Thesenpapier: Gegenrede gegen sich religiös begründende Hassrede von Götz Nordbruch (ufuq.de)

1. Gegenrede gegen religiös begründete Hassrede (Götz Nordbruch, ufuq.de)
Soziale Medien spielen für islamistische Ansprachen von Jugendlichen und jungen
Erwachsenen eine wichtige Rolle. In vielen Online-Foren verfügen vor allem salafistische
Akteure über eine Deutungshoheit, durch die andere Positionen von Muslimen
ausgeblendet oder als unislamisch denunziert werden.
Im Projekt „Was postest Du? Politische Bildung mit jungen Muslim_innen online“
erprobten wir Ansätze, um Jugendliche für solche Ansprachen zu sensibilisieren und in
der Auseinandersetzung mit ihnen zu stärken. Dabei zielten unsere Interventionen
gegen Beiträge, in denen antipluralistische Haltungen vertreten, b) andere Meinungen
und Perspektiven abgewertet und c) ein Anspruch auf absolute Wahrheit vertreten
wurde.
Religiöse Argumentationen spielen in salafistischen Ansprachen eine wichtige Rolle. Sie
bieten einfache und vor allem eindeutige Antworten auf religiöse Fragen, die sich viele
Jugendlichen im Alltag stellen. „Höre und gehorche“ lautet ein Leitsatz, der in diesen
Beiträgen zu finden ist, und der dazu auffordert, religiöse Normen und Regeln, wie sie
von Salafisten vertreten werden, unhinterfragt zu übernehmen. In Diskussionen auf
Facebook lässt sich der Wunsch nach Antworten aufgreifen und mit Hinweisen auf
unterschiedliche Umgangsweisen von Muslimen mit religiösen Werten und Praktiken
irritieren. Ziel ist es dabei nicht, Antworten zu formulieren („Im Islam ist das so oder
so!“), sondern Jugendliche für die Kontextabhängigkeit von Normen und Werten zu
sensibilisieren und sie zu ermutigen, eigene Antworten zu entwickeln. Der Hinweis auf
innermuslimische Unterschiede und Diskussionen über Auslegungen und
Umgangsweisen erleichtert es, mit Unterschiede umzugehen und eigene Zugänge zu
entwickeln.
Ebenso wichtig wie das Angebot von Klarheit in religiösen Fragen sind die
Gemeinschafts- und Identitätsangebote, die von salafistischen Initiativen in sozialen
Medien verbreitet werden. Der Hinweis auf Rassismus und Islamfeindlichkeit in der
Gesellschaft dient hier als Grundlage, um Ängste zu schüren und das Bild eines
grundsätzlichen Konfliktes zwischen Muslimen und Nichtmuslimen zu festigen. „In
dieser Gesellschaft habt ihr keine Chance, die Ungläubigen werden euch immer
anfeinden!“ lautet die Botschaft – verbunden mit dem Appell, sich aus der Gesellschaft
zurückzuziehen und sich der Gemeinschaft der Muslime anzuschließen. „Die Muslime“
stehen hier im Gegensatz zu „den Nichtmuslimen“. Auch hier lassen sich in Gesprächen
und Diskussionen tatsächliche Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierungen
aufgreifen, um Jugendliche zugleich darin zu bestärken, sich trotz dieser Erfahrungen in
die Gesellschaft einzubringen und sich für ihre Rechte stark zu machen. Hinweise auf
Beratungsstellen und Netzwerke, die sich gegen Diskriminierungen engagieren, sind
eine Möglichkeit, um der Instrumentalisierung von Rassismuserfahrungen und der
Attraktivität einer Opferideologie, wie sie von Salafisten vertreten wird,
entgegenzuwirken.
Ein weiteres Motiv, welches in salafistischen Ansprachen genutzt wird, liegt in der
Thematisierung von internationalen Konflikten, die bei vielen Jugendlichen mit einem
Gefühl der Empörung und Ohnmacht verfolgt werden. Im Mittelpunkt steht auch hier
das Bild von Muslimen als Opfer einer westlichen Aggression, der sie ohne die
Solidarität „ihrer Brüder und Schwestern“ hilflos ausgeliefert seien. Tatsächlich

2. beklagen Jugendliche immer wieder, wie selten beispielsweise im Schulunterricht über
die Konflikte und Krisen im Nahen Osten oder anderen islamischen Ländern gesprochen
wird. Auch hier nutzen Salafisten diese Lücke, um sie mit ihrer Ideologie und
Deutungsmustern zu füllen. Gespräche in sozialen Medien bieten hier die Chance,
entsprechende Emotionen und Wahrnehmungen aufzugreifen und anzuerkennen, um
anschließend auch Hintergründe und unterschiedliche Perspektiven auf die Konflikte
sichtbar zu machen.
In der Auseinandersetzung in sozialen Medien mit salafistischen und anderen religiös
begründeten extremistischen Positionen geht es dabei nicht darum, das Rad neu zu
erfinden. Viele Ansätze, die u.a. in der Demokratie- und Menschenrechtspädagogik
entwickelt wurden, lassen sich auf Online-Diskussionen übertragen.