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Makroökonomische Feldtheorie




LESEPROBE   Seite   1   © Heribert Genreith 2011
Über den Autor:

Heribert Genreith, Regierungsrat a.D. BMI, arbeitet als
Wissenschaftler an der naturwissenschaftlichen Analyse
volkswirtschaftlicher Zusammenhänge. H. Genreith ist Autor
verschiedener Fachartikel zum Thema makroökonomische
Wachstumstheorien und Geldtheorie.




           LESEPROBE   Seite   2   © Heribert Genreith 2011
Heribert Genreith




 Makroökonomische
    Feldtheorie


      Allgemeine Theorie
des ökonomischen Wachstums in
    Substitutionskonkurrenz




  LESEPROBE   Seite   3   © Heribert Genreith 2011
Bibliografische Information der Deutschen
Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese
Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.d-nb.de abrufbar.




                       LESEPROBE

             einführende Kapitel

                   Seiten 1 bis 38



Copyright 2011 Heribert Genreith
Herstellung und Verlag: Books on Demand, Norderstedt
ISBN 978-3-8423-8029-5




            LESEPROBE      Seite   4   © Heribert Genreith 2011
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort......................................................................................7
2 Definition der Problemstellung.....................................................11
3 Feldtheorien .............................................................................21

I. Spezielle Feldtheorie

4 Spezielle Feldtheorie der Makroökonomie......................................26
5 Herleitung der Grundgleichungen.................................................28
6 Die Parameterfunktionen.............................................................29
7 Bestimmung der Nettogeschäftsquote ..........................................32
8 Eine einfache Beispielrechnung für die BRD...................................37
9 Einheiten...................................................................................39
10 Kapitalkoeffizienten im Modell und Realität..................................42
11 Monetäre Eichung und Inflationskorrektur....................................45
12 Reale, Nominale oder Hedonische Zahlen? ..................................53

II. Kritik der klassischen Wachstumsmodelle

13   Klassische Wachstumsmodelle....................................................54
14   AK-Modelle und Andere ............................................................59
15   Cobb-Douglas Produktionsfunktion.............................................61
16   Uzawa-Lucas und Solow-Swan-Modell.........................................65

III. Spezielle Feldtheorie: Analytik

17 Analytik der Grundgleichungen...................................................67
18 Diskussion der analytischen Lösung............................................76
19 Faustformel der ökonomischen Halbwertszeit ..............................87

IV. Quantitätstheorie und Substitutionskonkurrenz

20   Die Quantitätsgleichung............................................................92
21   Überprüfung der Quantitätskonformität.......................................97
22   Die erweiterte Quantitätsgleichung...........................................101
23   Angebot – Nachfrage - Substitution...........................................106
24   Grenznutzen und Gossensches Gesetz.......................................108
25   Substitutionsgesetze...............................................................112

                LESEPROBE         Seite    5    © Heribert Genreith 2011
26   VWL-BWL-Substitutionsgesetze.................................................116
27   Volkswirtschaftliches Sparen....................................................120
28   Vergleich mit der klassischen VWL ...........................................121
29   Substitutionswirtschaft No-Go-BIP............................................123

V. Inflation, Staatsverschuldung und Weltökonomie

30   Analytik der Inflation...............................................................127
31   Substitutionskonkurrenz und Staatsverschuldung.......................135
32   Wirtschaftskreislauf.................................................................146
33   Globalisierungseffekte.............................................................148
34   Nachhaltige Umweltbilanz........................................................155

35 Zusammenfassung der Speziellen Feldtheorie.............................159

VI. Allgemeine Feldtheorie

36   Allgemeine Feldtheorie der Makroökonomie................................178
37   Invarianten und Euler-Lagrange................................................182
38   Räuber-Beute Symmetrie.........................................................184
39   Spiralsymmetrie.....................................................................191
40   Erhaltung des Tangentenwinkels...............................................196
41   Höhere Ordnungen der Tangente..............................................200
42   Drehstreckungssymmetrie.......................................................205
43   Symmetrie der Quellen............................................................210
44   Kommutatorsymmetrie............................................................212

45 Zusammenfassung der allgemeinen Feldtheorie..........................216

VII. Anhänge

Anhang: Exemplarische Beispielrechnungen....................................221
Anhang: Nachworte ....................................................................228
Anhang: Tabellen........................................................................229
Errata, Addenda und Vorschau .....................................................236
Literaturverzeichnis und Quellen...................................................238
Danksagung und Widmung...........................................................239
Index.........................................................................................240



                 LESEPROBE        Seite     6    © Heribert Genreith 2011
1    Vorwort
Das vorliegende Buch ist eine Einführung in die Feldtheorie der
Volkswirtschaften. Warum ist diese neue volkswirtschaftliche
Theorie so interessant und warum sollten Sie als Ökonom oder
ökonomisch interessierter Leser dieses nicht ganz einfache Werk
studieren? Lassen Sie mich nur die drei wichtigsten Gründe dafür
aufführen:

Erstens: Zum ersten mal wird das Wachstum des Bruttoinlands-
produkts und des Kapitalstocks der Volkswirtschaften elementar
und schlüssig erklärt und auch theoretisch exakt berechenbar und
prognostizierbar.

Zweitens: Der Unterschied zwischen betriebswirtschaftlichen und
volkswirtschaftlichen Konzepten (Mikro- und Makroökonomie)
wird aus elementaren Zusammenhängen heraus schlüssig und
ohne Anstrengung eliminiert.

Drittens: Viele bisher nur empirisch bekannte Zusammenhänge
der Ökonomie erfahren nun eine fundamentale Erklärung und
Herleitung.

Die ökonomischen Wachstumstheorien erlebten in der
Nachkriegszeit eine mächtigen Aufschwung1 um gegen Ende des
letzten Jahrhunderts wieder stark an Aufmerksamkeit zu
verlieren. Ein Grund dafür war die Tatsache, dass sie wesentliche
Vorhersagen nie ermöglichten. Besonders gravierend zeigte sich
das in der Unmöglichkeit2, die Finanzkrisen der jüngsten Zeit

1 Siehe auch [Holub 2004].
2 In 2009 schrieben die Autoren L. Nienhaus und C. Siedenbiedel in der FAZ
Online einen bemerkenswerten Artikel zur Finanzkrise „Die Ökonomen in der
Sinnkrise“ aus dem ich hier einen Auszug zitiere: „Den Crash der Weltwirtschaft
hat kaum ein Volkswirt vorhergesehen. ...Ein Frechdachs, wer nachzuschlagen
wagt, was sie vor einem Jahr gesagt haben. ...Anfang 2008 war die Welt
nämlich noch in Ordnung. Die Ökonomen sprachen von einer Abkühlung im Jahr

              LESEPROBE     Seite   7   © Heribert Genreith 2011
rechtzeitig vorher zu sehen.

Feldtheorie ist ein Begriff aus der Physik. Feldtheorien sind ein
mathematisches Kalkül zur Beschreibung physikalischen Effekte,
die durch Kräfte und ihre Wechselwirkungen hervorgerufen
werden. Auch die Ökonomie ist letztlich ein technisches Produkt,
dessen wesentliche Einflussgrößen, die Gesamtheit der
Produktion, das Bruttoinlandsprodukt (BIP oder Y), und die
Gesamtheit des Kapitals (Kapitalstock oder K) in einem
ursächlichen Zusammenhang stehen.

Der Begriff Feldtheorie mag zunächst komplex erscheinen, jedoch
bedeutet er im Kern, dass das Fundamentalprinzip „Von Nichts
kommt Nichts“ über Bilanzgleichungen und ihre systematische
Behandlung berücksichtigt wird. Ein weiteres Element einer
Feldtheorie ist die Möglichkeit, Zusammenhänge aus inneren
Symmetrien eines Systems herzuleiten. Wie wir sehen werden,
kann die Ökonomie, Mikro- und Makro, feldtheoretisch in ein und
dasselbe Gebäude zusammengefasst werden. Auf einen knackigen
Punkt gebracht kann man sagen, die Ökonomie ist eine
„Spiralsymmetrische Substitutionswirtschaft“.

Der ökonomisch nicht zu überschätzende Effekt des neuen
Wachstumsmodell der Volkswirtschaften ist, dass man die

2009. Ein Wachstum von 1,2 Prozent, 1,5 Prozent, 1,8 Prozent sei zu erwarten,
hieß es damals, aber weiß Gott keine Rezession, nicht einmal Stagnation....Dann
kam die Krise - und mit ihr wurde offenbar, wie sehr die professionellen
Prognostiker in Deutschland danebengelegen haben. ...Das Versagen betrifft
nicht nur die Institute der Konjunkturforscher. Es betrifft alle Ökonomen. ...Die
einen geben sich zerknirscht, die anderen behaupten, alles immer schon
gewusst zu haben...."Ich habe versagt, weil ich die Tiefe des Abschwungs so
nicht erwartet hätte", sagt etwa Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigen-
rats. ...Und Dennis Snower, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft,
sagt: "Es ist eine Katastrophe. Was wir in den letzten zehn bis 15 Jahren in der
Makroökonomie gemacht haben, ist durch die Krise komplett über den Haufen
geworfen worden." ...Snower etwa fordert nicht weniger als eine Revolution.
"Wir stehen am Anfang einer spannenden Zeit, in der sich die Wirtschafts-
wissenschaft grundlegend ändern wird." [Nienhaus 2009]

              LESEPROBE      Seite   8   © Heribert Genreith 2011
Entwicklung und gegenseitigen Abhängigkeiten der weltweiten
Volkswirtschaften mit praktisch nutzbarer Genauigkeit
vorhersagen kann. Insbesondere werden die quantitativen
Einflüsse von politischen und ökonomischen Eingriffen in das
Finanzsystem zukünftig zuverlässiger zu prognostizieren sein.

Das mag mittelfristig dazu führen, dass sich sowohl Investitions-
entscheidungen der Finanzdienstleister, als auch der Politik,
risikobewusster und sicherer verwalten lassen und kommunizieren
lassen.

Dieses Buch ist eine Einführung für Fachleute in die neue
Makroökonomische Theorie die sich seit 2009 entwickelt hat. Sie
ist noch so neu, das sie Objekt der Forschung und Entwicklung ist
und bedarf, wie jede frische Theorie, weiterer wissenschaftlicher
Arbeiten. Diese sind seit Ende 2010 mit der ersten Beteiligung
einer ökonomischen Fakultät an der Universität Zug, Institut für
Finanzdienstleistungen IFZ, Schweiz, in Gang gekommen. Aber
auch jeden Leser dieses Buches möchte ich zu aktiver Teilnahme
auffordern. Sei es in Form von allfälligen Korrekturen, aber auch
Wünschen nach Ergänzungen, oder sogar durch Lieferung eigener
Beiträge und Erkenntnisse: Denn dieses Buch wird nach einiger
Zeit ganz sicher eine aktualisierte Neuauflage erleben, und
substantielle Gastbeiträge3 werden dazu gerne vom Autor
entgegen genommen.

Dazu ist noch einiges an Forschungsarbeit zu leisten. Dies betrifft
nicht nur die Fortentwicklung der Theorie und ihrer praktischen
Anwendungen, es betrifft auch den Bedarf an verlässlichen
statistischen Daten der meist staatlichen Statistikinstitute. Denn
leider ist es zur Zeit nicht so, dass die volkswirtschaftlichen Daten
die man wirklich braucht, leicht zugänglich erfasst werden.

3 Alle substanziellen Beiträge werden selbstverständlich unmissverständlich als
  geistiges Eigentum der zuliefernden Autors behandelt. Für alle Fälle wenden
  Sie sich bitte an den Autor per Email bzw. über die Kontaktdaten des
  Impressums etwa meiner Webseite. [Genreith Web 2011]

              LESEPROBE     Seite   9   © Heribert Genreith 2011
Die bundesrepublikanischen Institute sind weltweit noch eine
positive Ausnahme mit ihrer Umfang- und detailreichen Erfassung
qualitativ hochwertiger Daten. Das ist aber in erstaunlich wenigen
Ländern der Fall, oft werden Daten nur rudimentär oder qualitativ
zweifelhaft erfasst.

Dieses Buch dient daher nicht nur der Information und Grundlage
für Forscher und Studenten der Ökonomie, sondern beinhaltet
auch die Aufforderung, diese Theorie weiter zu entwickeln. Wie
bei jeder neuen Theorie ist viel Arbeit zu erledigen, vieles muss
und kann noch erweitert werden, neue Ideen und Bestimmungs-
gleichungen hinzugefügt, manches wird angepasst werden
müssen.

In dieser Erstauflage bitte ich, wegen des nicht geringen
Umfanges der Arbeit, das eine oder andere Auge zu zudrücken,
wenn sich irgendwo ein Fehlerteufelchen eingeschlichen haben
sollte.

Heribert Genreith,     Hennef, Im August 2011.




           LESEPROBE   Seite   10   © Heribert Genreith 2011
2   Definition der Problemstellung

Eine große Volkswirtschaft, wie sie etwa die BRD darstellt, ist ein
außerordentlich komplexes Gebilde, das einem weiten Feld von im
Detail kaum kalkulierbaren Einflüssen unterworfen ist. Dabei ist
nicht alles prognostizierbar, manches erscheint als Gott
gegebenes Schicksal und entzieht sich unserer Imaginationskraft.

Trotzdem verhalten sich die zwei Kerngrößen einer Volkswirtschaft
erstaunlich unbeeindruckt von solchen, teilweise als intensiv
empfundenen, Bewegungen: Das Bruttoinlandsprodukt Y und der
totale Kapitalstock K, wie uns die folgende Abbildung 1, am
Beispiel der Realzahlen der BRD verdeutlicht.

Die Entwicklung läuft relativ kontinuierlich ab, wobei der erste
heftige Sprung 1990 zu erkennen ist. Dieser resultiert aus der
Eingliederung der DDR und ihrer Bevölkerung in die BRD. Der
nicht unerhebliche Bevölkerungszuwachs erzeugt den Offset in
Kapitalstock und BIP gleichzeitig.

Der nächste ungewöhnliche Einbruch ist um das Jahr 2000 zu
erkennen: Das starke Wachstum des Kapitals war ab dieser Zeit
nicht mehr aufrecht zu erhalten, es war die Zeit des sogenannten
DotCom-Crashs, als sich die Spekulation in die damals noch ganz
frischen Internettechnologien als überzogen erwiesen.




           LESEPROBE   Seite   11   © Heribert Genreith 2011
Abbildung 1: BIP und Gesamtheit aller Bankenaktiva der BRD nach Zah-
 len der Bundesbank und des Statistischen Bundesamtes von 1950 bis
    2010 in linearer (links) und logarithmischer (rechts) Darstellung.


Das BIP blieb davon jedoch unbeeindruckt und stieg weiter nur
linear an. Der nächste Einbruch, die Lehman Krise, macht sich ab
2008 dann aber sowohl in einem negativen Knick der Aktiva-
entwicklung als auch in der BIP Entwicklung bemerkbar.

Was unmittelbar auffällt ist die enorme Zunahme der Spreizung
zwischen der Entwicklung der Gesamtheit aller Bankenaktiva4 der
BRD und des Bruttoinlandsproduktes. Betrug das Verhältnis K/Y
im Jahre 1950 noch etwa 0,38 so stieg es bis 2008 auf 3,25 an.

Das dies zu Problemen führen kann liegt auf der Hand, obgleich
4 Bilanzen der Finanzinstitute sind immer ausgeglichen, d.h. den Aktiva
  entsprechen in exakt gleicher Höhe die Summe der Passiva. Die Aktiva sind
  die Kredite, Anlagen und Assets aller Art, die Passiva die Summe der
  unterschiedlichen Vermögen und Einlagen.

            LESEPROBE      Seite   12   © Heribert Genreith 2011
die klassischen Wachstumstheorien der Makroökonomie hier keine
Probleme sehen können. Die klassischen Wachstumsmodelle, auf
die wir später noch genauer eingehen werden, beziehen sich in
der Mehrzahl auf die sogenannten Cobb-Douglas-Produktions-
funktion (CDPF) beruhen. Diese besagt in der Standardform den
folgenden Zusammenhang:

                       Y =c (t) K a Lb     (2.1)

Dabei ist Y das BIP, K der Kapitalstock, bzw. genauer der
Kapitaleinsatz, der eine Teilmenge des totalen Kapitalstockes ist.
Der Vorfaktor c ist im allgemeinen ein Faktor, der zeitlich variabel
sein kann. Die Exponenten a und b addieren sich in den meisten
Implementierungen zu 1, also a+b=1 oder b=1-a.

Weiter ist L der Arbeitseinsatz. In vielen praktischen Fällen nimmt
man a=b=0,5 an, womit wir im einfachsten Fall

                           Y =c √ KL           (2.2)

erhalten. Was wir dabei sofort sehen ist, dass das BIP Y sowohl
durch verstärkten Arbeitseinsatz als auch durch zusätzlichen
Kapitaleinsatz zweifellos zunehmen müsste.

Wegen der Wurzel nimmt die Steigung der Funktion, und damit
die Effektivität des Arbeits- oder Kapitaleinsatzes zwar etwas ab,
sie bliebt aber in jedem Falle positiv fürs BIP. Mehr noch darf man
sogar sagen, dass im Falle einer weit entwickelten Volkswirt-
schaft, und damit bereits hohem L und K, gerade ein besonders
kräftiger Kapitalschub notwendig wäre, um die Wirtschaft effektiv
anzukurbeln.

Leider zeigt die seit 2008 verschärfte Finanz- und Wirtschaftskrise
an, das dies nicht der Fall ist.



           LESEPROBE    Seite   13   © Heribert Genreith 2011
Abbildung 2: Totaler Kapitalkoeffizient (oben) und Anteil des un-
mittelbaren Kapitaleinsatz (mitte) im Verhältnis zum BIP in der BRD
von 1950 bis 2010 nach Zahlen der Bundesbank. Die untere Kurve
 beschreibt das Verhältnis der oberen beiden zueinander. Ab etwa
           2000 sinkt dieses Verhältnis unter 0,5=50%.

Denn wie wir in der Abbildung 1 der Realzahlen erkennen können,
hat trotz des enormen Zuwachses an Kapital seit 1990 kein
entsprechender Wirtschaftsaufschwung5 mehr stattgefunden. Im
Gegenteil hat sich das Wachstum sogar kontinuierlich
abgeschwächt und wurde schließlich sogar negativ. Selbst die
enormen Finanzhilfen in Folge der Lehmankrise konnten diese
Situation nicht nachhaltig verändern.


5 Der 1990er-Aufschwung ist ein Ausnahmeeffekt, der alleine auf der
  sprunghaften Zunahme der Bevölkerung durch die DDR Eingliederung basiert.

            LESEPROBE     Seite   14   © Heribert Genreith 2011
Essentiell für die Makroökonomie ist die Betrachtung des
Kapitalkoeffizienten.

Dieser definiert in der klassischen Makroökonomie das Verhältnis
von Kapitaleinsatz zu Bruttoinlandsprodukt. Dabei ist der Begriff
des Kapitaleinsatzes von entscheidender Bedeutung. Denn in der
klassischen Makroökonomie wird angenommen, dass sich die
wirtschaftliche Dynamik alleine aus Kapital, das unmittelbar per
Kreditvergabe in die Realwirtschaft vergeben wird eine
volkswirtschaftliche Dynamik entfaltet. Also die von den
sogenannten Geschäftsbanken vermittelten Kredite , d.h. sowohl
Investitions- und auch Konsumkredite, in die Realwirtschaft.

Dazu schauen wir uns die Abbildung 2 an, in der wir neben dem
totalen Kapitalstock auch den Anteil des unmittelbaren
Kapitaleinsatzes per Kreditvergabe an Nichtbanken nach den
amtlichen Zahlen eingetragen haben. Die Graphik zeigt deutlich,
das das BIP zunehmend Schwierigkeiten hat, die vorhandene
Menge an Kapital zu verarbeiten. Etwa 1967 überstieg der
gesamte Kapitalstock bereits das BIP, ab Mitte der 1980er Jahre
überstieg sogar der unmittelbare Kapitaleinsatz die Marke von
100% des BIP's.

Im ersten Krisenjahr der DotCom-Übertreibung erreichte die vom
BIP aufgenommene Menge an Krediten einen Maximalwert von
fast dem 1,5-fachen des eigenen Wertes, was schon erstaunlich
ist. Seitdem nahm er, trotz erheblich ausgeweiteter Geldmenge,
kontinuierlich wieder ab.

Der Effekt wurde bereits vielfach diskutiert und auch ohne
Mathematik liegt die Logik darin nahe. Denn die Aufnahme-
fähigkeit des BIP's für Kredite ist begrenzt. Eine Aufnahme aller
Vermögen in Form direkter Kredite ins BIP würde bei einem
totalen Kapitalkoeffizient von mehr als 3 bedeuten, dass das BIP
wenigstens alle vier Monate komplett umgesetzt werden müsste.


           LESEPROBE   Seite   15   © Heribert Genreith 2011
Ein Mehr an Kapital führt deswegen bevorzugt dazu, dieses als
Investmentinstrument im Handel zwischen Banken, im
sogenannten Bankeneigengeschäft zu nutzen. Denn der Bedarf
des BIP's ist bereits mehr als gedeckt, und mangels Nachfrage
sind auch die Kapitalpreise niedrig. Das bedeutet, dass die
erzielbaren Renditen im Geschäftsbankenmodell eher niedriger
sind, als sie im Investmentbereich noch möglich sind.




    Abbildung 3: Kapitalproduktivität in der BRD von 1950 bis 2010
                       nach amtlichen Zahlen


Erheblich für unsere Fragestellung ist dabei lediglich, dass die
klassischen Wachstumsmodelle trotzdem eine weitere Zunahme
des Wachstums durch mehr Kapital vorhersagen, obwohl dies in
der Praxis6 nicht der Fall ist, von kurzfristigen Effekten einmal

6 Bis auf kurzfristige Konjunkturschwankungen ohne mittel- oder langfristige

             LESEPROBE     Seite   16   © Heribert Genreith 2011
abgesehen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Begriff der
Kapitaleffizienz, auch Kapitalproduktivität7 genannt. Dieser gibt
an, wie viel neues BIP wird durch jede Währungseinheit neuen
Kapitals erzeugt wird. Wie entwickelt sich also der Koeffizient

                                  dY / dt
                         k i :=                  (2.3 a) ?
                                  dK / dt

Dazu zunächst einmal ein Blick auf die Realzahlen in Abbildung 3.
Wie wir sehen, nimmt dieser Koeffizient kontinuierlich ab. Wurden
zu Beginn der BRD noch durchschnittlich für jeden Euro frischen
Kapitals auch wenigstens ein Euro BIP erzeugt, so nahm diese
Produktivität bis 2010 auf praktisch Null ab und fällt mittelfristig
weiter. Ein Effekt den wir auch in den USA deutlich sehen.
Frisches Kapital wird also de facto mit der Zeit unproduktiv, ja
kontraproduktiv. Wie kann das sein?

Man kann auch den Kehrwert der Kapitalproduktivität, ergo die
BIP-Produktivität bzgl. des Kapitals studieren:

                                    dK /dt
                           y i :=                 (2.3 b)
                                    dY /dt

Dieser besagt, wie viel zusätzliches Kapital pro Euro BIP-
Wachstum entstehen muss. Wegen dY /dt →0 wird dieser
Koeffizient allerdings gegebenenfalls singulär und ist deswegen
nicht so griffig. Man sieht jedoch, dass dieser Koeffizient
inzwischen gegen unangenehm große Zahlen läuft. Für jeden Euro
zusätzlichen BIP's werden de facto schließlich hunderte wenn
nicht tausende Euro Kapital „erzeugt“.



  Bedeutung.
7 Engl.: marginal productivity of debt

             LESEPROBE      Seite     17     © Heribert Genreith 2011
Diese seltsam anmutenden Effekte der Größen Y und K sind
international, insbesondere in den bereits weit entwickelten
westlichen Demokratien, in phänomenologischer Weise gleichartig
fortgeschritten.

Ein weiterer Teil der Problemstellung sind die Verläufe über die
Zeit von Staatsverschuldung und Inflation. Auch diese, internatio-
nal überall in mehr oder weniger starker Ausprägung zu beobach-
tenden Phänomene, verlaufen empirisch belegbar nach gleich-
förmigen Gesetzmäßigkeiten ab. Die populistische oft vertretene
Annahme, diese Geiseln des Gemeinwesens würden auf unfähigen
Politikern beruhen, ist ganz sicher viel zu kurz gegriffen. Denn
diese Phänomene sind durchgängig über all in der Welt und auch
unabhängig von der politischen oder auch wirtschaftlichen
Ausrichtung der Nationen zu beobachten.

Eine funktionierende Makroökonomische Theorie sollte all diese
empirisch beobachtbaren ökonomischen Grundphänomene aus
einfachen Fundamentalprinzipien heraus erklären können. Nicht
mehr, aber auch nicht weniger, müssen wir fordern.

Als ersten definitorischen Schritt klären wir zunächst unsere
wichtigsten Begriffe ab:

Der
totaler Kapitalkoeffizient:

ist das Verhältnis
                                       K
                              k t :=          (2.4)
                                       Y

der Summer aller nationalen Bankenaktiva K zum
Bruttoinlandsprodukt Y. (Die aktuellen Werte von K sind der
Datenreihe U0308 der Bundesbank zu entnehmen)




           LESEPROBE     Seite   18        © Heribert Genreith 2011
Der
klassischer Kapitalkoeffizient

behandelt den in der klassischen Ökonomie i.d.R. genutzten Anteil
des unmittelbaren Kapitaleinsatzes in Form von Krediten in die
Realwirtschaft.

Diese Geldmenge ist der Bundesbank-Datenreihe U0115 zu
entnehmen und wir bezeichnen dieses Aggregat als M K . Der
klassische Kapitalkoeffizienten ist damit als

                                       MK
                              k c :=                  (2.5)
                                       Y

definiert. Bei manchen Autoren werden auch die bekannteren
Geldmengenaggregate8 M 1, M 2, M 3 verwendet, die allerdings
nur eine ungefähre Angabe des liquiden Geldes hergeben und für
exakte Berechnungen kaum geeignet sind.

Der
unmittelbarer Kapitaleinsatz

in die Realwirtschaft ist der Anteil des totalen Kapitalstockes, der
auf direkte Weise ins BIP eingebracht wird, den wir nach obiger
Definition also mit
                           MK          (2.6).

abkürzen.




8 Dies sind die Geldmengen, die als Cash oder kurzfristige Anlagen schnell
  verfügbar gemacht werden können. Insbesondere die Summe M 3
   unterscheidet sich wenig von    MK   .


             LESEPROBE     Seite   19       © Heribert Genreith 2011
Der
mittelbarer Kapitaleinsatz

ist damit die Differenz aus der totalen Summe aller Bankenaktiva
K (Datenreihe U0308) und M K (Datenreihe U0115), also

                     M m :=K −M K                  (2.7)

Mittelbarer Kapitaleinsatz bedeutet, dass er als Investmentvehikel
im Interbankengeschäft genutzt wird (bzw. werden muss).

Der
mittelbare Kapitalkoeffizient

ist somit als

                                  K−M K
                         k m :=                       (2.8)
                                   Y
definiert.




             LESEPROBE   Seite     20   © Heribert Genreith 2011
3   Feldtheorien
Feldtheorien sind ein probates Mittel der Naturwissenschaften,
Systeme und ihre dynamischen Eigenschaften zu beschreiben.
Der Begriff „Feld“ bezieht sich dabei auf eine oder mehrere
Feldgleichungen, die den Zustand eines mathematischen Raumes
zu beliebigen Zeitpunkten in Abhängigkeit von bestimmten
dynamischen Eingangsgrößen beschreibt. Feldtheorien sind ein
mathematischer Unterbau zur Beschreibung all jener Effekte, die
durch Kräfte und ihre Wechselwirkungen hervorgerufen werden.
Alle relevanten naturwissenschaftlichen Theorien lassen sich als
Feldtheorien formulieren.

Die mathematische Behandlung von Feldtheorien benötigt
Grundkenntnisse, wie sie in der Physik und vielen Ingenieur-
wissenschaften üblicherweise vermittelt werden. In der Ökonomie
ist dies nicht immer der Fall. Daher werde ich die Funktionsweise
der wesentlichen Algorithmen an Beispielen beschreiben.

Als Beispiel eines Feldes behandeln wir ganz kurz ein Temperatur-
feld. So etwas liegt in jedem normalen Wohnzimmer vor. Das Feld
ist dabei T ( x , y , z , t) , dass heißt die Temperatur T an einem
Punkt mit den Koordinaten x,y,z zu einer gegebenen Zeit t.

Das Temperaturfeld kommt natürlich nicht von ungefähr, sondern
aufgrund von Quellen und Senken im Raum. Quellen sind in
unserem Beispiel etwa der laufende Fernsehapparat, die zwei
Zuschauer auf dem Sofa, die Deckenbeleuchtung und der
Heizkörper: Alle diese sind nämlich Quellen von Wärme. Dazu gibt
es Senken, denn der Raum verliert Wärme nach draußen, etwa
über die Außenwände und besonders die Fenster. Der Verlust über
die Wände ist im Winter am größten; im Sommer können die
Außenwände aber auch Quellen von Wärme sein, ebenso im
Winter, wenn eine angrenzende Zwischenwand von der anderen
Seite her beheizt wird.


           LESEPROBE   Seite   21   © Heribert Genreith 2011
Die Summe dieser Quellen und Senken und deren zeitliche
Dynamik bestimmt die Dynamik des Temperaturfeldes im Raum.
Wir wollen dass nicht im Detail klären, denn solche Temperatur-
felder sind nicht trivial. Im Grunde gilt aber, wie bei jeder
Feldtheorie der Zusammenhang:

      T ( x , y , z ,t)=F ( q( x , y , z , t) , s ( x , y , z , t), x , y , z , t) (3.1)

Dabei kann die Funktion F, die die Wirkung der Quellen und
Senken beschreibt, ggf. sehr kompliziert sein. Die Quellen und
Senken unterliegen dabei noch selbst gewissen Einschränkungen
oder Randbedingungen. Jedem bekannt ist, als Beispiel einer
solchen Bedingung, der Energiesatz. Dieser besagt im Prinzip das
„Nichts von Nichts“ kommt und die Gesamtbilanz der Verluste und
Gewinne in einem geschlossenen System immer Null ergibt.

Unser Beispiel des Wohnzimmers ist dabei das eines offenen
Systems. Denn durch die Außenwände kommt sowohl Energie ins
System hinein und an anderer Stelle geht sie heraus, wobei die
Bilanz in offenen Systemen nicht zwingend ausgeglichen sein
muss:

                              Q+S ≠0                   (3.2).

Ob in einem System jedoch tatsächlich ein Gleichgewichtszustand
erreicht wird, hängt davon ab, wie die Funktion F (q , s) die
Quellen und Senken „verarbeitet“. Diese Funktion enthält hier die
physikalischen Gesetze der Thermodynamik. Die besagen zum
Beispiel, das die Temperatur niemals höher als die wärmste
Quelle oder tiefer als die kälteste Senke werden kann. Daher
stellt sich typischerweise nach einer gewissen Zeit t g irgendwo
dazwischen ein Gleichgewicht ein. Das heißt, die Feldfunktion
  T ( x , y , z , t) wird dann zeitlich konstant, und es gilt




            LESEPROBE          Seite    22     © Heribert Genreith 2011
dT
                                =0            (3.3)
                             dt
womit auch folgt

             dF     ∂F ∂q ∂F ∂s ∂ F
                =0=        +      +                             (3.4).
             dt     ∂ q ∂ t ∂ s ∂t ∂t

Das ist wiederum gleichbedeutend damit, dass die Summe der
Quellen und der Senken gegensätzlich identisch ist, denn es gilt
                                                ∂F
im statischen Gleichgewichtsfall auch              =0 und damit
                                                ∂t

                      ∂ F ∂q ∂ F ∂ s
                 0=         +                               (3.5),
                      ∂ q ∂t ∂ s ∂ t

Integriert über die Zeit bedeutet dies

               t1    ∂ F ∂q       t   ∂F ∂s
          Q :=∫t (          )dt=−∫t (
                                       1
                                             )dt=:−S                 (3.6)
                 0   ∂ q ∂t           ∂ s ∂t
                                       0




und damit eben

      Q+S =0 für alle      Δ T =t 1−t 0 und           t 0>t g            (3.7)

sobald das Gleichgewicht erreicht ist: was ins System an einer
Stelle an Energie hereinkommt, geht an anderer Stelle auch
wieder hinaus.

Kommen wir nun zum Fall eines geschlossenen Systems: Der
wesentliche Unterschied zu offenen Systemen besteht darin, dass
die Bilanzgleichung immer ausgeglichen sein muss:

                         Q+S !=0                 (3.8)

Denn was in einem geschlossenen System an einer Stelle hinzu


           LESEPROBE      Seite   23       © Heribert Genreith 2011
kommt, muss logischer Weise an anderer Stelle weggenommen
werden. Ein geschlossenes System würden wir in unserem
Wohnzimmerbeispiel erreichen, indem wir das Haus mit einem
großen, thermisch ideal isolierten, Behältnis umgeben, so dass
die Wärmeerzeuger (Heizung, Stromerzeuger etc.) innerhalb des
Behältnisses9 liegen. Dann ist die Änderung der Gesamtenergie
des Systems immer Null,

                                             dE
                      E=const. und              =0             (3.9)
                                             dt

während sich innerhalb des Wohnzimmers W, als kleines
                                                          dE W
Subsystem, sehr wohl der Energiegehalt                         ≠0 zeitlich ändern
                                                           dt
kann.

Alle Feldtheorien können mit Standardwerkzeugen der
Mathematik behandelt werden. SO ergeben die Euler-Lagrange-
Gleichungen ein System von Differentialgleichungen, die das
Verhalten der Felder eindeutig festlegen. Diese Gleichungen
nennt man allgemein die Bewegungsgleichungen des Systems.

Dafür muss man die Randbedingungen des Systems geeignet, das
heißt wirklichkeitsnah, fest legen. Solche Randbedingungen
werden insbesondere durch sogenannte Kontinuitätsgleichungen
aufgestellt. Dies sind letztlich immer Bilanzgleichungen, ähnliche
wie in unserem Beispiel erwähnt.

Allgemeine Lösung der gestellten Probleme können, aufgrund der
zugrunde liegenden Komplexität, manchmal unmöglich sein oder
aber nur über numerische Verfahren gelöst werden. Die
9 Ein solches Behältnis wäre in unserem Beispiel allerdings ziemlich groß, da für die von
  außen wirksame Lufttemperatur die Sonne verantwortlich ist. In realen Fällen sind
  geschlossene Systeme immer so groß zu wählen, dass die Außenbeiträge keine
  nennenswerte Rolle mehr spielen oder durch eine Konstante (etwa Solarkonstante)
  inkorporiert werden können.

               LESEPROBE       Seite    24    © Heribert Genreith 2011
Lagrangedichten in der Feldtheorie ermöglichen jedoch immer
eine systematische Untersuchung von Symmetrien und
Erhaltungsgrößen, worauf wir im späteren Teil dieses Buches
zurück kommen werden.

Als Fazit in einfachen Worten fassen wir also zusammen:

Das Wesen einer Feldtheorie ist die Rückführung der
Zusammenhänge auf einfachste Grundprinzipien. Insbesondere
das Grundprinzip „Von Nichts kommt Nichts“.

Dieser Grundsatz wird in Form von Bilanzgleichungen
berücksichtigt.

Wichtig ist die Unterscheidung von offenen und geschlossenen
Systemen. Bilanzgleichungen von offenen und geschlossenen
Systemen können grundlegend unterschiedlich sein. Geschlossene
Systeme können aber aus einer Vielzahl zusammengehöriger
offener Systeme bestehen.




          LESEPROBE   Seite   25   © Heribert Genreith 2011
4    Spezielle Feldtheorie der Makroökonomie
Selbst einfache Zusammenhänge der Technik sind oft bereits
nichtlinearer Natur. Das gilt prinzipiell auf für die Makroökonomie,
allein schon wegen der unmittelbaren gegenseitigen Beeinfluss-
ungen der wesentlichen Einflussgrößen, so von Kapital und
Bruttoinlandsprodukt. Aber auch von Preisen, Zinsen und
Handelsvolumen oder Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Dies
muss, in einem selbstkonsistenten Modell, zu nichtlinearen
Abhängigkeiten führen.

Selbstkonsistente Theorien, haben die Eigenschaft, dass sie alle
relevanten Größen ohne hinzugeben äußerer Daten in ihrer
zeitlichen Dynamik beschreiben. Trotzdem ist es sinnvoll, erst
einmal ein nicht-selbstkonsistentes Modell zu untersuchen, um
den tieferen Zusammenhängen auf die Spur, und damit auch der
nichtlinearen Theorie, zu kommen.

Die spezielle Feldtheorie der Makroökonomie ist daher ein nicht-
selbstkonsistentes Modell, da wichtige Parameter, wie die
Verzinsung10 des Kapitals, aus Messwerten entnommen werden
müssen. Ein selbstkonsistentes Modell, also die später behandelte
Allgemeine Feldtheorie der Makroökonomie, sollte dagegen auch
solche Parameter aus sich selbst heraus erklären können.

In der Speziellen Feldtheorie stellen wir also erst einmal die
einfachere Frage: „Welche Entwicklung nehmen die Funktion von
Kapitalstock K und Bruttoinlandsprodukt Y unter einer
gegebenen Verzinsung des Kapitals?“. Die Lösung dieser für die
meisten praktischen Probleme der Wachstumstheorie allerdings
schon völlig ausreichenden, Frage, liefert uns schließlich den
Eingang zur komplexeren nichtlinearen Theorie.
10 Die Verzinsung, oder der Preis des Geldes, ist z.B. selbst eine Funktion etwa
   von Angebot (Kapitalstock K) zu Nachfrage (BIP Y), woraus sich wiederum
   eine Änderung der Geldmenge dK/dt ergibt. Die Folge ist eine Nichtlinearität
   des Modells.

             LESEPROBE      Seite   26    © Heribert Genreith 2011
Die Gesamtbilanz der Quellen11 und Senken spielt natürlich hier,
wie bei jeder funktionierender Feldtheorie, die wichtigste Rolle.
Denn eine solche Bilanz- oder Kontinuitätsgleichung ist jeder
Feldtheorie immanent. Es ist klar, dass bei allen solchen
Strukturen Fehler in den Bilanzgleichung erhebliche Auswirkungen
haben auf die Konsistenz des Modells, um so größer, je weniger
exakt die Bilanz auf geht.

Ein „Feld“ kann im allgemeinen Fall natürlich ein abstrakter,
beliebig dimensionaler, mathematischer Raum sein, im
einfachsten Fall also auch eindimensional. Etwa für die Antwort
auf die Frage zu liefern: Wie entwickelt sich das Feld

                           F =( K ,Y )         (4.1)

entlang unseres Raumes, der Zeitschiene

                         T =(t)               (4.2) ?

Die benötigte Bilanzgleichungen wird, wie wir noch sehen werden,
durch die schon lange bekannte Bilanzgleichung

                          MV =HP               (4.3),

die sogenannte Quantitätsgleichung der Makroökonomie, gegeben
sein. Allerdings werden wir diese noch etwas genauer definieren
müssen.




11 Im allgemeinen Fall lassen sich die Quellen und Senken in sogenannte
   Divergenzen und Rotationsfelder aufteilen.

             LESEPROBE     Seite   27    © Heribert Genreith 2011
5 Herleitung der Grundgleichungen
Gesucht werden also zwei miteinander verknüpfte Funktionen K
und Y. Es ist aus mathematischen Gründen klar, dass wir dafür
zwei verkoppelte, linear unabhängige Bestimmungsgleichungen
benötigen. Linear unabhängig heißt keineswegs, dass die
Bestimmungsgleichungen linear sein müssen. Linear unabhängig
heißt, das sich die Beiden Bestimmungsgleichungen nicht durch
einfache (lineare) Rechenoperationen ineinander überführen
lassen.

Man kann aber erst einmal, auch das zeigt die Erfahrung, einen
linearen Ansatz der Bestimmungsgleichungen wagen. Oft liegt
man damit schon richtig oder wenigstens nahe 12 dabei. Man
könnte die gesuchten Bewegungsgleichungen der Makroökonomie
auch gleich über den Lagrangeformalismus zu entwickeln suchen.
Allerdings ist dieser Weg mathematisch weder trivial noch sehr
intuitiv. Wir werden darauf also erst später zurück kommen, und
als erstes die Bewegungsgleichungen auf intuitive Weise
bilanzieren und so herbeiführen.

Wir setzen an, da die beiden gesuchten Funktionen in
gegenseitiger Abhängigkeit stehen müssen:

               dY
                  = F t ,Y t , K t , pi t  , ...      (5.1 a)
               dt
               dK
                  =G t , Y t  , K t  , qi t  , ...    (5.1 b)
               dt

Die Differential-Funktionen F und G sind jedoch ad hoc
unbekannt. Sicher ist, dass sie von der Zeit t und von den
anderen Einflussgrößen Y t bzw. K t  abhängig sein
müssen. Dazu kommen noch weitere Parameter, die eventuell
12 Andernfalls muss man sich halt weitere Gedanken über nicht-lineare
   Zusammenhänge machen. Diese folgen später in diesem Buch.

             LESEPROBE        Seite     28     © Heribert Genreith 2011
zeitabhängigen Funktionen p i t  und q i t , welche zum
Beispiel Prozentsätze oder andere Parameter sein können.

6 Die Parameterfunktionen
Die Parameterfunktionen a 0, b0, p B , pY , pS , p K sind nun noch
ökonomisch zu bestimmen, das heißt zu bilanzieren.

Die beiden Gleichungen haben die Grundstruktur

                    dY
                       =QuellenY +Senken Y     (6.1 a)
                    dt

                                  und

                    dK
                       =Quellen K +Senken K    (6.1 b)
                    dt

d.h. die zeitlichen Änderungen der Feldgrößen Y und K entstehen
durch die zugehörigen Quellen und Senken.

Welche Quellen und Senken haben wir nun für Y und K in einer
Kapital getriebenen Ökonomie?

Das BIP Y hat zunächst zwei Treibsätze: Einmal das das
Bevölkerungswachstum p B , denn eine wesentliche
Wachstumsursache für das BIP aus sich selbst heraus ist die
Zunahme der Anzahl der Konsumenten und Schaffenden durch
das natürliche Bevölkerungswachstum als auch Zuwanderung.
  p B = p B t ist also das effektive Bevölkerungswachstum, das
ggf. natürlich auch negativ sein kann. Zum zweiten sind es aber
besonders Kredite, die das Wachstum antreiben. Sie sind in der
Regel die stärkste Komponente des Produktionswachstums.

Die Parameterfunktion      p Y ist daher die Investitionsrate von


            LESEPROBE    Seite   29   © Heribert Genreith 2011
Kapital in das BIP. Diese werden durch ihren Anteil p Y aus dem
totalen Kapitalstock beschrieben:

                      dY
                         =b0+ p B Y + pY K        (6.2 a)
                      dt

Hinzu kommt noch der freie Parameter b0 . Der entsteht etwa
dann, wenn ohne entsprechende Geldflüsse BIP ins Ausland
verschenkt wird ( b0 <0 , Entwicklungshilfe durch Sachspenden
und unbezahlte Dienstleistungen vor Ort, Care-Packete u.a.) oder
wenn solche Sachspenden13 angenommen werden ( b0 >0 ).

Entsprechend vermehrt sich das Kapital im wesentlichen durch
Sparen p S und Verzinsung des Kapitalstockes p K :

                      dK
                         =a 0+ p S Y + p K K      (6.2 b)
                      dt

Der freie Parameter14 a 0 beschreibt hier wiederum den Zu-
oder Abfluss von Auslandskapital ohne unmittelbare
Sachgegenleistung aus dem BIP. Ein Abfluss oder Zufluss a 0≠0
entsteht auch bei freier Geldvernichtung oder Schöpfung ohne
Gegenleistungen irgendwelcher Art. p S ist das Einkommen,
dass im Bezugsjahr aus BIP gespart wird, wodurch sich der totale
Kapitalstock erhöht. Weiterhin vermehrt sich Kapital scheinbar
aus „sich selbst heraus“, nämlich über die durchschnittlichen
Verzinsung p K über alle Anlageklassen (Assets).

Nun besteht aber zwischen den Parameterfunktionen                  pY   und

13 Auch unbezahlte Dienstleistungen sind Sachleistungen.
14 Diese Parameter-Funktionen sind im allgemeinen Funktionen der Zeit, ggf.
aber sind es auch Pseudo-Konstanten     p i≈0 oder gar Konstanten,
insbesondere können sie auch identisch Null sein. Denn für ein geschlossenes
System gilt z.B. a 0=0=b 0 .


             LESEPROBE     Seite   30   © Heribert Genreith 2011
pK  ein ursächlicher Zusammenhang. Denn die tatsächliche
Verzinsung der Banken Aktiva muss in letzter Konsequenz immer
vom BIP erwirtschaftet werden, und daher gilt aus einfachen
Bilanzgründen:
                        p K =− pY := pn (6.3)

Damit lässt sich in erster linearer Näherung das vollständige
Makroökonomische Gleichungssystem zu

                    dY
                       =b0 (t)+ p B ( t)Y − pn (t) K         (6.4 a)
                    dt
                    dK
                       =a 0 t pS t Y  p n t  K       (6.4 b)
                    dt

bestimmen. Die Funktion − p n nennen wir die
Nettoinvestionsquote und p n die Nettogeschäftsquote der
Kreditwirtschaft. Diese Funktion ist im nächsten Abschnitt noch
näher zu bestimmen.

Es handelt sich bei dem obigen Differentialgleichungssystem15
15 Wie jede Funktion lassen sich auch DGL's als Taylorreihe darstellen, in
unserem Fall gilt:

       dY                                         dK
          =∑ pijkl Y t  K t                      =∑ qijkl Y t  K t
                     i j  k l                               i j  k l
                                          und
       dt                                         dt
Man kann dann im ersten Ansatz die numerisch führenden linearen Terme
nutzen. Aus diesem wohl begründeten Fakt heraus gilt mindestens lokal, und
wenn die höhergradigen Terme nahezu oder tatsächlich verschwindend sind,
auch sogar global:

  dY                                              dK
     = p0000  p 0100 Y  p 0001 K...    und        =q0000 q 0100 Y q 0001 K ...
  dt                                              dt
Die grundsätzliche lineare Struktur eines differential-analytischen Modells zweier
abhängiger Funktionen lautet damit:



              LESEPROBE      Seite       31     © Heribert Genreith 2011
um ein sogenanntes Anfangswertproblem. Dies bedeutet, das aus
den Anfangswerten Y 0=Y 0 und K 0=K 0 die Werte für
spätere Zeiten t0 durch Aufintegration der Änderungsraten
zu ermitteln sind. Dies kann im idealen Falle analytisch
geschehen, oder wenn dies nicht geschlossen möglich ist, durch
numerische Verfahren.

Analytische Verfahren sind immer vor zu ziehen, denn im
Gegensatz zu numerischen Verfahren werden in der Analytik
sämtliche Abhängigkeiten mit gezogen und ermöglichen eine
grundlegende Diskussion und Analyse der ermittelten
Bewegungsgleichungen. Bei numerischen16 Verfahren können die
Abhängigkeiten der Lösungen von den Eingangsparametern
dagegen nur durch mühsame Variation der Parameter
näherungsweise ermittelt werden.

7      Bestimmung der Nettogeschäftsquote
Für die konkrete Formulierung von p n t  benötigen wir eine
Aussage über das Verhältnis von Investitionen in die Realwirt-
schaft zu den Eigengeschäften des Finanzsystems, also von
unmittelbaren zu mittelbaren Kapitaleinsatz.


              dY                                  dK
                 =b0+ p B Y + pY K          und      =a 0+ p S Y + p K K
              dt                                  dt
Die Parameterfunktionen der p und q sind hier schon durch die im folgenden
benötigten Namen ersetzt. Nichtlineare Terme wie zum Beispiel   p 0101 Y K
                                        d2Y d K
oder   p 0204 Y 2 K 4   oder   p 2111      2
                                                  usw. fallen zunächst weg, weil sie
                                         dt dt
zumindest lokal keine Rolle spielen und wegen dem implizit in den   p und
  q enthaltenen Faktor 1/(i! j! k!l!) i.d.R. schnell gegen Null gehen.
16 Eine simple numerische Integration lässt sich bereits mit einer Excell-Tabelle
   durchführen. Jedoch ist für höhere Genauigkeiten die Verwendung
   numerischer Standardintegrationsmethoden, wie das Runge-Kutta-Verfahren,
   unerlässlich.

              LESEPROBE         Seite     32   © Heribert Genreith 2011
Dazu betrachten wir zunächst noch einmal die DGL des Kapitals:

  dK
     =a 0+ p S Y + p K K . Der Koeffizient p K           ist dabei die effektive
  dt
diesjährige Verzinsung des Kapitals. Diese Verzinsung resultiert
aus den zwei Komponenten des mittelbaren und unmittelbaren
Kapitaleinsatzes. Wir können also aufsplitten zu:

                   dK
                      =a 0+ p S Y + p ve K E − pvr K R      (7.1)
                   dt

Denn der Anteil des Kapitalstockes der innerhalb der Finanzwirt-
schaft verkauft wird, erhält seine Rendite sofort, der Anteil der in
die Realwirtschaft gegeben wird vermindert zunächst den
Kapitalstock und erhält seine Rendite erst nachjährig. Dabei
können auch die Zinssätze p ve ≠ pvr verschieden17 sein. Mit der
einfachen Ersetzung K R= K – K E erhalten wir nun:

                dK
                   =a 0+ p S Y +( p ve + pvr )K E− p vr K     (7.2)
                dt

Wir haben also zwei Blöcke von Einnahmen und Ausgaben die das
Gesamtergebnis tragen. Diese können wir aber pauschal in einen
Block zusammenfassen, indem wir

                             p K := p v – p r   (7.3)

als die Differenz der Ergebnisse von Ausgaben und Einnahmen
definieren, mit p v als die durchschnittliche nominale


17 Sie müssen nicht verschieden sein, insbesondere nicht im Durchschnitt über
   alle Assets, der hier nur relevant ist. Aufgrund des Angebot- und Nachfrage-
   drucks sieht man in aller Regel aber, dass zwar einzelne Assets gewaltig vom
   Durchschnitt abweichen können, die Summe aller Assets unterm Strich
   dagegen kaum. Die folgende Pauschalisierung tut daher der Stringenz keinen
   Abbruch.

             LESEPROBE      Seite   33    © Heribert Genreith 2011
Verzinsung über alle Arten von Anlagen, und p r ist der Anteil,
der wegen der Kreditvergabe diesjährig davon ausfällt. Diese
Vorgehensweise vereinfacht dass Kalkül danach deutlich.

Als nächstes definieren wir den relativen Wert p rel als den
Anteil, den der unmittelbare Kapitaleinsatz zum totalen
Kapitalstock ausmacht:

                                        MK
                             p rel :=            (7.4)
                                        K

Dieser Wert von p rel lag im Jahre 1950, zwei Jahre nach
Einführung der Deutschen Mark, nach Zahlen der Bundesbank18
bei etwa 73 % und sank kontinuierlich bis auf weniger als 40%
im Jahre 2010 ab. Dies lässt sich phänomenologisch damit
erklären, dass am Anfang der Volkswirtschaft19 das vorhandene
Kapital praktisch vollständig zur Kreditvergabe (investiv und
konsumptiv) in die Realwirtschaft fließt. Mit zunehmender Zeit
und zunehmendem Kapitalstock geht jedoch immer mehr Geld in
das Bankeneigengeschäft („Investmentbanking“), da die
renditeträchtigen Kapitalanlagen in der Realwirtschaft mit der Zeit
knapper werden.

Da wir nun den relativen Anteil p rel nicht absolut, sondern als
Anteil am gesamten Zinsaufkommen in unserer Gleichung
angeben müssen, schreiben wir diesen Wert etwas um: p r ist
der Anteil am Zinsgewinn p v , der aus Kreditvergaben in die
Realwirtschaft entsteht.

Damit gilt für die Nettogeschäftsquote20 p n nach Reinvestition

18 Zeitreihe OU0115, Kredite an inländische Nichtbanken
19 Einführung der Deutschen Mark am 21. Juni 1948.
20 Wobei hier implizit angenommen wird, dass sich die Verzinsungen aus
   realwirtschaftlichen und investmentwirtschaftlichen Geschäften nicht
   wesentlich unterscheiden. Man könnte das mit einem leicht erweiterten

             LESEPROBE     Seite    34       © Heribert Genreith 2011
von    pr   ins BIP:

              p n := p v ( 1− p rel )− p v p rel = p v (1−2 p rel )      (7.5)

Wenn wir uns die Realdaten von p_rel ansehen (Abb. 4), dann
sehen wir deren regulären Verlauf. Wir können als eine einfache
phänomenologische21 Näherung ansetzen, das der Reinvestitions-
anteil p rel gemäß einer einfachen Exponentialform langsam
abnimmt:
                                   p rel0       t−T h
                         p rel =          exp(−       )        (7.6)
                                    e            Th

Wie man leicht sieht, hat diese Funktion am Anfang ( t=0 ) den
Wert    p rel0 , nach der exponentiellen Halbwertszeit T h fällt er
auf 1/e ab (e=2,71... ist die Eulerkonstante) und geht dann
sehr langsam gegen Null.

Unsere phänomenologisch begründete Formel ist daher

                                    2 p rel0     T −t
                   p n= p v (1−              exp( h ))                (7.7)
                                      e           Th
mit
  p v durchschnittliche nominale Verzinsung über alle Assets
  p rel0 Anfänglicher unmittelbarer Kapitaleinsatz als Anteil am
totalen Kapitalstock
  T h Zeit nach dem der unmittelbare Kapitaleinsatz auf                          1/e
   Ansatz zwar berücksichtigen, im Rahmen der ersten Näherung ist dies jedoch
   von keiner entscheidenden Bedeutung.
21 „Phaenomenologisch“ bedeutet, dass man den realen Verlauf einer Funktion
   aufgrund naheliegender Annahmen formuliert. Statt dessen kann man
   natürlich auch beliebige andere angepasste Funktionen (z.B. Polynome) oder
   gar die Messreihen selbst nehmen. Für eine analytische Betrachtung ist eine
   phänomenologisch angepasste Funktion jedoch wesentlich Gehalt voller, da
   man den ursächlichen Zusammenhang bei analytischer Betrachtung
   „mitziehen“ kann. Für numerische Betrachtungen ist die Art und Weise der
   Funktionsanpassung dagegen von geringerer Bedeutung.

             LESEPROBE         Seite     35    © Heribert Genreith 2011
Abbildung 4: Der relative Anteil der Geschäftsbanken am Ge-
     samtgeschäft (konsumptive und investive Kredite, Datenrei-
     he der Bundesbank OU0115) sowie die beiden phänomenolo-
                             gischen Fits.


abgesunken ist (exponentielle Halbwertszeit) wobei e die
Eulerkonstante ist.

Um den speziellen Anfangsparameter p rel0 zu eliminieren, kann
im Interesse der Allgemeingültigkeit und einer rein phänomeno-
logischen analytischen Betrachtung davon ausgegangen werden,
dass sich am Anfang einer Volkswirtschaft praktisch 100% der
Finanzwirtschaft auf Kredite in die Realwirtschaft stützt (obere
Fitkurve)




           LESEPROBE    Seite   36   © Heribert Genreith 2011
8   Eine einfache Beispielrechnung für die BRD
                                 Y und K Entwicklung der BRD nach amtl. Daten und nach phän. Modell


                    20000,0000

                    18000,0000

                    16000,0000

                    14000,0000

                    12000,0000                                                                        BIP Y real
                                                                                                      Kap. K real
        Mrd. Euro




                    10000,0000
                                                                                                      BIP Y Mod.
                     8000,0000                                                                        Kap. K Mod.

                     6000,0000

                     4000,0000

                     2000,0000

                        0,0000
                                 1950
                                 1954
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                                 1962
                                 1966
                                 1970
                                 1974
                                 1978
                                 1982

                                 1990
                                 1994
                                 1998
                                 2002
                                 2006

                                 2014
                                 2018
                                 2022
                                 2026
                                 1986




                                 2010




                                                               Jahr


Abbildung 5: Entwicklung von Kapitalstock und BIP nach amtlichen Zah-
        len und nach phänomenologischem Modell berechnet.


Für eine erste Demonstration der Wirkungsweise des so
bilanzierten Systems machen wir einige weitere zulässige
Vereinfachungen. Wir davon aus, das die Auslandsbilanz relativ
ausgeglichen ist und setzen daher a 0=0=b 0 . Des weiteren ist
das Bevölkerungswachstum der BRD relativ gering, sodass
  p B =0 gesetzt werden kann. Die Sparquote in der BRD pendelt
die meiste Zeit um einen Wert von etwa jährlich 10%, so das wir
pauschal p S =0,1 als Konstante ansetzen können.


                      LESEPROBE            Seite       37      © Heribert Genreith 2011
Bleiben noch die Werte für p rel0 und T h , die sich aus den
realen Werten ermitteln lassen. p v0 ist die durchschnittliche
langfristig nominale Verzinsung über alle Assets.

Damit lässt sich nun schreiben:

                                        2      T −t
                 p n (t )= p v0 ( 1 –     exp ( h ))       (8.1)
                                        e       Th

und wir erhalten wir das vereinfachte Gleichungssystem zu

        dY (t)              2         T −t
                =− p v0 (1 – exp( h )) K ( t)                      (8.2 a)
         dt                 e          Th
        dK ( t)                        2    T −t
                = p S Y (t)+ p v0 (1 – exp ( h )) K (t)            (8.2 b)
          dt                           e     Th

das jetzt nur noch die Kerneffekte enthält und daher zu einer
ersten Untersuchung der wichtigsten Zusammenhänge besonders
gut geeignet ist.

Mit den konstanten Werten p S =0,1 und p v0 =0,055 bei
  T h=80 ergibt sich die in Abbildung 5 errechnete bereits sehr
gute Übereinstimmung zwischen Realität und der Theorie in ihrer
einfachsten Ausprägung.


         ENDE der LESEPROBE
    http://www.amazon.de/Makro%C3%B6konomische-
       Feldtheorie-Allgemeine-%C3%B6konomischen-
   Substitutionskonkurrenz/dp/3842380291/ref=sr_1_5?
        ie=UTF8&s=books&qid=1315418660&sr=8-5




           LESEPROBE        Seite       38   © Heribert Genreith 2011

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Mft leseprobe-38

  • 1. Makroökonomische Feldtheorie LESEPROBE Seite 1 © Heribert Genreith 2011
  • 2. Über den Autor: Heribert Genreith, Regierungsrat a.D. BMI, arbeitet als Wissenschaftler an der naturwissenschaftlichen Analyse volkswirtschaftlicher Zusammenhänge. H. Genreith ist Autor verschiedener Fachartikel zum Thema makroökonomische Wachstumstheorien und Geldtheorie. LESEPROBE Seite 2 © Heribert Genreith 2011
  • 3. Heribert Genreith Makroökonomische Feldtheorie Allgemeine Theorie des ökonomischen Wachstums in Substitutionskonkurrenz LESEPROBE Seite 3 © Heribert Genreith 2011
  • 4. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. LESEPROBE einführende Kapitel Seiten 1 bis 38 Copyright 2011 Heribert Genreith Herstellung und Verlag: Books on Demand, Norderstedt ISBN 978-3-8423-8029-5 LESEPROBE Seite 4 © Heribert Genreith 2011
  • 5. Inhaltsverzeichnis 1 Vorwort......................................................................................7 2 Definition der Problemstellung.....................................................11 3 Feldtheorien .............................................................................21 I. Spezielle Feldtheorie 4 Spezielle Feldtheorie der Makroökonomie......................................26 5 Herleitung der Grundgleichungen.................................................28 6 Die Parameterfunktionen.............................................................29 7 Bestimmung der Nettogeschäftsquote ..........................................32 8 Eine einfache Beispielrechnung für die BRD...................................37 9 Einheiten...................................................................................39 10 Kapitalkoeffizienten im Modell und Realität..................................42 11 Monetäre Eichung und Inflationskorrektur....................................45 12 Reale, Nominale oder Hedonische Zahlen? ..................................53 II. Kritik der klassischen Wachstumsmodelle 13 Klassische Wachstumsmodelle....................................................54 14 AK-Modelle und Andere ............................................................59 15 Cobb-Douglas Produktionsfunktion.............................................61 16 Uzawa-Lucas und Solow-Swan-Modell.........................................65 III. Spezielle Feldtheorie: Analytik 17 Analytik der Grundgleichungen...................................................67 18 Diskussion der analytischen Lösung............................................76 19 Faustformel der ökonomischen Halbwertszeit ..............................87 IV. Quantitätstheorie und Substitutionskonkurrenz 20 Die Quantitätsgleichung............................................................92 21 Überprüfung der Quantitätskonformität.......................................97 22 Die erweiterte Quantitätsgleichung...........................................101 23 Angebot – Nachfrage - Substitution...........................................106 24 Grenznutzen und Gossensches Gesetz.......................................108 25 Substitutionsgesetze...............................................................112 LESEPROBE Seite 5 © Heribert Genreith 2011
  • 6. 26 VWL-BWL-Substitutionsgesetze.................................................116 27 Volkswirtschaftliches Sparen....................................................120 28 Vergleich mit der klassischen VWL ...........................................121 29 Substitutionswirtschaft No-Go-BIP............................................123 V. Inflation, Staatsverschuldung und Weltökonomie 30 Analytik der Inflation...............................................................127 31 Substitutionskonkurrenz und Staatsverschuldung.......................135 32 Wirtschaftskreislauf.................................................................146 33 Globalisierungseffekte.............................................................148 34 Nachhaltige Umweltbilanz........................................................155 35 Zusammenfassung der Speziellen Feldtheorie.............................159 VI. Allgemeine Feldtheorie 36 Allgemeine Feldtheorie der Makroökonomie................................178 37 Invarianten und Euler-Lagrange................................................182 38 Räuber-Beute Symmetrie.........................................................184 39 Spiralsymmetrie.....................................................................191 40 Erhaltung des Tangentenwinkels...............................................196 41 Höhere Ordnungen der Tangente..............................................200 42 Drehstreckungssymmetrie.......................................................205 43 Symmetrie der Quellen............................................................210 44 Kommutatorsymmetrie............................................................212 45 Zusammenfassung der allgemeinen Feldtheorie..........................216 VII. Anhänge Anhang: Exemplarische Beispielrechnungen....................................221 Anhang: Nachworte ....................................................................228 Anhang: Tabellen........................................................................229 Errata, Addenda und Vorschau .....................................................236 Literaturverzeichnis und Quellen...................................................238 Danksagung und Widmung...........................................................239 Index.........................................................................................240 LESEPROBE Seite 6 © Heribert Genreith 2011
  • 7. 1 Vorwort Das vorliegende Buch ist eine Einführung in die Feldtheorie der Volkswirtschaften. Warum ist diese neue volkswirtschaftliche Theorie so interessant und warum sollten Sie als Ökonom oder ökonomisch interessierter Leser dieses nicht ganz einfache Werk studieren? Lassen Sie mich nur die drei wichtigsten Gründe dafür aufführen: Erstens: Zum ersten mal wird das Wachstum des Bruttoinlands- produkts und des Kapitalstocks der Volkswirtschaften elementar und schlüssig erklärt und auch theoretisch exakt berechenbar und prognostizierbar. Zweitens: Der Unterschied zwischen betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Konzepten (Mikro- und Makroökonomie) wird aus elementaren Zusammenhängen heraus schlüssig und ohne Anstrengung eliminiert. Drittens: Viele bisher nur empirisch bekannte Zusammenhänge der Ökonomie erfahren nun eine fundamentale Erklärung und Herleitung. Die ökonomischen Wachstumstheorien erlebten in der Nachkriegszeit eine mächtigen Aufschwung1 um gegen Ende des letzten Jahrhunderts wieder stark an Aufmerksamkeit zu verlieren. Ein Grund dafür war die Tatsache, dass sie wesentliche Vorhersagen nie ermöglichten. Besonders gravierend zeigte sich das in der Unmöglichkeit2, die Finanzkrisen der jüngsten Zeit 1 Siehe auch [Holub 2004]. 2 In 2009 schrieben die Autoren L. Nienhaus und C. Siedenbiedel in der FAZ Online einen bemerkenswerten Artikel zur Finanzkrise „Die Ökonomen in der Sinnkrise“ aus dem ich hier einen Auszug zitiere: „Den Crash der Weltwirtschaft hat kaum ein Volkswirt vorhergesehen. ...Ein Frechdachs, wer nachzuschlagen wagt, was sie vor einem Jahr gesagt haben. ...Anfang 2008 war die Welt nämlich noch in Ordnung. Die Ökonomen sprachen von einer Abkühlung im Jahr LESEPROBE Seite 7 © Heribert Genreith 2011
  • 8. rechtzeitig vorher zu sehen. Feldtheorie ist ein Begriff aus der Physik. Feldtheorien sind ein mathematisches Kalkül zur Beschreibung physikalischen Effekte, die durch Kräfte und ihre Wechselwirkungen hervorgerufen werden. Auch die Ökonomie ist letztlich ein technisches Produkt, dessen wesentliche Einflussgrößen, die Gesamtheit der Produktion, das Bruttoinlandsprodukt (BIP oder Y), und die Gesamtheit des Kapitals (Kapitalstock oder K) in einem ursächlichen Zusammenhang stehen. Der Begriff Feldtheorie mag zunächst komplex erscheinen, jedoch bedeutet er im Kern, dass das Fundamentalprinzip „Von Nichts kommt Nichts“ über Bilanzgleichungen und ihre systematische Behandlung berücksichtigt wird. Ein weiteres Element einer Feldtheorie ist die Möglichkeit, Zusammenhänge aus inneren Symmetrien eines Systems herzuleiten. Wie wir sehen werden, kann die Ökonomie, Mikro- und Makro, feldtheoretisch in ein und dasselbe Gebäude zusammengefasst werden. Auf einen knackigen Punkt gebracht kann man sagen, die Ökonomie ist eine „Spiralsymmetrische Substitutionswirtschaft“. Der ökonomisch nicht zu überschätzende Effekt des neuen Wachstumsmodell der Volkswirtschaften ist, dass man die 2009. Ein Wachstum von 1,2 Prozent, 1,5 Prozent, 1,8 Prozent sei zu erwarten, hieß es damals, aber weiß Gott keine Rezession, nicht einmal Stagnation....Dann kam die Krise - und mit ihr wurde offenbar, wie sehr die professionellen Prognostiker in Deutschland danebengelegen haben. ...Das Versagen betrifft nicht nur die Institute der Konjunkturforscher. Es betrifft alle Ökonomen. ...Die einen geben sich zerknirscht, die anderen behaupten, alles immer schon gewusst zu haben...."Ich habe versagt, weil ich die Tiefe des Abschwungs so nicht erwartet hätte", sagt etwa Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigen- rats. ...Und Dennis Snower, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, sagt: "Es ist eine Katastrophe. Was wir in den letzten zehn bis 15 Jahren in der Makroökonomie gemacht haben, ist durch die Krise komplett über den Haufen geworfen worden." ...Snower etwa fordert nicht weniger als eine Revolution. "Wir stehen am Anfang einer spannenden Zeit, in der sich die Wirtschafts- wissenschaft grundlegend ändern wird." [Nienhaus 2009] LESEPROBE Seite 8 © Heribert Genreith 2011
  • 9. Entwicklung und gegenseitigen Abhängigkeiten der weltweiten Volkswirtschaften mit praktisch nutzbarer Genauigkeit vorhersagen kann. Insbesondere werden die quantitativen Einflüsse von politischen und ökonomischen Eingriffen in das Finanzsystem zukünftig zuverlässiger zu prognostizieren sein. Das mag mittelfristig dazu führen, dass sich sowohl Investitions- entscheidungen der Finanzdienstleister, als auch der Politik, risikobewusster und sicherer verwalten lassen und kommunizieren lassen. Dieses Buch ist eine Einführung für Fachleute in die neue Makroökonomische Theorie die sich seit 2009 entwickelt hat. Sie ist noch so neu, das sie Objekt der Forschung und Entwicklung ist und bedarf, wie jede frische Theorie, weiterer wissenschaftlicher Arbeiten. Diese sind seit Ende 2010 mit der ersten Beteiligung einer ökonomischen Fakultät an der Universität Zug, Institut für Finanzdienstleistungen IFZ, Schweiz, in Gang gekommen. Aber auch jeden Leser dieses Buches möchte ich zu aktiver Teilnahme auffordern. Sei es in Form von allfälligen Korrekturen, aber auch Wünschen nach Ergänzungen, oder sogar durch Lieferung eigener Beiträge und Erkenntnisse: Denn dieses Buch wird nach einiger Zeit ganz sicher eine aktualisierte Neuauflage erleben, und substantielle Gastbeiträge3 werden dazu gerne vom Autor entgegen genommen. Dazu ist noch einiges an Forschungsarbeit zu leisten. Dies betrifft nicht nur die Fortentwicklung der Theorie und ihrer praktischen Anwendungen, es betrifft auch den Bedarf an verlässlichen statistischen Daten der meist staatlichen Statistikinstitute. Denn leider ist es zur Zeit nicht so, dass die volkswirtschaftlichen Daten die man wirklich braucht, leicht zugänglich erfasst werden. 3 Alle substanziellen Beiträge werden selbstverständlich unmissverständlich als geistiges Eigentum der zuliefernden Autors behandelt. Für alle Fälle wenden Sie sich bitte an den Autor per Email bzw. über die Kontaktdaten des Impressums etwa meiner Webseite. [Genreith Web 2011] LESEPROBE Seite 9 © Heribert Genreith 2011
  • 10. Die bundesrepublikanischen Institute sind weltweit noch eine positive Ausnahme mit ihrer Umfang- und detailreichen Erfassung qualitativ hochwertiger Daten. Das ist aber in erstaunlich wenigen Ländern der Fall, oft werden Daten nur rudimentär oder qualitativ zweifelhaft erfasst. Dieses Buch dient daher nicht nur der Information und Grundlage für Forscher und Studenten der Ökonomie, sondern beinhaltet auch die Aufforderung, diese Theorie weiter zu entwickeln. Wie bei jeder neuen Theorie ist viel Arbeit zu erledigen, vieles muss und kann noch erweitert werden, neue Ideen und Bestimmungs- gleichungen hinzugefügt, manches wird angepasst werden müssen. In dieser Erstauflage bitte ich, wegen des nicht geringen Umfanges der Arbeit, das eine oder andere Auge zu zudrücken, wenn sich irgendwo ein Fehlerteufelchen eingeschlichen haben sollte. Heribert Genreith, Hennef, Im August 2011. LESEPROBE Seite 10 © Heribert Genreith 2011
  • 11. 2 Definition der Problemstellung Eine große Volkswirtschaft, wie sie etwa die BRD darstellt, ist ein außerordentlich komplexes Gebilde, das einem weiten Feld von im Detail kaum kalkulierbaren Einflüssen unterworfen ist. Dabei ist nicht alles prognostizierbar, manches erscheint als Gott gegebenes Schicksal und entzieht sich unserer Imaginationskraft. Trotzdem verhalten sich die zwei Kerngrößen einer Volkswirtschaft erstaunlich unbeeindruckt von solchen, teilweise als intensiv empfundenen, Bewegungen: Das Bruttoinlandsprodukt Y und der totale Kapitalstock K, wie uns die folgende Abbildung 1, am Beispiel der Realzahlen der BRD verdeutlicht. Die Entwicklung läuft relativ kontinuierlich ab, wobei der erste heftige Sprung 1990 zu erkennen ist. Dieser resultiert aus der Eingliederung der DDR und ihrer Bevölkerung in die BRD. Der nicht unerhebliche Bevölkerungszuwachs erzeugt den Offset in Kapitalstock und BIP gleichzeitig. Der nächste ungewöhnliche Einbruch ist um das Jahr 2000 zu erkennen: Das starke Wachstum des Kapitals war ab dieser Zeit nicht mehr aufrecht zu erhalten, es war die Zeit des sogenannten DotCom-Crashs, als sich die Spekulation in die damals noch ganz frischen Internettechnologien als überzogen erwiesen. LESEPROBE Seite 11 © Heribert Genreith 2011
  • 12. Abbildung 1: BIP und Gesamtheit aller Bankenaktiva der BRD nach Zah- len der Bundesbank und des Statistischen Bundesamtes von 1950 bis 2010 in linearer (links) und logarithmischer (rechts) Darstellung. Das BIP blieb davon jedoch unbeeindruckt und stieg weiter nur linear an. Der nächste Einbruch, die Lehman Krise, macht sich ab 2008 dann aber sowohl in einem negativen Knick der Aktiva- entwicklung als auch in der BIP Entwicklung bemerkbar. Was unmittelbar auffällt ist die enorme Zunahme der Spreizung zwischen der Entwicklung der Gesamtheit aller Bankenaktiva4 der BRD und des Bruttoinlandsproduktes. Betrug das Verhältnis K/Y im Jahre 1950 noch etwa 0,38 so stieg es bis 2008 auf 3,25 an. Das dies zu Problemen führen kann liegt auf der Hand, obgleich 4 Bilanzen der Finanzinstitute sind immer ausgeglichen, d.h. den Aktiva entsprechen in exakt gleicher Höhe die Summe der Passiva. Die Aktiva sind die Kredite, Anlagen und Assets aller Art, die Passiva die Summe der unterschiedlichen Vermögen und Einlagen. LESEPROBE Seite 12 © Heribert Genreith 2011
  • 13. die klassischen Wachstumstheorien der Makroökonomie hier keine Probleme sehen können. Die klassischen Wachstumsmodelle, auf die wir später noch genauer eingehen werden, beziehen sich in der Mehrzahl auf die sogenannten Cobb-Douglas-Produktions- funktion (CDPF) beruhen. Diese besagt in der Standardform den folgenden Zusammenhang: Y =c (t) K a Lb (2.1) Dabei ist Y das BIP, K der Kapitalstock, bzw. genauer der Kapitaleinsatz, der eine Teilmenge des totalen Kapitalstockes ist. Der Vorfaktor c ist im allgemeinen ein Faktor, der zeitlich variabel sein kann. Die Exponenten a und b addieren sich in den meisten Implementierungen zu 1, also a+b=1 oder b=1-a. Weiter ist L der Arbeitseinsatz. In vielen praktischen Fällen nimmt man a=b=0,5 an, womit wir im einfachsten Fall Y =c √ KL (2.2) erhalten. Was wir dabei sofort sehen ist, dass das BIP Y sowohl durch verstärkten Arbeitseinsatz als auch durch zusätzlichen Kapitaleinsatz zweifellos zunehmen müsste. Wegen der Wurzel nimmt die Steigung der Funktion, und damit die Effektivität des Arbeits- oder Kapitaleinsatzes zwar etwas ab, sie bliebt aber in jedem Falle positiv fürs BIP. Mehr noch darf man sogar sagen, dass im Falle einer weit entwickelten Volkswirt- schaft, und damit bereits hohem L und K, gerade ein besonders kräftiger Kapitalschub notwendig wäre, um die Wirtschaft effektiv anzukurbeln. Leider zeigt die seit 2008 verschärfte Finanz- und Wirtschaftskrise an, das dies nicht der Fall ist. LESEPROBE Seite 13 © Heribert Genreith 2011
  • 14. Abbildung 2: Totaler Kapitalkoeffizient (oben) und Anteil des un- mittelbaren Kapitaleinsatz (mitte) im Verhältnis zum BIP in der BRD von 1950 bis 2010 nach Zahlen der Bundesbank. Die untere Kurve beschreibt das Verhältnis der oberen beiden zueinander. Ab etwa 2000 sinkt dieses Verhältnis unter 0,5=50%. Denn wie wir in der Abbildung 1 der Realzahlen erkennen können, hat trotz des enormen Zuwachses an Kapital seit 1990 kein entsprechender Wirtschaftsaufschwung5 mehr stattgefunden. Im Gegenteil hat sich das Wachstum sogar kontinuierlich abgeschwächt und wurde schließlich sogar negativ. Selbst die enormen Finanzhilfen in Folge der Lehmankrise konnten diese Situation nicht nachhaltig verändern. 5 Der 1990er-Aufschwung ist ein Ausnahmeeffekt, der alleine auf der sprunghaften Zunahme der Bevölkerung durch die DDR Eingliederung basiert. LESEPROBE Seite 14 © Heribert Genreith 2011
  • 15. Essentiell für die Makroökonomie ist die Betrachtung des Kapitalkoeffizienten. Dieser definiert in der klassischen Makroökonomie das Verhältnis von Kapitaleinsatz zu Bruttoinlandsprodukt. Dabei ist der Begriff des Kapitaleinsatzes von entscheidender Bedeutung. Denn in der klassischen Makroökonomie wird angenommen, dass sich die wirtschaftliche Dynamik alleine aus Kapital, das unmittelbar per Kreditvergabe in die Realwirtschaft vergeben wird eine volkswirtschaftliche Dynamik entfaltet. Also die von den sogenannten Geschäftsbanken vermittelten Kredite , d.h. sowohl Investitions- und auch Konsumkredite, in die Realwirtschaft. Dazu schauen wir uns die Abbildung 2 an, in der wir neben dem totalen Kapitalstock auch den Anteil des unmittelbaren Kapitaleinsatzes per Kreditvergabe an Nichtbanken nach den amtlichen Zahlen eingetragen haben. Die Graphik zeigt deutlich, das das BIP zunehmend Schwierigkeiten hat, die vorhandene Menge an Kapital zu verarbeiten. Etwa 1967 überstieg der gesamte Kapitalstock bereits das BIP, ab Mitte der 1980er Jahre überstieg sogar der unmittelbare Kapitaleinsatz die Marke von 100% des BIP's. Im ersten Krisenjahr der DotCom-Übertreibung erreichte die vom BIP aufgenommene Menge an Krediten einen Maximalwert von fast dem 1,5-fachen des eigenen Wertes, was schon erstaunlich ist. Seitdem nahm er, trotz erheblich ausgeweiteter Geldmenge, kontinuierlich wieder ab. Der Effekt wurde bereits vielfach diskutiert und auch ohne Mathematik liegt die Logik darin nahe. Denn die Aufnahme- fähigkeit des BIP's für Kredite ist begrenzt. Eine Aufnahme aller Vermögen in Form direkter Kredite ins BIP würde bei einem totalen Kapitalkoeffizient von mehr als 3 bedeuten, dass das BIP wenigstens alle vier Monate komplett umgesetzt werden müsste. LESEPROBE Seite 15 © Heribert Genreith 2011
  • 16. Ein Mehr an Kapital führt deswegen bevorzugt dazu, dieses als Investmentinstrument im Handel zwischen Banken, im sogenannten Bankeneigengeschäft zu nutzen. Denn der Bedarf des BIP's ist bereits mehr als gedeckt, und mangels Nachfrage sind auch die Kapitalpreise niedrig. Das bedeutet, dass die erzielbaren Renditen im Geschäftsbankenmodell eher niedriger sind, als sie im Investmentbereich noch möglich sind. Abbildung 3: Kapitalproduktivität in der BRD von 1950 bis 2010 nach amtlichen Zahlen Erheblich für unsere Fragestellung ist dabei lediglich, dass die klassischen Wachstumsmodelle trotzdem eine weitere Zunahme des Wachstums durch mehr Kapital vorhersagen, obwohl dies in der Praxis6 nicht der Fall ist, von kurzfristigen Effekten einmal 6 Bis auf kurzfristige Konjunkturschwankungen ohne mittel- oder langfristige LESEPROBE Seite 16 © Heribert Genreith 2011
  • 17. abgesehen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Begriff der Kapitaleffizienz, auch Kapitalproduktivität7 genannt. Dieser gibt an, wie viel neues BIP wird durch jede Währungseinheit neuen Kapitals erzeugt wird. Wie entwickelt sich also der Koeffizient dY / dt k i := (2.3 a) ? dK / dt Dazu zunächst einmal ein Blick auf die Realzahlen in Abbildung 3. Wie wir sehen, nimmt dieser Koeffizient kontinuierlich ab. Wurden zu Beginn der BRD noch durchschnittlich für jeden Euro frischen Kapitals auch wenigstens ein Euro BIP erzeugt, so nahm diese Produktivität bis 2010 auf praktisch Null ab und fällt mittelfristig weiter. Ein Effekt den wir auch in den USA deutlich sehen. Frisches Kapital wird also de facto mit der Zeit unproduktiv, ja kontraproduktiv. Wie kann das sein? Man kann auch den Kehrwert der Kapitalproduktivität, ergo die BIP-Produktivität bzgl. des Kapitals studieren: dK /dt y i := (2.3 b) dY /dt Dieser besagt, wie viel zusätzliches Kapital pro Euro BIP- Wachstum entstehen muss. Wegen dY /dt →0 wird dieser Koeffizient allerdings gegebenenfalls singulär und ist deswegen nicht so griffig. Man sieht jedoch, dass dieser Koeffizient inzwischen gegen unangenehm große Zahlen läuft. Für jeden Euro zusätzlichen BIP's werden de facto schließlich hunderte wenn nicht tausende Euro Kapital „erzeugt“. Bedeutung. 7 Engl.: marginal productivity of debt LESEPROBE Seite 17 © Heribert Genreith 2011
  • 18. Diese seltsam anmutenden Effekte der Größen Y und K sind international, insbesondere in den bereits weit entwickelten westlichen Demokratien, in phänomenologischer Weise gleichartig fortgeschritten. Ein weiterer Teil der Problemstellung sind die Verläufe über die Zeit von Staatsverschuldung und Inflation. Auch diese, internatio- nal überall in mehr oder weniger starker Ausprägung zu beobach- tenden Phänomene, verlaufen empirisch belegbar nach gleich- förmigen Gesetzmäßigkeiten ab. Die populistische oft vertretene Annahme, diese Geiseln des Gemeinwesens würden auf unfähigen Politikern beruhen, ist ganz sicher viel zu kurz gegriffen. Denn diese Phänomene sind durchgängig über all in der Welt und auch unabhängig von der politischen oder auch wirtschaftlichen Ausrichtung der Nationen zu beobachten. Eine funktionierende Makroökonomische Theorie sollte all diese empirisch beobachtbaren ökonomischen Grundphänomene aus einfachen Fundamentalprinzipien heraus erklären können. Nicht mehr, aber auch nicht weniger, müssen wir fordern. Als ersten definitorischen Schritt klären wir zunächst unsere wichtigsten Begriffe ab: Der totaler Kapitalkoeffizient: ist das Verhältnis K k t := (2.4) Y der Summer aller nationalen Bankenaktiva K zum Bruttoinlandsprodukt Y. (Die aktuellen Werte von K sind der Datenreihe U0308 der Bundesbank zu entnehmen) LESEPROBE Seite 18 © Heribert Genreith 2011
  • 19. Der klassischer Kapitalkoeffizient behandelt den in der klassischen Ökonomie i.d.R. genutzten Anteil des unmittelbaren Kapitaleinsatzes in Form von Krediten in die Realwirtschaft. Diese Geldmenge ist der Bundesbank-Datenreihe U0115 zu entnehmen und wir bezeichnen dieses Aggregat als M K . Der klassische Kapitalkoeffizienten ist damit als MK k c := (2.5) Y definiert. Bei manchen Autoren werden auch die bekannteren Geldmengenaggregate8 M 1, M 2, M 3 verwendet, die allerdings nur eine ungefähre Angabe des liquiden Geldes hergeben und für exakte Berechnungen kaum geeignet sind. Der unmittelbarer Kapitaleinsatz in die Realwirtschaft ist der Anteil des totalen Kapitalstockes, der auf direkte Weise ins BIP eingebracht wird, den wir nach obiger Definition also mit MK (2.6). abkürzen. 8 Dies sind die Geldmengen, die als Cash oder kurzfristige Anlagen schnell verfügbar gemacht werden können. Insbesondere die Summe M 3 unterscheidet sich wenig von MK . LESEPROBE Seite 19 © Heribert Genreith 2011
  • 20. Der mittelbarer Kapitaleinsatz ist damit die Differenz aus der totalen Summe aller Bankenaktiva K (Datenreihe U0308) und M K (Datenreihe U0115), also M m :=K −M K (2.7) Mittelbarer Kapitaleinsatz bedeutet, dass er als Investmentvehikel im Interbankengeschäft genutzt wird (bzw. werden muss). Der mittelbare Kapitalkoeffizient ist somit als K−M K k m := (2.8) Y definiert. LESEPROBE Seite 20 © Heribert Genreith 2011
  • 21. 3 Feldtheorien Feldtheorien sind ein probates Mittel der Naturwissenschaften, Systeme und ihre dynamischen Eigenschaften zu beschreiben. Der Begriff „Feld“ bezieht sich dabei auf eine oder mehrere Feldgleichungen, die den Zustand eines mathematischen Raumes zu beliebigen Zeitpunkten in Abhängigkeit von bestimmten dynamischen Eingangsgrößen beschreibt. Feldtheorien sind ein mathematischer Unterbau zur Beschreibung all jener Effekte, die durch Kräfte und ihre Wechselwirkungen hervorgerufen werden. Alle relevanten naturwissenschaftlichen Theorien lassen sich als Feldtheorien formulieren. Die mathematische Behandlung von Feldtheorien benötigt Grundkenntnisse, wie sie in der Physik und vielen Ingenieur- wissenschaften üblicherweise vermittelt werden. In der Ökonomie ist dies nicht immer der Fall. Daher werde ich die Funktionsweise der wesentlichen Algorithmen an Beispielen beschreiben. Als Beispiel eines Feldes behandeln wir ganz kurz ein Temperatur- feld. So etwas liegt in jedem normalen Wohnzimmer vor. Das Feld ist dabei T ( x , y , z , t) , dass heißt die Temperatur T an einem Punkt mit den Koordinaten x,y,z zu einer gegebenen Zeit t. Das Temperaturfeld kommt natürlich nicht von ungefähr, sondern aufgrund von Quellen und Senken im Raum. Quellen sind in unserem Beispiel etwa der laufende Fernsehapparat, die zwei Zuschauer auf dem Sofa, die Deckenbeleuchtung und der Heizkörper: Alle diese sind nämlich Quellen von Wärme. Dazu gibt es Senken, denn der Raum verliert Wärme nach draußen, etwa über die Außenwände und besonders die Fenster. Der Verlust über die Wände ist im Winter am größten; im Sommer können die Außenwände aber auch Quellen von Wärme sein, ebenso im Winter, wenn eine angrenzende Zwischenwand von der anderen Seite her beheizt wird. LESEPROBE Seite 21 © Heribert Genreith 2011
  • 22. Die Summe dieser Quellen und Senken und deren zeitliche Dynamik bestimmt die Dynamik des Temperaturfeldes im Raum. Wir wollen dass nicht im Detail klären, denn solche Temperatur- felder sind nicht trivial. Im Grunde gilt aber, wie bei jeder Feldtheorie der Zusammenhang: T ( x , y , z ,t)=F ( q( x , y , z , t) , s ( x , y , z , t), x , y , z , t) (3.1) Dabei kann die Funktion F, die die Wirkung der Quellen und Senken beschreibt, ggf. sehr kompliziert sein. Die Quellen und Senken unterliegen dabei noch selbst gewissen Einschränkungen oder Randbedingungen. Jedem bekannt ist, als Beispiel einer solchen Bedingung, der Energiesatz. Dieser besagt im Prinzip das „Nichts von Nichts“ kommt und die Gesamtbilanz der Verluste und Gewinne in einem geschlossenen System immer Null ergibt. Unser Beispiel des Wohnzimmers ist dabei das eines offenen Systems. Denn durch die Außenwände kommt sowohl Energie ins System hinein und an anderer Stelle geht sie heraus, wobei die Bilanz in offenen Systemen nicht zwingend ausgeglichen sein muss: Q+S ≠0 (3.2). Ob in einem System jedoch tatsächlich ein Gleichgewichtszustand erreicht wird, hängt davon ab, wie die Funktion F (q , s) die Quellen und Senken „verarbeitet“. Diese Funktion enthält hier die physikalischen Gesetze der Thermodynamik. Die besagen zum Beispiel, das die Temperatur niemals höher als die wärmste Quelle oder tiefer als die kälteste Senke werden kann. Daher stellt sich typischerweise nach einer gewissen Zeit t g irgendwo dazwischen ein Gleichgewicht ein. Das heißt, die Feldfunktion T ( x , y , z , t) wird dann zeitlich konstant, und es gilt LESEPROBE Seite 22 © Heribert Genreith 2011
  • 23. dT =0 (3.3) dt womit auch folgt dF ∂F ∂q ∂F ∂s ∂ F =0= + + (3.4). dt ∂ q ∂ t ∂ s ∂t ∂t Das ist wiederum gleichbedeutend damit, dass die Summe der Quellen und der Senken gegensätzlich identisch ist, denn es gilt ∂F im statischen Gleichgewichtsfall auch =0 und damit ∂t ∂ F ∂q ∂ F ∂ s 0= + (3.5), ∂ q ∂t ∂ s ∂ t Integriert über die Zeit bedeutet dies t1 ∂ F ∂q t ∂F ∂s Q :=∫t ( )dt=−∫t ( 1 )dt=:−S (3.6) 0 ∂ q ∂t ∂ s ∂t 0 und damit eben Q+S =0 für alle Δ T =t 1−t 0 und t 0>t g (3.7) sobald das Gleichgewicht erreicht ist: was ins System an einer Stelle an Energie hereinkommt, geht an anderer Stelle auch wieder hinaus. Kommen wir nun zum Fall eines geschlossenen Systems: Der wesentliche Unterschied zu offenen Systemen besteht darin, dass die Bilanzgleichung immer ausgeglichen sein muss: Q+S !=0 (3.8) Denn was in einem geschlossenen System an einer Stelle hinzu LESEPROBE Seite 23 © Heribert Genreith 2011
  • 24. kommt, muss logischer Weise an anderer Stelle weggenommen werden. Ein geschlossenes System würden wir in unserem Wohnzimmerbeispiel erreichen, indem wir das Haus mit einem großen, thermisch ideal isolierten, Behältnis umgeben, so dass die Wärmeerzeuger (Heizung, Stromerzeuger etc.) innerhalb des Behältnisses9 liegen. Dann ist die Änderung der Gesamtenergie des Systems immer Null, dE E=const. und =0 (3.9) dt während sich innerhalb des Wohnzimmers W, als kleines dE W Subsystem, sehr wohl der Energiegehalt ≠0 zeitlich ändern dt kann. Alle Feldtheorien können mit Standardwerkzeugen der Mathematik behandelt werden. SO ergeben die Euler-Lagrange- Gleichungen ein System von Differentialgleichungen, die das Verhalten der Felder eindeutig festlegen. Diese Gleichungen nennt man allgemein die Bewegungsgleichungen des Systems. Dafür muss man die Randbedingungen des Systems geeignet, das heißt wirklichkeitsnah, fest legen. Solche Randbedingungen werden insbesondere durch sogenannte Kontinuitätsgleichungen aufgestellt. Dies sind letztlich immer Bilanzgleichungen, ähnliche wie in unserem Beispiel erwähnt. Allgemeine Lösung der gestellten Probleme können, aufgrund der zugrunde liegenden Komplexität, manchmal unmöglich sein oder aber nur über numerische Verfahren gelöst werden. Die 9 Ein solches Behältnis wäre in unserem Beispiel allerdings ziemlich groß, da für die von außen wirksame Lufttemperatur die Sonne verantwortlich ist. In realen Fällen sind geschlossene Systeme immer so groß zu wählen, dass die Außenbeiträge keine nennenswerte Rolle mehr spielen oder durch eine Konstante (etwa Solarkonstante) inkorporiert werden können. LESEPROBE Seite 24 © Heribert Genreith 2011
  • 25. Lagrangedichten in der Feldtheorie ermöglichen jedoch immer eine systematische Untersuchung von Symmetrien und Erhaltungsgrößen, worauf wir im späteren Teil dieses Buches zurück kommen werden. Als Fazit in einfachen Worten fassen wir also zusammen: Das Wesen einer Feldtheorie ist die Rückführung der Zusammenhänge auf einfachste Grundprinzipien. Insbesondere das Grundprinzip „Von Nichts kommt Nichts“. Dieser Grundsatz wird in Form von Bilanzgleichungen berücksichtigt. Wichtig ist die Unterscheidung von offenen und geschlossenen Systemen. Bilanzgleichungen von offenen und geschlossenen Systemen können grundlegend unterschiedlich sein. Geschlossene Systeme können aber aus einer Vielzahl zusammengehöriger offener Systeme bestehen. LESEPROBE Seite 25 © Heribert Genreith 2011
  • 26. 4 Spezielle Feldtheorie der Makroökonomie Selbst einfache Zusammenhänge der Technik sind oft bereits nichtlinearer Natur. Das gilt prinzipiell auf für die Makroökonomie, allein schon wegen der unmittelbaren gegenseitigen Beeinfluss- ungen der wesentlichen Einflussgrößen, so von Kapital und Bruttoinlandsprodukt. Aber auch von Preisen, Zinsen und Handelsvolumen oder Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Dies muss, in einem selbstkonsistenten Modell, zu nichtlinearen Abhängigkeiten führen. Selbstkonsistente Theorien, haben die Eigenschaft, dass sie alle relevanten Größen ohne hinzugeben äußerer Daten in ihrer zeitlichen Dynamik beschreiben. Trotzdem ist es sinnvoll, erst einmal ein nicht-selbstkonsistentes Modell zu untersuchen, um den tieferen Zusammenhängen auf die Spur, und damit auch der nichtlinearen Theorie, zu kommen. Die spezielle Feldtheorie der Makroökonomie ist daher ein nicht- selbstkonsistentes Modell, da wichtige Parameter, wie die Verzinsung10 des Kapitals, aus Messwerten entnommen werden müssen. Ein selbstkonsistentes Modell, also die später behandelte Allgemeine Feldtheorie der Makroökonomie, sollte dagegen auch solche Parameter aus sich selbst heraus erklären können. In der Speziellen Feldtheorie stellen wir also erst einmal die einfachere Frage: „Welche Entwicklung nehmen die Funktion von Kapitalstock K und Bruttoinlandsprodukt Y unter einer gegebenen Verzinsung des Kapitals?“. Die Lösung dieser für die meisten praktischen Probleme der Wachstumstheorie allerdings schon völlig ausreichenden, Frage, liefert uns schließlich den Eingang zur komplexeren nichtlinearen Theorie. 10 Die Verzinsung, oder der Preis des Geldes, ist z.B. selbst eine Funktion etwa von Angebot (Kapitalstock K) zu Nachfrage (BIP Y), woraus sich wiederum eine Änderung der Geldmenge dK/dt ergibt. Die Folge ist eine Nichtlinearität des Modells. LESEPROBE Seite 26 © Heribert Genreith 2011
  • 27. Die Gesamtbilanz der Quellen11 und Senken spielt natürlich hier, wie bei jeder funktionierender Feldtheorie, die wichtigste Rolle. Denn eine solche Bilanz- oder Kontinuitätsgleichung ist jeder Feldtheorie immanent. Es ist klar, dass bei allen solchen Strukturen Fehler in den Bilanzgleichung erhebliche Auswirkungen haben auf die Konsistenz des Modells, um so größer, je weniger exakt die Bilanz auf geht. Ein „Feld“ kann im allgemeinen Fall natürlich ein abstrakter, beliebig dimensionaler, mathematischer Raum sein, im einfachsten Fall also auch eindimensional. Etwa für die Antwort auf die Frage zu liefern: Wie entwickelt sich das Feld F =( K ,Y ) (4.1) entlang unseres Raumes, der Zeitschiene T =(t) (4.2) ? Die benötigte Bilanzgleichungen wird, wie wir noch sehen werden, durch die schon lange bekannte Bilanzgleichung MV =HP (4.3), die sogenannte Quantitätsgleichung der Makroökonomie, gegeben sein. Allerdings werden wir diese noch etwas genauer definieren müssen. 11 Im allgemeinen Fall lassen sich die Quellen und Senken in sogenannte Divergenzen und Rotationsfelder aufteilen. LESEPROBE Seite 27 © Heribert Genreith 2011
  • 28. 5 Herleitung der Grundgleichungen Gesucht werden also zwei miteinander verknüpfte Funktionen K und Y. Es ist aus mathematischen Gründen klar, dass wir dafür zwei verkoppelte, linear unabhängige Bestimmungsgleichungen benötigen. Linear unabhängig heißt keineswegs, dass die Bestimmungsgleichungen linear sein müssen. Linear unabhängig heißt, das sich die Beiden Bestimmungsgleichungen nicht durch einfache (lineare) Rechenoperationen ineinander überführen lassen. Man kann aber erst einmal, auch das zeigt die Erfahrung, einen linearen Ansatz der Bestimmungsgleichungen wagen. Oft liegt man damit schon richtig oder wenigstens nahe 12 dabei. Man könnte die gesuchten Bewegungsgleichungen der Makroökonomie auch gleich über den Lagrangeformalismus zu entwickeln suchen. Allerdings ist dieser Weg mathematisch weder trivial noch sehr intuitiv. Wir werden darauf also erst später zurück kommen, und als erstes die Bewegungsgleichungen auf intuitive Weise bilanzieren und so herbeiführen. Wir setzen an, da die beiden gesuchten Funktionen in gegenseitiger Abhängigkeit stehen müssen: dY = F t ,Y t , K t , pi t  , ... (5.1 a) dt dK =G t , Y t  , K t  , qi t  , ... (5.1 b) dt Die Differential-Funktionen F und G sind jedoch ad hoc unbekannt. Sicher ist, dass sie von der Zeit t und von den anderen Einflussgrößen Y t bzw. K t  abhängig sein müssen. Dazu kommen noch weitere Parameter, die eventuell 12 Andernfalls muss man sich halt weitere Gedanken über nicht-lineare Zusammenhänge machen. Diese folgen später in diesem Buch. LESEPROBE Seite 28 © Heribert Genreith 2011
  • 29. zeitabhängigen Funktionen p i t  und q i t , welche zum Beispiel Prozentsätze oder andere Parameter sein können. 6 Die Parameterfunktionen Die Parameterfunktionen a 0, b0, p B , pY , pS , p K sind nun noch ökonomisch zu bestimmen, das heißt zu bilanzieren. Die beiden Gleichungen haben die Grundstruktur dY =QuellenY +Senken Y (6.1 a) dt und dK =Quellen K +Senken K (6.1 b) dt d.h. die zeitlichen Änderungen der Feldgrößen Y und K entstehen durch die zugehörigen Quellen und Senken. Welche Quellen und Senken haben wir nun für Y und K in einer Kapital getriebenen Ökonomie? Das BIP Y hat zunächst zwei Treibsätze: Einmal das das Bevölkerungswachstum p B , denn eine wesentliche Wachstumsursache für das BIP aus sich selbst heraus ist die Zunahme der Anzahl der Konsumenten und Schaffenden durch das natürliche Bevölkerungswachstum als auch Zuwanderung. p B = p B t ist also das effektive Bevölkerungswachstum, das ggf. natürlich auch negativ sein kann. Zum zweiten sind es aber besonders Kredite, die das Wachstum antreiben. Sie sind in der Regel die stärkste Komponente des Produktionswachstums. Die Parameterfunktion p Y ist daher die Investitionsrate von LESEPROBE Seite 29 © Heribert Genreith 2011
  • 30. Kapital in das BIP. Diese werden durch ihren Anteil p Y aus dem totalen Kapitalstock beschrieben: dY =b0+ p B Y + pY K (6.2 a) dt Hinzu kommt noch der freie Parameter b0 . Der entsteht etwa dann, wenn ohne entsprechende Geldflüsse BIP ins Ausland verschenkt wird ( b0 <0 , Entwicklungshilfe durch Sachspenden und unbezahlte Dienstleistungen vor Ort, Care-Packete u.a.) oder wenn solche Sachspenden13 angenommen werden ( b0 >0 ). Entsprechend vermehrt sich das Kapital im wesentlichen durch Sparen p S und Verzinsung des Kapitalstockes p K : dK =a 0+ p S Y + p K K (6.2 b) dt Der freie Parameter14 a 0 beschreibt hier wiederum den Zu- oder Abfluss von Auslandskapital ohne unmittelbare Sachgegenleistung aus dem BIP. Ein Abfluss oder Zufluss a 0≠0 entsteht auch bei freier Geldvernichtung oder Schöpfung ohne Gegenleistungen irgendwelcher Art. p S ist das Einkommen, dass im Bezugsjahr aus BIP gespart wird, wodurch sich der totale Kapitalstock erhöht. Weiterhin vermehrt sich Kapital scheinbar aus „sich selbst heraus“, nämlich über die durchschnittlichen Verzinsung p K über alle Anlageklassen (Assets). Nun besteht aber zwischen den Parameterfunktionen pY und 13 Auch unbezahlte Dienstleistungen sind Sachleistungen. 14 Diese Parameter-Funktionen sind im allgemeinen Funktionen der Zeit, ggf. aber sind es auch Pseudo-Konstanten p i≈0 oder gar Konstanten, insbesondere können sie auch identisch Null sein. Denn für ein geschlossenes System gilt z.B. a 0=0=b 0 . LESEPROBE Seite 30 © Heribert Genreith 2011
  • 31. pK ein ursächlicher Zusammenhang. Denn die tatsächliche Verzinsung der Banken Aktiva muss in letzter Konsequenz immer vom BIP erwirtschaftet werden, und daher gilt aus einfachen Bilanzgründen: p K =− pY := pn (6.3) Damit lässt sich in erster linearer Näherung das vollständige Makroökonomische Gleichungssystem zu dY =b0 (t)+ p B ( t)Y − pn (t) K (6.4 a) dt dK =a 0 t pS t Y  p n t  K (6.4 b) dt bestimmen. Die Funktion − p n nennen wir die Nettoinvestionsquote und p n die Nettogeschäftsquote der Kreditwirtschaft. Diese Funktion ist im nächsten Abschnitt noch näher zu bestimmen. Es handelt sich bei dem obigen Differentialgleichungssystem15 15 Wie jede Funktion lassen sich auch DGL's als Taylorreihe darstellen, in unserem Fall gilt: dY dK =∑ pijkl Y t  K t =∑ qijkl Y t  K t  i j  k l  i j  k l und dt dt Man kann dann im ersten Ansatz die numerisch führenden linearen Terme nutzen. Aus diesem wohl begründeten Fakt heraus gilt mindestens lokal, und wenn die höhergradigen Terme nahezu oder tatsächlich verschwindend sind, auch sogar global: dY dK = p0000  p 0100 Y  p 0001 K... und =q0000 q 0100 Y q 0001 K ... dt dt Die grundsätzliche lineare Struktur eines differential-analytischen Modells zweier abhängiger Funktionen lautet damit: LESEPROBE Seite 31 © Heribert Genreith 2011
  • 32. um ein sogenanntes Anfangswertproblem. Dies bedeutet, das aus den Anfangswerten Y 0=Y 0 und K 0=K 0 die Werte für spätere Zeiten t0 durch Aufintegration der Änderungsraten zu ermitteln sind. Dies kann im idealen Falle analytisch geschehen, oder wenn dies nicht geschlossen möglich ist, durch numerische Verfahren. Analytische Verfahren sind immer vor zu ziehen, denn im Gegensatz zu numerischen Verfahren werden in der Analytik sämtliche Abhängigkeiten mit gezogen und ermöglichen eine grundlegende Diskussion und Analyse der ermittelten Bewegungsgleichungen. Bei numerischen16 Verfahren können die Abhängigkeiten der Lösungen von den Eingangsparametern dagegen nur durch mühsame Variation der Parameter näherungsweise ermittelt werden. 7 Bestimmung der Nettogeschäftsquote Für die konkrete Formulierung von p n t  benötigen wir eine Aussage über das Verhältnis von Investitionen in die Realwirt- schaft zu den Eigengeschäften des Finanzsystems, also von unmittelbaren zu mittelbaren Kapitaleinsatz. dY dK =b0+ p B Y + pY K und =a 0+ p S Y + p K K dt dt Die Parameterfunktionen der p und q sind hier schon durch die im folgenden benötigten Namen ersetzt. Nichtlineare Terme wie zum Beispiel p 0101 Y K d2Y d K oder p 0204 Y 2 K 4 oder p 2111 2 usw. fallen zunächst weg, weil sie dt dt zumindest lokal keine Rolle spielen und wegen dem implizit in den p und q enthaltenen Faktor 1/(i! j! k!l!) i.d.R. schnell gegen Null gehen. 16 Eine simple numerische Integration lässt sich bereits mit einer Excell-Tabelle durchführen. Jedoch ist für höhere Genauigkeiten die Verwendung numerischer Standardintegrationsmethoden, wie das Runge-Kutta-Verfahren, unerlässlich. LESEPROBE Seite 32 © Heribert Genreith 2011
  • 33. Dazu betrachten wir zunächst noch einmal die DGL des Kapitals: dK =a 0+ p S Y + p K K . Der Koeffizient p K ist dabei die effektive dt diesjährige Verzinsung des Kapitals. Diese Verzinsung resultiert aus den zwei Komponenten des mittelbaren und unmittelbaren Kapitaleinsatzes. Wir können also aufsplitten zu: dK =a 0+ p S Y + p ve K E − pvr K R (7.1) dt Denn der Anteil des Kapitalstockes der innerhalb der Finanzwirt- schaft verkauft wird, erhält seine Rendite sofort, der Anteil der in die Realwirtschaft gegeben wird vermindert zunächst den Kapitalstock und erhält seine Rendite erst nachjährig. Dabei können auch die Zinssätze p ve ≠ pvr verschieden17 sein. Mit der einfachen Ersetzung K R= K – K E erhalten wir nun: dK =a 0+ p S Y +( p ve + pvr )K E− p vr K (7.2) dt Wir haben also zwei Blöcke von Einnahmen und Ausgaben die das Gesamtergebnis tragen. Diese können wir aber pauschal in einen Block zusammenfassen, indem wir p K := p v – p r (7.3) als die Differenz der Ergebnisse von Ausgaben und Einnahmen definieren, mit p v als die durchschnittliche nominale 17 Sie müssen nicht verschieden sein, insbesondere nicht im Durchschnitt über alle Assets, der hier nur relevant ist. Aufgrund des Angebot- und Nachfrage- drucks sieht man in aller Regel aber, dass zwar einzelne Assets gewaltig vom Durchschnitt abweichen können, die Summe aller Assets unterm Strich dagegen kaum. Die folgende Pauschalisierung tut daher der Stringenz keinen Abbruch. LESEPROBE Seite 33 © Heribert Genreith 2011
  • 34. Verzinsung über alle Arten von Anlagen, und p r ist der Anteil, der wegen der Kreditvergabe diesjährig davon ausfällt. Diese Vorgehensweise vereinfacht dass Kalkül danach deutlich. Als nächstes definieren wir den relativen Wert p rel als den Anteil, den der unmittelbare Kapitaleinsatz zum totalen Kapitalstock ausmacht: MK p rel := (7.4) K Dieser Wert von p rel lag im Jahre 1950, zwei Jahre nach Einführung der Deutschen Mark, nach Zahlen der Bundesbank18 bei etwa 73 % und sank kontinuierlich bis auf weniger als 40% im Jahre 2010 ab. Dies lässt sich phänomenologisch damit erklären, dass am Anfang der Volkswirtschaft19 das vorhandene Kapital praktisch vollständig zur Kreditvergabe (investiv und konsumptiv) in die Realwirtschaft fließt. Mit zunehmender Zeit und zunehmendem Kapitalstock geht jedoch immer mehr Geld in das Bankeneigengeschäft („Investmentbanking“), da die renditeträchtigen Kapitalanlagen in der Realwirtschaft mit der Zeit knapper werden. Da wir nun den relativen Anteil p rel nicht absolut, sondern als Anteil am gesamten Zinsaufkommen in unserer Gleichung angeben müssen, schreiben wir diesen Wert etwas um: p r ist der Anteil am Zinsgewinn p v , der aus Kreditvergaben in die Realwirtschaft entsteht. Damit gilt für die Nettogeschäftsquote20 p n nach Reinvestition 18 Zeitreihe OU0115, Kredite an inländische Nichtbanken 19 Einführung der Deutschen Mark am 21. Juni 1948. 20 Wobei hier implizit angenommen wird, dass sich die Verzinsungen aus realwirtschaftlichen und investmentwirtschaftlichen Geschäften nicht wesentlich unterscheiden. Man könnte das mit einem leicht erweiterten LESEPROBE Seite 34 © Heribert Genreith 2011
  • 35. von pr ins BIP: p n := p v ( 1− p rel )− p v p rel = p v (1−2 p rel ) (7.5) Wenn wir uns die Realdaten von p_rel ansehen (Abb. 4), dann sehen wir deren regulären Verlauf. Wir können als eine einfache phänomenologische21 Näherung ansetzen, das der Reinvestitions- anteil p rel gemäß einer einfachen Exponentialform langsam abnimmt: p rel0 t−T h p rel = exp(− ) (7.6) e Th Wie man leicht sieht, hat diese Funktion am Anfang ( t=0 ) den Wert p rel0 , nach der exponentiellen Halbwertszeit T h fällt er auf 1/e ab (e=2,71... ist die Eulerkonstante) und geht dann sehr langsam gegen Null. Unsere phänomenologisch begründete Formel ist daher 2 p rel0 T −t p n= p v (1− exp( h )) (7.7) e Th mit p v durchschnittliche nominale Verzinsung über alle Assets p rel0 Anfänglicher unmittelbarer Kapitaleinsatz als Anteil am totalen Kapitalstock T h Zeit nach dem der unmittelbare Kapitaleinsatz auf 1/e Ansatz zwar berücksichtigen, im Rahmen der ersten Näherung ist dies jedoch von keiner entscheidenden Bedeutung. 21 „Phaenomenologisch“ bedeutet, dass man den realen Verlauf einer Funktion aufgrund naheliegender Annahmen formuliert. Statt dessen kann man natürlich auch beliebige andere angepasste Funktionen (z.B. Polynome) oder gar die Messreihen selbst nehmen. Für eine analytische Betrachtung ist eine phänomenologisch angepasste Funktion jedoch wesentlich Gehalt voller, da man den ursächlichen Zusammenhang bei analytischer Betrachtung „mitziehen“ kann. Für numerische Betrachtungen ist die Art und Weise der Funktionsanpassung dagegen von geringerer Bedeutung. LESEPROBE Seite 35 © Heribert Genreith 2011
  • 36. Abbildung 4: Der relative Anteil der Geschäftsbanken am Ge- samtgeschäft (konsumptive und investive Kredite, Datenrei- he der Bundesbank OU0115) sowie die beiden phänomenolo- gischen Fits. abgesunken ist (exponentielle Halbwertszeit) wobei e die Eulerkonstante ist. Um den speziellen Anfangsparameter p rel0 zu eliminieren, kann im Interesse der Allgemeingültigkeit und einer rein phänomeno- logischen analytischen Betrachtung davon ausgegangen werden, dass sich am Anfang einer Volkswirtschaft praktisch 100% der Finanzwirtschaft auf Kredite in die Realwirtschaft stützt (obere Fitkurve) LESEPROBE Seite 36 © Heribert Genreith 2011
  • 37. 8 Eine einfache Beispielrechnung für die BRD Y und K Entwicklung der BRD nach amtl. Daten und nach phän. Modell 20000,0000 18000,0000 16000,0000 14000,0000 12000,0000 BIP Y real Kap. K real Mrd. Euro 10000,0000 BIP Y Mod. 8000,0000 Kap. K Mod. 6000,0000 4000,0000 2000,0000 0,0000 1950 1954 1958 1962 1966 1970 1974 1978 1982 1990 1994 1998 2002 2006 2014 2018 2022 2026 1986 2010 Jahr Abbildung 5: Entwicklung von Kapitalstock und BIP nach amtlichen Zah- len und nach phänomenologischem Modell berechnet. Für eine erste Demonstration der Wirkungsweise des so bilanzierten Systems machen wir einige weitere zulässige Vereinfachungen. Wir davon aus, das die Auslandsbilanz relativ ausgeglichen ist und setzen daher a 0=0=b 0 . Des weiteren ist das Bevölkerungswachstum der BRD relativ gering, sodass p B =0 gesetzt werden kann. Die Sparquote in der BRD pendelt die meiste Zeit um einen Wert von etwa jährlich 10%, so das wir pauschal p S =0,1 als Konstante ansetzen können. LESEPROBE Seite 37 © Heribert Genreith 2011
  • 38. Bleiben noch die Werte für p rel0 und T h , die sich aus den realen Werten ermitteln lassen. p v0 ist die durchschnittliche langfristig nominale Verzinsung über alle Assets. Damit lässt sich nun schreiben: 2 T −t p n (t )= p v0 ( 1 – exp ( h )) (8.1) e Th und wir erhalten wir das vereinfachte Gleichungssystem zu dY (t) 2 T −t =− p v0 (1 – exp( h )) K ( t) (8.2 a) dt e Th dK ( t) 2 T −t = p S Y (t)+ p v0 (1 – exp ( h )) K (t) (8.2 b) dt e Th das jetzt nur noch die Kerneffekte enthält und daher zu einer ersten Untersuchung der wichtigsten Zusammenhänge besonders gut geeignet ist. Mit den konstanten Werten p S =0,1 und p v0 =0,055 bei T h=80 ergibt sich die in Abbildung 5 errechnete bereits sehr gute Übereinstimmung zwischen Realität und der Theorie in ihrer einfachsten Ausprägung. ENDE der LESEPROBE http://www.amazon.de/Makro%C3%B6konomische- Feldtheorie-Allgemeine-%C3%B6konomischen- Substitutionskonkurrenz/dp/3842380291/ref=sr_1_5? ie=UTF8&s=books&qid=1315418660&sr=8-5 LESEPROBE Seite 38 © Heribert Genreith 2011