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Lukas Lehner, Rheintalmeteo.ch Seite 1
Meteorologische Zusammenfassung des Hochwassers vom 31. Mai bis
am 02. Juni 2013 des Rheintaler Binnenkanals im Mittelrheintal
Lage
Betroffen vom Hochwasser des Rheintaler Binnenkanals ist
speziell das Gebiet von Widnau bis nach St. Margrethen. Das
Gewässer wurde angelegt, um den Talboden auf der Schweizer
Seite des Rheins zu entwässern. Diverse Zuläufe haben dazu
geführt, dass sich der Binnenkanal zurückgestaut hat. Der
Rhein ist nicht über die Dämme geschwappt, weil sich die
Hauptniederschläge auf das Rheintal beschränkt haben.
Meteorologische Übersicht
Das Tiefdrucksystem über Polen ist der
Hauptverursacher der Niederschläge. Derartige
Tiefdruckgebiete kommen im Alpenraum immer
wieder vor. Sie nehmen über dem Mittelmeer
grosse Mengen an Feuchtigkeit auf, und steuern sie
in einem grossen Bogen über Osteuropa von
Norden her an die Alpen. Aber nur selten spielen
mehrere Faktoren zusammen: ① Dieses Tief ist
am Höhepunkt seiner Entwicklung einige Tage
stationär über den Alpen gelegen, und ist nicht –
wie sonst oft – relativ rasch weitergezogen. ② Verstärkt wurde der Regen ausserdem durch die
Strömungsrichtung der Luftmassen, die nahezu genau aus Norden auf die Alpen getroffen sind.
Die Berge wirken in diesem Fall wie eine riesige Barriere, die Luftmassen werden dadurch an
den Alpen gehoben, sie kühlen ab und noch mehr Wasserdampf kondensiert zu Regen. Somit gab
es im Alpstein rund um den Säntis die grössten Regenmengen.
Foto: Höchststand des Kanals am 02.06.13 um 08 Uhr
TH
Lukas Lehner, Rheintalmeteo.ch Seite 2
Niederschlagsmessung in Widnau
Abb: Stunden-Summen der Wetterstation Widnau (Rheintalmeteo.ch) in der betroffenen Woche
Freitag 31.05.13 38.6 l/m²
Samstag 01.06.13 61.6 l/m²
Sonntag 02.06.13 28.8 l/m²
Total 72h 129 l/m²
Tabelle: Tagessummen des Niederschlags
Diese 72-Stunden Summe ist weit mehr, als der durchschnittliche Monatsniederschlag im Mai.
Man kann sich diese Zahl auch so vorstellen, dass eine 13cm hohe Wasserschicht auf dem Boden
lag, die nur schlecht bis gar nicht eindringen konnte. Mit den grossflächigen Niederschlägen sind
somit enorme Wassermengen in die Kanäle geflossen.
Im Jahr 2005 ist nicht der Binnenkanal, sondern der Rhein über die Ufer getreten. Damals sind
am Hauptregentag 30 mm mehr gefallen.
Wie viel Wasser floss den Bach runter?
In der Grafik der Messstelle St. Margrethen ist der Verlauf der Pegelhöhe und Abflussmenge
ersichtlich. Schon der erste Anstieg führte zu leichten Überschwemmungen, aber nach einer
kurzen Erholungsphase stiegen die Wassermassen am Sonntagmorgen (02.06.) noch weiter an,
als am Tag davor. Mit der Beruhigung der Niederschläge ist auch der Pegel ab 8 Uhr merklich
zurückgegangen. In Widnau ist bei Höchststand am Sonntag sechs Mal mehr Wasser durch die
Messstelle geflossen, als an einem durchschnittlichen Tag. In St. Margrethen wurde ein
Maximum von 138 m3/s registriert. Diese Messungen zeigen, dass der Kanal fast so viel Wasser
führte, wie im Mai 1999. Damals ist ein maximaler Abfluss von 140 m3/s aufgezeichnet worden.
Abb: Messwerte der Station St. Margrethen – BAFU (2139)
Lukas Lehner, Rheintalmeteo.ch Seite 3
Ursache der Überschwemmung einiger Dorfteile
Ursache für den hohen Wasserstand waren unter anderem die
zulaufenden Bäche: Die Rietach, Ländernach und der
Böschachkanal. Diese stauten den Binnenkanal und gingen auch
selber über die Ufer. Die Wassermassen sind infolge soweit
gestiegen, dass die Schutzdämme* trotz provisorischer Erhöung
mit Sandsäcken, kein Hindernis mehr waren. Sie wurden
überspült, instabil und sind stellenweise gebrochen. So konnte
das Wasser zum Beispiel direkt ins Höchsteren-Quartier fliessen
(Foto). Dort stand das Wasser knietief.
* Die Schutzdämme wurden aufgrund des massiven Hochwassers im Jahr 1999 errichtet.
Schäden
Medienberichten zufolge soll eine Fläche von 200 Fussballfeldern überflutet worden sein. Diese
Daten sind per Helikopter erhoben worden. Es traf neben den Hausbesitzern viele Bauern, deren
ganze Existenz im Wasser liegt. Die Feuerwehr musste rund 150 Keller von Wohnhäusern und
Industrien auspumpen. Weil man aber gut darauf vorbereitet war, hielten sich die Schäden in
Grenzen. Die Schadenshöhe wurde von Experten auf etwa zwei Millionen Franken geschätzt.
Fotos: Luftaufnahmen des SRF.ch | links: ein Hof in Au | mitte: Höchstern | rechts: Schrebergartensiedlung Balgach/Widnau
Zum Schluss möchte ich allen Beteiligten danken, die dazu beigetragen haben, die
Schäden in Grenzen zu halten, speziell dem Führungsstab, den diversen Feuerwehren und
dem Zivilschutz.
Abb: Überblick über das überschwemmte Gebiet. Foto von Süden nach Widnau
Ergänzungen bitte an: info@rheintalmeteo.ch
Lukas Lehner, Rheintalmeteo.ch Seite 4
Internetlinks [Stand 04.06.2013]
http://www.srf.ch/player/tv/tagesschau/video/ueberschwemmungen-in-
widnau?id=2622d29c-3b31-4518-ae4f-1e13488b7fab
http://www.srf.ch/player/tv/videoembed?id=1828248c-8c50-459c-a84d-
03c2ff1755e7&width=624&height=351&mode=inline&autoplay=true
http://www.blick.ch/news/kurt-ender-aus-widnau-sg-das-wasser-kam-durch-die-fenster-
id2324030.html?fb_action_ids=250737498401133&fb_action_types=og.recommends
http://bazonline.ch/panorama/vermischtes/Unser-Keller-wurde-zweimal-
ueberschwemmt/story/26903690
http://www.appenzellerzeitung.ch/aktuell/bilder/ostschweiz/cme326069,1717172
Der Rheintaler:
http://www.rheintaler.ch/ostschweiz/stgallen/rheintal/rt-in/Sie-pumpen-weiter-immer-
weiter;art905,342519
http://www.rheintaler.ch/ostschweiz/stgallen/rheintal/rt-ur/Sie-pumpen-
hellip;art166,3425199
http://www.rheintaler.ch/aktuell/panorama/panorama/Nach-dem-grossen-
Regen;art253654,3425037
Aufräumarbeiten: http://www.rheintaler.ch/aktuell/bilder/ostschweiz/cme326407,1718217
Quellen
http://www.bafu.admin.ch/ Bundesamt für Umwelt
http://srf.ch/ Bildquellen

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Meteorologische Übersicht zum Hochwasser am Binnenkanal, St. Galler Rheintal, CH vom 02.06.2013

  • 1. Lukas Lehner, Rheintalmeteo.ch Seite 1 Meteorologische Zusammenfassung des Hochwassers vom 31. Mai bis am 02. Juni 2013 des Rheintaler Binnenkanals im Mittelrheintal Lage Betroffen vom Hochwasser des Rheintaler Binnenkanals ist speziell das Gebiet von Widnau bis nach St. Margrethen. Das Gewässer wurde angelegt, um den Talboden auf der Schweizer Seite des Rheins zu entwässern. Diverse Zuläufe haben dazu geführt, dass sich der Binnenkanal zurückgestaut hat. Der Rhein ist nicht über die Dämme geschwappt, weil sich die Hauptniederschläge auf das Rheintal beschränkt haben. Meteorologische Übersicht Das Tiefdrucksystem über Polen ist der Hauptverursacher der Niederschläge. Derartige Tiefdruckgebiete kommen im Alpenraum immer wieder vor. Sie nehmen über dem Mittelmeer grosse Mengen an Feuchtigkeit auf, und steuern sie in einem grossen Bogen über Osteuropa von Norden her an die Alpen. Aber nur selten spielen mehrere Faktoren zusammen: ① Dieses Tief ist am Höhepunkt seiner Entwicklung einige Tage stationär über den Alpen gelegen, und ist nicht – wie sonst oft – relativ rasch weitergezogen. ② Verstärkt wurde der Regen ausserdem durch die Strömungsrichtung der Luftmassen, die nahezu genau aus Norden auf die Alpen getroffen sind. Die Berge wirken in diesem Fall wie eine riesige Barriere, die Luftmassen werden dadurch an den Alpen gehoben, sie kühlen ab und noch mehr Wasserdampf kondensiert zu Regen. Somit gab es im Alpstein rund um den Säntis die grössten Regenmengen. Foto: Höchststand des Kanals am 02.06.13 um 08 Uhr TH
  • 2. Lukas Lehner, Rheintalmeteo.ch Seite 2 Niederschlagsmessung in Widnau Abb: Stunden-Summen der Wetterstation Widnau (Rheintalmeteo.ch) in der betroffenen Woche Freitag 31.05.13 38.6 l/m² Samstag 01.06.13 61.6 l/m² Sonntag 02.06.13 28.8 l/m² Total 72h 129 l/m² Tabelle: Tagessummen des Niederschlags Diese 72-Stunden Summe ist weit mehr, als der durchschnittliche Monatsniederschlag im Mai. Man kann sich diese Zahl auch so vorstellen, dass eine 13cm hohe Wasserschicht auf dem Boden lag, die nur schlecht bis gar nicht eindringen konnte. Mit den grossflächigen Niederschlägen sind somit enorme Wassermengen in die Kanäle geflossen. Im Jahr 2005 ist nicht der Binnenkanal, sondern der Rhein über die Ufer getreten. Damals sind am Hauptregentag 30 mm mehr gefallen. Wie viel Wasser floss den Bach runter? In der Grafik der Messstelle St. Margrethen ist der Verlauf der Pegelhöhe und Abflussmenge ersichtlich. Schon der erste Anstieg führte zu leichten Überschwemmungen, aber nach einer kurzen Erholungsphase stiegen die Wassermassen am Sonntagmorgen (02.06.) noch weiter an, als am Tag davor. Mit der Beruhigung der Niederschläge ist auch der Pegel ab 8 Uhr merklich zurückgegangen. In Widnau ist bei Höchststand am Sonntag sechs Mal mehr Wasser durch die Messstelle geflossen, als an einem durchschnittlichen Tag. In St. Margrethen wurde ein Maximum von 138 m3/s registriert. Diese Messungen zeigen, dass der Kanal fast so viel Wasser führte, wie im Mai 1999. Damals ist ein maximaler Abfluss von 140 m3/s aufgezeichnet worden. Abb: Messwerte der Station St. Margrethen – BAFU (2139)
  • 3. Lukas Lehner, Rheintalmeteo.ch Seite 3 Ursache der Überschwemmung einiger Dorfteile Ursache für den hohen Wasserstand waren unter anderem die zulaufenden Bäche: Die Rietach, Ländernach und der Böschachkanal. Diese stauten den Binnenkanal und gingen auch selber über die Ufer. Die Wassermassen sind infolge soweit gestiegen, dass die Schutzdämme* trotz provisorischer Erhöung mit Sandsäcken, kein Hindernis mehr waren. Sie wurden überspült, instabil und sind stellenweise gebrochen. So konnte das Wasser zum Beispiel direkt ins Höchsteren-Quartier fliessen (Foto). Dort stand das Wasser knietief. * Die Schutzdämme wurden aufgrund des massiven Hochwassers im Jahr 1999 errichtet. Schäden Medienberichten zufolge soll eine Fläche von 200 Fussballfeldern überflutet worden sein. Diese Daten sind per Helikopter erhoben worden. Es traf neben den Hausbesitzern viele Bauern, deren ganze Existenz im Wasser liegt. Die Feuerwehr musste rund 150 Keller von Wohnhäusern und Industrien auspumpen. Weil man aber gut darauf vorbereitet war, hielten sich die Schäden in Grenzen. Die Schadenshöhe wurde von Experten auf etwa zwei Millionen Franken geschätzt. Fotos: Luftaufnahmen des SRF.ch | links: ein Hof in Au | mitte: Höchstern | rechts: Schrebergartensiedlung Balgach/Widnau Zum Schluss möchte ich allen Beteiligten danken, die dazu beigetragen haben, die Schäden in Grenzen zu halten, speziell dem Führungsstab, den diversen Feuerwehren und dem Zivilschutz. Abb: Überblick über das überschwemmte Gebiet. Foto von Süden nach Widnau Ergänzungen bitte an: info@rheintalmeteo.ch
  • 4. Lukas Lehner, Rheintalmeteo.ch Seite 4 Internetlinks [Stand 04.06.2013] http://www.srf.ch/player/tv/tagesschau/video/ueberschwemmungen-in- widnau?id=2622d29c-3b31-4518-ae4f-1e13488b7fab http://www.srf.ch/player/tv/videoembed?id=1828248c-8c50-459c-a84d- 03c2ff1755e7&width=624&height=351&mode=inline&autoplay=true http://www.blick.ch/news/kurt-ender-aus-widnau-sg-das-wasser-kam-durch-die-fenster- id2324030.html?fb_action_ids=250737498401133&fb_action_types=og.recommends http://bazonline.ch/panorama/vermischtes/Unser-Keller-wurde-zweimal- ueberschwemmt/story/26903690 http://www.appenzellerzeitung.ch/aktuell/bilder/ostschweiz/cme326069,1717172 Der Rheintaler: http://www.rheintaler.ch/ostschweiz/stgallen/rheintal/rt-in/Sie-pumpen-weiter-immer- weiter;art905,342519 http://www.rheintaler.ch/ostschweiz/stgallen/rheintal/rt-ur/Sie-pumpen- hellip;art166,3425199 http://www.rheintaler.ch/aktuell/panorama/panorama/Nach-dem-grossen- Regen;art253654,3425037 Aufräumarbeiten: http://www.rheintaler.ch/aktuell/bilder/ostschweiz/cme326407,1718217 Quellen http://www.bafu.admin.ch/ Bundesamt für Umwelt http://srf.ch/ Bildquellen