme zu Mikrokugeln umgeformt und gesiebt, um Kügelchen von
weniger als etwa 38 µm abzutrennen, die eine schlechte Rundheit aufweisen. Im
Durchschnitt haben die Mikrokugeln eine Größe von etwa 44 µm [4].
Die Mikrokugeln werden wärmebehandelt, indem sie zu einer dünnen, etwa
3 mm dicken, Schicht in eine etwa 300 x 300 mm2
messende Schale aus nicht ros-
tendem Stahl gefüllt und diese in einen auf 640 °C vorgewärmten Ofen eingesetzt
wird. Nach 4 Minuten wird die Schale herausgenommen. In einem offenen Raum
können Schale und Mikrokugeln dann schnell auf Zimmertemperatur abkühlen [4].
2 Theoretische Grundlagen 13
2.1.2.2 Sol-Gel-Verfahren
Die Gläser aus der Sol-Gel-Herstellung sind reiner und man benötigt weniger
Heizenergie als für die Herstellung aus dem konventionellen Schmelzprozess [5]. Die
Herstellung kristalliner Mehrkomponentenoxide ist mit diesem Verfahren auch mög-
lich. Die SiO2-Quelle dieser Methode ist Siliziumalkoxid Si(OR)4 (wie zum Beispiel
TMOS = Tetramethoxysilikat oder TEOS = Tetraethoxysilikat). Dieser Prozess kann
mit einer Polymerisationsreaktion verglichen werden und gliedert sich in verschiede-
ne Schritte:
- Hydrolyse: Das Alkoxid löst sich im Alkohol und kann durch Hinzufügen des Was-
sers hydrolysiert werden [4]. Dieser erste Schritt führt zu der reaktiven Bildung von
Si-OH: Si(OR)4 + 4 H2O → Si(OH)4 + 4 ROH ( R 2.1 )
- Kondensation: Die OH-Gruppe werden zu Wasser abgespalten:
Si(OH)4 → SiO2 + 2 H2O ( R 2.2 )
Die ersten SiO2-Festteilchen werden während der Hydrolyse gebildet. Sie ver-
binden sich gegenseitig und bilden ein monolithisches, netzartiges Gel. Am Ende der
Hydrolyse bildet sich ein sprödes Gelnetzwerk: Die Alkoholverdampfung gibt eine
unterwünschte Schwindung, die bei überkritischem Trocknen niedriger sein kann.
Der Rest des Alkohols dieses Gels wird in einem Stahlbehälter verdampft.
Ein Tröpfchengenerator wird benutzt, um eine Alkohollösung der Metallalkoxi-
de zu sprühen. Die Gel-Mikrokugeln werden bei 250 °C verfestigt, dann bei 500 bis
800 °C vollständig entwässert und anschließend bei über 800 °C verdichtet [5].
In Abbildung 2.3 ist die Anlage dargestellt. Die Lösung wird mit einer Vaku-
umpumpe (2) aus dem Behälter (1) gesaugt. Der Tröpfchengenerator (3) besteht aus
einem zylinderförmigen Behälter. Die Flüssigkeit fließt durch eine kleine Öffnung auf
seine Oberseite. Die Flüssigkeit wird mit einem piezoelektrischen Kristall in die Heiz-
säule (4) gesprüht, dadurch wird ein kugelförmiges Tröpfchen gebildet, die Tröpf-
chenbildung wird durch ein Blitzlicht (5) und einen Detektor (6) gesteuert. Durch die
Funktion des Tröpfchengenerators und die Steuerung des Heizsystems (7) und
Thermoelement (8) werden die flüssigen Tropfen in Gelmikrosphären umgewandelt.
Um die Flüssigkeit in Gelmikrokugeln ohne ihre Form zu ändern oder Knicken auf
ihrer Oberfläche zu produzieren, müssen die Temperaturverteilung (in Nähe von
500 °C) und die Luftdurchflussmenge in der vertikalen Säule gesteuert werden. Die-
2 Theoretische Grundlagen 14
se Steuerung ist dank der Ventilatoren (10) an der Unterseite des vertikalen
Schlauchs möglich [6].
Abbildung 2.3: Sol-Gel-Tröpfchen-Verfahren (1 Behälter, 2 Vakuumpumpe, 3
Tröpfchengenerator, 4 Heizsäule, 5 Blitzlicht, 6 Detektor, 7 Heiz-
system, 8 Thermoelement, 9 Behälter, 10 Ventilatoren) [6]
Wasser, Ethanol, und Salzsäure in den Gelmikrosphären werden durch die
Wärmbehandlung der Mikrosphären in einem Ofen zwischen 500 und 700 °C ent-
fernt. Dann werden die Kugeln mit einer Temperatur zwischen 750 und 1100 °C auf-
geschmolzen. Von diesem Temperaturbereich hängt die Größe und die Form der
Kugeln ab [7] [8] [9].
2.1.3 Heißformgebung
2.1.3.1 Flammverfahren
Nach diesem Verfahren zur Herstellung von Mikrokugeln werden die Aus-
gangspulver zur Glasherstellung als Pulver (vorzugsweise zwischen etwa 0,01 und
50 µm Größe) dosiert, vermischt und dann in einem gasbeheizten oder elektrischen
Ofen verschmolzen, bis alle Bestandteile in flüssiger Form vorliegen. Dann schreckt
5
9
10 10
1
3
2
6
7
4
8
2 Theoretische Grundlagen 15
man die Schmelze in Wasser ab. Nach dem Trocknen zerstößt man das Glas zu ei-
ner für die endgültigen Mikrokugeln gewünschten Größe. Die Teilchen können ge-
siebt werden, um den erforderlichen Größenbereich sicherzustellen. Dann führt man
die Teilchen durch eine Flamme mit einer Temperatur von etwa 1100 °C bis 1450 °C,
in der sie die Kugelform annehmen [10] [11] .
2.1.3.2 Versprühen von schmelzflüssigem Glas
Ausgangsmaterial dieses Verfahrens ist geschmolzenes Glas. Nachdem die
Charge bis zur Verflüssigung aller Bestandteile erwärmt worden ist, wird die flüssige
Charge in einen Luftstrahl mit hoher Geschwindigkeit gesprüht. Die viskose Glas-
schmelze wird mit hohem Druck zwischen 25 und 30 bar bei einer Temperatur zwi-
schen 1100 °C und 1450 °C durch eine Düse gesprüht. In dem resultierenden Strom
bilden sich dann die Glasmikrokugeln der gewünschten Größe aus. Die Luftge-
schwindigkeit wird in diesem Verfahren so eingestellt, dass die sich bildenden Mikro-
kugeln die gewünschte Größe erreichen. Man kann mit geschmolzenem Glas durch
Versprühen Mikrokugeln mit einem Durchmesser von einigen hundert Mikrometern
herstellen [12].
2.1.3.3 Vergießen von Glas auf gekühlter Walze
Mit diesem Verfahren werden Glasteilchen aus einem thermisch vorgespann-
ten Glas gebrochen. Je stärker ist die Abkühlung (bis ungefähr TG), und damit das
Erstarren auf der Kühlfläche erfolgt, desto stärker die Eigenspannung des Glasban-
des. Der Transformationsbereich TG eines Glases ist dabei der Temperaturbereich, in
dem die unterkühlte Glasschmelze vom plastischen in den für Glas typischen sprö-
den Zustand übergeht. Nach dem Zerbrechen werden die Glasstücke klassiert. Im
freien Fall durchlaufen sie dann einen Ofen, wo sie wieder aufgeschmolzen werden.
Danach fallen sie durch eine Kühlzone. Glaskugeln werden durch die Oberflächen-
spannung der geschmolzenen Teilchen gebildet. Am Ende werden die Kugeln abge-
kühlt [13]. Dieser Prozess wird in der Abbildung 2.4 dargestellt.
2 Theoretische Grundlagen 16
Abbildung 2.4: Glaskugelherstellung aus geschmolzenem Glas (1 Gießbehälter,
2 Auslassdüse, 3 abgekühlter Zylinder, 4 Brechelement, 5 Klassie-
rer, 6 Heizzone, 7 Kühlzone) [13]
In einem Gießbehälter (1) wird Glas bei einer Temperatur zwischen 1400°C
und 1500 °C geschmolzen. Bodenseitig weist der Behälter eine Auslassdüse (2) auf.
Die Glasschmelze fließt in einem Strahl zwischen 3 und 15 mm Dicke auf die Kühl-
fläche eines Zylinders (3), der in Drehbewegung versetzt wird. Die Größe der Glas-
schichten auf dem Zylinder hängt von seiner Geschwindigkeit ab: Dicken zwischen
0,6 bis 6 mm können erreicht werden. Die Vorspannung hängt von der Intensität der
Abkühlung (Temperaturdifferenz und Warmleitfähigkeit des Glases), der Wärmeaus-
dehnung des Glases, dem Elastizitätsmodul des Glases und der Glasart ab. Das
thermisch verspannte Glasband wird mit einem mechanischen Brechelement (4) in
Stücke gebrochen. Nachdem die Glasstücke den Klassierer (5) durchlaufen haben,
fallen sie im freien Fall durch eine Heizzone (6), in der die Glasstücke aufgeschmol-
zen werden. Glasteilchen werden unter der Wirkung ihrer Oberflächenspannung zu
Kugeln geformt. Nach Durchlaufen der Heizzone werden die Glaskugeln in der Kühl-
zone (7) abgekühlt. Diese zwei Zonen folgen in einer vertikalen Säule nacheinander.
1
2
3
4
5
6
7
2 Theoretische Grundlagen 17
Die Größe der Teilchen hängt von den Verfahrensparametern ab. Dann kann man
auch mit dem Sieb die Kugelgröße am Ende steuern [13].
2.1.4 Schmelzvorrichtung mit wärmeabgebenden Stoffen
Dieses Verfahren ist eine alternative Lösung zum Erhitzen, Schmelzen oder
Erweichen von Stoffen in disperser Form, insbesondere zur Herstellung von dichtem
oder porösem Quarzgut, Quarzglas, Glas oder ähnlichen Stoffen für die Weiterverar-
beitung zu Formkörpern, die eine glasige, kristalline oder teilweise kristalline Struktur
aufweisen. Bei diesem Verfahren erfolgt die Wärmeabgabe an das zu erhitzende Gut
durch in der Schmelzvorrichtung befindliche Stoffe, deren Schmelzpunkt über dem
des zu schmelzen Gutes liegt. Die Erhitzung der wärmeabgebenden Stoffe kann
hierbei durch Verbrennungshitze oder Induktion erfolgen. Dieses Verfahren hat den
Vorteil, dass durch die Wärmeträger für die Erhitzung eine maximale Wärmeüber-
gangsfläche erreicht wird. Dies hat einen maximalen Wärmewirkungsgrad sowie eine
hohe Schmelzleistung zur Folge. Es gibt auch die Möglichkeit unter Druck, Vakuum
oder Schutzgas zu arbeiten. Die Größe der Kugeln hängt von den Wechselwirkungen
zwischen dem Wärmeträger und dem Schmelzgut ab [14].
Entsprechend Abbildung 2.5 wird ein zylinderförmiger Behälter (1) von einer
Wärmeisolationsschicht (2) und einem Mantel (3) umgeben. Der zylinderförmige Be-
hälter (1) ist an seiner unterem Öffnung (6) mit einem Verschlussteil (8), in dem eine
oder mehrere Eingabevorrichtungen (9) angeordnet sind, und an seiner oberen Öff-
nung (5) mit einem Sammelbehälter (7) verbunden.
In dem zylinderförmigen Behälter (1) befindet sich ein Wärmeträger (4), der
durch eine Induktionswicklung (12), die um die gesamte Einrichtung herum angeord-
net ist, erwärmt wird. Durch eine entsprechende Anordnung der Induktionswicklung
(12) kann innerhalb des Wärmeträgers (4) ein bestimmtes Temperaturgefälle erreicht
werden. Das zu erhitzende, zu schmelzende oder zu erweichende Gut (10) wird mit-
tels der Eingabevorrichtungen (9) dem induktiv erhitzen Wärmeträger (4) zugeführt,
wo es, bedingt durch den Auftrieb, diesen nahezu vertikal von unten nach oben
durchwandert. Der Wärmeträger (4) gibt seine Wärme an das zu erhitzende, zu
schmelzende oder zu erweichende Gut (10) ab, wodurch dieses erhitzt, geschmolzen
oder erweicht wird. Das erhitzte, geschmolzene oder erweichte Gut (11) setzt sich
oberhalb des Wärmeträgers (4) in einem Sammelbehälter (7) ab.
2 Theoretische Grundlagen 18
Abbildung 2.5: Längsschnitt durch die Vorderansicht der Erhitzungs-, Schmelz-
oder Erweichungseinrichtung für Quarzgut, Quarzglas oder ähnli-
che Stoffe (1 zylinderförmiger Behälter, 2 Wärmeisolationsschicht,
3 Mantel, 4 Wärmeträger, 5 obere Öffnung, 6 untere Öffnung,
7 Sammelbehälter, 8 Verschlussteil, 9 Eingabevorrichtungen,
10 schmelzende oder erweichende Gut, 11 geschmolzene oder er-
weichte Gut, 12 Induktionswicklung, 13 Formvorrichtung, 14 Kühl-
vorrichtung, 15 Strang) [14]
Durch eine weitere Induktionswicklung (12) wird das erhitzte, geschmolzene
oder erweichte Gut (11) zusätzlich erhitzt, so dass es in Form eines Stranges (15),
eines Rohres unter Anbringung einer Lufteinblasvorrichtung oder eines scheibenför-
migen Profils über eine Formvorrichtung (13) in Verbindung mit einer Kühlvorrichtung
(14) aus dem Sammelbehälter (7) kontinuierlich abgezogen werden kann [14].
4
1
2
3
5
6
7
8
9
10
11
12
12’
13
14
15
2 Theoretische Grundlagen 19
2.2. Theorie der Benetzungsvorgänge
Unter einer Oberfläche versteht man die sichtbare Fläche einer Flüssigkeit o-
der eines Festkörpers, die an ein undefiniertes Gas, zum Beispiel die normale Um-
gebungsluft, grenzt. Der Begriff Grenzfläche bezeichnet die Fläche zwischen zwei
Phasen [15].
Ursache für die Oberflächenspannung sind Wechselwirkungen zwischen be-
nachbarten Molekülen. Die resultierende Kraft ist im Mittel Null und das Molekül be-
findet sich im Gleichgewicht. Wenn aber ein Molekül an der Flüssigkeitsoberfläche
betrachtet wird, fehlt ein Teil der Wechselwirkungen mit anderen Molekülen. Statt-
dessen gibt es Wechselwirkungen zwischen den Molekülen des gebunden Gases
und der Dampfphase der Flussigkeit (Abbildung 2.6).
Abbildung 2.6: Beispiel für Kraftauswirkung auf Moleküle an der Oberfläche einer
Flüssigkeit [15]
Als resultierende Kraft wirkt auf das Molekül an der Oberfläche eine nach in-
nen, senkrecht zur Oberfläche, gerichtete Kraft. Daher bilden Flüssigkeiten Formen,
die durch eine kleinstmögliche Oberfläche gekennzeichnet sind, wie zum Beispiel ein
runder Tropfen.
Wenn zwei Medien in Kontakt kommen, benetzt das eine Medium das andere:
eine Grenzfläche bildet sich. Um die Wechselwirkung zum Beispiel zwischen fester
und flüssiger Phase zu beschreiben ist die Frage zu klären, ob eine Feststoffoberflä-
che von einer Flüssigkeit benetzt wird oder nicht. Wenn der Tropfen einer Flüssigkeit
auf einer ebenen festen Oberfläche liegt, gibt es verschiede Wechselwirkungen, die
zur vollständigen Benetzung oder zu einer unvollständigen Benetzung der Oberflä-
che durch die Flüssigkeit führen können. Im Fall vollständiger Benetzung bildet sich
Krafteinwirkung an der
Grenzfläche
Krafteinwirkung im in-
neren der Flüssigkeit
resultierende
Kraft
2 Theoretische Grundlagen 20
ein durchgehender Flüssigkeitsfilm auf der Oberfläche aus (Abbildung 2.7 c). Im Fall
unvollständiger Benetzung bildet sich ein Tropfen mit einem endlichen Kontaktwinkel.
Man spricht von schlechter Benetzung, wenn die Kontaktwinkel größer als 90° sind
(Abbildung 2.7) [16].
Abbildung 2.7: Schematische Darstellung typischer Benetzungsvarianten:
a) schlechte Benetzung; b) gute Benetzung; c) Spreitung oder
völlige Benetzung (v = vapour, l = liquid, s = solid) [16]
Die Größe dieser verbleibenden Fläche wird durch die Grenzflächenspannung
gekennzeichnet. Diese kann nicht direkt gemessen werden. Die Ursache für die O-
berflächenspannung sind Wechselwirkungen zwischen benachbarten Molekülen.
Um die Molekül aus dem Inneren der Flüssigkeit an die Grenzfläche zu brin-
gen, muss gegen die Resultierende der Molekülkräfte Arbeit geleistet werden [17].
Die Größe der Arbeit (∆W) bezogen auf die dabei gebildete Fläche (∆A) ist die Ober-
flächenspannung σ. Die zu leistende Arbeit entspricht einer Energie, daher spricht
man auch von einer Oberflächenenergie. Beide Ausdrücke, die Oberflächenspan-
nung und die Oberflächenenergie, sind gleichberechtigt.
σ = ∆ W/ ∆ A ( G 2.1 )
Die Einheit ist mN/m (1 mN/m = 1 mJ/m2
= 1 dyn/cm = 1 erg/cm2
)
Zur Messung der Oberflächenspannung verwendet man verschiedene Verfah-
ren. Die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten kann direkt gemessen werden. A-
ber die Oberflächenspannung von Festkörpern lässt sich nur indirekt messen. Man
muss bei allen Methoden den Winkel bestimmen, den die Festkörperoberfläche in
Kontakt mit einer bestimmten Testflüssigkeit, deren Oberflächenspannung bekannt
ist, bildet. Der Winkel, den die an der Tropfenoberfläche anliegende Tangente mit der
Festkörperoberfläche bildet, wird als Randwinkel Θ, Kontaktwinkel oder Benet-
zungswinkel bezeichnet [17].
c) Θ = 0°
l
s
v
Θ
a) Θ > 90°
s
l
v
b) Θ < 90°
Θ
s
l
v
2 Theoretische Grundlagen 21
Die Oberflächenspannung eines Flüssigkeitströpfchens bewirkt die Verkleine-
rung seiner Oberfläche, um die energetisch günstigste Form der Oberfläche bezogen
auf ein gegebenes Volumen einzunehmen. Die Oberflächenspannung an der Grenz-
fläche einer flüssigen Phase und einem Festkörper wird durch die Gleichung von
Young beschrieben (Abbildung 2.8).
Abbildung 2.8: Kräftegleichgewicht am liegenden Tropfen [17]
Das Verhalten einer flüssigen Phase auf einem Festkörper folgt der Glei-
chung:
σsl = σs - σl · cos Θ ( G 2.2 )
σs Festkörperoberflächenspannung (mN/m)
σl Flüssigkeitsoberflächenspannung (mN/m)
σsl Grenzflächenspannung (mN/m)
Θ Kontaktwinkel (Grad)
Der Kontaktwinkel ist ein Maß für das Benetzungsverhalten. Um einen Kon-
taktwinkel messen zu können, muss die Oberflächenspannung der Testflüssigkeit
größer als die Oberflächenspannung des Festkörpers sein [17]. Wenn die Oberflä-
chenspannung von Testflüssigkeit und Substrat gleich sind, beobachtet man voll-
ständige Benetzung, der Kontaktwinkel wird gleich 0°. Wie in der Young’schen Glei-
chung ist die Grenzflächenspannung auch gleich 0 mN/m (Abbildung 2.7 c). Bei einer
völlige Benetzung des Festkörpers, die auch als Spreitung bezeichnet wird, ist
cos Θ = 1 und Θ = 0°. Spreiten tritt ein, wenn σs ≥ σl. Dieses Verhalten kennzeichnet
den Spreitungsdruck pSp:
σs – ( σsl + σl ) = pSp > 0 ( G 2.3 )
σsl
σl
σs
σl cos Θ
Θ
2 Theoretische Grundlagen 22
Es gibt empirische Formel für Benetzungsverhältnisse, wenn der Randwinkel
Θ < 30° beträgt. Bei Θ = 180° läge völlige Nichtbenetzbarkeit vor, in der Praxis gibt
es diesen Fall nicht.
Durch den Kontakt zwischen den Komponenten stellt sich auch eine Haftung
ein. Diese Haftung ist durch die Adhäsionsarbeit gekennzeichnet:
Wad = σs + σl - σsl ( G 2.4 )
Die Adhäsionsarbeit ist am höchsten, wenn die Oberflächenspannung der bei-
den Komponenten gleich hoch ist. Das gleiche gilt auch für die Rissbildung in Fest-
körpern, wenn durch Bruch zwei Oberflächen von einem Material entstehen. Man
spricht von der Kohäsionsfestigkeit, die auch eine Arbeit ist:
Wkoh = 2 · σs ( G 2.5 )
Da die Grenzflächen- und Oberflächenspannungen aus Kräften zwischen A-
tomen oder Molekülen resultieren, kann es sinnvoll sein, die Polarität zu berücksich-
tigen, wie zum Beispiel in dem Fall der Polymere. Zu den unpolaren Kräften gehören
die Dispersionskräfte. Zu den polaren Kräften, die zwischen dipolaren Molekülgrup-
pen bestehenden, Wirkungen wie beispielsweise Wasserstoffbrückenbindungen. Die
Oberflächenspannung lässt sich in einen unpolaren dispersiven σd
Anteil und einen
polaren σp
Anteil aufteilen:
σ = σd
+ σp
( G 2.6 )
Mit Auswertung der Oberflächenspannung des Festkörpers werden dipersive
und polare Anteile der Oberflächenspannung ausgewertet.
σlv, σsl und σsv sind thermodynamische Eigenschaften der Flüssigkeit und des
Festkörpers und bestimmen den Kontaktwinkel zwischen Flüssigkeit und Festkörper.
In der Praxis zeigt sich allerdings, dass Kontaktwinkelphänomene komplizierter sind.
In unserem Fall ist die Flüssigkeit ein geschmolzenes Glas. Die Größe des Kontakt-
winkels hängt daher von weiteren Parametern, wie beispielsweise der Homogenität
und der Rauheit der Oberfläche des Substrats ab.
Mit Hilfe der Kontaktwinkelmessungen werden im Folgenden die Wechselwir-
kungen zwischen geschmolzenem Glas und verschiedenen Substraten untersucht.
2 Theoretische Grundlagen 23
Die Oberflächenspannung von Kunststoffen unterscheidet sich deutlich von
den Oberflächenspannungen von Glas, Eisen und anderen Metallen. Kunststoffe
weisen eine deutlich geringere Oberflächenspannung auf. In Tabelle 2.1 sind die
Oberflächenspannungen verschiedener Werkstoffe mit den polaren und dispersiven
Anteilen aufgeführt.
Tabelle 2.1: Oberflächenspannungen verschiedener Werkstoffe [18]
Werkstoffe σd
(mN/m) σp
(mN/m) σ (mN/m)
Metalle 1000-5000
Eisen 1400
Quecksilber 484
Keramik 500-1500
Glas 300
PTFE 18,6 0,5 19,1
PVC 37,7 7,5 45,2
PA 6 36,8 10,7 47,5
Glimmer 27,3 39,8 67,1
PVC 37,7 7,5 45,2
Die Flüssigkeit mit der höchsten Oberflächenspannung ist Quecksilber mit
484 mN/m. Dieses ist jedoch stets mit Wasser oder anderen Atmosphärilien benetzt,
so dass seine eigentliche Oberflächenspannung nur im extremen Vakuum unter
schwer erreichbaren Bedingungen zum tragen kommt. Von allen anderen Flüssig-
keiten hat Wasser mit 72,1 mN/m die höchste Oberflächenspannung. Es können sich
daher nur Randwinkel auf Substraten ausbilden, deren Festkörperoberflächenspan-
nungen kleiner als die von Wasser sind (alle Kunststoffe zum Beispiel) [23].
2 Theoretische Grundlagen 24
[1] V. Bessmerthnyi, V. Krokhin, A. Lyashko, N. Drizhd and Z. Shekhovtsova, Pro-
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3 Experimentelle Grundlagen 24
3 Experimentelle Grundlagen
3.1 Verschiedene Methoden zum Schmelzen von Glas
3.1.1 Induktionsschmelzen
3.1.1.1 Induktionserhitzung
Die elektromagnetische Induktion ist die Grundlage der induktiven Erwärmung.
Eine Primärspule erzeugt durch einen Wechselstromfluss ein Magnetfeld. Dieses
Magnetfeld induziert in einer Sekundärspule eine Spannung, die wiederum einen
Wechselstromfluss zur Folge hat. Im Gegensatz zum Transformator sind die Strom-
verluste bei der induktiven Erwärmung in der Sekundärspule (in unserem Fall das
Werkstück, Abbildung 3.1) erwünscht [19].
Abbildung 3.1: Rohr, das von einem fünfwindigen Induktor umschlossen ist
Die induktive Erwärmung wird durch zwei physikalische Vorgänge beschrie-
ben: die Erzeugung eines elektromagnetischen Feldes und die Existenz des resul-
tierten Temperaturfelds, das sich durch die von Wirbelströmen verursachte Verlust-
wärme ausbildet. Eine von einem hochfrequenten Strom durchflossene Spule er-
zeugt ein elektromagnetisches Wechselfeld. Innerhalb des elektrisch leitenden Er-
wärmungsgutes werden dadurch Wirbelströme induziert.
Die Erwärmung entsteht also im Werkstück ohne Berührung mit der Primär-
spule. Es gibt Primärspulen (Induktoren) mit unterschiedlicher Windungszahl.
Die Intensität der Erwärmung hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- von der Stärke des elektromagnetischen Feldes,
3 Experimentelle Grundlagen 25
- vom Werkstückwiderstand (Stahlwerkstoffe lassen sich sehr gut, Kupferwerkstoffe
gut erwärmen),
- von der magnetischen Kopplung des Induktors zum Werkstück (Werkstück im In-
nenfeld des Induktors ergibt einen besseren Übertragungswirkungsgrad als Werk-
stück im Außenfeld, wie zum Beispiel Erwärmen einer Bohrung).
Die für die Erwärmung verantwortlichen Wechselströme fließen aufgrund des
Skineffektes hauptsächlich am äußeren Rand des Werkstücks. Je nach Frequenz
unterscheidet man zwischen Niederfrequenz (0,05 bis 0,5 kHz), Mittelfrequenz (0,5
bis 50 kHz) und Hochfrequenz (50 bis 10 000 kHz). Je höher die Frequenz, desto
konzentrierter ist der Stromfluss in der Werkstückoberfläche [20].
Abbildung 3.2: Einfluss der Frequenz auf die Induktionserwärmung eines Stahl-
stabes [20]
Die Stromdichte ist im Wesentlichen von der Frequenz abhängig. Die Abbil-
dung 3.2 zeigt sinngemäß die Stromdichteverteilung in einem Zylinder bei Hochfre-
quenz (0,05 bis 0,5 kHz), Mittelfrequenz (0,5 bis 50 kHz) und Niederfrequenz (50 bis
10 000 kHz) [20].
Niedrige Frequenzen werden zum ganzheitlichen Erwärmen, zum Aufschmel-
zen, zum Löten von kompakten Teilen, Durchhärten, oder Schrumpffügen angewen-
f = Hochfrequenz
f = Niederfrequenz
f = Mittelfrequenz
d
3 Experimentelle Grundlagen 26
det. Höhere Frequenzen für oberflächliche Erwärmungen, wie zum Beispiel Rand-
schichthärten.
Der Zylinderdurchmesser steht dabei in einem bestimmten Verhältnis zur Fre-
quenz. Wird dieses Verhältnis unterschritten, geht die Energieübertragung gegen
Null, d. h. die induzierten Ströme heben sich zunehmend gegenseitig auf. Um diese
erhältnisse zueinander in Beziehung setzen zu können, muss zunächst die Strom-
eindringtiefe definiert werden. Wie aus Abbildung 3.2 ersichtlich, nimmt sie von ihrem
Maximalwert an der Oberfläche zum Werkstückinneren hin rapide ab. Die Tiefe, bei
der die Stromdichte auf 37 % ihres Maximalwertes gesunken ist, bezeichnet man als
Stromeindringtiefe δ. In dieser Schicht werden 86,4 % der eindringenden Energie in
Wärme umgesetzt.
Aus den mathematischen Zusammenhängen lässt sich eine einfache Formel
zur Berechnung der Stromeindringtiefe δ ableiten [20]:
δ = k⋅
r
rµ ⋅ f
( G 3.1 )
k = Konstante
ρ = spezifischer elektrischer Widerstand
µr = relative Permeabilität
f = Frequenz
Damit sich die induzierten Ströme in der Mitte des Metallzylinders nicht aufhe-
ben und damit der Übertragungswirkungsgrad nicht gegen Null geht, sollte das Ver-
hältnis des Durchmessers d des gegebenen Metallzylinders zur Stromeindringtiefe δ
folgende Werte aufweisen:
- für eine annähernd verlustarme Energieübertragung: d / δ ≥ 6
- für eine optimale durchgehende Erwärmung: d / δ = 3,5
Gegenüber anderen Erwärmungsverfahren ermöglicht die induktive Erwär-
mungsmethode die folgenden Vorteile:
- Prozesszeiten sind kurz durch die hohe Energiedichte
- präzise Energiedosierung und hohe Reproduzierbarkeit des Erwärmungsprozesses
3 Experimentelle Grundlagen 27
Unter der Annahme von konstanten Stoffwerten und eines Erwärmungsgutes
in Form eines unendlich ausgedehnten Halbraums mit einer ebenen Oberfläche
nimmt das elektromagnetische Feld exponentiell in Ausbreitungsrichtung ab und ist
in der Stromeindringtiefe δ auf 1/e seines Wertes an der Oberfläche abgefallen [20].
Selbstinduktion und Induktivität der Spule
Wenn ein Wechselstrom I(t) durch eine Leiter fließt, ändert sich das Magnet-
feld B und der magnetische Fluss φm(t) ebenfalls periodisch. Aufgrund des Indukti-
onsgesetzes induziert der zeitlich variierende Fluss eine Wechselspannung in der
Spule. Dieser Effekt heißt Selbstinduktion [19].
f = L ⋅I ( G 3.2 )
Der Faktor L, die Induktivität des Leiters, hängt nur von seiner Gestalt und der Per-
meabilität des umgebenden Mediums ab. Man sieht, dass φm(t) direkt proportional zu
I(t) ist. Die Induktivität der Spule hängt nur von der Geometrie der Spule (in unserem
Fall wurde immer die Gleiche benutzt) und dem Material des Kerns ab. Die Indukti-
vität L hat die Dimension 1 Henry = 1 Vs/A. Generell kann für jede Leiterkonfiguration
eine Induktivität berechnet werden. Daraus folgern wir, dass alle Leiteranordnungen
eine Induktivität haben (analog dazu weisen alle Leiter eine Kapazität C auf) [21].
Für die Zylinderspule erhält man allgemein:
L = f⋅
µ⋅ µ0 ⋅ A ⋅N2
l
( G 3.3 )
L = Induktivität
f = Spulenformfaktor (0 < f < 1)
µ = Permeabilität des Vakuums
µ0 = Permeabilität des inneren Materials
A = Querschnitt der Spule
N = Windungszahl der Spule
l = Länge der Spule (A << l2
)
Der Spulenformfaktor f berücksichtigt mögliche Streufeldverluste.
3 Experimentelle Grundlagen 28
Energiedichte des Magnetfeldes
Ähnlich wie für das elektrische Feld leitet man die Energie und Energiedichte
des magnetischen Feldes her. Die Arbeit ist gegeben durch das zeitliche Integral ü-
ber die Leistung:
WL = dt⋅Uind ⋅
0
t
∫ I = dt⋅L
dI
dt
⋅I
0
t
∫ = d⋅I⋅L ⋅I
0
t
∫ =
1
2
⋅L ⋅I2
( G 3.4 )
Diese Energie ist im magnetischen Feld der Spule gespeichert ist [19].
Erwärmungsleistung im Werkstück
Die Wirbelströme verursachen innerhalb des Leiters aufgrund seines spezifi-
schen Widerstandes eine Joule’sche Erwärmung RW. Für die im Werkstück umge-
setzte Leistung PJ gilt folgender Zusammenhang:
PJ = I2
⋅RW ( G 3.5 )
Die innerhalb der Stromeindringtiefe liegenden Wärmquellen führen zu einer
Temperaturerhöhung im Bauteil. Die Verteilung hängt im Wesentlichen von der
Wärmleitfähigkeit, von der spezifischen Wärmkapazität und der Dichte des Materials
ab. An der Oberfläche treten zusätzlich Konvektions- und Strahlungsverluste auf, die
vornehmlich bei höheren Werkstücktemperaturen zu einer verstärkten Abkühlung
des Werkstücks führen [19].
3.1.1.2 Induktionsofen
Wie in Abbildung 3.3 dargestellt, besteht die Induktionsofenanlage aus meh-
reren Teilen. Zum einen aus der Stromquelle (Generator), die mit Drehstrom betrie-
ben wird und dem eigentlichen Ofen, bestehend aus einer Kupferspule und einem
Kieselglasrohr. Die Kupferspule, die induktiv das Graphit im Kieselglasrohr erhitzt,
wird mit Wasser gekühlt. In dem Kieselglasrohr befindet sich das Graphit mit dem
Grünkörper. Der Generator hat eine Leistung von 5 kW. Der Oszillator wird bei einer
Frequenz von 300 kHz betrieben.
Der Induktionsofen hat den Vorteil, dass die Graphitmatrix und somit auch die
darin befindliche Probe direkt erhitzt werden kann. Das Erhitzen der Graphitmatrix im
Induktionsofen geschieht innerhalb weniger Sekunden, was eine beträchtliche Zeit-
einsparung gegenüber dem Sintern in einem Rohrofen ermöglicht. Die Temperatur
3 Experimentelle Grundlagen 29
wird mit einem Pyrometer (Fa. Heidmann, KT 19.42 G, Spektralbereich: 4,9 - 5,5 µm)
gemessen und als Regelgröße für die Leistung des HF-Generators genutzt.
Der Generator kann über einen Bereich von 0 – 100 % abgegebener Leistung
stufenlos eingestellt werden. Die Leistungsaufnahme der Graphitsuszeptoren ist zu-
sätzlich von der Dimensionierung der Spule (Windungszahl, Durchmesser, Spulen-
länge) abhängig. Die Erhitzung der Suszeptoren kann in beliebiger Gasatmosphäre
oder auch unter Vakuum durchgeführt werden. Die verwendeten Graphitsubstrate
haben in der Regel Abmessungen von 26 x 17 x 11 mm3
(LxBxH). Die Anlage wird
mit einem Thermoelement als auch mit einem Pyrometer kalibriert. Bei Veränderung
der Geometrie des Substrates muss auch eine neue Kalibrierung durchgeführt wer-
den, da die Einkopplung von der Geometrie des Substrates abhängt.
Generator: 180 V, 5 kW, 300 kHz
Spule: Nr. 1: 4 Windungen, Ø = 43 mm, Cu-Rohr Ø = 8 mm
Nr. 2: 7 Windungen, Ø = 43 mm, Cu-Rohr Ø = 8 mm
Vakuumpumpe: 10 mbar (Membranpumpe)
Abbildung 3.3: Induktionsofenaufbau
Die klassische Temperaturmessung mit einem Thermoelement war wegen des
elektromagnetischen Feldes im Inneren der Spule problematisch. Um die Temperatur
zu bestimmen, wird daher ein Pyrometer benutzt. Zum Kalibrieren des Pyrometers
wird das Substrat in dem Pt-Rh-Rohrofen der Firma Heraeus (Leistung: 1,3 kW, ma-
ximal Temperatur 1700 °C) erwärmt und dabei gleichzeitig mit einem Thermoelement
und dem Pyrometer die Temperatur des Substrats gemessen. In die Rückseite des
Graphitwürfels wird ein Loch gebohrt, um mit einem Thermoelement vom Typ S die
Temperatur des Graphitsubstrats direkt zu bestimmen. Um eine vergleichbare Tem-
3 Experimentelle Grundlagen 30
peraturverteilung in Induktions- und Rohrofen zu erhalten, wird in beiden Öfen die
gleiche thermische Isolierung mit einer kreisförmigen Öffnung benutzt. Das Fenster
aus Kieselglas wird nicht benutzt, weil Kieselglas für den Strahlungsbereich des Py-
rometers (spektrale Empfindlichkeit zwischen 4,9 und 5,5 µm) nicht transparent ist.
Zunächst wird im Pt-Rh-Ofen gemessen. Das Pyrometer wurde durch die runde Öff-
nung auf die vordere Graphitwürfeloberfläche fokussiert. Der Abstand zwischen der
Probe und dem Pyrometer wird bestimmt, um einen Messfelddurchmesser von 5 mm
auf der Graphitwürfeloberfläche anzuvisieren und dabei durch die kreisförmige Öff-
nung nicht gestört zu werden. Mit diesem System wird die Temperaturanzeige des
Pyrometers auf die Thermoelement-Temperatur kalibriert.
Anschließend wird die Pyrometermessung unter gleichen Bedingungen im Kiesel-
glasrohr des Induktionsofens reproduziert: gleiche Graphitwürfeldimensionen, glei-
cher Abstand zwischen Graphitwürfeloberfläche und dem Pyrometer, und auch die
gleiche thermische Isolierung mit der gleichen Öffnung wurden benutzt (Abbildung
3.4). Der Zusammenhang zwischen der Temperatur des Graphitwürfels und der
Steuerleistung kann so bestimmt werden.
Abbildung 3.4: Aufbau zur Kalibrierung der Pyrometermessung
In Abbildung 3.5 ist die mit dem Pyrometer gemessene Temperatur des Gra-
phitwürfels gegenüber der mit dem Thermoelement gemessenen Temperatur aufge-
tragen. Diese Kalibrierung wird in einem Pt-Rh-Ofen (Fa. Heraeus, Leistung: 1,3 kW,
maximale Temperatur: 1700 °C) durchgeführt. Somit kann die Anzeige der Pyrome-
tertemperatur mit der eines Thermoelements abgeglichen werden.
Pyrometer Graphitstückthermische
Wand
545 mm 55 mm
Messfelddurchmesser
3 Experimentelle Grundlagen 31
Die Kalibrierung muss für alle Substrattypen wiederholt werden. Änderung der
Geometrie, oder der Graphitart der Probe ändern die Abstrahlung.
In einem Abstand von 600 mm zwischen Pyrometer und Probe beträgt der
Durchmesser der Messfläche des Pyrometers 9 mm. Die Pyrometerposition wird für
jeden Substrattyp angepasst, um die gesamte Messfläche auf dem Graphitsubstrat
zu zentrieren und so die größtmögliche Abstrahlung messen zu können. Die Tempe-
ratur des Graphitsubstrats lässt sich mithilfe der Kalibrierung zur Einstellung des
Reglers für die Spulenspannung des Induktionsofens korrelieren (Abbildung 3.6).
Abbildung 3.5: Kalibrierung des Pyrometers im Rohrofen
Benutzte Substrate
Substrate werden aus verschiedenen Graphitarten und Glaskohlenstoff ge-
schnitten:
- grobkörniger Graphit (aus Schott Abteilung, 26 x 17 x 11 mm3
, einzige und doppelte
Platte),
- feinkörniger Graphit (FE-779 der Firma Schunk, 24 x 24 x 5 mm3
, doppelte Platte),
- Glaskohlenstoff (Sigradur G der Firma HTW, 24 x 24 x 5 mm3
, doppelte Platte).
500
600
700
800
900
1000
1100
1200
1300
1400
500 700 900 1100 1300 1500
TOfensteuerung (°C)
TThermoelement(°C)
TOfensteuerung (°C)
TThermoelement(°C)
3 Experimentelle Grundlagen 32
Abbildung 3.6: Temperatur des Ofens in Abhängigkeit der Spannung für ver-
schiedene Tiegelarten
Abbildung 3.7: Temperaturverlauf der doppelten Platte aus feinkörnigem Graphit-
substrat
Zeit (s)
400
600
800
1000
1200
1400
1600
10 30 50 70 90
Spannung (% der max. Spannung, Umax=180V)
Temperatur(°C)
doppelte Platte von grobkörnigem Graphitsubstrat
doppelte Platte von feinkörnigem Graphitsubstrat
einzige Platte von grobkörnigem Graphitsubstrat
Spannung (% der max. Spannung Umax= 180Spannung (% der max. Spannung, Umax = 180 V)Spannung (% der max. Spannung, Umax = 180 V)
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
1800
0 50 100 150 200 250
Zeit (s)
Temperatur(°C)
Zeit (s)Zeit (s)
3 Experimentelle Grundlagen 33
Ventilfluss: Kalibrierung der Mikroventile
Als Schutzgasventil wird das Mikroventil B-6MG-MM der Firma Swagelok be-
nutzt. Eine volle Ventildrehung entspricht 0,25 Ventileinheiten (Abbildung 3.8).
Abbildung 3.8: Gasfluss in Abhängigkeit der Ventilstellung
Vorrichtung zum Drehen des Induktionsofens
Während einer Kontaktwinkelmessung wird beobachtet, dass ein geschmol-
zener Glastropfen zu rollen anfängt, wenn das Substrat leicht gekippt wird. Die Be-
obachtung, dass der Glastropfen, auf dem heißen Graphitsubstrat rollt, hat zur Idee
geführt, das Substrat zu neigen, um die Rundheit der geschmolzene Glastropfen zu
erhöhen. Anhand der Kontaktwinkelmessungen lässt sich erkennen, dass der Fehler
in der Rundheit aus der Benetzung der Glaströpfchen auf dem Substrat resultiert. Mit
dem aktuellen Induktionsaufbau ist jedoch nur eine Drehung des Rohres mit dem
Substrat möglich. Auf diese Weise sind keine Kugeln herstellbar, denn die Glaströpf-
chen prallten gegen die Oberfläche des Kieselglasrohres und kühlen dabei ab, wobei
sie ihre Kugelform verlieren. Durch Verkippung des Ofens könnte die Rollrichtung der
Tröpfchen zum Rohrende geändert werden. Somit kann die Kugel über die gesamte
Länge des Substrates rollen, das in der Kieselglasröhre gehaltert ist. Die Aufhängung
durch die Achse im Schwerpunkt des Induktionsofens ermöglicht dieses, wie im Ab-
bildung 3.9 gezeigt.
0
20
40
60
80
100
120
140
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6
Ventileinheit
Gasfluss(mL/s)
Ventileinheit
3 Experimentelle Grundlagen 34
Abbildung 3.9: Drehbare Induktionsofenanlage
Diese drehbare Induktionsofenanlage bringt folgende Vorteile:
- der Winkel ist exakt einstellbar,
- das elektromagnetische Feld kann nicht einkoppeln wegen der PVC-
Kieselglasrohrhalterung mit PE-Feststellschraube und Aluminiumoxid Isolationsring,
- die Drehachse führt durch den Schwerpunkt des Ofens, so dass die drehbare In-
duktionsofenanlage in allen Drehpositionen stabil ist,
- die Anlage kann frei zwischen 0 und 90° gedreht werden, also in alle Drehwinkel
zwischen der Horizontalen und der Senkrechten.
Wie zuvor werden dichte Al-Flansche benutzt, um die Oxidation des Substra-
tes zu verhindern.
Das Problem der Abkühlung der geschmolzenen Glaströpfchen wird durch die
Benutzung eines langen Graphit-Substratrohres gelöst, dessen Ende innerhalb der
Spule zu liegen kommt. Da sich nur ein Ende des Substratrohres in der Spule befin-
det, wird beim Erhitzen ein Temperaturgradient zwischen diesem Ende und dem
Rest des Substrates erzeugt. Die Kugel kann also aus der Heißen Zone des Ofens
auf dem Substrat herausrollen und sich dabei abkühlen.
3 Experimentelle Grundlagen 35
Abbildung 3.10: Drehbare Induktionsofenanlage
Das Graphitrohr wurde in der Werkstatt des Fraunhofer Institut für Biomateria-
lien IBMT gefertigt, da andere klassische Werkstätten wegen des entstehenden Gra-
phitstaubs nicht dazu in der Lage waren. Aufgrund der Geometrie kann ein regelmä-
ßiger homogener Temperaturgradient im Rohr erzeugt werden. In dem Graphitrohr
wurde eine Bohrung in dem zu erhitzenden Ende eingebracht, um die Temperatur an
der heißesten Stelle mit einem Thermoelement vom Typ S messen zu können. Ein
senkrechtes Loch wurde in die gleiche Seite des Rohrs gebohrt, durch das die Grün-
körperteilchen in das Graphitrohr gelegt wurden. Um das Kieselglasohr gegen Kris-
tallisation durch die hohe Temperatur zu schützen, wurde das Graphitrohr im heißen
Bereich auf einen geringeren Radius abgedreht, so dass es keinen Kontakt mehr zu
dem Kieselglasrohr hat (Abbildungen 3.10 und 3.11).
Abbildung 3.11: Prinzipdarstellung des Graphitrohres für die drehbare Induktions-
ofenanlage
3 Experimentelle Grundlagen 36
Einfluss der Kopplung auf das Thermoelement
Ein Thermoelement besteht aus zwei metallischen Leitern, die an ihren Enden
zusammengelötet sind. Die Fähigkeit von Elektronen, ein Metall zu verlassen, wird
durch die so genannte Ablöse- oder Austrittsarbeit bestimmt.
In der Spule koppelt das elektromagnetische Feld in das Thermoelement ein
und beeinflusst die Temperaturmessung. Um die Kopplung in das Thermoelement zu
eliminieren, wird ein Tiefpassfilter eingesetzt. Man kann so den Einfluss des magne-
tischen Feldes herausfiltern. Denn der Tiefpassfilter filtert aus dem Thermoelement-
signal die Hochfrequenz, die aus der Spule des Oszillators emittiert wird, heraus.
Dank dieses Tiefpassfilters bleibet nur noch der Gleichspannungsanteil übrig (Abbil-
dung 3.12).
Abbildung 3.12: Temperaturmessungen eines Graphitwürfels (grobkörniger Graphit
26 x 17 x 11 mm3
) mit verschiedenen Thermoelementen im Ver-
gleich zu der Pyrometermessungen
Position des Graphitrohres in der Spule
In den ersten Versuchen wird die Position des Graphitrohres in der Spule op-
timiert. Das Rohr muss in der Spule so platziert werden, dass die Induktivität der
Spule nicht das Oszillatorteil überlädt: verschiedene Positionen werden erprobt (Ab-
bildungen 3.13 und 3.14). Das Rohr muss mit dem einen Ende 38 mm außerhalb
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
1800
0 10 20 30 40 50 60 70 80
Spannung (% der max. Spannung)
Temperatur(°C)
Pyrometer
Typ S mit Filter
Typ B mit Filter
Spannung (% der max. Spannung, Umax = 180 V)
3 Experimentelle Grundlagen 37
des PVC-Trägers befestigt werden um mit dem anderen Ende 41 mm in die Spule
einzudringen. Diese Position wird auf dem Rohr markiert.
Abbildung 3.13: Erwärmungszeit des Graphitrohrs (13 mm außerhalb des PVC-
Trägers)
Abbildung 3.14: Erwärmungszeit des Graphitrohrs (38 mm außerhalb des PVC-
Trägers)
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
0 20 40 60 80 100
Zeit (s)
Temperatur(°C)
60 %U
50 %U
40 %U
30 %U
20 %U
10 %U
Zeit (s)
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
1800
0 20 40 60 80 100 120
Zeit (s)
Temperatur(°C)
75 %U
70 %U
69 %U
68 %U
67 %U
66 %U
65 %U
64 %U
63 %U
62 %U
61 %U
60 %U
50 %U
40 %U
30 %U
20 %U
10 %UZeit (s)
3 Experimentelle Grundlagen 38
Nur in dieser Position kann die Zieltemperatur erreicht werden.
Die Probe wird am Ende des Rohres durch das senkrechte Beladungsloch
eingelegt. Das Graphitrohr wird danach bis zu der markierten Position in das Kiesel-
glasrohr eingeführt. Als Schutzgas wurde Argon mit einem Gasfluss von 120 ml/s
benutzt. Um das Graphitrohr gegen Oxidation zu schützen, wird zunächst für 2 min
Gas gespült. Dann wird das Ende des Substrates in 90 s auf 1600 °C (60 % der ma-
ximalen Spannung) erhitzt und dann noch 150 s auf 1100 °C (40 % der maximalen
Spannung) gehalten (Abbildung 3.15).
Abbildung 3.15: Temperaturverlauf des Graphitrohrs (38 mm außerhalb des PVC-
Trägers)
3.1.1.3 Versuchsbeschreibung zum Erschmelzen von Glaskugeln
3.1.1.3.1 Schmelzen eines Grünkörpers auf Graphit (I1)
Nach der Kalibrierung des Pyrometers wird der erste Grünkörper EJRC0016
(120°C) auf einer Graphitplatte erhitzt (Versuch I1). Der Grünkörper wird im Rotilabo-
Mikrotest-Polystyrolplatten geformt und dann im Ofen bei 120 °C getrocknet. Die
Probe ist zylinderförmig, ungefähr 10 mm lang mit einem Durchmesser von 6 mm
(Abbildung 3.16). Die Probe wird mit einem Messer in zwei Teile geschnitten und
nur zur Hälfte benutzt. Das Graphitsubstrat ist 26 x 17 x 11mm3
(LxBxH) und wird
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
0 50 100 150 200 250
Zeit (s)
Temperatur(°C)
P6: 70 %U (50 s)
P5: 65 %U (50 s)
P4: 60 %U (90 s) + 35 %U (150 s)
P3: 60 %U (90 s) + 37,5 %U (150 s)
P2: 50 %U (90 s) + 40 %U (150 s)
P1: 60 %U (90 s) + 40 %U (150 s)
Zeit (s)
3 Experimentelle Grundlagen 39
aus grobkörnigem Graphit hergestellt. Der Grünkörper wird auf der Oberfläche des
Substrats bei verschiedenen Leistungen und Temperaturen um 1150 °C, 1175 °C,
1200 °C über einen Zeitraum 2 min erwärmt.
Abbildung 3.16: Sinterung eines Grünkörpers auf einer glatten Graphitoberfläche
(Platte-Anordnung)
3.1.1.3.2 Schmelzen von Grünkörper und Pulver im Graphittiegel (I2)
Der Grünkörper EJRC0016 (120 °C) wird in einem Graphittiegel gesintert
(Versuch I2). Der Grünkörper ist der gleiche wie beim vorherigen Versuch auch zur
Hälfte geteilt. Der Tiegel wird aus grobkörnigem Graphit hergestellt. Das Graphitstück
ist 26 x 17 x 11mm3
(LxBxH) groß und hat 5 Löcher mit einem Durchmesser von
6 mm und 6 mm Tiefe, die in die Oberfläche gebohrt wurden (Abbildung 3.17). Der
gemörserte Grünkörper wird als Ausgangsmaterial benutzt. Der Grünkörper und die
Pulver werden in den Löchern des Substrats (Tiegel) mit verschiedenen Leistungen
bei Temperaturen um 1050 °C, 1100 °C, 1150 °C für 2 min gesintert.
Abbildung 3.17: Sinterung eines Grünkörpers und von Pulver in einem Graphittie-
gel (Platte-Anordnung)
3 Experimentelle Grundlagen 40
3.1.1.3.3 Schmelzen von Grünkörper und Pulver im Graphittiegel mit
Deckel (I3)
Der Grünkörper EJRC0016 (120 °C) wird in einem Graphittiegel mit Deckel
geschmolzen (Versuch I3). Der Grünkörper ist der gleiche wie im vorigen Versuch.
Der Tiegel wird aus grobkörnigem Graphit hergestellt. Das Graphitstück ist
26 x 17 x 11 mm3
(LxBxH) groß und hat 5 Löcher mit einem Durchmesser von 6 mm
und 6 mm Tiefe in seiner Oberfläche (Abbildung 3.18). Der Deckel wird aus dem
gleichen Graphit mit halber Dicke geschnitten: er ist 26 x 17 x 5 mm3
(LxBxH) groß.
Der gemörserte Grünkörper wird wie das Pulver als Ausgangsmaterial benutzt. Der
Grünkörper und die Pulver werden in den Löchern des Tiegels bei unterschiedlichen
Temperaturen (um 900 °C, 950 °C, 1000 °C, 1050 °C, 1100 °C, 1150 °C, 1200 °C,
1250 °C) für 4 min mit der ersten Spule gesintert. Die Grünkörper als Ausgangsmate-
rial werden zweimal aufgeschmolzen. Anstatt einer Haltezeit von 4 min werden die
Kugeln zuerst 2 Minuten unter gleichen Bedingungen erhitzt, dann gekühlt und im
Ultraschallbad gereinigt, und danach erneut für 2 Minuten unter den gleichen Bedin-
gungen erhitzt. Der Tiegel wird zwischen beiden Temperaturzyklen mit Druckluft ge-
spült.
Abbildung 3.18: Sinterung eines Grünkörpers und eines Pulvers in einem Graphit-
tiegel mit Deckel (Platte-Deckel-Anordnung)
3.1.1.3.4 Schmelzen von BK7-Glas im Graphittiegel mit Deckel (I4)
BK7-Glas wird als Ausgangsmaterial benutzt. Das Ausgangsmaterial wird im
Zangenbrecher aus BK7-Glas herstellt (Versuch I4). Der Tiegel wird aus grobkörni-
gem Graphit hergestellt. Der Graphittiegel ist der gleiche wie in Versuchen I2 und I3.
3 Experimentelle Grundlagen 41
Es wird der geschliffene Deckel gleicher Abmessung benutzt (Abbildung 3.19). Ein
Glasteilchen pro Loch (Gewicht zwischen 50 und 100 mg) wird in den Löchern des
Tiegels bei verschiedenen Temperaturen (978 °C, 1043 °C, 1105 °C, 1149 °C,
1233 °C, 1292 °C, 1360 °C) für 2 bzw. 2 + 2 min (zweimal im Ofen wie im Versuch 3)
und 4 min unter Vakuum geschmolzen. Kleinere Glasteilchen, die mit einem Ba-
ckenbrecher gebrochen wurden, werden auch auf 1049 und 1105 °C für 2 bzw.
2 + 2 min mit der zweiten Spule geschmolzen. Der Druck im Rohr wird durch eine
Membranpumpe (10 mbar) erreicht. Wie vorher werden die Kugeln im Ultraschallbad
gesäubert und der Tiegel wird zwischen den zwei Versuchen mit Druckluft gespült.
Abbildung 3.19: Sinterung von BK7- Glasteilchen in einem Graphittiegel mit Deckel
3.1.1.3.5 Schmelzen von konstanter Pulvermengen im Graphittiegel
mit Deckel (I5)
Ein Grünkörper (EJRC0026, 120 °C) wird gemahlen als Ausgangsmaterial be-
nutzt. Das Pulver wird durch Siebe (90 µm) klassiert (Versuch I5).
Die Tiegel und Deckel werden aus zwei Graphitarten hergestellt:
- feinkörniges Graphitsubstrat: 24 x 24 x 5 mm3
(LxBxH),
- grobkörniges Graphitsubstrat: 26 x 17 x 11 mm3
(LxBxH).
Tiegel und Deckel werden mit den gleichen Maßen geschnitten. In die Ober-
fläche des Tiegels werden kleine Löcher mit einem Durchmesser von 2 mm und
4 mm Tiefe gebohrt. Um einen besseren Gastransport im Tiegel zu ermöglichen,
werden in die Deckel des groben Graphits Riefen geschliffen (Abbildung 3.22). Aus
gleichem Grund werden bei dem Tiegel aus feinkörnigem Graphit kleine Aluminium-
3 Experimentelle Grundlagen 42
oxidstücke zwischen Tiegel und Deckel gesetzt (Abbildung 3.20). Für die Tiegel mit
Deckel erfolgt eine neue Kalibrierung der Temperaturmessung mit dem Pyrometer.
Abbildung 3.20: Al2O3 Teilchen zwischen Feingraphittiegel und -deckel
Es ist schwierig die kleinen Löcher gleichmäßig mit feinem Pulver zu füllen.
Um das Pulver richtig dosieren zu können, wird eine Dosierplatte und ein Blatt Papier
benutzt. Die Dosierplatte ist eine kleine Kunststoffplatte (2 mm dick), in die Löcher
mit einem Durchmesser von 1,5 mm im Muster des Substrats gebohrt sind. Wie in
Abbildung 3.21 gezeigt, wird das Pulver mit dem Schaber in die Löcher der Dosier-
platte gestrichen. Der Tiegel wird leicht geschüttelt, erneut gefüllt und dann noch
einmal mit dem Schaber abgestrichen. Die Löcher des Tiegels werden gefüllt, sobald
die Papierscheibe herausgezogen wird. Danach wird der Tiegel noch leicht geschüt-
telt.
Abbildung 3.21: Pulverdosierung
Mit diesem System werden die Tiegellöcher ungefähr mit der gleichen Menge
Pulver gefüllt.
3 Experimentelle Grundlagen 43
Abbildung 3.22: Sinterung eines Grünkörpers in einem Graphittiegel mit Deckel
Verschiedene Leistungen werden benutzt, um die Proben auf 1000 °C,
1050 °C, 1100°C, 1150 °C während 2 bzw. 2 + 2 (zweimal im Ofen wie im Versuch
I3) und 4 min unter Vakuum mit der zweiten Spule zu sintern. Wie zuvor werden die
Kugeln im Ultraschallbad gereinigt und der Tiegel wird zwischen den beiden Tempe-
raturzyklen durch Luftdruck gesäubert.
3.1.1.3.6 Schmelzen von siebgedruckten Grünkörper auf Graphit-
platte (I6)
Anstatt Pulver, Grünkörper- oder Glasteilchen wird Suspension auf Graphit-
substrate siebgedruckt und anschließend getrocknet (Versuches I6). Eine Paste mit
BK7-Teilchen wird durch ein Sieb direkt auf ein Graphitsubstrat gedruckt (Abbildung
3.23 a). Die einzelnen Pastentröpfchen sind getrennt und in ausreichender Distanz
von einander. Eine runde Graphitsubstrat-Platte wurde in sechs gleichgroße Seg-
mente geschnitten. Die beiden geeignetsten Segmente wurden zu Vierecken ge-
schnitten, um die Dimension eines bereits kalibrierten Graphitstücks (24x24x5 mm3
)
zu erreichen. Dieses Graphitsubstrat wird auf ein zweites unbedrucktes in den Induk-
tionsofen gelegt. Dann werden die Glaskügelchen wie im Kontaktwinkelmessversuch
K4 erschmolzen. Das Schmelzen dieser kleinen Grünkörperreihe wird im Kontakt-
winkelmessgerät beobachtet.
3 Experimentelle Grundlagen 44
Abbildung 3.23: Siebgedruckte Paste auf Graphit
a) Siebgedruckte Suspension auf Graphitsubstrat (die schwarzen
Linien sind Schneidmarken: 24x24 mm2
)
b) Zugeschnittene Substratplatten. Rechts eine zweite Platte um
das Pyrometer zu kalibrieren (wie früher Tiegel und Deckel)
3.1.1.3.7 Schmelzen eines Tiegels durch Bohrungen in Graphit (I7)
Kleine Bohrungen (ungefähr ein Durchmesser von 1,5 mm und 1 mm tief) sind
von der Firma Schott in eine runde Levi-Graphitplatte gebohrt worden (Versuch I7).
Die runde Graphitplatte wird in Quadrate geschnitten (24x24x5 mm3
) und es wird ein
zweites Quadrat benutzt, um die richtig kalibrierte Geometrie zu erhalten (Abbildung
3.24). Dieses Graphitsubstrat wird in den Induktionsofen gelegt. Dann werden die
Grünkörper eingebracht und mit den Parametern des Kontaktwinkelmessversuches
K4 beobachtet.
Abbildung 3.24: Graphitplatte mit gebohrten Graphittiegeln und kalibrierter Geo-
metrie
a b
3 Experimentelle Grundlagen 45
3.1.1.3.8 Schmelzen mit Boron-Nitrid-Spray auf dem Graphitsubstrat
(I8)
Dieser Versuch ist wie Versuch I7 durchgeführt, es wird jedoch der grobkörni-
ge Graphit anstatt des Levi-Graphits benutzt (Versuch I8). Dieser grobkörnige Gra-
phit (Platte: 26 x17 x 11 mm3
) wird vor der Sinterung mit Boron-Nitride-Spray einge-
sprüht. Die Substarte werden eine halbe Stunde getrocknet. Dann wird wie im Ver-
such I7 gemessen.
3.1.1.3.9 Schmelzen mit drehbarer Induktionsofenanlage im Rohr
(I9)
Die Probe wird an das Ende eines Graphitrohres durch das senkrechte Bela-
dungsloch gelegt (Versuch I9). Das Graphitrohr wird danach bis zu der markierten
Position in das Kieselglasrohr eingeführt (Abbildungen 3.10 und 3.11). Als Schutzgas
wird Argon mit einem Fluss von 120 ml/s (0,5) benutzt. Um das Graphitrohr gegen
Oxidation zu schützen, wird zunächst 2 min gespült. Schließlich wurde der Indukti-
onsofen gedreht, damit das geschmolzene Glaströpfchen rollte und entlang der Röh-
re abkühlen kann. Dann wird das Ende des Substrates in 90 s auf 1600 °C (bei 60 %
der maximalen Spannung) erhitzt und dann noch 150 s auf 1100 °C (40 % der maxi-
malen Spannung) gehalten. Die Kugel wird in einem großen Uhrglas, das mit Glas-
wolle ausgelegt war aufgefangen, um den thermischen Schock zu vermindern.
3.1.2 Mikrowellenerhitzung
Die Mikrowellen dringen in die Materie ein und können so einen Körper von
innen erwärmen. Aus diesem Grund sind sie eine gute Alternative zu den konventio-
nellen Heizprozessen, bei denen die Wärmezufuhr von der Oberfläche nach innen
erfolgt. Die sehr hohen Aufheizraten können die Prozesszeiten verkürzen und auch
eine Verbesserung der Werkstoffmikrostruktur bewirken. Diese positiven Effekte bil-
den die Grundlage des Mikrowellensinterns und können durch die gute Kontrolle der
elektrischen Feldverteilung im Gerät erreicht werden.
3 Experimentelle Grundlagen 46
Ausbreitung von Mikrowellen
Als Mikrowellen werden Wellen des elektromagnetischen Spektrums bezeich-
net, die im Frequenzbereich zwischen 0,3 GHz und 300 GHz liegen (Höchstfrequenz,
UHF bis EHF), das heißt mit Wellenlängen ab 1 m bis 1 mm im Vakuum. In der
Technik wird üblicherweise Mikrowellenstrahlung der Frequenz 2,45 GHz eingesetzt,
da sich das Absorptionsmaximum von Wasser in diesem Bereich befindet.
Die Ausbreitung der Mikrowellen wird von den elektrischen und magnetischen
Eigenschaften der Umgebung beeinflusst. Allgemein wird die Ausbreitung von Mik-
rowellen in einem gegebenen Medium durch die zeit- und ortsabhängigen Wellen-
gleichungen des elektrischen beziehungsweise des magnetischen Feldvektors (E, H)
beschrieben, die sich aus den Maxwell’schen Gleichungen ableiten lassen [22].
Wechselwirkung zwischen Mikrowellen und Materie
Beim Eindringen in die Materie wird die Welle gedämpft; die so dissipierte E-
nergie wird in Wärme umgewandelt. Die Absorption der Mikrowellen im Medium be-
ruht hauptsächlich auf induktiven und dielektrischen Verlusten, die temperatur- und
frequenzabhängig sind [22].
Im Metalle oder Halbleiter versuchen die freien Ladungsträger dem elektri-
schen Wechselfeld zu folgen. Lokal fließende Wirbelströme produzieren Ohm’sche
Verluste, und erwärmen den Werkstoff. Je leitfähiger das Material ist, umso höher
sind diese Verluste. Polare Moleküle oder Punktdefekte im Material werden auch
durch das elektrische Feld beeinflusst. Sie bemerken das Wechselfeld aber können
nicht in Phase den schnellen Änderungen des Feldes folgen. Die Erwärmung ensteht
durch innere Reibung: diese dielektrischen Verlusten hängen von den dielektrischen
Eigenschaften des Werkstoffs ab.
Im Glas ist die Mikrowellenerhitzung nicht von Leitungs-, sondern von die-
lektrischen Verlusten abhängig. Man unterscheidet drei Untergruppen: Relaxations-,
Deformations- und Vibrationsverluste. Die beiden ersten Gruppen beschreiben
spontane Bewegungen von netzwerkwandelnden Ionen im Glasnetzwerk bezie-
hungsweise das Umknicken ganzer Netzwerksegmente und spielen vorwiegend im
niederfrequenten Bereich eine Rolle. Bei hochfrequenter Anregung überwiegt hinge-
gen die thermische Vibration von Netzwandlerionen. Diese unterschiedlichen Me-
chanismen bestimmen das Verhalten eines Glases. Seine Erwärmung im Mikrowel-
3 Experimentelle Grundlagen 47
lenfeld hängt von seiner Zusammensetzung ab. So ist reines Kieselglas beispiels-
weise mikrowellentransparent und als thermisches Isolationsmaterial geeignet, wäh-
rend Natriumsilikatglas gut einkoppelt [22].
Beschreibung der Anlage
Die im Rahmen dieser Arbeit benutzte Anlage besteht wie in Abbildung 3.25
dargestellt aus sechs Teilbausteinen. Das Magnetron produziert die Mikrowellen. An
seinem Ausgang schließt ein wassergekühlter Zirkulator ab, der das Magnetron ge-
gen reflektierte Mikrowellenstrahlung schützt. Der 3-Stift Tuner modifiziert die Feld-
verteilung, um die Menge der absorbierten Strahlung in der Probe zu maximieren.
Der Impedanzanalysator misst die Menge der reflektierten Leistung. Am Ende des
Hohlleiters befindet sich die Resonatorkammer in dem die Probe mittig liegt. Der Re-
sonator ist wassergekühlt, um thermische Spannungen zu vermeiden. Die Tempe-
ratur wird in der Kammer mit einem Pyrometer gemessen [23].
Abbildung 3.25: Mikrowellenanlage
PC
Wasserkühlung
Wasserkühlung
Schutzgas
Pyrometer
Magnetron
Impedanz-
analysator
Generator
Zirku
u
lator
3-Stift Tuner
Resonator
Zirkulator
3 Experimentelle Grundlagen 48
Die Temperaturmessung mit einem Thermoelement ist unmöglich, denn das
Mikrowellenfeld kann lokal beeinflusst werden und ein Thermoelement ist eine Licht-
bogenquelle. Der Generator, der 3-Stift Tuner und der Impedanzanalysator werden
durch den Computer angesteuert. Durch den Vergleich der emittierten und reflek-
tierten Strahlung wird die absorbierte Strahlung berechnet. Der Computer steuert
auch den 3-Stift Tuner mit der Autotuning-Software [23].
Ziel des Versuchs
Die Mikrokugeln müssen auf Graphitsubstraten geschmolzen werden. Daher
wird die Erwärmung der Graphitsubstrate bestimmt. Zunächst wird nur das Substrat
allein erhitzt und ein Temperatur-Leistungs-Diagramm aufgenommen. So kann die
Temperatur des Substrats in Abhängigkeit von der Leistung des Mikrowellenofens
bestimmt werden.
Versuchsdurchführung
Graphitsubstrate unterschiedlicher Körnung stehen für die Mikrowellenerhit-
zung zur Verfügung. Zur Kalibrierung der Temperatur-Leistungs-Kurve wird ein Gra-
phitsubstrat auf einem Probenhalter aus Kieselglas in den Resonator gestellt. Kiesel-
glas ist ein für Mikrowellen transparentes Medium das ohne signifikante Erwärmung
durchstrahlt wird. Das Substrat befindet sich in der Mitte der Resonatorkammer, di-
rekt am Ende des Hohlleiters, wo das Feld maximal ist. Die Kammer wird während
des Versuchs mit Argon gespült. Die Temperatur des Graphitsubstrats wird mit zwei
Pyrometern gemessen, die verschiede Messbereiche haben. Das erste Pyrometer
(Fa. Impac, IN 5/5 MB8, Spektralbereich: 5,14 µm schmalbandig für Glasoberflä-
chenmessung) kann zwischen 200 °C und 800 °C und das zweite (Fa. Heidmann, KT
19.42 G, Spektralbereich: 4,9-5,5 µm) zwischen 500 und 2500 °C eingesetzt werden.
3 Experimentelle Grundlagen 49
3.2 Charakterisierungsmethoden
3.2.1 Kontaktwinkelmessungen
3.2.1.1 Erster Kontaktwinkelmessaufbau
Um Glaskugeln aufzuschmelzen, muss BK7-Glas über seine Transformati-
onstemperatur TG = 960 °C erwärmt werden. Die BK7-Proben werden auf Graphit-
substraten in den Pt-Rh-Ofen (Fa. Heraeus, Leistung: 1,3 kW, maximal Temperatur:
1700 °C) gelegt (Abbildung 3.26).
Abbildung 3.26: Kontaktwinkelmessaufbau
Die beiden Seiten des Ofens werden mit ZIRKAR-Platten isoliert. Auf der ei-
nen Seite befinden sich zwei Löcher für die Gaszufuhr und das Thermoelement. Die
Probentemperatur wird mit einem Thermoelement vom Typ S (Pt/Pt-10Rh) gemes-
sen, das einen Messbereich von 1500 °C hat. Auf der vorderen Seite befindet sich
ein Loch von 10 mm Durchmesser, um die Probe mit einer Kamera beobachten zu
können. Die Kamera ist Teil des Kontaktwinkelmessgeräts OCA 20 der Firma Da-
taphysics (Auflösung: 768 x 576 Pixel, 50 Bilder pro Sekunde). Das Fenster wird aus
Kieselglas (1,5 mm dick) gewählt, um der hohen Temperatur standzuhalten. Um die
Kamera gegen Überhitzung zu schützen, wird sie zusätzlich zu der Wärmeisolierung
und dem Kieselglasfenster mit einem Ventilator gekühlt. Zwischen dem Fenster und
3 Experimentelle Grundlagen 50
der Kamera erhöht ein Graufilter den Kontrast zwischen Substrat und Probe. Kon-
trast und Helligkeit können auch mit der SCA20-Software der Firma Dataphysics (zur
Messung des Kontaktwinkels und Berechnung der freien Oberflächenenergie von
Festkörpern) geregelt werden, um eine optimale Messung des Kontaktwinkels zu
ermöglichen.
Nach dem Einstellen von Kontrast und Helligkeit sowie der Fokussierung der
Kamera wird ein Foto gemacht (Abbildung 3.27). Danach wird eine Basislinie (a)
zwischen der Probe und ihrem Substrat auf dem Foto durch zwei Punkte festgelegt.
Die Tropfenkontur (b) kann kreis- oder ellipsenförmig sein. Mit drei Punkten für die
Kreis- oder fünf für Ellipsenform wird ein Kreis- oder Ellipsenbogen durch Fehlermi-
nimierung angepasst. Der Kontaktwinkel zwischen Probe und Substrat wird über die
Basislinie und die Tangente der Kontur berechnet. Manchmal ist die ganze Kontur
schwer zu zeichnen, also wird die beste Kontur im Kontaktbereich genommen.
Kreisförmige Konturen ergeben symmetrische Kontaktwinkelwerte und elliptische
Konturen führen zu unterschiedlichen Kontaktwinkeln auf der linken und der rechten
Seite.
Abbildung 3.27: Beispiel einer Kontur der Probe EJRC0016 (120 °C) auf grobem
Graphitsubstrat T = 1246 °C, kreisförmige Kontur,
θlinks = θrechts = 112,8°
3.2.1.2 Grünkörper auf grobem Graphitsubstrat (K1)
In diesem ersten Versuch werden EJRC0016 Grünkörper benutzt, die bei
120 °C getrocknet wurden (Versuch K1). Diese Grünkörper haben dieselbe chemi-
sche Zusammensetzung wie BK7-Glas, jedoch ohne Arsenoxid As2O3. Probe und
Substrat werden in der Mitte des Ofens positioniert. Dann wird die vordere Wärme-
isolierung mit dem Fenster geschlossen. Alle 25 °C wird ein Foto gemacht, angefan-
a
b
3 Experimentelle Grundlagen 51
gen bei 905 °C. Der Schmelzprozess wird bis 1280 °C beobachtet (Abbildung 3.28).
Eine runde Tröpfchenform wird erst zwischen 1173 und 1280 °C erreicht. Erst dann
kann der Kontaktwinkel bestimmt werden.
Abbildung 3.28: Progressive Entwicklung der Erwärmung der EJRC0016 (120°C)
Probe.
3.2.1.3 Kontaktwinkel von BK7-Glasteilchen auf verschiedenen
Substraten (K2)
In diesem Versuch werden drei Schott BK7-Glasteilchen mit einem Gewicht
zwischen 50 und 100 mg benutzt (Versuch K2). Jede Probe wird auf einem anderen
Substrat im Rohrofen geschmolzen. Als Substrat werden grobkörniger Graphit
(11 mm dicke Platten), feinkörniger Graphit (FE-779 der Firma Schunk, 5 mm Dicke)
und Glaskohlenstoff (Sigradur G der Firma HTW, 5 mm Dicke) benutzt. Die Proben
und Substrate werden wie zuvor in der Mitte des Ofens positioniert. Dann wird die
vordere Wärmeisolierung mit dem Fenster geschlossen.
Der Pt-Rh-Ofen wird bis zur Temperatur von 1045 °C unter Argongasfluss er-
wärmt. Fotos der Probe werden 50 min in 5 min Schritten aufgenommen, um den
Kontaktwinkel zwischen BK7-Glaströpfchen und den Substraten als Funktion der Zeit
zu bestimmen. Nach der Stabilisierung der Temperatursteuerung beginnt die Mes-
sung. Der Versuch wird für alle drei Substrattypen wiederholt.
3.2.1.4 Kontaktwinkelmessungen bei verschiedenen Teilchengrö-
ßen von BK7-Glas (K3)
In diesem Versuch werden fünf Schott BK7- Glasteilchen mit unterschiedli-
chem Gewicht (62, 125, 229, 357 und 940 mg) benutzt (Versuch K3). Jedes Teilchen
wird auf dem groben Graphitsubstrat im Rohrofen geschmolzen. Die Probe wird im
Pt-Rh-Ofen bis zur Temperatur von 1045 °C unter Argongasfluss erwärmt. Nach
T = 1038 °CT = 970 °C T = 1153 °C
3 Experimentelle Grundlagen 52
15 min wird ein Foto der Probe gemacht. Der Versuch wird mit weiteren vier Teil-
chengrößen wiederholt, um die Entwicklung des Kontaktwinkels in Abhängigkeit von
BK7- Glasteilchengröße und dem groben Graphitsubstrat zu bestimmen.
3.2.1.5 Zweiter Kontaktwinkelmessaufbau
Die Zeit zum Erwärmen der Grünkörper ist im Induktionsofen kürzer als mit
dem schon benutzten PT/Rh-Rohrofen. Mit dem Induktionsofen kann in 90 s eine
Temperatur von 1600 °C erreicht werden. Je schneller die Erwärmung erreicht wird,
desto weniger oxidiert das Graphitsubstrat. Es gibt noch weitere Vorteile im Ver-
gleich zum Rohrofen: das Kieselglasrohr mit Al-Flanschen ist dichter als das Alumini-
um-Oxidrohr des Ofens. Daher kommt es unter Argongasfluss auch nicht zur Oxida-
tion des Substrates. Es entsteht schärfere Bilder, da die thermische Strahlung nicht
durch ein Kieselglasfenster abgeschirmt werden muss, weil nur das Substrat ab-
strahlt. Ein Foto aufzunehmen ist nur mit einem Graufilter möglich. Außerdem wird
Zeit gespart, weil die Aufheiz- und Abkühlungszeiten viel kürzer sind. Aber es gibt
auch einen Nachteil: die Beobachtung der Glaströpfchen wird durch die elektromag-
netische Strahlung der Spule gestört. Wegen Feldinterferenz kann kein scharfes Bild
erreicht werden. Dank Metallblechen, ist es möglich diesen Feldeinfluss zu vermin-
dern, aber für eine präzise Kontaktwinkelmessung reicht dieses nicht aus. Also wur-
de direkt nachdem man den Oszillator ausgeschaltet hat fotografiert. So erreicht man
ein scharfes Bild.
Der neue Aufbau hat noch die Möglichkeit, den Ofen in 3 Richtungen (Abbil-
dung 3.29) zu bewegen, um das Bild einfacher zu zentrieren, und zu pre-fokussieren
(pre-Fokus, der genaue Fokus wird an der Kamera eingestellt).
3 Experimentelle Grundlagen 53
Abbildung 3.29: Neue Kontaktwinkelmessanlage
Für die nächsten Versuche (K4, K5) wird dieser neue Kontaktwinkelmessauf-
bau mit dem Induktionsofen benutzt.
3.2.1.6 Vergleich der verschiedenen Kontaktwinkel im Abhängigkeit
des Na-Sulfat-gehaltes (K4)
Als Grünkörper werden die verschiedenen Pulver (EJRC0032, 32/1, 32/2,
32/3, 32/4, 32/5) in der Uniaxialpresse gepresst: Pressformdurchmesser ø = 10 mm
(Versuch K4). Zuerst wird 60 s lang mit 10 kN gepresst und danach 240 s mit 30 kN.
Schließlich werden die Grünkörper von Öl mit einem Messer gesäubert. Die Grün-
körperteilchen werden mit Handschuhen gehandhabt und mit der Hilfe einer kleinen
Zange und einem Messer durchgebrochen. Dann werden die kleinen Teilchen (un-
gefähr 2 mg) auf den feinkörnigen und grobkörnigen Graphitsubstraten in die Spule
gelegt (Versuch K4). Das feinkörnige Graphitsubstrat (5 mm dick) konnte aufgrund
seiner Dicke nicht als einzelne Platte benutzt werden, weil die Temperatur während
der Kalibrierung der mit einem Pyrometer gemessen werden muss. Der kleinste ein-
stellbare Messfelddurchmesser des Pyrometers von 4 mm bei einem Abstand von
750 mm zwischen der Objektiv-Vorderkante und dem Objekt konnte aber nicht sicher
auf die 5 mm dicke Vorderkannte fokussiert werden. Ein Substrat von 10 mm dicke
(also zwei Platten übereinander) war einfacher zu messen. Diese doppelte Graphit-
substratdicke wurde auch schon im Versuch I5 kalibriert, da dort ein Tiegel mit De-
X
Y
Z Ω
3 Experimentelle Grundlagen 54
ckel benutzt wurde. Von dem grobkörnigen Graphit genügt eine Platte, weil sie 10
mm dick ist. Als Schutzgas wird Argon mit ein Fluss von 50 mL/s (0,25) benutzt. Die
Versuche werden nach 1 Minute Schutzgasfluss begonnen, um sicher zu stellen,
dass das Kieselglasrohr mit Ar gefüllt ist. Unter diesen Bedingungen wurde die Oxi-
dation des Graphits ganz vermieden.
3.2.1.7 Einfluss der Rauhigkeit verschiedener Graphitsubstrate (K5)
Als Probe werden Schott N BK7-Teilchen (ungefähr 5 mg, 0,5 < Ø < 1,25 mm
gesiebt) benutzt (Versuch K5). Die beiden Substrate (grobkörniger und feinkörnigerer
Graphit) werden mit einer Schleifmaschine (RotoPol-22 der Firma Truers) bearbeitet.
Die Schleifbedingungen sind immer die gleichen: Schleifdruck P = 5 N, Schleifzeit
t = 10 s und mit verschiedenen Schleifpapieren (Rauheit des SiC Schleifpapiers: 80,
220, 500 und 1200 mesh/inch). Mit jedem Papier werden die Substrate auf 2 ver-
schiedene Arten geschliffen: in orthoradialer Richtung (Abbildung 3.30 a), das heißt
am äußeren Ende der Schleifplatte, so dass die Schleifrichtung tangential bzw.
gleichsinnig (Abbildung 3.30 b) zur Drehrichtung liegt. Zum Vergleich werden auch
Kontaktwinkel auf ungeschliffenen Substraten gemessen. Nach dem Schleifen wird
mit einem Weislichtinterferometer die Rauhigkeit der verschiedenen Substrate ge-
messen. Die Messbedingungen (Schutzgas, Temperaturverlauf und Kontaktwinkel-
messung) sind die Gleichen wie im Versuch K4.
Abbildung 3.30: Schleifrichtungen: a) orthoradiale Schleifrichtung; b) gleichsinnige
Schleifrichtung
a) orthoradial b) gleichsinnig
3 Experimentelle Grundlagen 55
3.2.1.8 Fehlerproblem bei der Kontaktwinkelmessung
Die Kontaktwinkelmessung hängt von verschiedenen Parametern ab. Diese
sind: die Zeichnung der Kontur, Homogenität der Substratoberfläche (Grobkörnigkeit
des Graphits) oder die richtige Fokussierung der Kamera. Der Fehler durch die Kon-
tur kann dadurch minimiert werden, dass immer die gleiche Anzahl von Punkten in
dem Kontaktbereich zwischen Tröpfchen und dem Substrat, also in der Nähe der
Basislinie ausgewertet wird. Die Substratoberfläche ist ein Parameter, auf welchen
kein Einfluss genommen werden kann (Abbildung 3.31).
Abbildung 3.31: Fehlerproblem bei der Kontaktwinkelmessung
Bei der Fokussierung der Kamera kann sich ein Fehler der Bestimmung des
Kontaktwinkels ergeben: manchmal ist die Tröpfchenkontur unscharf in der Nähe von
Kontaktzone. Die Ursache liegt in der Bewegung der Tröpfchen auf ihrem Substrat,
der Bewegung der Kamera oder darin, dass keine runde Kugelform vorhanden ist.
Um das Fokussierungsproblem zu lösen wurde eine Aluminiumoxidspitze bzw.
ein geschliffener Schraubenkopf an dem Substrat befestigt und immer auf eine
scharfe Kante dieses Objekts fokussiert. Aber der Tropfen bewegt sich immer beim
Aufschmelzen (Abbildung 3.32). Er wandert und schmilzt sogar an die Aluminium-
oxidspitze an. Grund dafür ist die Inhomogenität der Substratoberfläche.
Abbildung 3.32: Kante von Objekten zum Fokussieren
Kamera von oben
Bild in der
Kamera
> 65 mm
geschliffener Schraubenkopf Al2O3- Spitze
3 Experimentelle Grundlagen 56
Um diesen Fehler zu minimieren, wird in den folgenden Versuchen immer die
Oberkante der Kugel fokussiert. Der Abstand zwischen Probe und Kamera bleibt
immer gleich (65 mm), und alle Kontaktwinkelmesswerte sind Mittelwerte von vier
Konturauswertungen einer Aufnahme.
3.2.2 Computer-Tomographie (CT)
Die Computer-Tomographie (CT) bietet die Möglichkeit, zerstörungsfrei und
berührungslos den inneren Aufbau von Objekten sichtbar zu machen. Computer-
Tomographie wird sowohl für die Rekonstruktion einzelner Schichten (2D) als auch
für die Rekonstruktion vollständiger Volumen (3D) eingesetzt. Durch die Anwendung
neuester Technologien und schnellerer Algorithmen erreicht man räumliche Auflö-
sungen bis zu 1 µm [24].
Grundlagen
Wenn f(x,y) den Schwächungskoeffizienten eines 2-dimensionalen Messobjekt
darstellt, dann wird die Ausgangsintensität I0 der Röntgenröhre (in monochromati-
scher Nährung) von dem Objekt entlang der Strecke L gemäß der bekanten Formel
abgeschwächt [25]:
Iout = Io ⋅ e
− f(x,y)dl
L
∫
( G 3.6 )
Abweichungen, die sich durch polychromatische Strahlung ergeben, werden in
dieser Arbeit nicht betrachtet. Indem man den Logarithmus der relativen Schwä-
chung bildet, erhält man den Wert des Linienintegrals der Objektfunktion zu:
f(x,y)⋅ dl = ln
Io
IoutL
∫ ( G 3.7 )
Nach der einfachen Umformung können wir also Röntgensmessungen als
Werte von Linienintegralen ansehen (Abbildung 3.33 und 3.34).
3 Experimentelle Grundlagen 57
Abbildung 3.33: Schematische Darstellung der Parallelstrahlgeometrie [25]
Mit einer einfachen Radiographie kann nicht die räumliche Tiefe eines Objekt-
details bestimmt werden.
Bei Computer-Tomographie wird das Objektvolumen von vielen verschiede-
nen Winkeln durchgestrahlt. Mit vielen verschiedenen Perspektiven wird eine kom-
plette 3D-Rekonstruktion möglich [26].
Abbildung 3.34: Mit vielen verschiedenen Perspektiven wird eine komplette Rekon
struktion möglich [26]
Objekt
3 Experimentelle Grundlagen 58
Industrielle 3-D-Computer-Tomographie
Das System ermöglicht die Detektion von Dichteänderungen und Fehlern so-
wie eine Charakterisierung bzgl. ihrer Art, Geometrie und Lage im Bauteil. Darüber
hinaus lassen sich innenliegende, verdeckte Strukturen vermessen. Softwaremodule
gestatten die Darstellung beliebiger Ebenen aus den komplett rekonstruierten Volu-
mendaten sowie eine räumliche Abbildung auch einzelner Volumenbereiche.
Die industrielle 3-D-CT ermöglicht es der Industrie (Abbildung 3.35), schnel-
ler neue Produkte und Produktionsverfahren zu entwickeln sowie die Qualität ihrer
Produkte zu überprüfen und zu optimieren. Die 3-D-CT ist ein sehr schnelles Mess-
verfahren im Vergleich zur konventionellen CT, die pro Messung nur ein Schnittbild
erstellt. Sie kann für spezielle Anwendungen bis hin zur prozessintegrierten Prüf-
technik optimiert werden. Durch den Einsatz von hochauflösenden Detektoren und
Quellen werden Auflösungen bis in den µm-Bereich erreicht.
Abbildung 3.35: Industrielle 3-D-Computer-Tomographie-Anlage
Nachfrageschwerpunkte ergeben sich aus den Bereichen Verkehrstechnik,
Guss-, Kunststoff-, Gummi- und Automobilindustrie.
Durch einen modularen Aufbau und eine offene Systemarchitektur wird ein
breites Anwendungsfeld abgedeckt. Durch Austausch und Adaption einzelner Mo-
dule können kundenspezifische CT-Systeme aufgebaut bzw. vorhandene Röntgen-
systeme zu CT-Systemen ausgebaut werden.
Die volumetrische Vermessung und Rekonstruktion, ein schneller Rekonstruk-
tionsalgorithmus, sowie die Nutzung schneller, PC-basierender Rechnerstrukturen
3 Experimentelle Grundlagen 59
ermöglichen eine hohe Prüfgeschwindigkeit. Der modulare Aufbau und der Einsatz
neuer Systemkomponenten führen zu hoher Prüfdynamik, reduzierten Kosten und
höherer Funktionalität. Kundenspezifische 3-D-CT Systeme werden zusammen mit
einem industriellen Partner aufgebaut (Abbildung 3.35) [27].
3.2.3 Weißlichtinterferometrie (WLI)
3.2.3.1 Weißlichtinterferometer
Das Weißlichtinterferometer ist ein Lichtmikroskop mit auswechselbaren In-
terferometerobjektiven und einem softwaregesteuert justierbaren Probentisch. Der
ganze Aufbau befindet sich auf einem schwingungsgedämpften Tisch. Die Auswer-
tung erfolgt in einer Workstation oder einem leitungsstarken PC. In Abbildung 3.36
ist der Strahlengang im Weißlichtinterferometer schematisch dargestellt [28].
Abbildung 3.36: Strahlengang im Weißlichtinterferometer [29]
I1 =
1
2
⋅I0 ⋅ 1+ cos 2 ⋅k⋅ r1 −r2( )[ ]{ }
I2 =
1
2
⋅I0 ⋅ 1− cos 2 ⋅k⋅ r1 −r2( )[ ]{ }
Das Licht der Wolfram-Halogen-Lampe wird im Objektiv geteilt. Ein Strahl fällt
auf eine Referenebene, der andere fällt auf die Probenfläche. Nach Reflexion interfe-
rieren beide im Inneren des Interferometers. Die dunklen und hellen Streifen des In-
terferenzbildes resultieren aus der unterschiedlichen Phasenverschiebung zwischen
Referenz- und Probenstrahl. Diese Information wird mittels Frequenz-Domänen-
( G 3.8 )
( G 3.9 )
3 Experimentelle Grundlagen 60
Analyse im Computer in eine Höheninformation umgerechnet. Mittels eines piezo-
elektrischen Aktors wird das Objektiv in der Höhe äußerst präzise verfahren und so-
mit die gesamte Oberfläche in Z-Richtung abgerastert. Die Gesamtheit aller Interfe-
renzbilder liefert ein quantitatives 3D-Bild [28].
Grundlagen Interferenzkontrast
Interferenz entsteht bei Überlagerung von Wellen. Die Wellengleichungen sind
alle linear. Stellen zwei Wellen jeweils einzeln eine Lösung der Wellengleichung dar,
so ist auch ihre Summe eine Lösung. Aufgrund der Linearität der Wellengleichung
können sich Wellen beliebig überlagern und dadurch komplexe Muster bilden. Dies
kann auch zeitlich begrenzt sein. So laufen zwei lokalisierte Wellen durcheinander
durch ohne einander zu beeinflussen. Dies ist auch für Lichtwellen im Vakuum der
Fall: zwei Laserstrahlen können sich kreuzen ohne einander zu beeinflussen. Als
einfachsten Fall betrachten wir die Interferenz zwischen zwei harmonischen Wellen
mit gleicher Amplitude, Frequenz und Wellenvektor, aber unterschiedlicher Phase
(Abbildung 3.36). Dann ist die resultierende Welle die Summe der beiden primären
Wellen.
Die beiden Wellen können in Phase sein: wenn ∆r = 0, so addieren sich die
beiden Wellen. Schwingen die beeiden in Gegenphase, das heißt ∆r = π, so löschen
sie sich aus (Abbildung 3.37). Man spricht in den beiden Fällen von konstruktiver,
respektiv destruktiver Interferenz [29].
Abbildung 3.37: Zweistrahlinterferenz
Im Interferenzkontrastmikroskop wird die Beleuchtung in zwei Strahlenbündel
geteilt. Ein Strahl wird von der Probe reflektiert, der andere von einem flachen Spie-
Welle 1 Welle 1
Welle 2 Welle 2
a) konstruktiver Interferenz b) destruktiver Interferenz
3 Experimentelle Grundlagen 61
gel. Danach werden die beiden Strahlen zusammengeführt, so dass sie interferieren.
Die Interferenzmuster können eingesetzt werden, um die Probendicke bei Transmis-
sion oder die Probenrauhigkeit in Reflektion zu messen.
Ein quantitatives Interferenzverfahren für genaue, berührungslose Messungen
der Niveauunterschiede von Oberflächen (10 bis 30 µm) ist die Auflicht-Interferenz-
Einrichtung nach Mirau [30].
Mirau-Weißlichtinterferometer
Abbildung 3.38: Mirau-Weißlichtinterferometer [30]
Mit dieser Anlage sind Oberflächencharakterisierungen von glatten sowie stark
strukturierten Proben, berührungslose Flächenmessungen und Defekt- und Rau-
heitsanalysen möglich. Vorteil des Mirau-Weißlichtinterferometers (Abbildung 3.38)
ist die eindeutige Definition der absoluten Höhe des Reflektionspunktes.
Die Weißlicht-Interferenz-Mikroskopie ermöglicht die Höhenbestimmung durch
Auffinden der Kontrastmaxima der räumlich entstehenden Interferogramme in Form
eines Höhenscans für alle Oberflächenpunkte parallel, aber voneinander unabhängig
[30].
CCD-Kamera
Konvergentlinsen
Lichtquelle
Objektivlinse
Teilerspiegel
ReferenzspiegelProbe
3 Experimentelle Grundlagen 62
3.2.3.2 Bestimmung der Rauhigkeit im Weißlichtinterferometer
Nach dem Schleifvorgang (Abbildung 3.30) wird jedes Graphitstück mit Gold
beschichtet (Parameter der Kathodenzerstäubung: Ar-Druck 0,08 mbar, Strominten-
sität 50 mA, Zeit 90 s). Ohne die Goldschicht sind die Rauhigkeitsmessungen mit
dem Weißlichtinterferometer auf Graphit unmöglich, weil die Graphitproben zu
schwarz sind, um einen guten Interferenzkontrast einzustellen.
Mit dem Weisslichtinterferometer (OMP-0347C Metropro der Firma Zygo) wer-
den Rauhigkeitswerte Ra entlang einer Distanz von 2,5 mm gemessen, um die ver-
schiedenen Substrate vergleichen zu können.
Ra ist die mittlere Abweichung von der Mittellinie. Als Mittellinie wird ist beste
passende Oberfläche definiert, die im Messbereich liegt [31].
Ra =
yi
Ni=1
N
∑ ( G 3.10 )
yi = absolute Tiefe jedes Punktes
N = Zahl des diskreten Elements entlang der Analysedistanz
Mit der orthoradialen Schleifrichtung sind die Schleifrillen parallel gerichtet.
Durch Schleifen in klassischer gleichsinniger Drehung sind die Rillen verflochten
(Abbildung 3.39 und 3.40).
Abbildung 3.39: Erosionsprofil und Topographie für die orthoradiale Schleifrichtung
auf feinkörnigem Graphit (Schleifpapier: 220 mesh/inch)
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Diplomarbeit gesamt

  • 1. Diplomarbeit Herstellung von SCHOTT BK7-Glaskugeln Vincent Fetzer Im Fachbereich Werkstoffwissenschaften durchgeführt am Lehrstuhl für Pulvertechnologie von Glas und Keramik Universität des Saarlandes Prof. Dr. Rolf Clasen In Kooperation mit SCHOTT Glas Mainz Dr. U. Kolberg Mai 2004
  • 2. Hiermit erkläre ich, dass ich diese Arbeit selbständig und nur mit Zuhilfenahme der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Saarbrücken, den 10.05.2004 Vincent Fetzer
  • 3. Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. R. Clasen für die Bereitstellung dieses interessanten Themas. Frau E. Jungblut und Herrn Dipl. -Ing. S. Kühn danke ich auch für die fachliche Betreuung, die vielen Korrekturen und die wertvollen Anregungen während dieser Arbeit. Herrn Dr. G. Falk möchte ich für die Korrektur der Arbeit und seine nützlichen Verbesserungsvorschläge danken. Herrn Dr. U. Kolberg danke ich für die Betreuung und seine Ratschläge. Herrn Dr. F. Büllesfeld möchte ich in diesem Zusammenhang ebenfalls danken. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls für Pulvertechnologie von Glas und Keramik spreche ich für die vielen hilfreichen Diskussionen und Anregungen ebenfalls meinen Dank aus. Danken möchte ich Herrn Dipl.-Ing. A. Bub und Frau M. Oliveras für die Röntgen- Computer-Tomographie, Herrn Dipl.-Ing. N. Jeanvoine für die WLI- Rauhigkeitsmessungen, Herrn Dipl.-Ing. Y. Wolff für die Temperatur- und die Druckmessungen, und Herrn H. Strauß für das Goldbesputtern. Meiner Familie danke ich für die Unterstützung während meines gesamten Studiums.
  • 4. Inhaltsverzeichnis 4 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung und Aufgabenstellung 2 Theoretische Grundlagen 2.1 Verfahren zur Kugelherstellung 2.1.1 Sprühverfahren 2.1.1.1 Plasmaspritzen 2.1.1.2 Drehender Lichtbogen 2.1.1.3 Versprühen von Suspensionen 2.1.2 Sinterverfahren 2.1.2.1 Klassische Sinterverfahren 2.1.2.2 Sol-Gel-Verfahren 2.1.3 Heißformgebung 2.1.3.1 Flammverfahren 2.1.3.2 Versprühen von schmelzflüssigem Glas 2.1.3.3 Vergießen von Glas auf gekühlter Walze 2.1.4 Schmelzvorrichtung mit wärmeabgebenden Stoffen 2.2 Theorie der Benetzungsvorgänge 3 Experimentelle Grundlagen 3.1 Verschiedene Methoden zum Schmelzen von Glas 3.1.1 Induktionsschmelzen 3.1.1.1 Induktionserhitzung 3.1.1.2 Induktionsofen 3.1.1.3 Versuchsbeschreibung zum Erschmelzen von Glaskugeln 3.1.1.3.1 Schmelzen eines Grünkörpers auf Graphit (I1) 3.1.1.3.2 Schmelzen von Grünkörper und Pulver im Graphittiegel (I2) 3.1.1.3.3 Schmelzen von Grünkörper und Pulver im Graphittiegel mit Deckel (I3) 3.1.1.3.4 Schmelzen von BK7-Glas im Graphittiegel mit Deckel (I4) 3.1.1.3.5 Schmelzen von konstanter Pulvermengen im Graphittiegel mit Deckel (I5) 3.1.1.3.6 Schmelzen von siebgedruckten Grünkörper auf Graphitplatte (I6) 3.1.1.3.7 Schmelzen eines Tiegels durch Bohrungen in Graphit (I7) ....................................................................... 7 .................................................................................... 9 ......................................................................... 9 ............................................................................................ 9 ....................................................................................... 9 ......................................................................... 10 ............................................................ 11 .......................................................................................... 12 .................................................................. 12 ................................................................................ 13 ........................................................................................ 14 ................................................................................... 14 .............................................. 15 ............................................. 15 ................................. 17 .................................................................. 19 ............................................................................... 24 ....................................... 24 ................................................................................. 24 ............................................................................... 24 ...................................................................................... 28 .................. 38 ............................... 38 .......... 39 .......................................................................................... 40 ............. 40 .......................................................................................... 41 .. 43 ............. 44
  • 5. Inhaltsverzeichnis 5 3.1.1.3.8 Schmelzen mit Boron-Nitrid-Spray auf dem Graphitsubstrat (I8) 3.1.1.3.9 Schmelzen mit drehbarer Induktionsofenanlage im Rohr (I9) 3.1.2 Mikrowellenerhitzung 3.2 Charakterisierungsmethoden 3.2.1 Kontaktwinkelmessungen 3.2.1.1 Erster Kontaktwinkelmessaufbau 3.2.1.2 Grünkörper auf grobem Graphitsubstrat (K1) 3.2.1.3 Kontaktwinkelmessungen von BK7-Glasteilchen auf verschiedenen Substraten (K2) 3.2.1.4 Kontaktwinkelmessungen von Teilchengröße von BK7-Glas (K3) 3.2.1.5 Zweiter Kontaktwinkelmessaufbau 3.2.1.6 Vergleich der verschiedenen Kontaktwinkel im Abhängigkeit des Na- Sulfat-gehaltes (K4) 3.2.1.7 Einfluss der Rauhigkeit verschiedener Graphitsubstrate (K5) 3.2.1.8 Fehlerproblem bei der Kontaktwinkelmessung 3.2.2 Computer-Tomographie 3.2.3 Weisslichtinterferometrie 3.2.3.1 Weisslichtinterferometer 3.2.3.2 Bestimmung der Rauhigkeit im Weisslichtinterferometer 3.3 Proben und Probenpräparation 3.3.1 Ausgangsrohstoffe 3.3.1.1 N-BK7 von Schott, Optisches Glas 3.3.1.2 Grünkörpern 3.3.2 Substrate 3.4 Vorstellung des gesamten Untersuchungsprogramms 3.4.1 Erschmelzen von Glaskugeln 3.4.2 Kontaktwinkelmessunge 4 Ergebnisse und Diskussion 4.1 Ergebnisse der Schmelzprozesse 4.1.1 Vergleich der verschiedenen Substratformen 4.1.2 Vergleich unterschiedlicher Vorbehandlungen der Ausgangsmaterialien 4.1.3 Dichteverteilung 4.1.4 Vergleich der Ausgangsform der BK7 Teilchen ........ 45 ............. 45 .................................................................................... 45 ............................................................................. 49 .............................................................................. 49 ............................................................ 49 .......................................... 50 ....................................................................................... 51 ........... 51 ........................................................... 52 ................................................................................. 53 .................. 54 ........................................ 55 ................................................................................ 56 ............................................................................... 59 .......................................................................... 59 ........................ 62 .......................................................................... 63 ........................................................................................ 63 .......................................................... 63 ............................................................................................. 65 ....................................................................................................... 66 .................................... 67 ....................................................................... 67 ................................................................................ 70 ................................................................................. 72 ..................................................................... 72 ............................................... 72 ..... 73 ............................................................................................ 52 ............................................ 74
  • 6. Inhaltsverzeichnis 6 4.1.5 Vergleich der Haltezeiten bei gleicher Schmelztemperatur mit BK7- Teilchen als Ausgangsmaterial 4.1.6 Vergleich der Haltezeiten bei gleicher Schmelztemperatur mit gemahlenem Grünkörper als Ausgangsmaterial 4.1.7 Versuch zur Verkleinerung des Kugeldurchmessers 4.1.8 Versuche zur Transparenzsteigerung 4.1.8.1 Temperatureinfluss und violette Verfärbung 4.1.8.2 Einfluss der Haltezeit 4.1.9 Schmelzen von siebgedruckten Grünkörper auf Graphitplatte 4.1.10 Schmelzen im Tiegel mit Vertiefungen 4.1.11 Schmelzen auf Boro-Nitrid beschichteten Substraten 4.1.12 Sinterversuch mit dem Levi-Graphitrohr 4.2 Kontaktwinkelergebnisse 4.2.1 Grünkörper auf grobem Graphitsubstrat 4.2.2. Zeitliche Änderung des Kontaktwinkels auf verschiedenen Substraten 4.2.3 Abhängigkeit von der Teilchengröße der BK7-Glasteilchen 4.2.4 Vergleich der verschiedenen Kontaktwinkel im Abhängigkeit des Na- Sulfat- gehaltes 4.2.5 Einfluss verschiedener Rauhigkeit des Graphitsubstrates 5 Zusammenfassung 6 Ausblick 7 Literaturverzeichnis 8 Anhang 8.1 Schott N-BK7, Optisches Glas 8.2 Graufilter 8.3 Technische Zeichnungen .................................................................. 75 ....................................... 75 ................................. 76 ........................................................ 77 ......................................... 77 ............................................................................ 78 .................. 79 .................................................... 79 ............................. 80 .................................................. 80 ................................................................................ 82 .................................................... 82 ... 83 ...................... 83 ......................................................................................... 84 ......................... 86 ............................................................................................. 87 .............................................................................................................. 89 ........................................................................................... 90 ................................................................................................................ 93 ........................................................................ 93 ......................................................................................................... 94 ............................................................................... 95
  • 7. 1 Einleitung und Aufgabenstellung 7 1 Einleitung und Aufgabenstellung Die Herstellung von Glaskugeln ist charakterisiert durch die Größe und Form der Kügelchen sowie die Eigenschaften des Glases. Die Produktionsmethoden werden überwacht, um die Prozessparameter zu überprüfen. Es gibt drei verschiedene Glas- kugeltypen: hohle, poröse und feste. Hohle und poröse Kugeln können durch die Randdicke, die Form und die Porenverteilung charakterisiert werden. Die Oberfläche und Kugelform sind auch wichtige Parameter. Jedes Verfahren ist nur zur Herstel- lung spezifischer Größen geeignet, man kann Kugeldurchmesser zwischen 10 nm und einigen Zentimetern erreichen. Die Kugeln haben verschiedene interessante Anwendungen in folgenden Berei- chen: Füllung in Polymeren oder Lacken, reflektierende Oberfläche für Verkehrsbe- schilderung und Straßenlinien, optische Linsen, Verbindungen zwischen zwei Licht- wellenleitern, Abstandhalter in Flüssigkristall-Bildschirmen, Kugeln zum Kochen von Chemikalien, Trägermaterial für Katalysatoren zur Abgasreinigung, Kugeln zum Dampfstrahlen, Senkung der Explosionsgefahr in explosiven Flüssigkeiten, elektri- sche Isolation, Strahlentherapie gegen Krebs, klinische Betten für Behandlung der Brandpatienten, Kosmetikum, Spaltungreaktor-Kraftstofffördermaschine, Destillati- onskolonne, Chromatographie- oder Trennkolonne, Entgraten, Endbearbeitung. Es ist das Ziel des Projektes, Wege zur Herstellung von hochpräzisen Glasku- geln aus Schott BK7 mit einem Durchmesser von 0,500 ± 0,005 mm über eine Sin- terglasroute kombiniert mit einer Heißverrundung aufzuzeigen und experimentell möglichst genau zu verifizieren. Die Glaskugeln sollen aus Grünkörpern als Aus- gangsmaterial hergestellt werden. Im Rahmen dieser Arbeit sollen die Möglichkeiten untersucht werden, einen al- ternativen Prozess zur Mikrokugelherstellung aus Schott BK7-Glas auf Graphitsub- strat zu erproben. Zur Lösung des Problems werden verschiedene Ansätze erprobt: Variation des Ausgangsmaterials: Es können Grünkörper oder gemahlene Grün- körper eingesetzt werden oder Pulver mit ähnlicher Zusammensetzung wie BK7- Glas verwendet werden.
  • 8. 1 Einleitung und Aufgabenstellung 8 Variation von Tiegelgeometrie und Tiegelwerkstoff : Wahl des Substratswerk- stoffes und seiner Geometrie. Es werden verschiedene Graphite, Bornitrid und Glas- kohlenstoff eingesetzt. Studie der Wechselwirkung zwischen Glas und Substrat: die Eignung bestimmter Tiegelwerkstoffe und –geometrien zur Ausbildung einer Kugelform wird mittels Kon- taktwinkelmessungen untersucht. Je schlechter die Benetzung, desto runder wird die Kugel. Prozessparameter der Herstellung: Variation der Heizmittel, Sinterkinetik (Tem- peratur/Zeit Profile), Atmosphäre und weiterer Parameter. Analyse der Ergebnisse: Die Charakterisierung der Glaskugeln nach Rundheit und Größe, erfolgte mittels Lichtmikroskopie und Computer-Tomographie. Die Dichte der Glaskugeln wurde mit Hilfe des Archimedisches Prinzips bestimmt. Es handelt sich um ein Grenzflächenproblem, wobei von besonderem Interesse die Grenzflächen fest/flüssig sind. Allerdings sind diese Daten der Grenzflächen- energien schwer zu bestimmen, da sie, wegen der hohen Temperatur des geschmol- zenen Glases, nicht einfach experimentell gemessen werden können. In dieser Ar- beit wird aufgezeigt, welches Verfahren bei der Bestimmung der Parameter am bes- ten geeignet erscheint, um die BK7-Glaskugelherstellung zu optimieren.
  • 9. 2 Theoretische Grundlagen 9 2 Theoretische Grundlagen 2.1 Verfahren zur Kugelherstellung 2.1.1 Sprühverfahren 2.1.1.1 Plasmaspritzen Mit Hilfe der Plasmatechnologie können Glasmikrokugeln hergestellt werden. Als Ausgangsmaterial wird je nach erwünschter Kugelgröße gemahlenes Glas für Kugeln mit einem Durchmesser zwischen 5 und 500 µm oder eine Glasstange für Kugeln mit einem Durchmesser zwischen 500 und 1500 µm benutzt. Um größere Kugeln zu erreichen, werden die Glasstangen im Gasstrom eines Plasmabrenners aufgeschmolzen und versprüht. Die Glaskugeln werden dann abgekühlt und aufge- fangen. Für dieses Verfahren werden hoch schmelzende und zähflüssige Gläser be- nutzt. Bei der hohen Temperatur des Plasmas können Mikrokugeln schnell herge- stellt werden [1]. Das Verfahren zur Mikrokugelherstellung durch Plasmaspritzen ist in der Ab- bildung 2.1 dargestellt. Glasfasern mit einem Durchmesser zwischen 1,0 und 2,5 µm werden automatisch in den Plasmabrenner (1) eingeführt. Aufgrund der hohen Tem- peratur wird das Ende der Fasern abgeschmolzen und gelangt in den Gasstrom. Die Schmelze wird zerstäubt und Mikrokugeln bilden sich im Plasmagasstrom. Die Mik- rosphären kühlen schon beim Fliegen entlang der refraktären Kegel (2) ab. Dann werden die Kugeln beim Kontakt mit der wassergekühlten Metallhemisphäre (3) gänzlich abgekühlt. Die Kugeln fallen in ein vibrierendes Sieb (4), wo sie nach Teil- chengröße separiert werden. Die Charge mit den großen Kugeln wird in einem Be- hälter (5) angesammelt, während die kleinen Kugeln über eine Rohrleitung (6) entla- den werden. Das Plasmagas wird über Ventilation (7) abgesaugt. Je höher der Gasfluss ist, desto genauer ist die Korngrößenverteilung um den Mittelwert konzentriert. Mit einem optischen Mikroskop sind Luftblasen mit einem Durchmesser zwischen 20 und 50 µm in den Kugeln erkennbar. Auf der Oberfläche der Kugel kann während des Plasmaspritzens der Dampfdruck des Kalknatronglases im Temperaturintervall zwischen 2000 und 3000 K erreicht werden. Alkalische Oxide verdampfen zuerst und zerfallen. Siliziumoxide verdampfen als Letzte. Es ändert sich also die Glaszusammensetzung: die Konzentration an metallischen Oxiden wird ge-
  • 10. 2 Theoretische Grundlagen 10 senkt (Rückgang von 0,7 ± 0,2 % im Gewicht), aber die Konzentrationen der Calci- um- und Siliziumoxide werden erhöht (Anstieg von 0,6 ± 0,2 % und 0,9 ± 0,2 Gew. %). Diese Veränderung der chemischen Zusammensetzung des Gla- ses verändert den Brechungsindex (um 0,005 bis 0,008) und erhöht die chemische Beständigkeit, was ein Vorteil beim Plasmaspritzen von Mikrosphären ist [1]. Abbildung 2.1: Plasmaspritzaufbau [1] 2.1.1.2 Drehender Lichtbogen Bei diesem Verfahren wird ein Lichtbogen mit einer Leistung von 5 kW einge- setzt. Als Ausgangsprodukt benutzt man gemahlene Teilchen aus Glas mit einer Partikelgröße knapp unter 100 µm. Nach dem Sieben werden nur Partikel mit Durchmesser kleiner als 30 µm verwendet. Mit willkürlich geformten Partikeln unter- schiedlicher Durchmesser (Verteilungsbreite Durchmesser: 5 µm) werden 85 % der Pulverteilchen zu Mikrosphären umgewandelt. Die Kugelförmigkeit erhöht sich mit der Abnahme der Pulverdurchflussrate [2]. Dieser Prozess zum Herstellen der Mikrokugeln im drehenden elektrischen Bogenplasma ist in der Abbildung 2.2 dargestellt. Der elektrische Bogen zwischen Elektroden (1) und (2) wird von der Stromquelle (3) geliefert. Die Spulen (4) und (5) produzieren ein magnetisches Feld, so dass die Induktion B zum elektrischen Entla- dungsstromvektor J senkrecht steht. Das magnetische Feld bewirkt die Lorenz Kraft F = J×B, d.h. die Ablenkung des Lichtbogens. Die Frequenz des magnetischen Feldes wird gemessen (6). Mit der 7 6 3 5 4 1 2 1 Plasmabrenner 2 refraktärer Kegel 3 wassergekühlte Metallhemisphäre 4 vibrierendes Sieb 5 Auffangbehälter 6 Rohrleitung 7 Ventilation
  • 11. 2 Theoretische Grundlagen 11 Anlage (7) werden Glaspartikel unter Argon-Gasdruck mit vorher festgesetzter Durchflussrate, begrenzt durch einen Druckminderer (8), in das thermisch ionisierte Gas getragen [2]. Abbildung 2.2: Prinzip der Herstellung von Mikrokugeln im drehenden elektrischen Bogenplasma (1 und 2 Elektroden, 3 Stromquelle, 4 und 5 Spulen, 6 Drehmessgerät, 7 Düse, 8 Druckminderer) [2] 2.1.1.3 Versprühen von Suspensionen Das Verfahren dient der Herstellung von anorganischen Mikrokugeln. Die Suspension wird zu einer durchschnittlichen Tröpfchengröße von 3 µm versprüht. Diese versprühten Schlicker werden erhitzt, um das Pulver aufzuschmelzen oder zu sintern [3]. Mit diesem Verfahren ist es möglich Glasteilchen, Quarz, SiO2-Gel oder Pulver mit unterschiedlicher Zusammensetzung als Ausgangsmaterial zu benutzen. Zum Versprühen soll der Durchmesser der Suspensionströpfchen kleiner als 5 µm sein. Um den Prozess zu vereinfachen, wird als Flüssigkeit Kerosin, helles Öl oder Alkohol benutzt. Da die flüssige Phase brennbar ist, kann sie zum Aufschmel- zen des Pulvers in der Flamme dienen. Wenn der Füllgrad der Suspension zu niedrig ist, verringert sich die Kugelausbeute. Wenn er zu hoch ist, erhöht sich die Viskosität, weshalb feine flüssige Tröpfchen durch die Düse schwer zu bilden sind und man kei- ne einheitliche Kugelform und Kugelgröße erreichen kann. 1 2 4 5 8 7 7 I 6 B = B1 + B2 → → → → → → → B1 B2 B1 B2 3
  • 12. 2 Theoretische Grundlagen 12 Die Suspension fließt zunächst durch einen Ultraschallzerstäuber. Die entste- henden Tröpfchen werden in der Flamme erhitzt, um das Pulver in den verbrennen- den Tröpfchen zu sintern oder zu schmelzen. Die Mikrokugeln bilden sich dabei. Mit einer Doppeldüse werden die Suspension und die Gasmischung gleichzeitig ver- sprüht. Der Sauerstoffgasstrom beeinflusst die Verbrennungstemperatur. Wenn die Sauerstoffgaskonzentration zu niedrig ist, ist die Temperatur zu niedrig, um das Pul- ver vollständig aufzuschmelzen, und man kann Agglomeratbildung und eine schlechte Kugelform beobachten. Als Ausgangsmaterial wird eine Suspension aus 250 g Quarz, 12 g einer Säure mit Oligomertensid und 600 g Kerosin in einer Kugel- mühle gemischt. Der Mittelwert des Tröpfchendurchmessers beträgt bei diesem Verfahren 0,2 µm. Diese Suspension wird mit einer Mischung aus 20 % Kohlendioxid und 80 % Sauerstoffgas gesprüht. Die Temperatur in dem Brenner erreicht 1200 °C. Es werden Kugeln mit einem durchschnittlich Durchmesser von 3 µm (93 % der Ku- geldurchmesser sind kleiner 10 µm) erreicht [3]. 2.1.2 Sinterverfahren 2.1.2.1 Klassische Sinterverfahren Teilchen aus Bi2O3, TiO2 und WO3 werden dosiert in einen Mörser gegeben und dort mit dem Stampfer gründlich vermischt. Die trockenen Pulvermischungen werden zu Pellets unter einem Druck von etwa 17,2 MPa und bei 600 °C gesintert, die gesinterten Pellets werden zu Teilchen der gewünschten Mikrokugelgröße gesto- ßen, in einer Flamme zu Mikrokugeln umgeformt und gesiebt, um Kügelchen von weniger als etwa 38 µm abzutrennen, die eine schlechte Rundheit aufweisen. Im Durchschnitt haben die Mikrokugeln eine Größe von etwa 44 µm [4]. Die Mikrokugeln werden wärmebehandelt, indem sie zu einer dünnen, etwa 3 mm dicken, Schicht in eine etwa 300 x 300 mm2 messende Schale aus nicht ros- tendem Stahl gefüllt und diese in einen auf 640 °C vorgewärmten Ofen eingesetzt wird. Nach 4 Minuten wird die Schale herausgenommen. In einem offenen Raum können Schale und Mikrokugeln dann schnell auf Zimmertemperatur abkühlen [4].
  • 13. 2 Theoretische Grundlagen 13 2.1.2.2 Sol-Gel-Verfahren Die Gläser aus der Sol-Gel-Herstellung sind reiner und man benötigt weniger Heizenergie als für die Herstellung aus dem konventionellen Schmelzprozess [5]. Die Herstellung kristalliner Mehrkomponentenoxide ist mit diesem Verfahren auch mög- lich. Die SiO2-Quelle dieser Methode ist Siliziumalkoxid Si(OR)4 (wie zum Beispiel TMOS = Tetramethoxysilikat oder TEOS = Tetraethoxysilikat). Dieser Prozess kann mit einer Polymerisationsreaktion verglichen werden und gliedert sich in verschiede- ne Schritte: - Hydrolyse: Das Alkoxid löst sich im Alkohol und kann durch Hinzufügen des Was- sers hydrolysiert werden [4]. Dieser erste Schritt führt zu der reaktiven Bildung von Si-OH: Si(OR)4 + 4 H2O → Si(OH)4 + 4 ROH ( R 2.1 ) - Kondensation: Die OH-Gruppe werden zu Wasser abgespalten: Si(OH)4 → SiO2 + 2 H2O ( R 2.2 ) Die ersten SiO2-Festteilchen werden während der Hydrolyse gebildet. Sie ver- binden sich gegenseitig und bilden ein monolithisches, netzartiges Gel. Am Ende der Hydrolyse bildet sich ein sprödes Gelnetzwerk: Die Alkoholverdampfung gibt eine unterwünschte Schwindung, die bei überkritischem Trocknen niedriger sein kann. Der Rest des Alkohols dieses Gels wird in einem Stahlbehälter verdampft. Ein Tröpfchengenerator wird benutzt, um eine Alkohollösung der Metallalkoxi- de zu sprühen. Die Gel-Mikrokugeln werden bei 250 °C verfestigt, dann bei 500 bis 800 °C vollständig entwässert und anschließend bei über 800 °C verdichtet [5]. In Abbildung 2.3 ist die Anlage dargestellt. Die Lösung wird mit einer Vaku- umpumpe (2) aus dem Behälter (1) gesaugt. Der Tröpfchengenerator (3) besteht aus einem zylinderförmigen Behälter. Die Flüssigkeit fließt durch eine kleine Öffnung auf seine Oberseite. Die Flüssigkeit wird mit einem piezoelektrischen Kristall in die Heiz- säule (4) gesprüht, dadurch wird ein kugelförmiges Tröpfchen gebildet, die Tröpf- chenbildung wird durch ein Blitzlicht (5) und einen Detektor (6) gesteuert. Durch die Funktion des Tröpfchengenerators und die Steuerung des Heizsystems (7) und Thermoelement (8) werden die flüssigen Tropfen in Gelmikrosphären umgewandelt. Um die Flüssigkeit in Gelmikrokugeln ohne ihre Form zu ändern oder Knicken auf ihrer Oberfläche zu produzieren, müssen die Temperaturverteilung (in Nähe von 500 °C) und die Luftdurchflussmenge in der vertikalen Säule gesteuert werden. Die-
  • 14. 2 Theoretische Grundlagen 14 se Steuerung ist dank der Ventilatoren (10) an der Unterseite des vertikalen Schlauchs möglich [6]. Abbildung 2.3: Sol-Gel-Tröpfchen-Verfahren (1 Behälter, 2 Vakuumpumpe, 3 Tröpfchengenerator, 4 Heizsäule, 5 Blitzlicht, 6 Detektor, 7 Heiz- system, 8 Thermoelement, 9 Behälter, 10 Ventilatoren) [6] Wasser, Ethanol, und Salzsäure in den Gelmikrosphären werden durch die Wärmbehandlung der Mikrosphären in einem Ofen zwischen 500 und 700 °C ent- fernt. Dann werden die Kugeln mit einer Temperatur zwischen 750 und 1100 °C auf- geschmolzen. Von diesem Temperaturbereich hängt die Größe und die Form der Kugeln ab [7] [8] [9]. 2.1.3 Heißformgebung 2.1.3.1 Flammverfahren Nach diesem Verfahren zur Herstellung von Mikrokugeln werden die Aus- gangspulver zur Glasherstellung als Pulver (vorzugsweise zwischen etwa 0,01 und 50 µm Größe) dosiert, vermischt und dann in einem gasbeheizten oder elektrischen Ofen verschmolzen, bis alle Bestandteile in flüssiger Form vorliegen. Dann schreckt 5 9 10 10 1 3 2 6 7 4 8
  • 15. 2 Theoretische Grundlagen 15 man die Schmelze in Wasser ab. Nach dem Trocknen zerstößt man das Glas zu ei- ner für die endgültigen Mikrokugeln gewünschten Größe. Die Teilchen können ge- siebt werden, um den erforderlichen Größenbereich sicherzustellen. Dann führt man die Teilchen durch eine Flamme mit einer Temperatur von etwa 1100 °C bis 1450 °C, in der sie die Kugelform annehmen [10] [11] . 2.1.3.2 Versprühen von schmelzflüssigem Glas Ausgangsmaterial dieses Verfahrens ist geschmolzenes Glas. Nachdem die Charge bis zur Verflüssigung aller Bestandteile erwärmt worden ist, wird die flüssige Charge in einen Luftstrahl mit hoher Geschwindigkeit gesprüht. Die viskose Glas- schmelze wird mit hohem Druck zwischen 25 und 30 bar bei einer Temperatur zwi- schen 1100 °C und 1450 °C durch eine Düse gesprüht. In dem resultierenden Strom bilden sich dann die Glasmikrokugeln der gewünschten Größe aus. Die Luftge- schwindigkeit wird in diesem Verfahren so eingestellt, dass die sich bildenden Mikro- kugeln die gewünschte Größe erreichen. Man kann mit geschmolzenem Glas durch Versprühen Mikrokugeln mit einem Durchmesser von einigen hundert Mikrometern herstellen [12]. 2.1.3.3 Vergießen von Glas auf gekühlter Walze Mit diesem Verfahren werden Glasteilchen aus einem thermisch vorgespann- ten Glas gebrochen. Je stärker ist die Abkühlung (bis ungefähr TG), und damit das Erstarren auf der Kühlfläche erfolgt, desto stärker die Eigenspannung des Glasban- des. Der Transformationsbereich TG eines Glases ist dabei der Temperaturbereich, in dem die unterkühlte Glasschmelze vom plastischen in den für Glas typischen sprö- den Zustand übergeht. Nach dem Zerbrechen werden die Glasstücke klassiert. Im freien Fall durchlaufen sie dann einen Ofen, wo sie wieder aufgeschmolzen werden. Danach fallen sie durch eine Kühlzone. Glaskugeln werden durch die Oberflächen- spannung der geschmolzenen Teilchen gebildet. Am Ende werden die Kugeln abge- kühlt [13]. Dieser Prozess wird in der Abbildung 2.4 dargestellt.
  • 16. 2 Theoretische Grundlagen 16 Abbildung 2.4: Glaskugelherstellung aus geschmolzenem Glas (1 Gießbehälter, 2 Auslassdüse, 3 abgekühlter Zylinder, 4 Brechelement, 5 Klassie- rer, 6 Heizzone, 7 Kühlzone) [13] In einem Gießbehälter (1) wird Glas bei einer Temperatur zwischen 1400°C und 1500 °C geschmolzen. Bodenseitig weist der Behälter eine Auslassdüse (2) auf. Die Glasschmelze fließt in einem Strahl zwischen 3 und 15 mm Dicke auf die Kühl- fläche eines Zylinders (3), der in Drehbewegung versetzt wird. Die Größe der Glas- schichten auf dem Zylinder hängt von seiner Geschwindigkeit ab: Dicken zwischen 0,6 bis 6 mm können erreicht werden. Die Vorspannung hängt von der Intensität der Abkühlung (Temperaturdifferenz und Warmleitfähigkeit des Glases), der Wärmeaus- dehnung des Glases, dem Elastizitätsmodul des Glases und der Glasart ab. Das thermisch verspannte Glasband wird mit einem mechanischen Brechelement (4) in Stücke gebrochen. Nachdem die Glasstücke den Klassierer (5) durchlaufen haben, fallen sie im freien Fall durch eine Heizzone (6), in der die Glasstücke aufgeschmol- zen werden. Glasteilchen werden unter der Wirkung ihrer Oberflächenspannung zu Kugeln geformt. Nach Durchlaufen der Heizzone werden die Glaskugeln in der Kühl- zone (7) abgekühlt. Diese zwei Zonen folgen in einer vertikalen Säule nacheinander. 1 2 3 4 5 6 7
  • 17. 2 Theoretische Grundlagen 17 Die Größe der Teilchen hängt von den Verfahrensparametern ab. Dann kann man auch mit dem Sieb die Kugelgröße am Ende steuern [13]. 2.1.4 Schmelzvorrichtung mit wärmeabgebenden Stoffen Dieses Verfahren ist eine alternative Lösung zum Erhitzen, Schmelzen oder Erweichen von Stoffen in disperser Form, insbesondere zur Herstellung von dichtem oder porösem Quarzgut, Quarzglas, Glas oder ähnlichen Stoffen für die Weiterverar- beitung zu Formkörpern, die eine glasige, kristalline oder teilweise kristalline Struktur aufweisen. Bei diesem Verfahren erfolgt die Wärmeabgabe an das zu erhitzende Gut durch in der Schmelzvorrichtung befindliche Stoffe, deren Schmelzpunkt über dem des zu schmelzen Gutes liegt. Die Erhitzung der wärmeabgebenden Stoffe kann hierbei durch Verbrennungshitze oder Induktion erfolgen. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass durch die Wärmeträger für die Erhitzung eine maximale Wärmeüber- gangsfläche erreicht wird. Dies hat einen maximalen Wärmewirkungsgrad sowie eine hohe Schmelzleistung zur Folge. Es gibt auch die Möglichkeit unter Druck, Vakuum oder Schutzgas zu arbeiten. Die Größe der Kugeln hängt von den Wechselwirkungen zwischen dem Wärmeträger und dem Schmelzgut ab [14]. Entsprechend Abbildung 2.5 wird ein zylinderförmiger Behälter (1) von einer Wärmeisolationsschicht (2) und einem Mantel (3) umgeben. Der zylinderförmige Be- hälter (1) ist an seiner unterem Öffnung (6) mit einem Verschlussteil (8), in dem eine oder mehrere Eingabevorrichtungen (9) angeordnet sind, und an seiner oberen Öff- nung (5) mit einem Sammelbehälter (7) verbunden. In dem zylinderförmigen Behälter (1) befindet sich ein Wärmeträger (4), der durch eine Induktionswicklung (12), die um die gesamte Einrichtung herum angeord- net ist, erwärmt wird. Durch eine entsprechende Anordnung der Induktionswicklung (12) kann innerhalb des Wärmeträgers (4) ein bestimmtes Temperaturgefälle erreicht werden. Das zu erhitzende, zu schmelzende oder zu erweichende Gut (10) wird mit- tels der Eingabevorrichtungen (9) dem induktiv erhitzen Wärmeträger (4) zugeführt, wo es, bedingt durch den Auftrieb, diesen nahezu vertikal von unten nach oben durchwandert. Der Wärmeträger (4) gibt seine Wärme an das zu erhitzende, zu schmelzende oder zu erweichende Gut (10) ab, wodurch dieses erhitzt, geschmolzen oder erweicht wird. Das erhitzte, geschmolzene oder erweichte Gut (11) setzt sich oberhalb des Wärmeträgers (4) in einem Sammelbehälter (7) ab.
  • 18. 2 Theoretische Grundlagen 18 Abbildung 2.5: Längsschnitt durch die Vorderansicht der Erhitzungs-, Schmelz- oder Erweichungseinrichtung für Quarzgut, Quarzglas oder ähnli- che Stoffe (1 zylinderförmiger Behälter, 2 Wärmeisolationsschicht, 3 Mantel, 4 Wärmeträger, 5 obere Öffnung, 6 untere Öffnung, 7 Sammelbehälter, 8 Verschlussteil, 9 Eingabevorrichtungen, 10 schmelzende oder erweichende Gut, 11 geschmolzene oder er- weichte Gut, 12 Induktionswicklung, 13 Formvorrichtung, 14 Kühl- vorrichtung, 15 Strang) [14] Durch eine weitere Induktionswicklung (12) wird das erhitzte, geschmolzene oder erweichte Gut (11) zusätzlich erhitzt, so dass es in Form eines Stranges (15), eines Rohres unter Anbringung einer Lufteinblasvorrichtung oder eines scheibenför- migen Profils über eine Formvorrichtung (13) in Verbindung mit einer Kühlvorrichtung (14) aus dem Sammelbehälter (7) kontinuierlich abgezogen werden kann [14]. 4 1 2 3 5 6 7 8 9 10 11 12 12’ 13 14 15
  • 19. 2 Theoretische Grundlagen 19 2.2. Theorie der Benetzungsvorgänge Unter einer Oberfläche versteht man die sichtbare Fläche einer Flüssigkeit o- der eines Festkörpers, die an ein undefiniertes Gas, zum Beispiel die normale Um- gebungsluft, grenzt. Der Begriff Grenzfläche bezeichnet die Fläche zwischen zwei Phasen [15]. Ursache für die Oberflächenspannung sind Wechselwirkungen zwischen be- nachbarten Molekülen. Die resultierende Kraft ist im Mittel Null und das Molekül be- findet sich im Gleichgewicht. Wenn aber ein Molekül an der Flüssigkeitsoberfläche betrachtet wird, fehlt ein Teil der Wechselwirkungen mit anderen Molekülen. Statt- dessen gibt es Wechselwirkungen zwischen den Molekülen des gebunden Gases und der Dampfphase der Flussigkeit (Abbildung 2.6). Abbildung 2.6: Beispiel für Kraftauswirkung auf Moleküle an der Oberfläche einer Flüssigkeit [15] Als resultierende Kraft wirkt auf das Molekül an der Oberfläche eine nach in- nen, senkrecht zur Oberfläche, gerichtete Kraft. Daher bilden Flüssigkeiten Formen, die durch eine kleinstmögliche Oberfläche gekennzeichnet sind, wie zum Beispiel ein runder Tropfen. Wenn zwei Medien in Kontakt kommen, benetzt das eine Medium das andere: eine Grenzfläche bildet sich. Um die Wechselwirkung zum Beispiel zwischen fester und flüssiger Phase zu beschreiben ist die Frage zu klären, ob eine Feststoffoberflä- che von einer Flüssigkeit benetzt wird oder nicht. Wenn der Tropfen einer Flüssigkeit auf einer ebenen festen Oberfläche liegt, gibt es verschiede Wechselwirkungen, die zur vollständigen Benetzung oder zu einer unvollständigen Benetzung der Oberflä- che durch die Flüssigkeit führen können. Im Fall vollständiger Benetzung bildet sich Krafteinwirkung an der Grenzfläche Krafteinwirkung im in- neren der Flüssigkeit resultierende Kraft
  • 20. 2 Theoretische Grundlagen 20 ein durchgehender Flüssigkeitsfilm auf der Oberfläche aus (Abbildung 2.7 c). Im Fall unvollständiger Benetzung bildet sich ein Tropfen mit einem endlichen Kontaktwinkel. Man spricht von schlechter Benetzung, wenn die Kontaktwinkel größer als 90° sind (Abbildung 2.7) [16]. Abbildung 2.7: Schematische Darstellung typischer Benetzungsvarianten: a) schlechte Benetzung; b) gute Benetzung; c) Spreitung oder völlige Benetzung (v = vapour, l = liquid, s = solid) [16] Die Größe dieser verbleibenden Fläche wird durch die Grenzflächenspannung gekennzeichnet. Diese kann nicht direkt gemessen werden. Die Ursache für die O- berflächenspannung sind Wechselwirkungen zwischen benachbarten Molekülen. Um die Molekül aus dem Inneren der Flüssigkeit an die Grenzfläche zu brin- gen, muss gegen die Resultierende der Molekülkräfte Arbeit geleistet werden [17]. Die Größe der Arbeit (∆W) bezogen auf die dabei gebildete Fläche (∆A) ist die Ober- flächenspannung σ. Die zu leistende Arbeit entspricht einer Energie, daher spricht man auch von einer Oberflächenenergie. Beide Ausdrücke, die Oberflächenspan- nung und die Oberflächenenergie, sind gleichberechtigt. σ = ∆ W/ ∆ A ( G 2.1 ) Die Einheit ist mN/m (1 mN/m = 1 mJ/m2 = 1 dyn/cm = 1 erg/cm2 ) Zur Messung der Oberflächenspannung verwendet man verschiedene Verfah- ren. Die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten kann direkt gemessen werden. A- ber die Oberflächenspannung von Festkörpern lässt sich nur indirekt messen. Man muss bei allen Methoden den Winkel bestimmen, den die Festkörperoberfläche in Kontakt mit einer bestimmten Testflüssigkeit, deren Oberflächenspannung bekannt ist, bildet. Der Winkel, den die an der Tropfenoberfläche anliegende Tangente mit der Festkörperoberfläche bildet, wird als Randwinkel Θ, Kontaktwinkel oder Benet- zungswinkel bezeichnet [17]. c) Θ = 0° l s v Θ a) Θ > 90° s l v b) Θ < 90° Θ s l v
  • 21. 2 Theoretische Grundlagen 21 Die Oberflächenspannung eines Flüssigkeitströpfchens bewirkt die Verkleine- rung seiner Oberfläche, um die energetisch günstigste Form der Oberfläche bezogen auf ein gegebenes Volumen einzunehmen. Die Oberflächenspannung an der Grenz- fläche einer flüssigen Phase und einem Festkörper wird durch die Gleichung von Young beschrieben (Abbildung 2.8). Abbildung 2.8: Kräftegleichgewicht am liegenden Tropfen [17] Das Verhalten einer flüssigen Phase auf einem Festkörper folgt der Glei- chung: σsl = σs - σl · cos Θ ( G 2.2 ) σs Festkörperoberflächenspannung (mN/m) σl Flüssigkeitsoberflächenspannung (mN/m) σsl Grenzflächenspannung (mN/m) Θ Kontaktwinkel (Grad) Der Kontaktwinkel ist ein Maß für das Benetzungsverhalten. Um einen Kon- taktwinkel messen zu können, muss die Oberflächenspannung der Testflüssigkeit größer als die Oberflächenspannung des Festkörpers sein [17]. Wenn die Oberflä- chenspannung von Testflüssigkeit und Substrat gleich sind, beobachtet man voll- ständige Benetzung, der Kontaktwinkel wird gleich 0°. Wie in der Young’schen Glei- chung ist die Grenzflächenspannung auch gleich 0 mN/m (Abbildung 2.7 c). Bei einer völlige Benetzung des Festkörpers, die auch als Spreitung bezeichnet wird, ist cos Θ = 1 und Θ = 0°. Spreiten tritt ein, wenn σs ≥ σl. Dieses Verhalten kennzeichnet den Spreitungsdruck pSp: σs – ( σsl + σl ) = pSp > 0 ( G 2.3 ) σsl σl σs σl cos Θ Θ
  • 22. 2 Theoretische Grundlagen 22 Es gibt empirische Formel für Benetzungsverhältnisse, wenn der Randwinkel Θ < 30° beträgt. Bei Θ = 180° läge völlige Nichtbenetzbarkeit vor, in der Praxis gibt es diesen Fall nicht. Durch den Kontakt zwischen den Komponenten stellt sich auch eine Haftung ein. Diese Haftung ist durch die Adhäsionsarbeit gekennzeichnet: Wad = σs + σl - σsl ( G 2.4 ) Die Adhäsionsarbeit ist am höchsten, wenn die Oberflächenspannung der bei- den Komponenten gleich hoch ist. Das gleiche gilt auch für die Rissbildung in Fest- körpern, wenn durch Bruch zwei Oberflächen von einem Material entstehen. Man spricht von der Kohäsionsfestigkeit, die auch eine Arbeit ist: Wkoh = 2 · σs ( G 2.5 ) Da die Grenzflächen- und Oberflächenspannungen aus Kräften zwischen A- tomen oder Molekülen resultieren, kann es sinnvoll sein, die Polarität zu berücksich- tigen, wie zum Beispiel in dem Fall der Polymere. Zu den unpolaren Kräften gehören die Dispersionskräfte. Zu den polaren Kräften, die zwischen dipolaren Molekülgrup- pen bestehenden, Wirkungen wie beispielsweise Wasserstoffbrückenbindungen. Die Oberflächenspannung lässt sich in einen unpolaren dispersiven σd Anteil und einen polaren σp Anteil aufteilen: σ = σd + σp ( G 2.6 ) Mit Auswertung der Oberflächenspannung des Festkörpers werden dipersive und polare Anteile der Oberflächenspannung ausgewertet. σlv, σsl und σsv sind thermodynamische Eigenschaften der Flüssigkeit und des Festkörpers und bestimmen den Kontaktwinkel zwischen Flüssigkeit und Festkörper. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass Kontaktwinkelphänomene komplizierter sind. In unserem Fall ist die Flüssigkeit ein geschmolzenes Glas. Die Größe des Kontakt- winkels hängt daher von weiteren Parametern, wie beispielsweise der Homogenität und der Rauheit der Oberfläche des Substrats ab. Mit Hilfe der Kontaktwinkelmessungen werden im Folgenden die Wechselwir- kungen zwischen geschmolzenem Glas und verschiedenen Substraten untersucht.
  • 23. 2 Theoretische Grundlagen 23 Die Oberflächenspannung von Kunststoffen unterscheidet sich deutlich von den Oberflächenspannungen von Glas, Eisen und anderen Metallen. Kunststoffe weisen eine deutlich geringere Oberflächenspannung auf. In Tabelle 2.1 sind die Oberflächenspannungen verschiedener Werkstoffe mit den polaren und dispersiven Anteilen aufgeführt. Tabelle 2.1: Oberflächenspannungen verschiedener Werkstoffe [18] Werkstoffe σd (mN/m) σp (mN/m) σ (mN/m) Metalle 1000-5000 Eisen 1400 Quecksilber 484 Keramik 500-1500 Glas 300 PTFE 18,6 0,5 19,1 PVC 37,7 7,5 45,2 PA 6 36,8 10,7 47,5 Glimmer 27,3 39,8 67,1 PVC 37,7 7,5 45,2 Die Flüssigkeit mit der höchsten Oberflächenspannung ist Quecksilber mit 484 mN/m. Dieses ist jedoch stets mit Wasser oder anderen Atmosphärilien benetzt, so dass seine eigentliche Oberflächenspannung nur im extremen Vakuum unter schwer erreichbaren Bedingungen zum tragen kommt. Von allen anderen Flüssig- keiten hat Wasser mit 72,1 mN/m die höchste Oberflächenspannung. Es können sich daher nur Randwinkel auf Substraten ausbilden, deren Festkörperoberflächenspan- nungen kleiner als die von Wasser sind (alle Kunststoffe zum Beispiel) [23].
  • 24. 2 Theoretische Grundlagen 24 [1] V. Bessmerthnyi, V. Krokhin, A. Lyashko, N. Drizhd and Z. Shekhovtsova, Pro- duction of glass microspheres using the plasma-spraying method. Glass and Ce- ramics 58 (2001) 268-269. [2] I. Bica, Formation of glass microspheres with rotating electrical arc. Mat. Sci. Eng. B 77 (2000) 210-212. [3] K. Arai, H. Hirano, K. Yamada and M. Satoh, Process for producing inorganic microspheres and glass microballoons, EP 0 801 037 A1, Patent, Asachi Glass Company LTD, 1997. [4] C.Tung, and J. Laird, Ultra-high-index glass microspheres and products made therefrom, US 4 192 576,Patent, Minnesota Mining and Manufacturing Company, 1980. [5] J. Livage, Les procédés sol-gel. Verre 6 (2000) 12-16. [6] S. Sakka, The Current State of Sol-Gel Technology. J. Sol-Gel Sci. & Technol. 3 (1994) 69-81. [7] J. Y. Ding and D. E. Day, Preparation of silica glass microspheres by sol-gel pro- cessing. J. Mater. Res. 6 (1991) 168-174. [8] B. Karmaker, G. De, D. Kundu and D. Ganguli, Silica microspheres from the system tetraethyl orthosilicate-acetic acid-water. J. Non-Cryst. Solids 135 (1991) 29-36. [9] M. Titulaer, J. Jansen and J. Geus, The preparation and characterization of sol- gel silica spheres. J. Non-Cryst. Solids 168 (1994) 1-13. [10] T. Adachi, J. Kawashima, M. Shoshi, M. Matsubara, K. Sakai and T. Nakasone, Sol-Gel Production of Silica Microparticles. Key Engineering Materials 150 (1998) 1-6. [11] R. Bychkov and V. Lezhepekov, A disintegrator to make grain for glass- microsphere production. Steklo i keramika 10 (1979) 558-560. [12] C. Tung and B. Fellows, Durable glass elements, GB 2 001 953 A, Patent, Mi- nessota Mining and Manufacturing Companie, 3M Center, 1978. [13] B. Pirstadt, E. Brandau and B. Rüdebusch-Thiemann, Verfahren und Vorrich- tung zur Herstellung von Glaskugeln, DE 42 00 6674 A1, Offenlegungsschrift, Nukem GmbH, 1993. [14] P. Hirsch, Method for heating melting or softening glass in dispersed form, US 3607 171, Patent, VVB Technisches Glas, 1971.
  • 25. 3 Experimentelle Grundlagen 24 3 Experimentelle Grundlagen 3.1 Verschiedene Methoden zum Schmelzen von Glas 3.1.1 Induktionsschmelzen 3.1.1.1 Induktionserhitzung Die elektromagnetische Induktion ist die Grundlage der induktiven Erwärmung. Eine Primärspule erzeugt durch einen Wechselstromfluss ein Magnetfeld. Dieses Magnetfeld induziert in einer Sekundärspule eine Spannung, die wiederum einen Wechselstromfluss zur Folge hat. Im Gegensatz zum Transformator sind die Strom- verluste bei der induktiven Erwärmung in der Sekundärspule (in unserem Fall das Werkstück, Abbildung 3.1) erwünscht [19]. Abbildung 3.1: Rohr, das von einem fünfwindigen Induktor umschlossen ist Die induktive Erwärmung wird durch zwei physikalische Vorgänge beschrie- ben: die Erzeugung eines elektromagnetischen Feldes und die Existenz des resul- tierten Temperaturfelds, das sich durch die von Wirbelströmen verursachte Verlust- wärme ausbildet. Eine von einem hochfrequenten Strom durchflossene Spule er- zeugt ein elektromagnetisches Wechselfeld. Innerhalb des elektrisch leitenden Er- wärmungsgutes werden dadurch Wirbelströme induziert. Die Erwärmung entsteht also im Werkstück ohne Berührung mit der Primär- spule. Es gibt Primärspulen (Induktoren) mit unterschiedlicher Windungszahl. Die Intensität der Erwärmung hängt von verschiedenen Faktoren ab: - von der Stärke des elektromagnetischen Feldes,
  • 26. 3 Experimentelle Grundlagen 25 - vom Werkstückwiderstand (Stahlwerkstoffe lassen sich sehr gut, Kupferwerkstoffe gut erwärmen), - von der magnetischen Kopplung des Induktors zum Werkstück (Werkstück im In- nenfeld des Induktors ergibt einen besseren Übertragungswirkungsgrad als Werk- stück im Außenfeld, wie zum Beispiel Erwärmen einer Bohrung). Die für die Erwärmung verantwortlichen Wechselströme fließen aufgrund des Skineffektes hauptsächlich am äußeren Rand des Werkstücks. Je nach Frequenz unterscheidet man zwischen Niederfrequenz (0,05 bis 0,5 kHz), Mittelfrequenz (0,5 bis 50 kHz) und Hochfrequenz (50 bis 10 000 kHz). Je höher die Frequenz, desto konzentrierter ist der Stromfluss in der Werkstückoberfläche [20]. Abbildung 3.2: Einfluss der Frequenz auf die Induktionserwärmung eines Stahl- stabes [20] Die Stromdichte ist im Wesentlichen von der Frequenz abhängig. Die Abbil- dung 3.2 zeigt sinngemäß die Stromdichteverteilung in einem Zylinder bei Hochfre- quenz (0,05 bis 0,5 kHz), Mittelfrequenz (0,5 bis 50 kHz) und Niederfrequenz (50 bis 10 000 kHz) [20]. Niedrige Frequenzen werden zum ganzheitlichen Erwärmen, zum Aufschmel- zen, zum Löten von kompakten Teilen, Durchhärten, oder Schrumpffügen angewen- f = Hochfrequenz f = Niederfrequenz f = Mittelfrequenz d
  • 27. 3 Experimentelle Grundlagen 26 det. Höhere Frequenzen für oberflächliche Erwärmungen, wie zum Beispiel Rand- schichthärten. Der Zylinderdurchmesser steht dabei in einem bestimmten Verhältnis zur Fre- quenz. Wird dieses Verhältnis unterschritten, geht die Energieübertragung gegen Null, d. h. die induzierten Ströme heben sich zunehmend gegenseitig auf. Um diese erhältnisse zueinander in Beziehung setzen zu können, muss zunächst die Strom- eindringtiefe definiert werden. Wie aus Abbildung 3.2 ersichtlich, nimmt sie von ihrem Maximalwert an der Oberfläche zum Werkstückinneren hin rapide ab. Die Tiefe, bei der die Stromdichte auf 37 % ihres Maximalwertes gesunken ist, bezeichnet man als Stromeindringtiefe δ. In dieser Schicht werden 86,4 % der eindringenden Energie in Wärme umgesetzt. Aus den mathematischen Zusammenhängen lässt sich eine einfache Formel zur Berechnung der Stromeindringtiefe δ ableiten [20]: δ = k⋅ r rµ ⋅ f ( G 3.1 ) k = Konstante ρ = spezifischer elektrischer Widerstand µr = relative Permeabilität f = Frequenz Damit sich die induzierten Ströme in der Mitte des Metallzylinders nicht aufhe- ben und damit der Übertragungswirkungsgrad nicht gegen Null geht, sollte das Ver- hältnis des Durchmessers d des gegebenen Metallzylinders zur Stromeindringtiefe δ folgende Werte aufweisen: - für eine annähernd verlustarme Energieübertragung: d / δ ≥ 6 - für eine optimale durchgehende Erwärmung: d / δ = 3,5 Gegenüber anderen Erwärmungsverfahren ermöglicht die induktive Erwär- mungsmethode die folgenden Vorteile: - Prozesszeiten sind kurz durch die hohe Energiedichte - präzise Energiedosierung und hohe Reproduzierbarkeit des Erwärmungsprozesses
  • 28. 3 Experimentelle Grundlagen 27 Unter der Annahme von konstanten Stoffwerten und eines Erwärmungsgutes in Form eines unendlich ausgedehnten Halbraums mit einer ebenen Oberfläche nimmt das elektromagnetische Feld exponentiell in Ausbreitungsrichtung ab und ist in der Stromeindringtiefe δ auf 1/e seines Wertes an der Oberfläche abgefallen [20]. Selbstinduktion und Induktivität der Spule Wenn ein Wechselstrom I(t) durch eine Leiter fließt, ändert sich das Magnet- feld B und der magnetische Fluss φm(t) ebenfalls periodisch. Aufgrund des Indukti- onsgesetzes induziert der zeitlich variierende Fluss eine Wechselspannung in der Spule. Dieser Effekt heißt Selbstinduktion [19]. f = L ⋅I ( G 3.2 ) Der Faktor L, die Induktivität des Leiters, hängt nur von seiner Gestalt und der Per- meabilität des umgebenden Mediums ab. Man sieht, dass φm(t) direkt proportional zu I(t) ist. Die Induktivität der Spule hängt nur von der Geometrie der Spule (in unserem Fall wurde immer die Gleiche benutzt) und dem Material des Kerns ab. Die Indukti- vität L hat die Dimension 1 Henry = 1 Vs/A. Generell kann für jede Leiterkonfiguration eine Induktivität berechnet werden. Daraus folgern wir, dass alle Leiteranordnungen eine Induktivität haben (analog dazu weisen alle Leiter eine Kapazität C auf) [21]. Für die Zylinderspule erhält man allgemein: L = f⋅ µ⋅ µ0 ⋅ A ⋅N2 l ( G 3.3 ) L = Induktivität f = Spulenformfaktor (0 < f < 1) µ = Permeabilität des Vakuums µ0 = Permeabilität des inneren Materials A = Querschnitt der Spule N = Windungszahl der Spule l = Länge der Spule (A << l2 ) Der Spulenformfaktor f berücksichtigt mögliche Streufeldverluste.
  • 29. 3 Experimentelle Grundlagen 28 Energiedichte des Magnetfeldes Ähnlich wie für das elektrische Feld leitet man die Energie und Energiedichte des magnetischen Feldes her. Die Arbeit ist gegeben durch das zeitliche Integral ü- ber die Leistung: WL = dt⋅Uind ⋅ 0 t ∫ I = dt⋅L dI dt ⋅I 0 t ∫ = d⋅I⋅L ⋅I 0 t ∫ = 1 2 ⋅L ⋅I2 ( G 3.4 ) Diese Energie ist im magnetischen Feld der Spule gespeichert ist [19]. Erwärmungsleistung im Werkstück Die Wirbelströme verursachen innerhalb des Leiters aufgrund seines spezifi- schen Widerstandes eine Joule’sche Erwärmung RW. Für die im Werkstück umge- setzte Leistung PJ gilt folgender Zusammenhang: PJ = I2 ⋅RW ( G 3.5 ) Die innerhalb der Stromeindringtiefe liegenden Wärmquellen führen zu einer Temperaturerhöhung im Bauteil. Die Verteilung hängt im Wesentlichen von der Wärmleitfähigkeit, von der spezifischen Wärmkapazität und der Dichte des Materials ab. An der Oberfläche treten zusätzlich Konvektions- und Strahlungsverluste auf, die vornehmlich bei höheren Werkstücktemperaturen zu einer verstärkten Abkühlung des Werkstücks führen [19]. 3.1.1.2 Induktionsofen Wie in Abbildung 3.3 dargestellt, besteht die Induktionsofenanlage aus meh- reren Teilen. Zum einen aus der Stromquelle (Generator), die mit Drehstrom betrie- ben wird und dem eigentlichen Ofen, bestehend aus einer Kupferspule und einem Kieselglasrohr. Die Kupferspule, die induktiv das Graphit im Kieselglasrohr erhitzt, wird mit Wasser gekühlt. In dem Kieselglasrohr befindet sich das Graphit mit dem Grünkörper. Der Generator hat eine Leistung von 5 kW. Der Oszillator wird bei einer Frequenz von 300 kHz betrieben. Der Induktionsofen hat den Vorteil, dass die Graphitmatrix und somit auch die darin befindliche Probe direkt erhitzt werden kann. Das Erhitzen der Graphitmatrix im Induktionsofen geschieht innerhalb weniger Sekunden, was eine beträchtliche Zeit- einsparung gegenüber dem Sintern in einem Rohrofen ermöglicht. Die Temperatur
  • 30. 3 Experimentelle Grundlagen 29 wird mit einem Pyrometer (Fa. Heidmann, KT 19.42 G, Spektralbereich: 4,9 - 5,5 µm) gemessen und als Regelgröße für die Leistung des HF-Generators genutzt. Der Generator kann über einen Bereich von 0 – 100 % abgegebener Leistung stufenlos eingestellt werden. Die Leistungsaufnahme der Graphitsuszeptoren ist zu- sätzlich von der Dimensionierung der Spule (Windungszahl, Durchmesser, Spulen- länge) abhängig. Die Erhitzung der Suszeptoren kann in beliebiger Gasatmosphäre oder auch unter Vakuum durchgeführt werden. Die verwendeten Graphitsubstrate haben in der Regel Abmessungen von 26 x 17 x 11 mm3 (LxBxH). Die Anlage wird mit einem Thermoelement als auch mit einem Pyrometer kalibriert. Bei Veränderung der Geometrie des Substrates muss auch eine neue Kalibrierung durchgeführt wer- den, da die Einkopplung von der Geometrie des Substrates abhängt. Generator: 180 V, 5 kW, 300 kHz Spule: Nr. 1: 4 Windungen, Ø = 43 mm, Cu-Rohr Ø = 8 mm Nr. 2: 7 Windungen, Ø = 43 mm, Cu-Rohr Ø = 8 mm Vakuumpumpe: 10 mbar (Membranpumpe) Abbildung 3.3: Induktionsofenaufbau Die klassische Temperaturmessung mit einem Thermoelement war wegen des elektromagnetischen Feldes im Inneren der Spule problematisch. Um die Temperatur zu bestimmen, wird daher ein Pyrometer benutzt. Zum Kalibrieren des Pyrometers wird das Substrat in dem Pt-Rh-Rohrofen der Firma Heraeus (Leistung: 1,3 kW, ma- ximal Temperatur 1700 °C) erwärmt und dabei gleichzeitig mit einem Thermoelement und dem Pyrometer die Temperatur des Substrats gemessen. In die Rückseite des Graphitwürfels wird ein Loch gebohrt, um mit einem Thermoelement vom Typ S die Temperatur des Graphitsubstrats direkt zu bestimmen. Um eine vergleichbare Tem-
  • 31. 3 Experimentelle Grundlagen 30 peraturverteilung in Induktions- und Rohrofen zu erhalten, wird in beiden Öfen die gleiche thermische Isolierung mit einer kreisförmigen Öffnung benutzt. Das Fenster aus Kieselglas wird nicht benutzt, weil Kieselglas für den Strahlungsbereich des Py- rometers (spektrale Empfindlichkeit zwischen 4,9 und 5,5 µm) nicht transparent ist. Zunächst wird im Pt-Rh-Ofen gemessen. Das Pyrometer wurde durch die runde Öff- nung auf die vordere Graphitwürfeloberfläche fokussiert. Der Abstand zwischen der Probe und dem Pyrometer wird bestimmt, um einen Messfelddurchmesser von 5 mm auf der Graphitwürfeloberfläche anzuvisieren und dabei durch die kreisförmige Öff- nung nicht gestört zu werden. Mit diesem System wird die Temperaturanzeige des Pyrometers auf die Thermoelement-Temperatur kalibriert. Anschließend wird die Pyrometermessung unter gleichen Bedingungen im Kiesel- glasrohr des Induktionsofens reproduziert: gleiche Graphitwürfeldimensionen, glei- cher Abstand zwischen Graphitwürfeloberfläche und dem Pyrometer, und auch die gleiche thermische Isolierung mit der gleichen Öffnung wurden benutzt (Abbildung 3.4). Der Zusammenhang zwischen der Temperatur des Graphitwürfels und der Steuerleistung kann so bestimmt werden. Abbildung 3.4: Aufbau zur Kalibrierung der Pyrometermessung In Abbildung 3.5 ist die mit dem Pyrometer gemessene Temperatur des Gra- phitwürfels gegenüber der mit dem Thermoelement gemessenen Temperatur aufge- tragen. Diese Kalibrierung wird in einem Pt-Rh-Ofen (Fa. Heraeus, Leistung: 1,3 kW, maximale Temperatur: 1700 °C) durchgeführt. Somit kann die Anzeige der Pyrome- tertemperatur mit der eines Thermoelements abgeglichen werden. Pyrometer Graphitstückthermische Wand 545 mm 55 mm Messfelddurchmesser
  • 32. 3 Experimentelle Grundlagen 31 Die Kalibrierung muss für alle Substrattypen wiederholt werden. Änderung der Geometrie, oder der Graphitart der Probe ändern die Abstrahlung. In einem Abstand von 600 mm zwischen Pyrometer und Probe beträgt der Durchmesser der Messfläche des Pyrometers 9 mm. Die Pyrometerposition wird für jeden Substrattyp angepasst, um die gesamte Messfläche auf dem Graphitsubstrat zu zentrieren und so die größtmögliche Abstrahlung messen zu können. Die Tempe- ratur des Graphitsubstrats lässt sich mithilfe der Kalibrierung zur Einstellung des Reglers für die Spulenspannung des Induktionsofens korrelieren (Abbildung 3.6). Abbildung 3.5: Kalibrierung des Pyrometers im Rohrofen Benutzte Substrate Substrate werden aus verschiedenen Graphitarten und Glaskohlenstoff ge- schnitten: - grobkörniger Graphit (aus Schott Abteilung, 26 x 17 x 11 mm3 , einzige und doppelte Platte), - feinkörniger Graphit (FE-779 der Firma Schunk, 24 x 24 x 5 mm3 , doppelte Platte), - Glaskohlenstoff (Sigradur G der Firma HTW, 24 x 24 x 5 mm3 , doppelte Platte). 500 600 700 800 900 1000 1100 1200 1300 1400 500 700 900 1100 1300 1500 TOfensteuerung (°C) TThermoelement(°C) TOfensteuerung (°C) TThermoelement(°C)
  • 33. 3 Experimentelle Grundlagen 32 Abbildung 3.6: Temperatur des Ofens in Abhängigkeit der Spannung für ver- schiedene Tiegelarten Abbildung 3.7: Temperaturverlauf der doppelten Platte aus feinkörnigem Graphit- substrat Zeit (s) 400 600 800 1000 1200 1400 1600 10 30 50 70 90 Spannung (% der max. Spannung, Umax=180V) Temperatur(°C) doppelte Platte von grobkörnigem Graphitsubstrat doppelte Platte von feinkörnigem Graphitsubstrat einzige Platte von grobkörnigem Graphitsubstrat Spannung (% der max. Spannung Umax= 180Spannung (% der max. Spannung, Umax = 180 V)Spannung (% der max. Spannung, Umax = 180 V) 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 0 50 100 150 200 250 Zeit (s) Temperatur(°C) Zeit (s)Zeit (s)
  • 34. 3 Experimentelle Grundlagen 33 Ventilfluss: Kalibrierung der Mikroventile Als Schutzgasventil wird das Mikroventil B-6MG-MM der Firma Swagelok be- nutzt. Eine volle Ventildrehung entspricht 0,25 Ventileinheiten (Abbildung 3.8). Abbildung 3.8: Gasfluss in Abhängigkeit der Ventilstellung Vorrichtung zum Drehen des Induktionsofens Während einer Kontaktwinkelmessung wird beobachtet, dass ein geschmol- zener Glastropfen zu rollen anfängt, wenn das Substrat leicht gekippt wird. Die Be- obachtung, dass der Glastropfen, auf dem heißen Graphitsubstrat rollt, hat zur Idee geführt, das Substrat zu neigen, um die Rundheit der geschmolzene Glastropfen zu erhöhen. Anhand der Kontaktwinkelmessungen lässt sich erkennen, dass der Fehler in der Rundheit aus der Benetzung der Glaströpfchen auf dem Substrat resultiert. Mit dem aktuellen Induktionsaufbau ist jedoch nur eine Drehung des Rohres mit dem Substrat möglich. Auf diese Weise sind keine Kugeln herstellbar, denn die Glaströpf- chen prallten gegen die Oberfläche des Kieselglasrohres und kühlen dabei ab, wobei sie ihre Kugelform verlieren. Durch Verkippung des Ofens könnte die Rollrichtung der Tröpfchen zum Rohrende geändert werden. Somit kann die Kugel über die gesamte Länge des Substrates rollen, das in der Kieselglasröhre gehaltert ist. Die Aufhängung durch die Achse im Schwerpunkt des Induktionsofens ermöglicht dieses, wie im Ab- bildung 3.9 gezeigt. 0 20 40 60 80 100 120 140 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 Ventileinheit Gasfluss(mL/s) Ventileinheit
  • 35. 3 Experimentelle Grundlagen 34 Abbildung 3.9: Drehbare Induktionsofenanlage Diese drehbare Induktionsofenanlage bringt folgende Vorteile: - der Winkel ist exakt einstellbar, - das elektromagnetische Feld kann nicht einkoppeln wegen der PVC- Kieselglasrohrhalterung mit PE-Feststellschraube und Aluminiumoxid Isolationsring, - die Drehachse führt durch den Schwerpunkt des Ofens, so dass die drehbare In- duktionsofenanlage in allen Drehpositionen stabil ist, - die Anlage kann frei zwischen 0 und 90° gedreht werden, also in alle Drehwinkel zwischen der Horizontalen und der Senkrechten. Wie zuvor werden dichte Al-Flansche benutzt, um die Oxidation des Substra- tes zu verhindern. Das Problem der Abkühlung der geschmolzenen Glaströpfchen wird durch die Benutzung eines langen Graphit-Substratrohres gelöst, dessen Ende innerhalb der Spule zu liegen kommt. Da sich nur ein Ende des Substratrohres in der Spule befin- det, wird beim Erhitzen ein Temperaturgradient zwischen diesem Ende und dem Rest des Substrates erzeugt. Die Kugel kann also aus der Heißen Zone des Ofens auf dem Substrat herausrollen und sich dabei abkühlen.
  • 36. 3 Experimentelle Grundlagen 35 Abbildung 3.10: Drehbare Induktionsofenanlage Das Graphitrohr wurde in der Werkstatt des Fraunhofer Institut für Biomateria- lien IBMT gefertigt, da andere klassische Werkstätten wegen des entstehenden Gra- phitstaubs nicht dazu in der Lage waren. Aufgrund der Geometrie kann ein regelmä- ßiger homogener Temperaturgradient im Rohr erzeugt werden. In dem Graphitrohr wurde eine Bohrung in dem zu erhitzenden Ende eingebracht, um die Temperatur an der heißesten Stelle mit einem Thermoelement vom Typ S messen zu können. Ein senkrechtes Loch wurde in die gleiche Seite des Rohrs gebohrt, durch das die Grün- körperteilchen in das Graphitrohr gelegt wurden. Um das Kieselglasohr gegen Kris- tallisation durch die hohe Temperatur zu schützen, wurde das Graphitrohr im heißen Bereich auf einen geringeren Radius abgedreht, so dass es keinen Kontakt mehr zu dem Kieselglasrohr hat (Abbildungen 3.10 und 3.11). Abbildung 3.11: Prinzipdarstellung des Graphitrohres für die drehbare Induktions- ofenanlage
  • 37. 3 Experimentelle Grundlagen 36 Einfluss der Kopplung auf das Thermoelement Ein Thermoelement besteht aus zwei metallischen Leitern, die an ihren Enden zusammengelötet sind. Die Fähigkeit von Elektronen, ein Metall zu verlassen, wird durch die so genannte Ablöse- oder Austrittsarbeit bestimmt. In der Spule koppelt das elektromagnetische Feld in das Thermoelement ein und beeinflusst die Temperaturmessung. Um die Kopplung in das Thermoelement zu eliminieren, wird ein Tiefpassfilter eingesetzt. Man kann so den Einfluss des magne- tischen Feldes herausfiltern. Denn der Tiefpassfilter filtert aus dem Thermoelement- signal die Hochfrequenz, die aus der Spule des Oszillators emittiert wird, heraus. Dank dieses Tiefpassfilters bleibet nur noch der Gleichspannungsanteil übrig (Abbil- dung 3.12). Abbildung 3.12: Temperaturmessungen eines Graphitwürfels (grobkörniger Graphit 26 x 17 x 11 mm3 ) mit verschiedenen Thermoelementen im Ver- gleich zu der Pyrometermessungen Position des Graphitrohres in der Spule In den ersten Versuchen wird die Position des Graphitrohres in der Spule op- timiert. Das Rohr muss in der Spule so platziert werden, dass die Induktivität der Spule nicht das Oszillatorteil überlädt: verschiedene Positionen werden erprobt (Ab- bildungen 3.13 und 3.14). Das Rohr muss mit dem einen Ende 38 mm außerhalb 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Spannung (% der max. Spannung) Temperatur(°C) Pyrometer Typ S mit Filter Typ B mit Filter Spannung (% der max. Spannung, Umax = 180 V)
  • 38. 3 Experimentelle Grundlagen 37 des PVC-Trägers befestigt werden um mit dem anderen Ende 41 mm in die Spule einzudringen. Diese Position wird auf dem Rohr markiert. Abbildung 3.13: Erwärmungszeit des Graphitrohrs (13 mm außerhalb des PVC- Trägers) Abbildung 3.14: Erwärmungszeit des Graphitrohrs (38 mm außerhalb des PVC- Trägers) 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 0 20 40 60 80 100 Zeit (s) Temperatur(°C) 60 %U 50 %U 40 %U 30 %U 20 %U 10 %U Zeit (s) 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 0 20 40 60 80 100 120 Zeit (s) Temperatur(°C) 75 %U 70 %U 69 %U 68 %U 67 %U 66 %U 65 %U 64 %U 63 %U 62 %U 61 %U 60 %U 50 %U 40 %U 30 %U 20 %U 10 %UZeit (s)
  • 39. 3 Experimentelle Grundlagen 38 Nur in dieser Position kann die Zieltemperatur erreicht werden. Die Probe wird am Ende des Rohres durch das senkrechte Beladungsloch eingelegt. Das Graphitrohr wird danach bis zu der markierten Position in das Kiesel- glasrohr eingeführt. Als Schutzgas wurde Argon mit einem Gasfluss von 120 ml/s benutzt. Um das Graphitrohr gegen Oxidation zu schützen, wird zunächst für 2 min Gas gespült. Dann wird das Ende des Substrates in 90 s auf 1600 °C (60 % der ma- ximalen Spannung) erhitzt und dann noch 150 s auf 1100 °C (40 % der maximalen Spannung) gehalten (Abbildung 3.15). Abbildung 3.15: Temperaturverlauf des Graphitrohrs (38 mm außerhalb des PVC- Trägers) 3.1.1.3 Versuchsbeschreibung zum Erschmelzen von Glaskugeln 3.1.1.3.1 Schmelzen eines Grünkörpers auf Graphit (I1) Nach der Kalibrierung des Pyrometers wird der erste Grünkörper EJRC0016 (120°C) auf einer Graphitplatte erhitzt (Versuch I1). Der Grünkörper wird im Rotilabo- Mikrotest-Polystyrolplatten geformt und dann im Ofen bei 120 °C getrocknet. Die Probe ist zylinderförmig, ungefähr 10 mm lang mit einem Durchmesser von 6 mm (Abbildung 3.16). Die Probe wird mit einem Messer in zwei Teile geschnitten und nur zur Hälfte benutzt. Das Graphitsubstrat ist 26 x 17 x 11mm3 (LxBxH) und wird 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 0 50 100 150 200 250 Zeit (s) Temperatur(°C) P6: 70 %U (50 s) P5: 65 %U (50 s) P4: 60 %U (90 s) + 35 %U (150 s) P3: 60 %U (90 s) + 37,5 %U (150 s) P2: 50 %U (90 s) + 40 %U (150 s) P1: 60 %U (90 s) + 40 %U (150 s) Zeit (s)
  • 40. 3 Experimentelle Grundlagen 39 aus grobkörnigem Graphit hergestellt. Der Grünkörper wird auf der Oberfläche des Substrats bei verschiedenen Leistungen und Temperaturen um 1150 °C, 1175 °C, 1200 °C über einen Zeitraum 2 min erwärmt. Abbildung 3.16: Sinterung eines Grünkörpers auf einer glatten Graphitoberfläche (Platte-Anordnung) 3.1.1.3.2 Schmelzen von Grünkörper und Pulver im Graphittiegel (I2) Der Grünkörper EJRC0016 (120 °C) wird in einem Graphittiegel gesintert (Versuch I2). Der Grünkörper ist der gleiche wie beim vorherigen Versuch auch zur Hälfte geteilt. Der Tiegel wird aus grobkörnigem Graphit hergestellt. Das Graphitstück ist 26 x 17 x 11mm3 (LxBxH) groß und hat 5 Löcher mit einem Durchmesser von 6 mm und 6 mm Tiefe, die in die Oberfläche gebohrt wurden (Abbildung 3.17). Der gemörserte Grünkörper wird als Ausgangsmaterial benutzt. Der Grünkörper und die Pulver werden in den Löchern des Substrats (Tiegel) mit verschiedenen Leistungen bei Temperaturen um 1050 °C, 1100 °C, 1150 °C für 2 min gesintert. Abbildung 3.17: Sinterung eines Grünkörpers und von Pulver in einem Graphittie- gel (Platte-Anordnung)
  • 41. 3 Experimentelle Grundlagen 40 3.1.1.3.3 Schmelzen von Grünkörper und Pulver im Graphittiegel mit Deckel (I3) Der Grünkörper EJRC0016 (120 °C) wird in einem Graphittiegel mit Deckel geschmolzen (Versuch I3). Der Grünkörper ist der gleiche wie im vorigen Versuch. Der Tiegel wird aus grobkörnigem Graphit hergestellt. Das Graphitstück ist 26 x 17 x 11 mm3 (LxBxH) groß und hat 5 Löcher mit einem Durchmesser von 6 mm und 6 mm Tiefe in seiner Oberfläche (Abbildung 3.18). Der Deckel wird aus dem gleichen Graphit mit halber Dicke geschnitten: er ist 26 x 17 x 5 mm3 (LxBxH) groß. Der gemörserte Grünkörper wird wie das Pulver als Ausgangsmaterial benutzt. Der Grünkörper und die Pulver werden in den Löchern des Tiegels bei unterschiedlichen Temperaturen (um 900 °C, 950 °C, 1000 °C, 1050 °C, 1100 °C, 1150 °C, 1200 °C, 1250 °C) für 4 min mit der ersten Spule gesintert. Die Grünkörper als Ausgangsmate- rial werden zweimal aufgeschmolzen. Anstatt einer Haltezeit von 4 min werden die Kugeln zuerst 2 Minuten unter gleichen Bedingungen erhitzt, dann gekühlt und im Ultraschallbad gereinigt, und danach erneut für 2 Minuten unter den gleichen Bedin- gungen erhitzt. Der Tiegel wird zwischen beiden Temperaturzyklen mit Druckluft ge- spült. Abbildung 3.18: Sinterung eines Grünkörpers und eines Pulvers in einem Graphit- tiegel mit Deckel (Platte-Deckel-Anordnung) 3.1.1.3.4 Schmelzen von BK7-Glas im Graphittiegel mit Deckel (I4) BK7-Glas wird als Ausgangsmaterial benutzt. Das Ausgangsmaterial wird im Zangenbrecher aus BK7-Glas herstellt (Versuch I4). Der Tiegel wird aus grobkörni- gem Graphit hergestellt. Der Graphittiegel ist der gleiche wie in Versuchen I2 und I3.
  • 42. 3 Experimentelle Grundlagen 41 Es wird der geschliffene Deckel gleicher Abmessung benutzt (Abbildung 3.19). Ein Glasteilchen pro Loch (Gewicht zwischen 50 und 100 mg) wird in den Löchern des Tiegels bei verschiedenen Temperaturen (978 °C, 1043 °C, 1105 °C, 1149 °C, 1233 °C, 1292 °C, 1360 °C) für 2 bzw. 2 + 2 min (zweimal im Ofen wie im Versuch 3) und 4 min unter Vakuum geschmolzen. Kleinere Glasteilchen, die mit einem Ba- ckenbrecher gebrochen wurden, werden auch auf 1049 und 1105 °C für 2 bzw. 2 + 2 min mit der zweiten Spule geschmolzen. Der Druck im Rohr wird durch eine Membranpumpe (10 mbar) erreicht. Wie vorher werden die Kugeln im Ultraschallbad gesäubert und der Tiegel wird zwischen den zwei Versuchen mit Druckluft gespült. Abbildung 3.19: Sinterung von BK7- Glasteilchen in einem Graphittiegel mit Deckel 3.1.1.3.5 Schmelzen von konstanter Pulvermengen im Graphittiegel mit Deckel (I5) Ein Grünkörper (EJRC0026, 120 °C) wird gemahlen als Ausgangsmaterial be- nutzt. Das Pulver wird durch Siebe (90 µm) klassiert (Versuch I5). Die Tiegel und Deckel werden aus zwei Graphitarten hergestellt: - feinkörniges Graphitsubstrat: 24 x 24 x 5 mm3 (LxBxH), - grobkörniges Graphitsubstrat: 26 x 17 x 11 mm3 (LxBxH). Tiegel und Deckel werden mit den gleichen Maßen geschnitten. In die Ober- fläche des Tiegels werden kleine Löcher mit einem Durchmesser von 2 mm und 4 mm Tiefe gebohrt. Um einen besseren Gastransport im Tiegel zu ermöglichen, werden in die Deckel des groben Graphits Riefen geschliffen (Abbildung 3.22). Aus gleichem Grund werden bei dem Tiegel aus feinkörnigem Graphit kleine Aluminium-
  • 43. 3 Experimentelle Grundlagen 42 oxidstücke zwischen Tiegel und Deckel gesetzt (Abbildung 3.20). Für die Tiegel mit Deckel erfolgt eine neue Kalibrierung der Temperaturmessung mit dem Pyrometer. Abbildung 3.20: Al2O3 Teilchen zwischen Feingraphittiegel und -deckel Es ist schwierig die kleinen Löcher gleichmäßig mit feinem Pulver zu füllen. Um das Pulver richtig dosieren zu können, wird eine Dosierplatte und ein Blatt Papier benutzt. Die Dosierplatte ist eine kleine Kunststoffplatte (2 mm dick), in die Löcher mit einem Durchmesser von 1,5 mm im Muster des Substrats gebohrt sind. Wie in Abbildung 3.21 gezeigt, wird das Pulver mit dem Schaber in die Löcher der Dosier- platte gestrichen. Der Tiegel wird leicht geschüttelt, erneut gefüllt und dann noch einmal mit dem Schaber abgestrichen. Die Löcher des Tiegels werden gefüllt, sobald die Papierscheibe herausgezogen wird. Danach wird der Tiegel noch leicht geschüt- telt. Abbildung 3.21: Pulverdosierung Mit diesem System werden die Tiegellöcher ungefähr mit der gleichen Menge Pulver gefüllt.
  • 44. 3 Experimentelle Grundlagen 43 Abbildung 3.22: Sinterung eines Grünkörpers in einem Graphittiegel mit Deckel Verschiedene Leistungen werden benutzt, um die Proben auf 1000 °C, 1050 °C, 1100°C, 1150 °C während 2 bzw. 2 + 2 (zweimal im Ofen wie im Versuch I3) und 4 min unter Vakuum mit der zweiten Spule zu sintern. Wie zuvor werden die Kugeln im Ultraschallbad gereinigt und der Tiegel wird zwischen den beiden Tempe- raturzyklen durch Luftdruck gesäubert. 3.1.1.3.6 Schmelzen von siebgedruckten Grünkörper auf Graphit- platte (I6) Anstatt Pulver, Grünkörper- oder Glasteilchen wird Suspension auf Graphit- substrate siebgedruckt und anschließend getrocknet (Versuches I6). Eine Paste mit BK7-Teilchen wird durch ein Sieb direkt auf ein Graphitsubstrat gedruckt (Abbildung 3.23 a). Die einzelnen Pastentröpfchen sind getrennt und in ausreichender Distanz von einander. Eine runde Graphitsubstrat-Platte wurde in sechs gleichgroße Seg- mente geschnitten. Die beiden geeignetsten Segmente wurden zu Vierecken ge- schnitten, um die Dimension eines bereits kalibrierten Graphitstücks (24x24x5 mm3 ) zu erreichen. Dieses Graphitsubstrat wird auf ein zweites unbedrucktes in den Induk- tionsofen gelegt. Dann werden die Glaskügelchen wie im Kontaktwinkelmessversuch K4 erschmolzen. Das Schmelzen dieser kleinen Grünkörperreihe wird im Kontakt- winkelmessgerät beobachtet.
  • 45. 3 Experimentelle Grundlagen 44 Abbildung 3.23: Siebgedruckte Paste auf Graphit a) Siebgedruckte Suspension auf Graphitsubstrat (die schwarzen Linien sind Schneidmarken: 24x24 mm2 ) b) Zugeschnittene Substratplatten. Rechts eine zweite Platte um das Pyrometer zu kalibrieren (wie früher Tiegel und Deckel) 3.1.1.3.7 Schmelzen eines Tiegels durch Bohrungen in Graphit (I7) Kleine Bohrungen (ungefähr ein Durchmesser von 1,5 mm und 1 mm tief) sind von der Firma Schott in eine runde Levi-Graphitplatte gebohrt worden (Versuch I7). Die runde Graphitplatte wird in Quadrate geschnitten (24x24x5 mm3 ) und es wird ein zweites Quadrat benutzt, um die richtig kalibrierte Geometrie zu erhalten (Abbildung 3.24). Dieses Graphitsubstrat wird in den Induktionsofen gelegt. Dann werden die Grünkörper eingebracht und mit den Parametern des Kontaktwinkelmessversuches K4 beobachtet. Abbildung 3.24: Graphitplatte mit gebohrten Graphittiegeln und kalibrierter Geo- metrie a b
  • 46. 3 Experimentelle Grundlagen 45 3.1.1.3.8 Schmelzen mit Boron-Nitrid-Spray auf dem Graphitsubstrat (I8) Dieser Versuch ist wie Versuch I7 durchgeführt, es wird jedoch der grobkörni- ge Graphit anstatt des Levi-Graphits benutzt (Versuch I8). Dieser grobkörnige Gra- phit (Platte: 26 x17 x 11 mm3 ) wird vor der Sinterung mit Boron-Nitride-Spray einge- sprüht. Die Substarte werden eine halbe Stunde getrocknet. Dann wird wie im Ver- such I7 gemessen. 3.1.1.3.9 Schmelzen mit drehbarer Induktionsofenanlage im Rohr (I9) Die Probe wird an das Ende eines Graphitrohres durch das senkrechte Bela- dungsloch gelegt (Versuch I9). Das Graphitrohr wird danach bis zu der markierten Position in das Kieselglasrohr eingeführt (Abbildungen 3.10 und 3.11). Als Schutzgas wird Argon mit einem Fluss von 120 ml/s (0,5) benutzt. Um das Graphitrohr gegen Oxidation zu schützen, wird zunächst 2 min gespült. Schließlich wurde der Indukti- onsofen gedreht, damit das geschmolzene Glaströpfchen rollte und entlang der Röh- re abkühlen kann. Dann wird das Ende des Substrates in 90 s auf 1600 °C (bei 60 % der maximalen Spannung) erhitzt und dann noch 150 s auf 1100 °C (40 % der maxi- malen Spannung) gehalten. Die Kugel wird in einem großen Uhrglas, das mit Glas- wolle ausgelegt war aufgefangen, um den thermischen Schock zu vermindern. 3.1.2 Mikrowellenerhitzung Die Mikrowellen dringen in die Materie ein und können so einen Körper von innen erwärmen. Aus diesem Grund sind sie eine gute Alternative zu den konventio- nellen Heizprozessen, bei denen die Wärmezufuhr von der Oberfläche nach innen erfolgt. Die sehr hohen Aufheizraten können die Prozesszeiten verkürzen und auch eine Verbesserung der Werkstoffmikrostruktur bewirken. Diese positiven Effekte bil- den die Grundlage des Mikrowellensinterns und können durch die gute Kontrolle der elektrischen Feldverteilung im Gerät erreicht werden.
  • 47. 3 Experimentelle Grundlagen 46 Ausbreitung von Mikrowellen Als Mikrowellen werden Wellen des elektromagnetischen Spektrums bezeich- net, die im Frequenzbereich zwischen 0,3 GHz und 300 GHz liegen (Höchstfrequenz, UHF bis EHF), das heißt mit Wellenlängen ab 1 m bis 1 mm im Vakuum. In der Technik wird üblicherweise Mikrowellenstrahlung der Frequenz 2,45 GHz eingesetzt, da sich das Absorptionsmaximum von Wasser in diesem Bereich befindet. Die Ausbreitung der Mikrowellen wird von den elektrischen und magnetischen Eigenschaften der Umgebung beeinflusst. Allgemein wird die Ausbreitung von Mik- rowellen in einem gegebenen Medium durch die zeit- und ortsabhängigen Wellen- gleichungen des elektrischen beziehungsweise des magnetischen Feldvektors (E, H) beschrieben, die sich aus den Maxwell’schen Gleichungen ableiten lassen [22]. Wechselwirkung zwischen Mikrowellen und Materie Beim Eindringen in die Materie wird die Welle gedämpft; die so dissipierte E- nergie wird in Wärme umgewandelt. Die Absorption der Mikrowellen im Medium be- ruht hauptsächlich auf induktiven und dielektrischen Verlusten, die temperatur- und frequenzabhängig sind [22]. Im Metalle oder Halbleiter versuchen die freien Ladungsträger dem elektri- schen Wechselfeld zu folgen. Lokal fließende Wirbelströme produzieren Ohm’sche Verluste, und erwärmen den Werkstoff. Je leitfähiger das Material ist, umso höher sind diese Verluste. Polare Moleküle oder Punktdefekte im Material werden auch durch das elektrische Feld beeinflusst. Sie bemerken das Wechselfeld aber können nicht in Phase den schnellen Änderungen des Feldes folgen. Die Erwärmung ensteht durch innere Reibung: diese dielektrischen Verlusten hängen von den dielektrischen Eigenschaften des Werkstoffs ab. Im Glas ist die Mikrowellenerhitzung nicht von Leitungs-, sondern von die- lektrischen Verlusten abhängig. Man unterscheidet drei Untergruppen: Relaxations-, Deformations- und Vibrationsverluste. Die beiden ersten Gruppen beschreiben spontane Bewegungen von netzwerkwandelnden Ionen im Glasnetzwerk bezie- hungsweise das Umknicken ganzer Netzwerksegmente und spielen vorwiegend im niederfrequenten Bereich eine Rolle. Bei hochfrequenter Anregung überwiegt hinge- gen die thermische Vibration von Netzwandlerionen. Diese unterschiedlichen Me- chanismen bestimmen das Verhalten eines Glases. Seine Erwärmung im Mikrowel-
  • 48. 3 Experimentelle Grundlagen 47 lenfeld hängt von seiner Zusammensetzung ab. So ist reines Kieselglas beispiels- weise mikrowellentransparent und als thermisches Isolationsmaterial geeignet, wäh- rend Natriumsilikatglas gut einkoppelt [22]. Beschreibung der Anlage Die im Rahmen dieser Arbeit benutzte Anlage besteht wie in Abbildung 3.25 dargestellt aus sechs Teilbausteinen. Das Magnetron produziert die Mikrowellen. An seinem Ausgang schließt ein wassergekühlter Zirkulator ab, der das Magnetron ge- gen reflektierte Mikrowellenstrahlung schützt. Der 3-Stift Tuner modifiziert die Feld- verteilung, um die Menge der absorbierten Strahlung in der Probe zu maximieren. Der Impedanzanalysator misst die Menge der reflektierten Leistung. Am Ende des Hohlleiters befindet sich die Resonatorkammer in dem die Probe mittig liegt. Der Re- sonator ist wassergekühlt, um thermische Spannungen zu vermeiden. Die Tempe- ratur wird in der Kammer mit einem Pyrometer gemessen [23]. Abbildung 3.25: Mikrowellenanlage PC Wasserkühlung Wasserkühlung Schutzgas Pyrometer Magnetron Impedanz- analysator Generator Zirku u lator 3-Stift Tuner Resonator Zirkulator
  • 49. 3 Experimentelle Grundlagen 48 Die Temperaturmessung mit einem Thermoelement ist unmöglich, denn das Mikrowellenfeld kann lokal beeinflusst werden und ein Thermoelement ist eine Licht- bogenquelle. Der Generator, der 3-Stift Tuner und der Impedanzanalysator werden durch den Computer angesteuert. Durch den Vergleich der emittierten und reflek- tierten Strahlung wird die absorbierte Strahlung berechnet. Der Computer steuert auch den 3-Stift Tuner mit der Autotuning-Software [23]. Ziel des Versuchs Die Mikrokugeln müssen auf Graphitsubstraten geschmolzen werden. Daher wird die Erwärmung der Graphitsubstrate bestimmt. Zunächst wird nur das Substrat allein erhitzt und ein Temperatur-Leistungs-Diagramm aufgenommen. So kann die Temperatur des Substrats in Abhängigkeit von der Leistung des Mikrowellenofens bestimmt werden. Versuchsdurchführung Graphitsubstrate unterschiedlicher Körnung stehen für die Mikrowellenerhit- zung zur Verfügung. Zur Kalibrierung der Temperatur-Leistungs-Kurve wird ein Gra- phitsubstrat auf einem Probenhalter aus Kieselglas in den Resonator gestellt. Kiesel- glas ist ein für Mikrowellen transparentes Medium das ohne signifikante Erwärmung durchstrahlt wird. Das Substrat befindet sich in der Mitte der Resonatorkammer, di- rekt am Ende des Hohlleiters, wo das Feld maximal ist. Die Kammer wird während des Versuchs mit Argon gespült. Die Temperatur des Graphitsubstrats wird mit zwei Pyrometern gemessen, die verschiede Messbereiche haben. Das erste Pyrometer (Fa. Impac, IN 5/5 MB8, Spektralbereich: 5,14 µm schmalbandig für Glasoberflä- chenmessung) kann zwischen 200 °C und 800 °C und das zweite (Fa. Heidmann, KT 19.42 G, Spektralbereich: 4,9-5,5 µm) zwischen 500 und 2500 °C eingesetzt werden.
  • 50. 3 Experimentelle Grundlagen 49 3.2 Charakterisierungsmethoden 3.2.1 Kontaktwinkelmessungen 3.2.1.1 Erster Kontaktwinkelmessaufbau Um Glaskugeln aufzuschmelzen, muss BK7-Glas über seine Transformati- onstemperatur TG = 960 °C erwärmt werden. Die BK7-Proben werden auf Graphit- substraten in den Pt-Rh-Ofen (Fa. Heraeus, Leistung: 1,3 kW, maximal Temperatur: 1700 °C) gelegt (Abbildung 3.26). Abbildung 3.26: Kontaktwinkelmessaufbau Die beiden Seiten des Ofens werden mit ZIRKAR-Platten isoliert. Auf der ei- nen Seite befinden sich zwei Löcher für die Gaszufuhr und das Thermoelement. Die Probentemperatur wird mit einem Thermoelement vom Typ S (Pt/Pt-10Rh) gemes- sen, das einen Messbereich von 1500 °C hat. Auf der vorderen Seite befindet sich ein Loch von 10 mm Durchmesser, um die Probe mit einer Kamera beobachten zu können. Die Kamera ist Teil des Kontaktwinkelmessgeräts OCA 20 der Firma Da- taphysics (Auflösung: 768 x 576 Pixel, 50 Bilder pro Sekunde). Das Fenster wird aus Kieselglas (1,5 mm dick) gewählt, um der hohen Temperatur standzuhalten. Um die Kamera gegen Überhitzung zu schützen, wird sie zusätzlich zu der Wärmeisolierung und dem Kieselglasfenster mit einem Ventilator gekühlt. Zwischen dem Fenster und
  • 51. 3 Experimentelle Grundlagen 50 der Kamera erhöht ein Graufilter den Kontrast zwischen Substrat und Probe. Kon- trast und Helligkeit können auch mit der SCA20-Software der Firma Dataphysics (zur Messung des Kontaktwinkels und Berechnung der freien Oberflächenenergie von Festkörpern) geregelt werden, um eine optimale Messung des Kontaktwinkels zu ermöglichen. Nach dem Einstellen von Kontrast und Helligkeit sowie der Fokussierung der Kamera wird ein Foto gemacht (Abbildung 3.27). Danach wird eine Basislinie (a) zwischen der Probe und ihrem Substrat auf dem Foto durch zwei Punkte festgelegt. Die Tropfenkontur (b) kann kreis- oder ellipsenförmig sein. Mit drei Punkten für die Kreis- oder fünf für Ellipsenform wird ein Kreis- oder Ellipsenbogen durch Fehlermi- nimierung angepasst. Der Kontaktwinkel zwischen Probe und Substrat wird über die Basislinie und die Tangente der Kontur berechnet. Manchmal ist die ganze Kontur schwer zu zeichnen, also wird die beste Kontur im Kontaktbereich genommen. Kreisförmige Konturen ergeben symmetrische Kontaktwinkelwerte und elliptische Konturen führen zu unterschiedlichen Kontaktwinkeln auf der linken und der rechten Seite. Abbildung 3.27: Beispiel einer Kontur der Probe EJRC0016 (120 °C) auf grobem Graphitsubstrat T = 1246 °C, kreisförmige Kontur, θlinks = θrechts = 112,8° 3.2.1.2 Grünkörper auf grobem Graphitsubstrat (K1) In diesem ersten Versuch werden EJRC0016 Grünkörper benutzt, die bei 120 °C getrocknet wurden (Versuch K1). Diese Grünkörper haben dieselbe chemi- sche Zusammensetzung wie BK7-Glas, jedoch ohne Arsenoxid As2O3. Probe und Substrat werden in der Mitte des Ofens positioniert. Dann wird die vordere Wärme- isolierung mit dem Fenster geschlossen. Alle 25 °C wird ein Foto gemacht, angefan- a b
  • 52. 3 Experimentelle Grundlagen 51 gen bei 905 °C. Der Schmelzprozess wird bis 1280 °C beobachtet (Abbildung 3.28). Eine runde Tröpfchenform wird erst zwischen 1173 und 1280 °C erreicht. Erst dann kann der Kontaktwinkel bestimmt werden. Abbildung 3.28: Progressive Entwicklung der Erwärmung der EJRC0016 (120°C) Probe. 3.2.1.3 Kontaktwinkel von BK7-Glasteilchen auf verschiedenen Substraten (K2) In diesem Versuch werden drei Schott BK7-Glasteilchen mit einem Gewicht zwischen 50 und 100 mg benutzt (Versuch K2). Jede Probe wird auf einem anderen Substrat im Rohrofen geschmolzen. Als Substrat werden grobkörniger Graphit (11 mm dicke Platten), feinkörniger Graphit (FE-779 der Firma Schunk, 5 mm Dicke) und Glaskohlenstoff (Sigradur G der Firma HTW, 5 mm Dicke) benutzt. Die Proben und Substrate werden wie zuvor in der Mitte des Ofens positioniert. Dann wird die vordere Wärmeisolierung mit dem Fenster geschlossen. Der Pt-Rh-Ofen wird bis zur Temperatur von 1045 °C unter Argongasfluss er- wärmt. Fotos der Probe werden 50 min in 5 min Schritten aufgenommen, um den Kontaktwinkel zwischen BK7-Glaströpfchen und den Substraten als Funktion der Zeit zu bestimmen. Nach der Stabilisierung der Temperatursteuerung beginnt die Mes- sung. Der Versuch wird für alle drei Substrattypen wiederholt. 3.2.1.4 Kontaktwinkelmessungen bei verschiedenen Teilchengrö- ßen von BK7-Glas (K3) In diesem Versuch werden fünf Schott BK7- Glasteilchen mit unterschiedli- chem Gewicht (62, 125, 229, 357 und 940 mg) benutzt (Versuch K3). Jedes Teilchen wird auf dem groben Graphitsubstrat im Rohrofen geschmolzen. Die Probe wird im Pt-Rh-Ofen bis zur Temperatur von 1045 °C unter Argongasfluss erwärmt. Nach T = 1038 °CT = 970 °C T = 1153 °C
  • 53. 3 Experimentelle Grundlagen 52 15 min wird ein Foto der Probe gemacht. Der Versuch wird mit weiteren vier Teil- chengrößen wiederholt, um die Entwicklung des Kontaktwinkels in Abhängigkeit von BK7- Glasteilchengröße und dem groben Graphitsubstrat zu bestimmen. 3.2.1.5 Zweiter Kontaktwinkelmessaufbau Die Zeit zum Erwärmen der Grünkörper ist im Induktionsofen kürzer als mit dem schon benutzten PT/Rh-Rohrofen. Mit dem Induktionsofen kann in 90 s eine Temperatur von 1600 °C erreicht werden. Je schneller die Erwärmung erreicht wird, desto weniger oxidiert das Graphitsubstrat. Es gibt noch weitere Vorteile im Ver- gleich zum Rohrofen: das Kieselglasrohr mit Al-Flanschen ist dichter als das Alumini- um-Oxidrohr des Ofens. Daher kommt es unter Argongasfluss auch nicht zur Oxida- tion des Substrates. Es entsteht schärfere Bilder, da die thermische Strahlung nicht durch ein Kieselglasfenster abgeschirmt werden muss, weil nur das Substrat ab- strahlt. Ein Foto aufzunehmen ist nur mit einem Graufilter möglich. Außerdem wird Zeit gespart, weil die Aufheiz- und Abkühlungszeiten viel kürzer sind. Aber es gibt auch einen Nachteil: die Beobachtung der Glaströpfchen wird durch die elektromag- netische Strahlung der Spule gestört. Wegen Feldinterferenz kann kein scharfes Bild erreicht werden. Dank Metallblechen, ist es möglich diesen Feldeinfluss zu vermin- dern, aber für eine präzise Kontaktwinkelmessung reicht dieses nicht aus. Also wur- de direkt nachdem man den Oszillator ausgeschaltet hat fotografiert. So erreicht man ein scharfes Bild. Der neue Aufbau hat noch die Möglichkeit, den Ofen in 3 Richtungen (Abbil- dung 3.29) zu bewegen, um das Bild einfacher zu zentrieren, und zu pre-fokussieren (pre-Fokus, der genaue Fokus wird an der Kamera eingestellt).
  • 54. 3 Experimentelle Grundlagen 53 Abbildung 3.29: Neue Kontaktwinkelmessanlage Für die nächsten Versuche (K4, K5) wird dieser neue Kontaktwinkelmessauf- bau mit dem Induktionsofen benutzt. 3.2.1.6 Vergleich der verschiedenen Kontaktwinkel im Abhängigkeit des Na-Sulfat-gehaltes (K4) Als Grünkörper werden die verschiedenen Pulver (EJRC0032, 32/1, 32/2, 32/3, 32/4, 32/5) in der Uniaxialpresse gepresst: Pressformdurchmesser ø = 10 mm (Versuch K4). Zuerst wird 60 s lang mit 10 kN gepresst und danach 240 s mit 30 kN. Schließlich werden die Grünkörper von Öl mit einem Messer gesäubert. Die Grün- körperteilchen werden mit Handschuhen gehandhabt und mit der Hilfe einer kleinen Zange und einem Messer durchgebrochen. Dann werden die kleinen Teilchen (un- gefähr 2 mg) auf den feinkörnigen und grobkörnigen Graphitsubstraten in die Spule gelegt (Versuch K4). Das feinkörnige Graphitsubstrat (5 mm dick) konnte aufgrund seiner Dicke nicht als einzelne Platte benutzt werden, weil die Temperatur während der Kalibrierung der mit einem Pyrometer gemessen werden muss. Der kleinste ein- stellbare Messfelddurchmesser des Pyrometers von 4 mm bei einem Abstand von 750 mm zwischen der Objektiv-Vorderkante und dem Objekt konnte aber nicht sicher auf die 5 mm dicke Vorderkannte fokussiert werden. Ein Substrat von 10 mm dicke (also zwei Platten übereinander) war einfacher zu messen. Diese doppelte Graphit- substratdicke wurde auch schon im Versuch I5 kalibriert, da dort ein Tiegel mit De- X Y Z Ω
  • 55. 3 Experimentelle Grundlagen 54 ckel benutzt wurde. Von dem grobkörnigen Graphit genügt eine Platte, weil sie 10 mm dick ist. Als Schutzgas wird Argon mit ein Fluss von 50 mL/s (0,25) benutzt. Die Versuche werden nach 1 Minute Schutzgasfluss begonnen, um sicher zu stellen, dass das Kieselglasrohr mit Ar gefüllt ist. Unter diesen Bedingungen wurde die Oxi- dation des Graphits ganz vermieden. 3.2.1.7 Einfluss der Rauhigkeit verschiedener Graphitsubstrate (K5) Als Probe werden Schott N BK7-Teilchen (ungefähr 5 mg, 0,5 < Ø < 1,25 mm gesiebt) benutzt (Versuch K5). Die beiden Substrate (grobkörniger und feinkörnigerer Graphit) werden mit einer Schleifmaschine (RotoPol-22 der Firma Truers) bearbeitet. Die Schleifbedingungen sind immer die gleichen: Schleifdruck P = 5 N, Schleifzeit t = 10 s und mit verschiedenen Schleifpapieren (Rauheit des SiC Schleifpapiers: 80, 220, 500 und 1200 mesh/inch). Mit jedem Papier werden die Substrate auf 2 ver- schiedene Arten geschliffen: in orthoradialer Richtung (Abbildung 3.30 a), das heißt am äußeren Ende der Schleifplatte, so dass die Schleifrichtung tangential bzw. gleichsinnig (Abbildung 3.30 b) zur Drehrichtung liegt. Zum Vergleich werden auch Kontaktwinkel auf ungeschliffenen Substraten gemessen. Nach dem Schleifen wird mit einem Weislichtinterferometer die Rauhigkeit der verschiedenen Substrate ge- messen. Die Messbedingungen (Schutzgas, Temperaturverlauf und Kontaktwinkel- messung) sind die Gleichen wie im Versuch K4. Abbildung 3.30: Schleifrichtungen: a) orthoradiale Schleifrichtung; b) gleichsinnige Schleifrichtung a) orthoradial b) gleichsinnig
  • 56. 3 Experimentelle Grundlagen 55 3.2.1.8 Fehlerproblem bei der Kontaktwinkelmessung Die Kontaktwinkelmessung hängt von verschiedenen Parametern ab. Diese sind: die Zeichnung der Kontur, Homogenität der Substratoberfläche (Grobkörnigkeit des Graphits) oder die richtige Fokussierung der Kamera. Der Fehler durch die Kon- tur kann dadurch minimiert werden, dass immer die gleiche Anzahl von Punkten in dem Kontaktbereich zwischen Tröpfchen und dem Substrat, also in der Nähe der Basislinie ausgewertet wird. Die Substratoberfläche ist ein Parameter, auf welchen kein Einfluss genommen werden kann (Abbildung 3.31). Abbildung 3.31: Fehlerproblem bei der Kontaktwinkelmessung Bei der Fokussierung der Kamera kann sich ein Fehler der Bestimmung des Kontaktwinkels ergeben: manchmal ist die Tröpfchenkontur unscharf in der Nähe von Kontaktzone. Die Ursache liegt in der Bewegung der Tröpfchen auf ihrem Substrat, der Bewegung der Kamera oder darin, dass keine runde Kugelform vorhanden ist. Um das Fokussierungsproblem zu lösen wurde eine Aluminiumoxidspitze bzw. ein geschliffener Schraubenkopf an dem Substrat befestigt und immer auf eine scharfe Kante dieses Objekts fokussiert. Aber der Tropfen bewegt sich immer beim Aufschmelzen (Abbildung 3.32). Er wandert und schmilzt sogar an die Aluminium- oxidspitze an. Grund dafür ist die Inhomogenität der Substratoberfläche. Abbildung 3.32: Kante von Objekten zum Fokussieren Kamera von oben Bild in der Kamera > 65 mm geschliffener Schraubenkopf Al2O3- Spitze
  • 57. 3 Experimentelle Grundlagen 56 Um diesen Fehler zu minimieren, wird in den folgenden Versuchen immer die Oberkante der Kugel fokussiert. Der Abstand zwischen Probe und Kamera bleibt immer gleich (65 mm), und alle Kontaktwinkelmesswerte sind Mittelwerte von vier Konturauswertungen einer Aufnahme. 3.2.2 Computer-Tomographie (CT) Die Computer-Tomographie (CT) bietet die Möglichkeit, zerstörungsfrei und berührungslos den inneren Aufbau von Objekten sichtbar zu machen. Computer- Tomographie wird sowohl für die Rekonstruktion einzelner Schichten (2D) als auch für die Rekonstruktion vollständiger Volumen (3D) eingesetzt. Durch die Anwendung neuester Technologien und schnellerer Algorithmen erreicht man räumliche Auflö- sungen bis zu 1 µm [24]. Grundlagen Wenn f(x,y) den Schwächungskoeffizienten eines 2-dimensionalen Messobjekt darstellt, dann wird die Ausgangsintensität I0 der Röntgenröhre (in monochromati- scher Nährung) von dem Objekt entlang der Strecke L gemäß der bekanten Formel abgeschwächt [25]: Iout = Io ⋅ e − f(x,y)dl L ∫ ( G 3.6 ) Abweichungen, die sich durch polychromatische Strahlung ergeben, werden in dieser Arbeit nicht betrachtet. Indem man den Logarithmus der relativen Schwä- chung bildet, erhält man den Wert des Linienintegrals der Objektfunktion zu: f(x,y)⋅ dl = ln Io IoutL ∫ ( G 3.7 ) Nach der einfachen Umformung können wir also Röntgensmessungen als Werte von Linienintegralen ansehen (Abbildung 3.33 und 3.34).
  • 58. 3 Experimentelle Grundlagen 57 Abbildung 3.33: Schematische Darstellung der Parallelstrahlgeometrie [25] Mit einer einfachen Radiographie kann nicht die räumliche Tiefe eines Objekt- details bestimmt werden. Bei Computer-Tomographie wird das Objektvolumen von vielen verschiede- nen Winkeln durchgestrahlt. Mit vielen verschiedenen Perspektiven wird eine kom- plette 3D-Rekonstruktion möglich [26]. Abbildung 3.34: Mit vielen verschiedenen Perspektiven wird eine komplette Rekon struktion möglich [26] Objekt
  • 59. 3 Experimentelle Grundlagen 58 Industrielle 3-D-Computer-Tomographie Das System ermöglicht die Detektion von Dichteänderungen und Fehlern so- wie eine Charakterisierung bzgl. ihrer Art, Geometrie und Lage im Bauteil. Darüber hinaus lassen sich innenliegende, verdeckte Strukturen vermessen. Softwaremodule gestatten die Darstellung beliebiger Ebenen aus den komplett rekonstruierten Volu- mendaten sowie eine räumliche Abbildung auch einzelner Volumenbereiche. Die industrielle 3-D-CT ermöglicht es der Industrie (Abbildung 3.35), schnel- ler neue Produkte und Produktionsverfahren zu entwickeln sowie die Qualität ihrer Produkte zu überprüfen und zu optimieren. Die 3-D-CT ist ein sehr schnelles Mess- verfahren im Vergleich zur konventionellen CT, die pro Messung nur ein Schnittbild erstellt. Sie kann für spezielle Anwendungen bis hin zur prozessintegrierten Prüf- technik optimiert werden. Durch den Einsatz von hochauflösenden Detektoren und Quellen werden Auflösungen bis in den µm-Bereich erreicht. Abbildung 3.35: Industrielle 3-D-Computer-Tomographie-Anlage Nachfrageschwerpunkte ergeben sich aus den Bereichen Verkehrstechnik, Guss-, Kunststoff-, Gummi- und Automobilindustrie. Durch einen modularen Aufbau und eine offene Systemarchitektur wird ein breites Anwendungsfeld abgedeckt. Durch Austausch und Adaption einzelner Mo- dule können kundenspezifische CT-Systeme aufgebaut bzw. vorhandene Röntgen- systeme zu CT-Systemen ausgebaut werden. Die volumetrische Vermessung und Rekonstruktion, ein schneller Rekonstruk- tionsalgorithmus, sowie die Nutzung schneller, PC-basierender Rechnerstrukturen
  • 60. 3 Experimentelle Grundlagen 59 ermöglichen eine hohe Prüfgeschwindigkeit. Der modulare Aufbau und der Einsatz neuer Systemkomponenten führen zu hoher Prüfdynamik, reduzierten Kosten und höherer Funktionalität. Kundenspezifische 3-D-CT Systeme werden zusammen mit einem industriellen Partner aufgebaut (Abbildung 3.35) [27]. 3.2.3 Weißlichtinterferometrie (WLI) 3.2.3.1 Weißlichtinterferometer Das Weißlichtinterferometer ist ein Lichtmikroskop mit auswechselbaren In- terferometerobjektiven und einem softwaregesteuert justierbaren Probentisch. Der ganze Aufbau befindet sich auf einem schwingungsgedämpften Tisch. Die Auswer- tung erfolgt in einer Workstation oder einem leitungsstarken PC. In Abbildung 3.36 ist der Strahlengang im Weißlichtinterferometer schematisch dargestellt [28]. Abbildung 3.36: Strahlengang im Weißlichtinterferometer [29] I1 = 1 2 ⋅I0 ⋅ 1+ cos 2 ⋅k⋅ r1 −r2( )[ ]{ } I2 = 1 2 ⋅I0 ⋅ 1− cos 2 ⋅k⋅ r1 −r2( )[ ]{ } Das Licht der Wolfram-Halogen-Lampe wird im Objektiv geteilt. Ein Strahl fällt auf eine Referenebene, der andere fällt auf die Probenfläche. Nach Reflexion interfe- rieren beide im Inneren des Interferometers. Die dunklen und hellen Streifen des In- terferenzbildes resultieren aus der unterschiedlichen Phasenverschiebung zwischen Referenz- und Probenstrahl. Diese Information wird mittels Frequenz-Domänen- ( G 3.8 ) ( G 3.9 )
  • 61. 3 Experimentelle Grundlagen 60 Analyse im Computer in eine Höheninformation umgerechnet. Mittels eines piezo- elektrischen Aktors wird das Objektiv in der Höhe äußerst präzise verfahren und so- mit die gesamte Oberfläche in Z-Richtung abgerastert. Die Gesamtheit aller Interfe- renzbilder liefert ein quantitatives 3D-Bild [28]. Grundlagen Interferenzkontrast Interferenz entsteht bei Überlagerung von Wellen. Die Wellengleichungen sind alle linear. Stellen zwei Wellen jeweils einzeln eine Lösung der Wellengleichung dar, so ist auch ihre Summe eine Lösung. Aufgrund der Linearität der Wellengleichung können sich Wellen beliebig überlagern und dadurch komplexe Muster bilden. Dies kann auch zeitlich begrenzt sein. So laufen zwei lokalisierte Wellen durcheinander durch ohne einander zu beeinflussen. Dies ist auch für Lichtwellen im Vakuum der Fall: zwei Laserstrahlen können sich kreuzen ohne einander zu beeinflussen. Als einfachsten Fall betrachten wir die Interferenz zwischen zwei harmonischen Wellen mit gleicher Amplitude, Frequenz und Wellenvektor, aber unterschiedlicher Phase (Abbildung 3.36). Dann ist die resultierende Welle die Summe der beiden primären Wellen. Die beiden Wellen können in Phase sein: wenn ∆r = 0, so addieren sich die beiden Wellen. Schwingen die beeiden in Gegenphase, das heißt ∆r = π, so löschen sie sich aus (Abbildung 3.37). Man spricht in den beiden Fällen von konstruktiver, respektiv destruktiver Interferenz [29]. Abbildung 3.37: Zweistrahlinterferenz Im Interferenzkontrastmikroskop wird die Beleuchtung in zwei Strahlenbündel geteilt. Ein Strahl wird von der Probe reflektiert, der andere von einem flachen Spie- Welle 1 Welle 1 Welle 2 Welle 2 a) konstruktiver Interferenz b) destruktiver Interferenz
  • 62. 3 Experimentelle Grundlagen 61 gel. Danach werden die beiden Strahlen zusammengeführt, so dass sie interferieren. Die Interferenzmuster können eingesetzt werden, um die Probendicke bei Transmis- sion oder die Probenrauhigkeit in Reflektion zu messen. Ein quantitatives Interferenzverfahren für genaue, berührungslose Messungen der Niveauunterschiede von Oberflächen (10 bis 30 µm) ist die Auflicht-Interferenz- Einrichtung nach Mirau [30]. Mirau-Weißlichtinterferometer Abbildung 3.38: Mirau-Weißlichtinterferometer [30] Mit dieser Anlage sind Oberflächencharakterisierungen von glatten sowie stark strukturierten Proben, berührungslose Flächenmessungen und Defekt- und Rau- heitsanalysen möglich. Vorteil des Mirau-Weißlichtinterferometers (Abbildung 3.38) ist die eindeutige Definition der absoluten Höhe des Reflektionspunktes. Die Weißlicht-Interferenz-Mikroskopie ermöglicht die Höhenbestimmung durch Auffinden der Kontrastmaxima der räumlich entstehenden Interferogramme in Form eines Höhenscans für alle Oberflächenpunkte parallel, aber voneinander unabhängig [30]. CCD-Kamera Konvergentlinsen Lichtquelle Objektivlinse Teilerspiegel ReferenzspiegelProbe
  • 63. 3 Experimentelle Grundlagen 62 3.2.3.2 Bestimmung der Rauhigkeit im Weißlichtinterferometer Nach dem Schleifvorgang (Abbildung 3.30) wird jedes Graphitstück mit Gold beschichtet (Parameter der Kathodenzerstäubung: Ar-Druck 0,08 mbar, Strominten- sität 50 mA, Zeit 90 s). Ohne die Goldschicht sind die Rauhigkeitsmessungen mit dem Weißlichtinterferometer auf Graphit unmöglich, weil die Graphitproben zu schwarz sind, um einen guten Interferenzkontrast einzustellen. Mit dem Weisslichtinterferometer (OMP-0347C Metropro der Firma Zygo) wer- den Rauhigkeitswerte Ra entlang einer Distanz von 2,5 mm gemessen, um die ver- schiedenen Substrate vergleichen zu können. Ra ist die mittlere Abweichung von der Mittellinie. Als Mittellinie wird ist beste passende Oberfläche definiert, die im Messbereich liegt [31]. Ra = yi Ni=1 N ∑ ( G 3.10 ) yi = absolute Tiefe jedes Punktes N = Zahl des diskreten Elements entlang der Analysedistanz Mit der orthoradialen Schleifrichtung sind die Schleifrillen parallel gerichtet. Durch Schleifen in klassischer gleichsinniger Drehung sind die Rillen verflochten (Abbildung 3.39 und 3.40). Abbildung 3.39: Erosionsprofil und Topographie für die orthoradiale Schleifrichtung auf feinkörnigem Graphit (Schleifpapier: 220 mesh/inch)