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Wirtschaft - 03.09.2015
KÖLNER GRÜNDER-FESTIVAL PIRATE SUMMIT
Kölner Start-up-Piraten auf Schatzsuche
Von Lioba Lepping
Schlaue Start-up-Idee trifft potenziellen Investor: Das Kölner
Kult-Festival Pirate Summit führte die Gründer-Szene wieder
zu einem regen Austausch zusammen — über Geschichten von
Scheitern und großen Erfolgen.
„Aaaargh“ schallt es durch das Captain’s Deck, als die vierminütige
Präsentation zu Ende ist. Dmitry Galperin aus Moskau hat gerade
erzählt, welche Firmen er mit seiner Risiko-Kapitalfirma unterstützen
will. Pitch Reverse, Angebot rückwärts, heißt das, denn bei der wohl
ungewöhnlichsten Gründer-Konferenz Deutschlands stellen sich nicht
nur die Firmengründer vor, um Investoren zu umwerben.
Auch die Investoren stellen sich vor und sagen, in welche Firmen sie Geld stecken wollen. Dass man dabei auf
einer Bühne steht, die einem Schiffsdeck ähnelt und auf einer ins Publikum ragenden Planke balanciert, ist Teil
des Spektakels, das den Pirate Summit zur Kultveranstaltung werden lässt. Dass das Publikum Augenklappen
trägt und statt zu applaudieren Aaaargh brüllt, übrigens auch.
Piratengipfel im Schrottplatz-Ambiete
In zwei Tagen gehen 70 Gründer und Investoren auf die Planke. Insgesamt sind fast 1000 angemeldete Besucher
dabei. Der Piratengipfel ist nicht öffentlich. Gründer zahlen 325 Euro, Investoren 650 Euro Startgebühr, die auf
beiden Seiten als lohnendes Investment gilt. Der Gipfel findet zum fünften Mal im futuristischen Schrottplatz-
Ambiente an der Hornstraße statt. In der Start-up-Szene, in der sich alles um Innovationen rund ums Internet
dreht, ist der Summit längst mehr als ein Geheimtipp. „Vor vier Jahren haben wir mit 220 Leuten angefangen“,
sagt Till Ohrmann, einer der Organisatoren, dessen Event-Unternehmen Jolly Roger selbst als Start-up begann.
Das Piraten-Motiv ist kein Zufall: „Gründer wie Piraten sind Rebellen und legen zum Teil lange Wege bis zum
Ziel, dem großen Schatz, zurück.“
Am Abend des ersten Veranstaltungstages wird auch eine nubbelähnliche Figur verbrannt. „Wir wollen damit
symbolisch die großen Anstrengungen verbrennen, die ein Firmengründer auf sich nimmt. An seine Idee glauben
und Geld dafür sammeln kann mühsam sein“, so Ohrmann. Die Party drumherum könnte außerdem ein Grund
für den großen Anklang des Pirate Summits sein.
Milliardenschwere Möglichkeiten
Immerhin kommen Investoren, Gründer und Vertreter großer Unternehmen in Scharen. „Insgesamt haben wir
VCs (Branchen-Sprech für Venture Capital, also Risiko-Kapitalgeber) mit einem Volumen von 20 Milliarden
Euro hier. Darunter zum Beispiel Fred Destin von Accel Partner, der als einer der ersten in Facebook investierte
und damit wohl nicht Schiffbruch erlitten. Auch das Wirtschaftsministerium NRW hat eine Abordnung
geschickt. 42 Millionen Euro stellt das Land für vielversprechende Geschäftsideen in den nächsten fünf Jahren
Get togehter der Gründerszene: die Pirate
Summit versammelt jedes Jahr Investoren
und Unternehmensgründer zum Austausch in
Köln.
bereit. „Und es ist ja nirgendwo einfacher als im digitalen Bereich Gründer zu sein, findet Professor Dr. Tobias
Kollmann vom Ministerium. Mehr als einen Laptop braucht es ja erstmal nicht.
Nordrhein-Westfalen will das Digital-Land Nr. 1 werden. In Köln gibt es schon 180 digitale Start-ups, darunter
Erfolgsmodelle wie Parstream und Quintly, die den Digitale-Wirtschaft-Award des Landes gewonnen haben. Auf
Investoren hoffen ganz konkret auch die beiden Kölner Emre Akdagcik und Till Steinmaier, die im vergangen
Jahr ihre Firma Deutsche Technikberatung aufgemacht haben.
„Wir helfen Privatleuten, aber auch kleinen Agenturen, Firmen und Praxen ihre Kommunikation und
Internetlandschaft zu gestalten. Das geht vom Fernsehr bis zum W-Lan-Surfen, das wegen der Kinder nur in
einem bestimmten Zeitraum erlaubt sein soll“, erklärt Steinmaier. „Viele Leute ab 40 kennen sich mit der
Technik im Haus immer noch nicht gut aus – da sehen wir unseren Markt, der weiter wachsen wird.“
Ein Schiff auf internationalen Gewässern
Dmitry Galperin ist inzwischen mit einem Landsmann ins Gespräch vestrickt. Florian Werner aus Berlin wartet
auf eine Chance, Galperin anzusprechen. Seine Firma ist auf E-Mail-Redirecting spezialisiert. Wenn ein Kunde
auf einer Handels-Seite wie Zalando ist, aber nichts kauft, bekommt er umgehend eine Email, die ihn vielleicht
doch noch vom Kauf überzeugt. Daneben steht Paulo Raineri aus Mailand, der eine Software für Basketball-
Trainer ausgetüftelt hat. Ton van’t Noordende aus Amsterdam soll in sein Geschäft investieren. Der Niederländer
gehört zu den VCs, denen mit dem Kapital.
„Für uns ist der Platz hier ideal, wir haben es nicht weit aus Amsterdam und es ist wirklich ungewöhnlich“. Ob
aus den Gesprächen auch Geschäfte werden, bleibt abzuwarten. Jedenfalls geht keiner nach Hause, ohne Spaß
gehabt zu haben. „Hier begegnen sich alle auf Augenhöhe. Alle sind ansprechbar, ob erfahrener Investor oder
Business-Anfänger. Das Einzige, was uns noch stört, ist die mit 15 % noch zu geringe Frauenquote. 50 % ist unser
Ziel“, sagt Till Ohrmann und entschwindet im Gewühl. Mittagszeit – die Piraten stehen Schlange an der
Essensausgabe.
Artikel URL: http://www.ksta.de/wirtschaft/koelner-gruender-festival-pirate-summit-koelner-start-up-piraten-auf-
schatzsuche,15187248,31703338.html
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  • 1. Wirtschaft - 03.09.2015 KÖLNER GRÜNDER-FESTIVAL PIRATE SUMMIT Kölner Start-up-Piraten auf Schatzsuche Von Lioba Lepping Schlaue Start-up-Idee trifft potenziellen Investor: Das Kölner Kult-Festival Pirate Summit führte die Gründer-Szene wieder zu einem regen Austausch zusammen — über Geschichten von Scheitern und großen Erfolgen. „Aaaargh“ schallt es durch das Captain’s Deck, als die vierminütige Präsentation zu Ende ist. Dmitry Galperin aus Moskau hat gerade erzählt, welche Firmen er mit seiner Risiko-Kapitalfirma unterstützen will. Pitch Reverse, Angebot rückwärts, heißt das, denn bei der wohl ungewöhnlichsten Gründer-Konferenz Deutschlands stellen sich nicht nur die Firmengründer vor, um Investoren zu umwerben. Auch die Investoren stellen sich vor und sagen, in welche Firmen sie Geld stecken wollen. Dass man dabei auf einer Bühne steht, die einem Schiffsdeck ähnelt und auf einer ins Publikum ragenden Planke balanciert, ist Teil des Spektakels, das den Pirate Summit zur Kultveranstaltung werden lässt. Dass das Publikum Augenklappen trägt und statt zu applaudieren Aaaargh brüllt, übrigens auch. Piratengipfel im Schrottplatz-Ambiete In zwei Tagen gehen 70 Gründer und Investoren auf die Planke. Insgesamt sind fast 1000 angemeldete Besucher dabei. Der Piratengipfel ist nicht öffentlich. Gründer zahlen 325 Euro, Investoren 650 Euro Startgebühr, die auf beiden Seiten als lohnendes Investment gilt. Der Gipfel findet zum fünften Mal im futuristischen Schrottplatz- Ambiente an der Hornstraße statt. In der Start-up-Szene, in der sich alles um Innovationen rund ums Internet dreht, ist der Summit längst mehr als ein Geheimtipp. „Vor vier Jahren haben wir mit 220 Leuten angefangen“, sagt Till Ohrmann, einer der Organisatoren, dessen Event-Unternehmen Jolly Roger selbst als Start-up begann. Das Piraten-Motiv ist kein Zufall: „Gründer wie Piraten sind Rebellen und legen zum Teil lange Wege bis zum Ziel, dem großen Schatz, zurück.“ Am Abend des ersten Veranstaltungstages wird auch eine nubbelähnliche Figur verbrannt. „Wir wollen damit symbolisch die großen Anstrengungen verbrennen, die ein Firmengründer auf sich nimmt. An seine Idee glauben und Geld dafür sammeln kann mühsam sein“, so Ohrmann. Die Party drumherum könnte außerdem ein Grund für den großen Anklang des Pirate Summits sein. Milliardenschwere Möglichkeiten Immerhin kommen Investoren, Gründer und Vertreter großer Unternehmen in Scharen. „Insgesamt haben wir VCs (Branchen-Sprech für Venture Capital, also Risiko-Kapitalgeber) mit einem Volumen von 20 Milliarden Euro hier. Darunter zum Beispiel Fred Destin von Accel Partner, der als einer der ersten in Facebook investierte und damit wohl nicht Schiffbruch erlitten. Auch das Wirtschaftsministerium NRW hat eine Abordnung geschickt. 42 Millionen Euro stellt das Land für vielversprechende Geschäftsideen in den nächsten fünf Jahren Get togehter der Gründerszene: die Pirate Summit versammelt jedes Jahr Investoren und Unternehmensgründer zum Austausch in Köln.
  • 2. bereit. „Und es ist ja nirgendwo einfacher als im digitalen Bereich Gründer zu sein, findet Professor Dr. Tobias Kollmann vom Ministerium. Mehr als einen Laptop braucht es ja erstmal nicht. Nordrhein-Westfalen will das Digital-Land Nr. 1 werden. In Köln gibt es schon 180 digitale Start-ups, darunter Erfolgsmodelle wie Parstream und Quintly, die den Digitale-Wirtschaft-Award des Landes gewonnen haben. Auf Investoren hoffen ganz konkret auch die beiden Kölner Emre Akdagcik und Till Steinmaier, die im vergangen Jahr ihre Firma Deutsche Technikberatung aufgemacht haben. „Wir helfen Privatleuten, aber auch kleinen Agenturen, Firmen und Praxen ihre Kommunikation und Internetlandschaft zu gestalten. Das geht vom Fernsehr bis zum W-Lan-Surfen, das wegen der Kinder nur in einem bestimmten Zeitraum erlaubt sein soll“, erklärt Steinmaier. „Viele Leute ab 40 kennen sich mit der Technik im Haus immer noch nicht gut aus – da sehen wir unseren Markt, der weiter wachsen wird.“ Ein Schiff auf internationalen Gewässern Dmitry Galperin ist inzwischen mit einem Landsmann ins Gespräch vestrickt. Florian Werner aus Berlin wartet auf eine Chance, Galperin anzusprechen. Seine Firma ist auf E-Mail-Redirecting spezialisiert. Wenn ein Kunde auf einer Handels-Seite wie Zalando ist, aber nichts kauft, bekommt er umgehend eine Email, die ihn vielleicht doch noch vom Kauf überzeugt. Daneben steht Paulo Raineri aus Mailand, der eine Software für Basketball- Trainer ausgetüftelt hat. Ton van’t Noordende aus Amsterdam soll in sein Geschäft investieren. Der Niederländer gehört zu den VCs, denen mit dem Kapital. „Für uns ist der Platz hier ideal, wir haben es nicht weit aus Amsterdam und es ist wirklich ungewöhnlich“. Ob aus den Gesprächen auch Geschäfte werden, bleibt abzuwarten. Jedenfalls geht keiner nach Hause, ohne Spaß gehabt zu haben. „Hier begegnen sich alle auf Augenhöhe. Alle sind ansprechbar, ob erfahrener Investor oder Business-Anfänger. Das Einzige, was uns noch stört, ist die mit 15 % noch zu geringe Frauenquote. 50 % ist unser Ziel“, sagt Till Ohrmann und entschwindet im Gewühl. Mittagszeit – die Piraten stehen Schlange an der Essensausgabe. Artikel URL: http://www.ksta.de/wirtschaft/koelner-gruender-festival-pirate-summit-koelner-start-up-piraten-auf- schatzsuche,15187248,31703338.html Copyright © 2015 Kölner Stadtanzeiger