Vortrag von Prof. Dr. Birgit Apfelbaum und Thomas Schatz zum Thema "Zielgruppen und Zielgruppenansprache für Wohnraumberatung" bei der TECLA-Fachtagung 2013 am 15.10.2013 in Halberstadt.
Zielgruppen und Zielgruppenansprache für Wohnraumberatung
1. Zielgruppen und Zielgruppenansprache
für Wohnraumberatung
Prof. Dr. Birgit Apfelbaum
Thomas Schatz M.A.
TECLA-Fachtagung
Leben und Wohnen im Alter – Was beeinflusst ein langes, selbstständiges
Leben in den eigenen vier Wänden?
Halberstadt, 15. Oktober 2013
Fachbereich Verwaltungswissenschaften, Professur für Kommunikations- und Sozialwissenschaften
2. Ergänzende Interessenlagen von
Wohnungswirtschaft und Mietern
Die Gesellschaft altert „dreifach“
Herausforderung für Menschen und Institutionen
Mieter wollen auch im Fall von gesundheitlichen
Einschränkungen in der eigenen Wohnung ein
möglichst selbstständiges Leben führen
WoWi ist bereit, durch Beratung und Unterstützung
bei Wohnraumanpassung zu helfen
Lebenslange Selbstständigkeit gemeinsames
Interesse von älteren Mietern und Vermietern
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3. Zentrale Herausforderung:
„Zurückhaltung“ der Mieter
• Problem: Nachfrage nach Beratung bleibt
hinter dem vermuteten Bedarf zurück
• Analyse: Engere Ausrichtung am tatsächlichen
Bedarf der Zielgruppe erforderlich
• Lösung: Durchführung einer Bedarfserhebung
(Mieterbefragung März bis Mai 2012)
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4. Ergebnisse
• Frage: Angebot nicht bekannt?
• Antwort: Musterwohnung ist bekannt – mehr als
die Hälfte der Befragten kennt das Angebot
• Frage: Gibt es keinen Beratungsbedarf?
• Antwort: 14% der Befragten äußern
Beratungsbedarf für Wohnraumanpassung
(höchstes Interesse bei 70- bis 79-Jährigen)
• Frage: Wird Wohnraumanpassung gewünscht?
• Antwort: Ja, besonders von 50- bis 59-Jährigen
(70- bis 79-Jährige mit geringstem Wunsch nach
Wohnraumanpassung)
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5. Erkenntnisleitende Fragen für
Handlungskonzept der WoWi
Warum
relativ hoher
artikulierter
Beratungsbedarf,
aber kaum
Nachfrage nach
Beratung?
Welches
sind die
Zielgruppen für
Wohnraumberatung?
Wie
müssen die
Zielgruppen
angesprochen
werden, um
die Nachfrage
zu beleben?
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6. Drei vermutete Hauptgründe für
Zurückhaltung
Alter(n)sSelbstbilder
• Jeder will alt werden,
keiner will alt sein.
„Paradox des
subjektiven
Wohlbefindens“
• Es geht gut, solange es
gut geht.
Alter(n)sbild der
WoWi
• Der größte Denkfehler:
Der andere denkt wie ich.
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7. 1. Alter(n)s-Selbstbild: Definition
(vgl. Sechster Altenbericht 2010, S. 36)
„Alter(n)sbilder“ sind
individuelle und
gesellschaftliche Vorstellungen
• vom Alter (= Zustand des Altseins)
• vom Altern (= Prozess des
Älterwerdens)
• von älteren Menschen (= die soziale
Gruppe älterer Personen)
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8. Alter(n)s-Selbstbild: Merkmale
Die Lebensmitte wird zum universellen
Maßstab (6. Altenbericht)
Alternde fühlen sich nicht alt
„Alter“ ist nach wie vor eine
Defizitkategorie
ABER: Gestaltung des Alters hat
natürliche Grenzen
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9. 2. Paradox des subjektiven
Wohlbefindens (PsW): Definition
Das Wohlbefindensparadox (vgl. Staudinger 2000) behauptet,
„dass sich widrige Lebensumstände (…) – solange existentielle
Mindestanforderungen nicht unterschritten werden - kaum bis gar
nicht im subjektiven Wohlbefinden der Betroffenen widerspiegeln“
(S. 186).
PsW ist ein Schutzmechanismus, der subjektive
Lebenszufriedenheit sichert
Nicht auf bestimmtes Alter beschränkt, international
nachgewiesenes Phänomen
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10. 2. Paradox des subjektiven
Wohlbefindens (PsW) - Merkmale
„Man redet sich die Sache schön“ durch Vergleiche,
Änderungen des Anspruchsniveaus oder Zielanpassung
Bei Kompetenzverlusten wird nicht nach (vorhandener)
Hilfe gesucht, sondern es wird versucht, den Alltag an
den Kompetenzverlust anzupassen
Die Nachfrage nach Hilfestellungen bleibt auf Notlagen
beschränkt
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11. 3. Bildet das Altersbild der WoWi
die Komplexität der (Selbst-)Alternsbilder ab?
Die Frage:
Passen die Strategien der WoWi
zum Alter in seiner Vielschichtigkeit?
Wir wissen:
Das Alter kann sich über Jahrzehnte erstrecken und über
viele lebensphaseninterne Differenzierungen verfügen
Im Vergleich:
Die ersten beiden Lebensdekaden eines Menschen
sind stark untergliedert
Der Auftrag:
WoWi muss diese Unterscheidungen in die
Demografiestrategie „einpflegen“
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12. Zielgruppen
Wohnraumberatung kann ab 50. Lebensjahr ansetzen
(50 bis Renteneintritt)
Akut-Beratung / -Wohnraumanpassung
Renteneintritt bis 80
Ü 80 (Hochaltrigkeit)
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13. Welche Motive könnten für differenzierte
Zielgruppenansprache bedient werden?
Motive 50 bis Eintritt in den Ruhestand
• Allgemeines Interesse am Thema
• Wollen für Alter vorbereitet sein („vom Tisch haben“)
• Sorge um Eltern (Erhalt der Selbstständigkeit, wenn
Hilfeangebote in Anspruch genommen werden)
• Eigene Entlastung von Unterstützungsleistungen für
die Eltern / ältere Nachbarn durch deren Motivation
zur Annahme von Unterstützungsangeboten
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14. Welche Motive könnten für differenzierte
Zielgruppenansprache bedient werden?
Motive Renteneintritt bis 80
• Interessiertheit ist Teil der Lebensqualität
• nach langem Berufsleben und (vermutlich)
langjähriger Treue erwarten Mieter besonderes
Entgegenkommen des Vermieters / der Gesellschaft
• das Gesundbleiben ist der dominante Wunsch
(Verknüpfung von Beratung / Wohnraumanpassung /
Alltagsunterstützung mit Gesundheitsförderung)
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15. Welche Motive könnten für differenzierte
Zielgruppenansprache bedient werden?
Motive Ü 80 (Hochaltrigkeit)
• Würdigen als langjährige Mieter besonderes
Engagement des Vermieters
• Auch bei Kompetenzverlusten soll selbstständiges
Wohnen weiter möglich bleiben
• Bereitschaft Wünsche zu äußern als Würdigung des
Lebenswerks (zeitlich aufgeschobene Reziprozität)
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16. Schlüsselrolle für Erreichen der Zielgruppen:
Formbarkeit der Altersbilder
Altersbilder sind als soziale Konstruktionen für
Interventionen grundsätzlich offen
Gezielt jene Altersbilder fördern, die die Annahme von
Alltagsunterstützung als positiv herausstellen
(Beispiele in Mieterzeitungen)
Institutionalisierung der differenzierten
Mieteransprache als wichtiger Schritt zur Motivation
von Alternden, die dann als Beispiele für Nachbarn
und Freunde quasi nebenbei altersbildprägend wirken
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17. Weiterführende Literatur
Apfelbaum, Birgit / Schatz, Thomas
Die Wohnungswirtschaft als
Netzwerkakteur der kommunalen
Demografiestrategie.
Ostbevern: Verlag Karla Grimberg
(Schriften zur angewandten Verwaltungsforschung; Bd. 17)
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18. TECLA-Fachtagung
Leben und Wohnen im Alter
Halberstadt, 15. Oktober 2013
Zielgruppen und Zielgruppenansprache
für Wohnraumberatung
Birgit Apfelbaum
Thomas Schatz
www.komoserv.info
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
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