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       Tobias Kirchhofer            D   ie Diskussion über geeignete Messverfahren
                                        und Messgrößen in der Werbewirtschaft ist
                                                                                      fachgerecht abgeschöpft werden. Und so ge-
                                                                                      schah es. Alle lebten glücklich und zufrieden.

       Abschied von                 beinahe so alt wie die Werbewirtschaft selbst.
                                    Voller Wehmut dürften heute viele Werber
                                                                                      Doch dann trat etwas gänzlich Unerwartetes
                                                                                      ein: Der einstige Rezipient (alias Werbebot-

       der alten                    auf fünf Jahrzehnte Werbung zurückblicken,
                                    in denen die Welt geordnet schien. In Zeiten,
                                                                                      schaftenempfänger) begann selbst das Web zu
                                                                                      nutzen – und brachte das AIDA-Mantra damit

       We®b(e)welt                  in denen Werbedruck vor allem über die klas-
                                    sischen Kanäle Print, TV und Radio aufgebaut
                                                                                      gewaltig ins Wanken.
                                                                                          Das Internet wurde mobil und das Social
                                    wurde, war die AIDA-Formel so etwas wie           Web zu einer nicht mehr wegzudenkenden
                                    das gemeinsame Mantra der Werbewirtschaft.        Größe. Durch die immer benutzerfreundlichere
                                    AIDA war dabei weit mehr als ein Akronym          Handhabung von Hard- und Software
                                    für das Prinzip der Werbewirkung, es entsprach
                                    letztlich einer allgemeinen Handlungsemp-         Online – neue Zeitrechnung
                                    fehlung, derzufolge nur die Aufmerksamkeit
                                    erhöht werden musste, um den Kaufimpuls           entwickelten sich neue konsumimmanente
                                    anzuregen.                                        Verhaltensweisen autonom von etablierten
                                         Fehlte dieser Kaufimpuls, war entweder der   Wirkungs- und Messschablonen. Schemata,
                                    Werbedruck zu gering oder den Kreativen war       die dank dem jahrelangen Konsens zwischen
                                    es nicht gelungen, das Bedürfnis des Konsu-       Werbetreibenden und Agenturen in der
                                    menten zu wecken. In dieser Welt ließ es sich     Offline-Welt auf Basis des anerkannten Modus
                                    gut leben für Mediaplaner und Werbetreibende      Vivendi nach wie vor funktionieren – aber eben
                                    und so hatten sie sich entsprechend eingerich-    auch nur dort. Und so stehen wir heute vor
                                    tet. Sämtliche Werbekanäle erhielten allgemein    einer geradezu absurden Situation: Das einzige
                                    anerkannte Standards, Gleiches galt für die       Medium, das eine sehr detaillierte Analyse von
                                    Messung des Werbeerfolgs. Bei aller Kritik, die   Nutzeraktivitäten ermöglicht, muss sich bis
                                    immer wieder laut wurde, die AIDA-Formel          heute auf die zum Teil abenteuerlich konstru-
                                    hat fast ein gesamtes Jahrhundert das Denken      ierten Messgrößen der Offline-Medien einlas-
                                    in der Werbewelt geprägt. Dementsprechend         sen, um seinen Teil vom Werbekuchen abzube-
                                    galt es nicht, Werbung zu erklären, sondern vor   kommen. Fragwürdig, aber fraglos gewollt.
                                    allem, den Experten zu vertrauen. Werbung             Mangelndes Verständnis von Mediaplanern
                                    und Dialog wussten noch nichts voneinander.       und Werbetreibenden für die Funktionsweise
                                    Folglich unterlagen Dialogsituationen auch        des Internetmediums ist eine naheliegende Ur-
                                    noch nicht der Aufgabe, Mess- und Werbe-          sache für den Punkt, an dem wir heute stehen.
                                    instrument gleichzeitig zu sein. Erst wurde ge-
                                    worben und anschließend gefragt – manchmal        Wider die Bequemlichkeit
                                    auch andersherum, mit dem Ziel, Werbung auf
                                    den Konsumenten abzustimmen.                      Eine Ursache, an der alle Branchen mitgearbei-
                                         Mit dem Aufkommen und der wachsenden         tet haben – unabhängig davon, ob der eine oder
                                    Popularität der Online-Medien ist Unruhe          andere das Medium Internet nicht schneller
                                    in diese scheinbare Ordnung gekommen. Ein         oder besser verstehen konnte oder wollte. Doch
                                    gutes Jahrzehnt hat die Wirtschaft gebraucht,     mangelndes Verständnis hat als Entschuldigung
                                                                                      für ein beharrliches Festhalten an verkleideten
                                    Online – alte Zeitrechnung                        Offline-Messgrößen und -Methoden ausge-
                                                                                      dient – und hat damit auch anderen Indika-
                                    um das Mysterium Internet so weit zu ent-         toren wie Bequemlichkeit oder Eitelkeit jede
                                    schlüsseln, dass von ökonomischer Relevanz die    Legitimation entzogen.
                                    Rede sein konnte. Um die Sache Internet nicht         Eine aktuelle Studie (1) der Software-
                                    noch weiter zu verkomplizieren, wurde es ein-     Initiative Deutschland e.V. (SID) und des
                                    fach als ein weiterer Werbekanal bewertet.        Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informa-
                                    Dementsprechend wandten nicht zuletzt             tionstechnik (FIT) belegt zweifelsfrei, dass
                                    Mediaagenturen die bereits vorhandenen            die deutsche Unternehmenslandschaft der
                                    Offline-Messgrößen an, um Online-Werbung          Meinungsbildung in sozialen Netzwerken wie
                                    strategisch zu positionieren. Schließlich tat     Facebook, Twitter oder Xing eine wesentliche
                                    sich ein neuer Werbekuchen auf und der wollte     Bedeutung für ihr eigenes Geschäft einräumt.


       68 Fischer´s Archiv No 176



FAR_01_11.indd 68                                                                                                                       07.01.11 17:58
oder die Verweildauer heute noch über den Er-       (unternehmenseigene Kanäle, etwa der eigene
                                                                  folg von Werbemaßnahmen aus? Ich behaupte:          Webauftritt) und „earned media“. Letzteres
                                                                  nichts! Aufmerksamkeit ist nach Auffassung          beschreibt die völlig unabhängige Kommuni-
                                                                  vieler Werbeprofis ein hohes Gut. Und doch:         kation auf Kundenebene – eben das, was ein
                                                                  Aufmerksamkeit ist nicht alles. Sie kommt und       Unternehmen als Ergebnis aus Produkt und
                                                                  geht. Gerade in Zeiten sprunghaften Medien-         initiierter Kommunikation „verdient“ hat. Die
                                                                  konsums, paralleler Nutzung von TV, Internet        traditionelle Denkweise in Ad-Impressions,
                                                                  und Mobile braucht es mehr als flüchtige            Werbeklicks, Reichweite der eigenen Weban-
                                                                  Wahrnehmung. Klickraten auf Banner im               gebote und Publikationen wird demzufolge
                                                                  Promillebereich sprechen Bände und sind ein         ergänzt um die Belohnung durch den Konsu-
                                                                  sicheres Indiz für den Abstumpfungsgrad, den        menten. In meinen Augen ein probater Weg
                                                                  Werbung auf allen Kanälen inzwischen gerade         für die Übergangsphase, in der wir uns derzeit
                                                                  bei den jüngeren Zielgruppen erreicht hat. Da-      befinden.
                                                                  bei führt gerade online die Detailversessenheit         Diese Dreiteilung verdeutlicht eine wich-
                                                                  der deutschen Werbeeffizienz-Messmeister            tige Schlussfolgerung: Social Media und mobile
                                                                  dazu, dass der Blick für die eigentliche Interes-   Medien haben keine Revolution angezettelt,
                                                                  senlage der (potenziellen) Käufer verstellt wird.   sie haben einfach nur eine Tür aufgemacht. Sie
                                                                      Die sozialen und mobilen Medien ebnen           machen nur deutlich, was Konsumenten sich
                                                                  den Weg in eine „neue We®b(e)welt“. Einfach         wünschen. Dem sollte die ganze Aufmerksam-
                                                                  nur die neuen Kanäle zu befeuern und Flagge zu      keit gelten! Aussagekräftige Messparameter
                                                                  zeigen über Mobile Ads, recycelten TV-Spots         ergeben sich dabei zwangsläufig aus der
           Tobias Kirchhofer, Managing Partner Blue Mars –        in YouTube, als Pre-Roll oder Störer-Werbung,
           Gesellschaft für digitale Kommunikation in Frankfurt   noch so zielgruppengenaues Targeting – sei es       Die neue Werbewelt setzt weniger auf
                                                                                                                      Werbung
           Drei Viertel der Unternehmen sind davon                Neue Wertmaßstäbe und „Verdienste“
           überzeugt. 80 Prozent gehen sogar von einer                                                                Zielsetzung, und zwar ohne sie nach den
           steigenden Bedeutung aus – ein Wert, der so-           in Communitys oder sonstwo – verringert den         Gesetzmäßigkeiten der alten We®b(e)welt
           gar über sämtlichen Vorbehalten und Ängsten            Nervfaktor auf Seiten der Nutzer keineswegs.        konstruieren zu müssen. Die Zeichen hierfür
           (Datensicherheit, Verrat etc.) liegt.                  Es wird Zeit, das Wissen über die eigenen           stehen günstig. Ein nachfragedominierter
               Dass sich überhaupt noch althergebrachte           Zielgruppen endlich wirkungsvoll zum Einsatz        Käufermarkt braucht keine Marktschreier, son-
           Messgrößen auf dem Markt verkaufen lassen,             zu bringen, anstatt reflexartig den Werbedruck      dern Unternehmen, die sensibel auf die Bedürf-
           könnte unter anderem daran liegen, dass Un-            zu erhöhen, um den Erfolg an der Ladentheke         nisse der Konsumenten reagieren. Genau dabei
           ternehmen dahingehend einfach noch nicht               zu sichern. Wer nicht länger marktschreierisch      hilft Online – und zwar so wie kein anderer
           ausreichend genug sensibilisiert sind. Dafür           um vorübergehende Aufmerksamkeit buhlen             Kanal. Dem gilt es gerecht zu werden. Nicht
           spricht die Tatsache, dass Social Media immer          will und anschließend stereotyp entlang vor-        mehr, aber auch nicht weniger. <
           noch weit davon entfernt ist, Chefsache zu sein.       handener Rechtfertigungsmuster seinen Kam-
           Denn nach der Studie obliegt die Zuständig-            pagnenerfolg deklarieren will, für den werden
           keit für Twitter, Facebook & Co. zu 45 Prozent         Kooperation, Relevanz und Mehrwert die neuen
           der Presse- und PR-Abteilung, zu 33 Prozent            Wertmaßstäbe – nicht Messgrößen.
           dem Marketing und zu 11 Prozent der IT.                    Apple und Nike (kooperatives Marketing),
                                                                  Starbuck’s (Social Media, Location-Based-
           Aufmerksamkeit wird zur Banalität                      Services) oder auch McDonald’s, die von der
                                                                  Burgerkette dank der Kooperation mit der
               Die Studie ist übrigens auch ein bemer-            Deutschen Telekom zum Café mit (begrenzt)
           kenswertes Indiz dafür, dass viele Unternehmen         freiem WLAN mutiert sind, sind nur einige
           Social Media gar nicht unbedingt nach Zielen           leuchtende Beispiele für die neue Verbrau-
           wie ROI (Return On Investment) ausrichten.             cherorientierung. Es geht um die Gunst (!)          (1) „SID/FIT Social Media Report 2010/11”; Autoren:
           Bei der Frage nach den wichtigsten Zielen für          der Verbraucher. Es geht darum, die eigenen             Dieter Böttcher, Valentina Kerst (beide Mitglied
           den Einsatz von Social Media landete „der              Markenversprechen mit Relevanz, Mehrwert                im Präsidium der Software-Initiative Deutschland
           rasche Informationsaustausch“ auf dem ersten           oder wenigstens echtem Entertainment zu                 SID), Prof. Wolfgang Prinz (stellv. Leiter Fraunhofer-
                                                                                                                          Institut für Angewandte Informationstechnik FIT),
           Platz – vor „zielgruppenorientiertem Marke-            unterfüttern. Entsprechend der klassischen
                                                                                                                          Thomas Gronenthal (Vorsitzender Deutsches Social
           ting“ und „Kanal für den Kundensupport“.               Betrachtungsweise nach Medialeistung diffe-             Media Forum und European Marketing Communi-
               Was taugen also all die konventionellen            renziert Forrester Research Inc. nach „paid me-         cations), Prof. Dr. Andreas Schümchen (Hochschule
           Messgrößen? Was sagen Ad-Impressions, Visits           dia“ (klassisches Advertising), „owned media“           Bonn-Rhein-Sieg).


                                                                                                                                                   Fischer´s Archiv No 176 69




FAR_01_11.indd 69                                                                                                                                                           07.01.11 17:59

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Abschied von der alten Werbewelt

  • 1. Forum Tobias Kirchhofer D ie Diskussion über geeignete Messverfahren und Messgrößen in der Werbewirtschaft ist fachgerecht abgeschöpft werden. Und so ge- schah es. Alle lebten glücklich und zufrieden. Abschied von beinahe so alt wie die Werbewirtschaft selbst. Voller Wehmut dürften heute viele Werber Doch dann trat etwas gänzlich Unerwartetes ein: Der einstige Rezipient (alias Werbebot- der alten auf fünf Jahrzehnte Werbung zurückblicken, in denen die Welt geordnet schien. In Zeiten, schaftenempfänger) begann selbst das Web zu nutzen – und brachte das AIDA-Mantra damit We®b(e)welt in denen Werbedruck vor allem über die klas- sischen Kanäle Print, TV und Radio aufgebaut gewaltig ins Wanken. Das Internet wurde mobil und das Social wurde, war die AIDA-Formel so etwas wie Web zu einer nicht mehr wegzudenkenden das gemeinsame Mantra der Werbewirtschaft. Größe. Durch die immer benutzerfreundlichere AIDA war dabei weit mehr als ein Akronym Handhabung von Hard- und Software für das Prinzip der Werbewirkung, es entsprach letztlich einer allgemeinen Handlungsemp- Online – neue Zeitrechnung fehlung, derzufolge nur die Aufmerksamkeit erhöht werden musste, um den Kaufimpuls entwickelten sich neue konsumimmanente anzuregen. Verhaltensweisen autonom von etablierten Fehlte dieser Kaufimpuls, war entweder der Wirkungs- und Messschablonen. Schemata, Werbedruck zu gering oder den Kreativen war die dank dem jahrelangen Konsens zwischen es nicht gelungen, das Bedürfnis des Konsu- Werbetreibenden und Agenturen in der menten zu wecken. In dieser Welt ließ es sich Offline-Welt auf Basis des anerkannten Modus gut leben für Mediaplaner und Werbetreibende Vivendi nach wie vor funktionieren – aber eben und so hatten sie sich entsprechend eingerich- auch nur dort. Und so stehen wir heute vor tet. Sämtliche Werbekanäle erhielten allgemein einer geradezu absurden Situation: Das einzige anerkannte Standards, Gleiches galt für die Medium, das eine sehr detaillierte Analyse von Messung des Werbeerfolgs. Bei aller Kritik, die Nutzeraktivitäten ermöglicht, muss sich bis immer wieder laut wurde, die AIDA-Formel heute auf die zum Teil abenteuerlich konstru- hat fast ein gesamtes Jahrhundert das Denken ierten Messgrößen der Offline-Medien einlas- in der Werbewelt geprägt. Dementsprechend sen, um seinen Teil vom Werbekuchen abzube- galt es nicht, Werbung zu erklären, sondern vor kommen. Fragwürdig, aber fraglos gewollt. allem, den Experten zu vertrauen. Werbung Mangelndes Verständnis von Mediaplanern und Dialog wussten noch nichts voneinander. und Werbetreibenden für die Funktionsweise Folglich unterlagen Dialogsituationen auch des Internetmediums ist eine naheliegende Ur- noch nicht der Aufgabe, Mess- und Werbe- sache für den Punkt, an dem wir heute stehen. instrument gleichzeitig zu sein. Erst wurde ge- worben und anschließend gefragt – manchmal Wider die Bequemlichkeit auch andersherum, mit dem Ziel, Werbung auf den Konsumenten abzustimmen. Eine Ursache, an der alle Branchen mitgearbei- Mit dem Aufkommen und der wachsenden tet haben – unabhängig davon, ob der eine oder Popularität der Online-Medien ist Unruhe andere das Medium Internet nicht schneller in diese scheinbare Ordnung gekommen. Ein oder besser verstehen konnte oder wollte. Doch gutes Jahrzehnt hat die Wirtschaft gebraucht, mangelndes Verständnis hat als Entschuldigung für ein beharrliches Festhalten an verkleideten Online – alte Zeitrechnung Offline-Messgrößen und -Methoden ausge- dient – und hat damit auch anderen Indika- um das Mysterium Internet so weit zu ent- toren wie Bequemlichkeit oder Eitelkeit jede schlüsseln, dass von ökonomischer Relevanz die Legitimation entzogen. Rede sein konnte. Um die Sache Internet nicht Eine aktuelle Studie (1) der Software- noch weiter zu verkomplizieren, wurde es ein- Initiative Deutschland e.V. (SID) und des fach als ein weiterer Werbekanal bewertet. Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informa- Dementsprechend wandten nicht zuletzt tionstechnik (FIT) belegt zweifelsfrei, dass Mediaagenturen die bereits vorhandenen die deutsche Unternehmenslandschaft der Offline-Messgrößen an, um Online-Werbung Meinungsbildung in sozialen Netzwerken wie strategisch zu positionieren. Schließlich tat Facebook, Twitter oder Xing eine wesentliche sich ein neuer Werbekuchen auf und der wollte Bedeutung für ihr eigenes Geschäft einräumt. 68 Fischer´s Archiv No 176 FAR_01_11.indd 68 07.01.11 17:58
  • 2. oder die Verweildauer heute noch über den Er- (unternehmenseigene Kanäle, etwa der eigene folg von Werbemaßnahmen aus? Ich behaupte: Webauftritt) und „earned media“. Letzteres nichts! Aufmerksamkeit ist nach Auffassung beschreibt die völlig unabhängige Kommuni- vieler Werbeprofis ein hohes Gut. Und doch: kation auf Kundenebene – eben das, was ein Aufmerksamkeit ist nicht alles. Sie kommt und Unternehmen als Ergebnis aus Produkt und geht. Gerade in Zeiten sprunghaften Medien- initiierter Kommunikation „verdient“ hat. Die konsums, paralleler Nutzung von TV, Internet traditionelle Denkweise in Ad-Impressions, und Mobile braucht es mehr als flüchtige Werbeklicks, Reichweite der eigenen Weban- Wahrnehmung. Klickraten auf Banner im gebote und Publikationen wird demzufolge Promillebereich sprechen Bände und sind ein ergänzt um die Belohnung durch den Konsu- sicheres Indiz für den Abstumpfungsgrad, den menten. In meinen Augen ein probater Weg Werbung auf allen Kanälen inzwischen gerade für die Übergangsphase, in der wir uns derzeit bei den jüngeren Zielgruppen erreicht hat. Da- befinden. bei führt gerade online die Detailversessenheit Diese Dreiteilung verdeutlicht eine wich- der deutschen Werbeeffizienz-Messmeister tige Schlussfolgerung: Social Media und mobile dazu, dass der Blick für die eigentliche Interes- Medien haben keine Revolution angezettelt, senlage der (potenziellen) Käufer verstellt wird. sie haben einfach nur eine Tür aufgemacht. Sie Die sozialen und mobilen Medien ebnen machen nur deutlich, was Konsumenten sich den Weg in eine „neue We®b(e)welt“. Einfach wünschen. Dem sollte die ganze Aufmerksam- nur die neuen Kanäle zu befeuern und Flagge zu keit gelten! Aussagekräftige Messparameter zeigen über Mobile Ads, recycelten TV-Spots ergeben sich dabei zwangsläufig aus der Tobias Kirchhofer, Managing Partner Blue Mars – in YouTube, als Pre-Roll oder Störer-Werbung, Gesellschaft für digitale Kommunikation in Frankfurt noch so zielgruppengenaues Targeting – sei es Die neue Werbewelt setzt weniger auf Werbung Drei Viertel der Unternehmen sind davon Neue Wertmaßstäbe und „Verdienste“ überzeugt. 80 Prozent gehen sogar von einer Zielsetzung, und zwar ohne sie nach den steigenden Bedeutung aus – ein Wert, der so- in Communitys oder sonstwo – verringert den Gesetzmäßigkeiten der alten We®b(e)welt gar über sämtlichen Vorbehalten und Ängsten Nervfaktor auf Seiten der Nutzer keineswegs. konstruieren zu müssen. Die Zeichen hierfür (Datensicherheit, Verrat etc.) liegt. Es wird Zeit, das Wissen über die eigenen stehen günstig. Ein nachfragedominierter Dass sich überhaupt noch althergebrachte Zielgruppen endlich wirkungsvoll zum Einsatz Käufermarkt braucht keine Marktschreier, son- Messgrößen auf dem Markt verkaufen lassen, zu bringen, anstatt reflexartig den Werbedruck dern Unternehmen, die sensibel auf die Bedürf- könnte unter anderem daran liegen, dass Un- zu erhöhen, um den Erfolg an der Ladentheke nisse der Konsumenten reagieren. Genau dabei ternehmen dahingehend einfach noch nicht zu sichern. Wer nicht länger marktschreierisch hilft Online – und zwar so wie kein anderer ausreichend genug sensibilisiert sind. Dafür um vorübergehende Aufmerksamkeit buhlen Kanal. Dem gilt es gerecht zu werden. Nicht spricht die Tatsache, dass Social Media immer will und anschließend stereotyp entlang vor- mehr, aber auch nicht weniger. < noch weit davon entfernt ist, Chefsache zu sein. handener Rechtfertigungsmuster seinen Kam- Denn nach der Studie obliegt die Zuständig- pagnenerfolg deklarieren will, für den werden keit für Twitter, Facebook & Co. zu 45 Prozent Kooperation, Relevanz und Mehrwert die neuen der Presse- und PR-Abteilung, zu 33 Prozent Wertmaßstäbe – nicht Messgrößen. dem Marketing und zu 11 Prozent der IT. Apple und Nike (kooperatives Marketing), Starbuck’s (Social Media, Location-Based- Aufmerksamkeit wird zur Banalität Services) oder auch McDonald’s, die von der Burgerkette dank der Kooperation mit der Die Studie ist übrigens auch ein bemer- Deutschen Telekom zum Café mit (begrenzt) kenswertes Indiz dafür, dass viele Unternehmen freiem WLAN mutiert sind, sind nur einige Social Media gar nicht unbedingt nach Zielen leuchtende Beispiele für die neue Verbrau- wie ROI (Return On Investment) ausrichten. cherorientierung. Es geht um die Gunst (!) (1) „SID/FIT Social Media Report 2010/11”; Autoren: Bei der Frage nach den wichtigsten Zielen für der Verbraucher. Es geht darum, die eigenen Dieter Böttcher, Valentina Kerst (beide Mitglied den Einsatz von Social Media landete „der Markenversprechen mit Relevanz, Mehrwert im Präsidium der Software-Initiative Deutschland rasche Informationsaustausch“ auf dem ersten oder wenigstens echtem Entertainment zu SID), Prof. Wolfgang Prinz (stellv. Leiter Fraunhofer- Institut für Angewandte Informationstechnik FIT), Platz – vor „zielgruppenorientiertem Marke- unterfüttern. Entsprechend der klassischen Thomas Gronenthal (Vorsitzender Deutsches Social ting“ und „Kanal für den Kundensupport“. Betrachtungsweise nach Medialeistung diffe- Media Forum und European Marketing Communi- Was taugen also all die konventionellen renziert Forrester Research Inc. nach „paid me- cations), Prof. Dr. Andreas Schümchen (Hochschule Messgrößen? Was sagen Ad-Impressions, Visits dia“ (klassisches Advertising), „owned media“ Bonn-Rhein-Sieg). Fischer´s Archiv No 176 69 FAR_01_11.indd 69 07.01.11 17:59