Symbolkraft und Heilweise der Blumen und Pflanzen zeigen uns Menschen die erstaunliche Fähigkeit auf, Übergänge erfolgreich zu gestalten. Eine umfangreiche Etymologie und Beschreibung ― vom Gänseblümchen bis zur Rose ― verbinden sich in diesem Buch mit tiefen spirituellen Einblicken in die Weisheit der Sufis. Blumen singen ihr immerwährendes Lied. Diese Klänge haben die Kraft, uns zu verwandeln. Über das Warum und Wie handelt das Buch von Firos Holterman ten Hove über die Welt der Blumen und Pflanzen. Indem er das Wachstum von Blumen mit dem Wachstum der Seele vergleicht, gibt er konkrete Vorschläge und eine praktische Anleitung zur Medikation und Meditation. Viele Jahre hat der Autor Menschen während ihrer Umbruchphasen begleitet. Seine eigenen Erfahrungen, mit Problemen in uns und um uns, in die Natur zu gehen und bei Blumen und Pflanzen Lösungsansätze zu finden, findet Niederschlag in diesem Buch. Mit Begeisterung hat der Autor für dieses Buch die Herkunft der Blumen und Pflanzen erforscht. Dabei ist er tief in die Lehren des Sufi-Meisters und Mystikers Hazrat Inayat Khan eingetaucht. Im Forschen hat ihn die Erfahrung begleitet, dass wir jederzeit direkt mit den Pflanzen sprechen können. Es braucht letztendlich keine Mittler. Wir sind als Menschen nicht prinzipiell von den anderen Naturreichen getrennt und können erneut Kontakt mit dem großen Ganzen aufnehmen. Inayat Khan sagt, dass wir Menschen uns ein Beispiel an den Pflanzen nehmen sollen. Für ihn ist menschliches Wachstum vergleichbar mit dem der Pflanzen. Woher rührt der Name von Pflanzen? Woher kommen sie überhaupt? Wie haben Menschen in unterschiedlichen Kulturen über Pflanzen gedacht und empfunden? Das sind die Fragen, die wir den Pflanzen stellen sollten. Davon handelt dieses Buch. Weitere Infos: www.verlag-heilbronn.de
Woran kann ich mich halten von Jürgen Hohmeier (Leseprobe)
Die Seele der Blumen - Heilende Pflanzen-Essenzen (Leseprobe)
1.
2. „1949 wurde ich in Amsterdam geboren. Mein Vater, stammend aus einer Familie von tropischen Förstern, wurde
später im Leben Sozial-Pädagoge. Von der Seite meiner Mutter kam die Liebe zur Naturheilkunde und Gärtnern
hinzu.
Ich wuchs auf in den Wäldern rund um Apeldoorn. Als Kind hatte ich ein Erleuchtungserlebnis in der Natur.
Als Jugendlicher hatte ich zwei Leidenschaften: das Klavier und das Gärtnern. Ich entschied mich für das Letztere
und absolvierte eine Ausbildung als Gartenbauingenieur mit Schwerpunkt biologisch-dynamische Landwirtschaft.
Meine Suche nach dem Sinn der menschlichen Existenz führte mich später dazu, Geschichte an der Universität
von Utrecht zu studieren. In meiner Diplomarbeit erforschte ich das Verhältnis zwischen Tiefenpsychologie und
National-Sozialismus.
Mit 25 dann die Begegnung mit dem Sufi-Meister Pir Vilayat Inayat Khan. Unter seiner Anleitung durfte ich
den Klang hinter der Schöpfung hören. Als Aufgabe kam die Studie der Nachlassenschaft von Hazrat Inayat Khan,
dem großen Sufi-Meister Anfang des 20. Jahrhunderts. Diese Recherchen begleiteten mich über alle Stationen
des Lebens hinweg; drei Bücher sind das Ergebnis bisher (Das Heilige Buch der Natur und Die Seele der Steine
erschienen 2014).
In vielen Rollen des Lebens durfte ich meine psychosoziale Kompetenz ausbauen: in der des Liebhabers, des
Vaters, des Gärtners, des Managementtrainers, des CEOs, des Sozial-Pädagogen und des Sufi-Lehrers.
1978 entdeckte ich die Blütenessenzen und einige Jahre später begann ich auch Edelsteinelixiere selbst herzu-
stellen. Die Herstellung von Essenzen und Elixieren ist eine alchemistische Arbeit, welche man, ohne sich mit den
spirituellen Bereichen des eigenen Wesens zu beschäftigen, nicht erreichen kann. Der geistige Weg hat viel mit
Aufgeben, Ablegen, Abschied zu tun, und solche Prozesse sind nie einfach. Andererseits sind sie ein Geschenk,
weil das was erscheint, wenn man seine eingeschliffenen Prägungen und Vorstellungen verlässt, großartig ist.“
Firos Holterman ten Hove
3. Firos Holterman ten Hove
Die Seele der Blumen
Heilende Blüten-Essenzen
aus der Sicht des Universalen Sufismus
5. - 5 -
Einleitung 6
Einführung 8
Murshid und die Natur 8
Mit Pflanzen reden 10
Was sind Pflanzen 12
Die Geburt der Pflanze 15
Pflanzenleben 18
Das Denken der Pflanzen 27
Apfel 32
Bambus 38
Banane 40
Dattelpalme 45
Eiche 49
Föhre 56
Gänseblümchen 60
Ginster 67
Granatapfel 71
Gras 77
Jasmin 78
Kaktus 81
Kirsche 88
Lilie 02
Lotus 98
Löwenzahn 102
Mandel 112
Mistel 116
Niem 123
Ölbaum 125
Orchidee 131
Inhaltsverzeichnis
Rosen 135
Rose de Resht 142
Rosa Rose 143
Rote Rose 146
Gelbe Rose 148
Cremefarbene Rose 150
Weiße Rose 151
Rosenstrauch 152
Rosenknospe 153
Rose in voller Blüte 156
Rosenherz 157
Verblühte Rose 159
Rosennamen 160
Herstellung Rosenessenzen 161
Safran 163
Scharbockskraut 166
Schilfrohr 170
Seerose 173
Senf 175
Sonnenblume 178
Sonnentau 181
Tulpe 185
Walnuss 192
Weihrauch 196
Weinrebe 201
Weizen 210
Zwiebel 214
Die "United Nature Remedies" 223
Anhang; Zikr der 4 Fruchttypen 225
Literaturhinweise 229
Links 233
6. - 6 -
Naturmystik war und ist meine Leidenschaft. Als
Kind die Erleuchtungs-Erlebnisse im Wald. Als Ju-
gendlicher die Entdeckung des heiligen Franziskus.
Als junger Mann die Reise nach Israel mit den blü-
henden Citrus-Plantagen, den uralten Olivenbäumen
und den wilden Tulpen auf den Hügeln. Der Duft der
Blumen vermischte sich mit der Faszination der ver-
schiedenen Religionen vor Ort: Judentum, Drusen,
Christentum, Islam, Bahai.
In Israel wurde mir das erste Mal schmerzhaft be-
wusst, wie in der modernen Landwirtschaft mit Pflan-
zen umgesprungen wird. Nie werde ich vergessen,
wie in einer chemisch behandelten Orangen-Plantage
jegliches Leben verschwunden ist. Eine so unheilvol-
le Behandlung des Heiligen Landes: wie passt das
zusammen?
So sahen meine Interessen und Fragen am Anfang
meines Erwachsenenlebens aus.
Heute mit 65 gibt es verschiedene Antworten. Die-
se sind entstanden in der Auseinandersetzung mit
dem Leben, sowohl beruflich als privat.
Als Historiker habe ich für dieses Buch mit Be-
geisterung die Herkunft der Pflanzen erforscht. Wo-
her rührt ihr Name, woher kommen sie überhaupt,
wie haben die Menschen in unterschiedlichen Kultu-
ren über sie gedacht und empfunden? Für mich er-
staunlich war die Entdeckung, dass eine Reihe von
Kulturpflanzen, wie Olive, Weizen, Wein und Gra-
natapfel den Menschen schon so lange begleiten! Es
Einleitung
führte mich zurück zu Zeiten, in denen die Mensch-
heit den Ackerbau entwickelte. Es weist hin auf eine
kulturelle Revolution in Afghanistan, Persien und im
Kaukasus, viele Tausende Jahre vor Christus, wel-
che in Verbindung mit dem Propheten Zarathustra
gebracht werden kann. Aber nicht nur daher kamen
die Pflanzen, die in diesem Buch unter die Lupe ge-
nommen werden. Sonnenblume und Kaktus kommen
aus Süd-Amerika; die Seerose war im alten Ägypten
eine wichtige Kulturpflanze. Niem und Jasmin kom-
men wahrscheinlich aus Indien. Und dann gibt es
Pflanzen, die bisher wenig mit den Menschen zu tun
hatten. Das Scharbockskraut ist in seiner Unschein-
barkeit ein gutes Beispiel.
Als Gartenbauer mit biologisch-dynamischer Aus-
bildung habe ich gelernt, Pflanzen zu beobachten.
In ihrer Phänomenologie zeigen sie ihr Wesen. Die-
ser Ansatz ist in der modernen Zeit umstritten. Die
Signaturen-Lehre hat im Mittelalter zu Auswüchsen
und unbegründeten Fantasien über die Anwendung
von Kräutern geführt. Allerdings wird in der moder-
nen Wissenschaft auch vieles aus dem alten Wissen
bestätigt. Diesen Zusammenhängen auf die Spur zu
kommen war eine Zielsetzung dieses Buches.
Als psychologischer Berater habe ich viele Jahre
Menschen während ihrer Umbruchphasen begleitet.
Meine eigenen Erfahrungen, dass wir mit den Proble-
men, die wir in uns und um uns herum wahrnehmen,
in die Natur gehen und bei Blumen und Steinen Lö-
Vor ca. 30 Jahren bekam ich eine digitalisierte Version der gesammelten Werke des Sufi-Meisters
Hazrat Inayat Khan (1882-1928) geschenkt. Die enthaltene Suchfunktion machte plötzlich eine sys-
tematische Sammlung seiner Aussagen zu den Blumen und Pflanzen möglich. Das vorliegende Buch
schließt für mich diese Inventarisation ab. Es war eine erstaunliche Reise durch die Gedanken- und Erlebnis-
welt des großen Mystikers, der mit Blumen sprach.
7. - 7 -
sungsansätze finden können, war dabei ein Leitfaden
und findet seinen Niederschlag in diesem Buch.
Als private Person habe ich wahrscheinlich am
meisten von den Frauen gelernt, mit denen ich zu-
sammen sein durfte und darf. Sie haben mein Herz
für den Glanz der Natur geöffnet. Die menschliche
Schönheit kann wahrlich zur Krönung der Schöpfung
werden, auch wenn im großen Weltgeschehen stre-
ckenweise wenig davon sichtbar wird.
Als Sufi-Schüler bin ich für dieses Buch tief in die
Lehren von Pir-o-Murshid Hazrat Inayat Khan einge-
taucht. Seine kurzen Aussagen über Löwenzahn und
Gänseblümchen lassen einen erst einmal vor einem
Rätsel stehen. Begriffe aus einem mystischen Erle-
ben machen zunächst stutzig. Ich habe versucht, nicht
an der Oberfläche verschlissener religiöser Begriffe
hängen zu bleiben. Dabei hat mich die Erfahrung
begleitet, dass wir jederzeit direkt mit den Pflanzen
sprechen können. Dazu braucht es letztendlich keine
Mittler, auch keinen Sufimeister. Wir sind als Men-
schen nicht prinzipiell von den anderen Naturreichen
getrennt und können erneut Kontakt mit dem großen
Ganzen aufnehmen. Ein Miteinander von Himmel
und Erde ist möglich.
Einleitung
8. - 8 -
Einführung
Murshid und die Natur
Man kann das Leben von Hazrat Pir-o-Murshid Inayat Khan, von seinen Schülern „Murshid“ genannt,
auf so viele verschiedene Art und Weise erzählen. Von seinem Bruder Musharaff ist kürzlich „Der
Zauber Indiens“ – Aus dem Leben eines Sufi“ erschienen. Seine Schüler haben ihre Erinnerungen
aufgezeichnet. Er selbst hat eine Autobiografie geschrieben. Sein Sohn Pir Vilayat hat Leben und Lehre des
Meisters in dem monumentalen Buch „The message of our time“ wiedergegeben. Spätere Murids (Schüler-/in-
nen) haben Biografien hinterlassen: Elisabeth de Jong-Keesing, „Golven, waarom komt de wind“. Sein Enkel
und heutiger Pir (Leiter) des Internationalen Sufi Ordens Zia Inayat Khan veröffentlichte „A pearl in wine“.
In diesem Buch möchte ich nur eine Seite seines Le-
bens hervorheben: die tiefe Verbundenheit des Meis-
ters mit der Natur.
Seine Kindheit in Baroda, Indien war eingebettet
in eine natürliche Umgebung. Er erinnerte sich ger-
ne an den Birnbaum, worin er herum kletterte, an die
Pfützen, wodurch er stapfte, an die gestapelten Mäu-
erchen, auf welchen er balancierte.
In keiner Periode seines Lebens verlor er je den
Kontakt zu den Steinen, Pflanzen, Bäumen, Tieren
und Landschaften. Immer wieder suchte er die Natur
auf, um dort neue Kraft für seine enorm aufzehrenden
Aufgaben zu schöpfen.
Diese Jugend war auch geprägt von einer frühen
spirituellen Suche. Aufwachsend in einer muslimi-
schen Familie machte er Bekanntschaft mit einer far-
benfrohen Hindukultur, die das tägliche Leben des
Umfeldes durchdrang. Bis er dann als junger Teen-
ager entschied, dass Beten keinen Sinn macht, wenn
Gott nie antwortet oder Seine Existenz unter Beweis
stellt. In Sufi Message XII, 131, beschreibt er, wie er
das Dach des Hauses, auf dem er seine Gebete ver-
richtet hatte, verlässt, zu seinem Großvater läuft und
bekannt gibt: „Ich bete nicht mehr, bis ich Allah ge-
sehen habe und verstehe, was Er ist. Es macht keinen
Sinn einfach zu glauben und zu handeln wie meine
Vorfahren das taten, wenn ich nicht richtig weiß war-
um“. Der Großvater lächelte, war einen Moment still
und zitierte dann einen Vers aus dem Koran: „Wir
werden Unsere Zeichen in der Welt und in euch selbst
zeigen, sodass die Wahrheit euch manifestiert werden
mag.“ Offensichtlich zeigte der Enkel noch Zeichen
von Ungeduld und sagte so etwas wie „na ja“, wo-
raufhin der Großvater ergänzte: „Die Zeichen von
Gott sind in der Welt wahrnehmbar und die Welt kann
man in sich selbst wahrnehmen.“
Kurz darauf starb sein Großvater und Inayat Khan
ist sein Leben lang dieser Spur gefolgt. Blumen wur-
den für ihn Zeichen von Gott und welche Botschaft
sie für ihn bereit hielten, versuchte er in seinem In-
nern zu hören.
Seine Karriere als Musiker begann genau in die-
ser Zeit. Auf einer Tournee mit seinem Vater in Ne-
pal wanderte er alleine durch den Himalaya. Dort in
der Einsamkeit der Natur traf er einen Muni, einen
Einsiedler, der sich völlig aus dem gesellschaftlichen
Leben in die Wildnis zurückgezogen hat und kein
Wort sagt. Das erste Mal sang Inayat Khan für ihn,
9. - 9 -
Murshid und die Natur
das nächste Mal brachte er seine Vina mit. Der heilige
Mann bewegte sich nicht und sagte nichts. Es war als
würde er nichts merken. Aber: „Er offenbarte mir die
Mystik des Klangs und enthüllte vor meinen Augen
das innere Mysterium der Musik.“
Die Augen des Musikers, die das Wesen der Mu-
sik „sehen“, wie sollte man das verstehen? Murshid
beschreibt hier einen Durchbruch in dem Entwick-
lungsprozess, welcher in der oben beschriebenen
Begegnung mit seinem Großvater angefangen hatte.
Seine Laufbahn als Musiker führte ihn zum Hören
einer inneren Wirklichkeit, welche „hinter“ dem äu-
ßeren Klang verborgen war. Was war die Rolle des
Muni? Wie kann ein anderer Mensch einen zu einer
solchen Erfahrung bringen? Murshid beschreibt die
Atmosphäre rundum den Heiligen als verzaubert.
Dieser saß inmitten der wilden Natur, „unberührt von
irdischen Ambitionen und Kontakten, zutiefst glück-
lich“. Dieser seelische Zustand übertrug sich auf Ina-
yat Khan. Der Muni hob den jungen Musiker auf sei-
ne eigene Ebene und zeigte ihm die verborgene Welt
hinter seiner Musik. Eine Offenbarung im wahrsten
Sinne des Wortes. Murshid: „Die Bedeutung von Of-
fenbarung ist das Verstehen der Sprache der Seele.
Jede Seele spricht fortwährend, wenn man es nur hö-
ren könnte…; sogar die stillen Bäume und die stillen
Berge sprechen zu uns, wenn wir fähig sind, sie zu
hören.“
Eine Reihe von Bedingungen machte diese Enthül-
lung der Musik hinter der Musik, Saud-e-Sarmad in
der Sprache der Sufis, bei Inayat Khan möglich.
• Murshid hatte gelernt, sich vollständig zu kon-
zentrieren. Er war dafür bekannt, 500 Ragas zu
kennen.
• Ihm wurde in seiner Kindheit Respekt vor Hei-
ligen und Weisen aus verschiedenen Religionen
vorgelebt.
• In den Nepalesischen Bergen herrschte eine un-
berührte Natur ohne kulturelle Einflüsse.
• Ein realisierter Meister zeigte ihm den Weg.
In meiner eigenen Lehrzeit bei meinem Sufi Meister
war das eigentliche Training die Konzentration. Von
vielen verschiedenen Richtungen wurde immer wie-
der das Thema Meditation angegangen. Stundenlang,
wochenlang saßen wir zu Füßen des Meisters und
übten. Jahrelang immer wieder bin ich in die Schwei-
zer Berge gefahren, wo hoch oben die Zelte des Me-
ditations-Camps aufgebaut wurden. Sonne, Regen,
Schnee. Überwältigende Natur. Stille, Schweigen,
Fasten. Und dann eines Tages passierte es: Ich hörte
den Klang hinter der Schöpfung. Der Meister gab mir
ein Zeichen, auf zu stehen und zu gehen. Den ganzen
Tag wanderte ich durch die Berge. Saut-e-Sarmad be-
gleitete mich, oder ich begleitete Saut-e-Sarmad. In-
nen und Außen waren zusammengekommen.
Murshid: “Und noch einen Schritt weiter kommt
die Realisierung, welche Offenbarung genannt wer-
den kann. Wenn die Seele auf diese Ebene eingestellt
wird, öffnen sich die Augen und Ohren des Herzens
und sie hören das Wort, das von allen Seiten kommt.
10. - 10 -
Mit Pflanzen reden
Murshid macht uns darauf aufmerksam, dass Pflanzen wahrnehmen und fühlen, was von uns Men-
schen kommt: “Wenn wir nur die Pflanzen genau beobachten würden, würden wir sehen, wie sehr sie
unsere Anwesenheit und unsere Liebe fühlen. Sie gedeihen durch unsere Liebe; je mehr Liebe wir ge-
ben, umso mehr Duft, umso mehr Süße. Der Mensch arbeitet auf den Höfen und Gärten in derAuffassung, dass
Pflanzen materielle Dinge sind, darauf ausgerichtet, zu sehen wie Pflanzen durch materielle Mittel verbessert
werden können. Wenn er es nur glauben könnte, so gäbe es eine noch höhere Art, ihnen beim Wachstum zu
helfen, eine spirituelle Art: die Anwendung von Liebe und Sympathie.“
Die meisten Menschen in der westlichen Kultur ha-
ben das Bewusstsein verloren, dass Pflanzen unsere
Zuwendung fühlen können. Der Gedanke, dass wir
mit den anderen Naturreichen in Verbindung treten
können, ist jedoch noch nicht vollkommen verloren
gegangen. Menschen reden mit ihren Haustieren. Un-
sere frühere Nachbarin auf dem Reiterhof hatte die
Fähigkeit, im Gespräch mit ihren Pferden unglaub-
liches zu erreichen. Nach einer Weile des Sprechens
legte sich das Pferd auf Wunsch der Frau zum Bei-
spiel hin und streckte seine Beine hoch.
Aber zu glauben, dass wir mit Pflanzen und Stei-
nen reden können, ist uns modernen Menschen kaum
möglich. Dieser Begriff des Glaubens ist ein ver-
schlissener Begriff. Vielleicht, weil im Christentum
die Anforderungen des Glaubens überstrapaziert wur-
den? Vielleicht, weil Kommunikation mit Pflanzen
eher mit Aberglauben in Verbindung gebracht wird?
In „Das Heilige Buch der Natur“ stellte ich dar, wie
Meister und Propheten aus unterschiedlichen Kultur-
kreisen sich in die Wüste oder wilde Natur zurück-
ziehen, bevor sie ihre Berufung unter den Menschen
antreten. Murshid erwähnt in der Beziehung aus-
drücklich den heiligen Franziskus: “Heilige wie St.
Franziskus haben mit Felsen, Vögeln und Tieren ge-
sprochen, nicht so wie wir sprechen, sondern mittels
einer Einsicht in die Dinge; und jedes Objekt äusser-
te sich, sprach über seine Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft“.
Ein Sufi-Heiliger aus Indien war Prinz Puran. Von
ihm wird berichtet, dass er für lange Zeit in der Wild-
nis zurückgezogen lebte. Dann kam er zurück in die
Menschenwelt und verwandelte verkommene Gärten
und Parks in Paradiese voller Wachstum und Blüte.
Wie? Durch seine Anwesenheit, durch seinen Blick,
durch seine Berührung.
In unserer Zeit ist das Beispiel von Findhorn beein-
druckend. Drei Menschen zogen sich in eine verlas-
sene, rauhe Gegend von Schottland zurück. Dorothee
Mclean, die Teil ihres geistigen Trainings im Sufi Or-
den empfangen hatte, zeigte dann, wie man mit der
Seele der Pflanzen, der Welt der Devas, Kontakt auf-
nehmen kann. Die Pflanzen reagierten auf diese Be-
ziehung mit einem unglaublichen Wachstum.
Was im Wesen eines Menschen bringt eine Pflanze
dazu, gesund zu werden und zu gedeihen?
Wenn Murshid von „Glauben“ spricht, sollten wir
nicht vergessen, dass dies immer eine Übersetzung
des englischen Wortes „Faith“ ist. Eine andere mög-
liche Übersetzung wäre „Vertrauen“. Wir trauen uns
selbst und unserem Gegenüber etwas zu.
Wenn wir „etwas in einer Pflanze sehen“, bedeu-
tet das, dass wir das Potential von Schönheit erken-
nen. Dieser Blick, oder Fähigkeit, zu sehen was sein
11. - 11 -
Mit Pflanzen reden
könnte, basiert auf einem Wissen, welches aus Liebe
entsteht.
Liebevolle Beobachtung eröffnet unserem Schauen
die Entwicklungsmöglichkeiten unseres Gegenübers.
Eine solche Einsicht „was eine Blume werden
kann“, was es dazu braucht und was ihr Wachstum
hindert, entspringt aus Liebe zur Blume.
Wenn Murshid Inayat Khan also von einer weiter-
führenden, spirituellen Möglichkeit im Umgang mit
Pflanzen im Gartenbau und Ackerbau spricht, meint
er nicht weniger als eine gesteigerte Sympathie für
unsere Nutzpflanzen.
Nur wer gerne Zeit im Garten verbringt, nur wer
nicht darauf aus ist, möglichst schnell fertig zu sein
um seine Zeit für andere Interessen zur Verfügung zu
haben, nur dieser Mensch liebt seine Pflanzen.
Murshid war ein Bewunderer von Luther Bur-
bank, der famose Pflanzenzüchter, der Anfangs des
20. Jahrhunderts „Wunder“ wirkte. Er züchtete eine
ganze Reihe von neuen Pflanzen und Bäumen mit Fä-
higkeiten, die man nicht für möglich gehalten hatte.
Seine Biografie wurde auch auf Deutsch übersetzt
und ist antiquarisch noch erhältlich. Wenn man liest,
wie er einen Kaktus in einem schier endlosen Aus-
leseverfahren davon abbringt, Dornen zu tragen, ver-
steht man etwas von seiner Aussage: „Ich liebe alles!
Ich liebe die Menschheit – ich liebe Blumen – ich
liebe Kinder – ich liebe meinen Hund – ich bin ein
Liebhaber des Menschen Jesus – ich bin ein Liebha-
ber von allem was hilft.“ Burbank bezeichnete sich
selbst als Ungläubigen. Damit meinte er, dass er sich
nicht mit dem engstirnig orthodox- religiösen Anti-
Evolutions-Gedankengut abfinden möchte. Er zeigte
ein Leben lang, dass, wenn man sorgfältig beobachtet
und mit viel Geduld begleitet, Pflanzen sich evoluie-
ren können.
Murshid besuchte ihn in seinem Garten in Kalifor-
nien. Am meisten beeindruckte ihn die überbordende
Freude von Burbank im Umgang mit seinen Pflanzen.
Murshid zitiert Luther Burbank: „Du solltest die Nei-
gung einer Pflanze beobachten, was ihre Veranlagung
ist; denn wenn du nicht hinschaust, wird die Pflanze
sich nicht voll entwickeln. Ich behandele sie wie le-
bende Wesen. Sie sprechen zu mir, und ich zu ihnen“.
Genau das ist es, was Murshid als Glauben bezeich-
net. Das Vertrauen, das Burbank in seine Pflanzen
hatte war unerschütterlich. Er lebte mit ihnen in einer
Liebesbeziehung. Der liebende Blick und die liebe-
volle Zuwendung halfen den Pflanzen, Eigenschaften
zu entwickeln, die man kaum glauben konnte.
Diese Haltung nennt Murshid spirituell: “In mei-
ner Auslegung bedeutet spirituell lebendig. Ein spi-
ritueller Mensch, der offen ist für die Schönheit von
Poesie, der für die Schönheit von Melodie, von Har-
monie empfindsam ist, der sich von der Schönheit der
Natur erheben lässt, der wie ein lebendiges Wesen
lebt, nicht wie ein totes, diese Person kann wahrlich
spirituell genannt werden. Und du wirst immer fest-
stellen, dass es die Neigung von spirituellen Persön-
lichkeiten ist, sich für jeden Menschen in ihrem Le-
ben zu interessieren. Das ist der Beweis dafür, dass
sie leben. Ein Mensch, der in sich selbst gefangen ist,
hat sich verschlossen, er hat vier Wände um sich ge-
baut. Das kann sein Grab sein; er ist darin beerdigt.
Der lebendige Mensch sieht von Natur aus alles; und
beim Schauen sympathisiert er mit allem, reagiert auf
alles, wertschätzt alles in allem; und auf diese Art und
Weise weckt er in sich selbst die sublime Vision von
der Immanenz Gottes.“
12. - 12 -
Was sind Pflanzen?
Vielleicht gehören Sie so wie ich zu den Menschen, die überall und unter allen Umständen als erstes
schauen, welche Pflanzen wachsen? Natürlich spielt das Elternhaus dabei eine Rolle. Auf den aus-
gedehnten Spaziergängen mit meinem Großvater zeigte er mir mit seinem Stock die verschiedenen
Blumen und Bäume und nannte mir ihre Namen. Als ich mich für das Abitur vorbereiten musste, hatte ich den
dringenden Impuls, den elterlichen Garten vollkommen um zu gestalten. Mit viel Freude widmete ich meine
Zeit der neuen standortgerechten Anordnung der Pflanzen. Ich legte neue Beete an, Rasenflächen wurden ver-
kleinert. Im Abitur bin ich dann durchgefallen. Viel später, als ich als Managementtrainer mit meinem Chef für
eine wichtige Besprechung an der Firmen-Zentrale eines unseren Hauptkunden angekommen waren und wir
zehn Minuten zu früh waren, schaute ich mir die Parkanlage an, während er sein Handy benutzte. Als er mich
dann dabei erwischte, dass ich von manchen Pflanzen Samen in meine Tasche steckte, musste er schrecklich
lachen. Er meinte, so was tut man normal nicht. Was würden unsere Kunden von uns denken, wenn sie zufällig
aus dem Fenster schauten?
Mich in der Natur bewegen, die Natur bewundern und
genießen, mich mit der Natur beschäftigen, das ist
meine Leidenschaft. Gehören Sie auch zu dem Men-
schenschlag, der erst mal überhaupt nicht einsehen
kann, warum man seine Augen schließen sollte, wenn
man meditiert? Haben sie auch nie verstanden, war-
um man unbedingt still sitzen sollte, wenn man betet?
Dann willkommen im Club! Vielleicht können Sie in
dem Fall auch verstehen, welche Erleichterung ich
empfand, als mein Sufi-Lehrer es ausdrücklich befür-
wortete, dass ich meine Wazifas (spirituelle Übungen
der Sufis) auf dem Fahrrad im Wald praktizierte. Spi-
ritualität heißt für mich, die Einheit mit dem Ganzen
zu spüren. Nirgends erlebe ich das intensiver als in
der Natur. Und bei den Sufis entdeckte ich, dass ich
mit dieser Haltung in bester Gesellschaft bin.
Murshid Inayat Khan bezieht sich gerne auf die
Aussage von Jesus „In Ihm leben wir, bewegen wir
uns und haben wir unser Wesen.“ Er erklärt dies fol-
gendermaßen: „Wir müssen uns bewegen, und wir
bewegen uns, um unser Wesen in Gott zu schaffen.
Ohne Bewegen leben wir nicht; wenn wir unser We-
sen nicht schaffen, bewegen wir uns nicht, leben wir
nicht. Deswegen ist es dem Leben eigen, dass wenn
wir leben, wir uns bewegen und fortschreiten, und
den Seins-Zustand erreichen, wofür wir bestimmt
sind. Wir sehen diese Neigung in jedem Wesen. Ein
Pflänzchen, ein Bäumchen, wenn wir sein Wachstum
unterdrücken, wenn wir einen Zaun drumherum er-
richten, wenn wir es mit Glas überdecken, wird es
nicht blühen, wird es keine Blüten treiben; mit der
Zeit wird es sterben. Warum ist dies so? Weil sein Le-
ben sich nicht ausdrücken kann, wenn es überdeckt
wird; es kann sich nicht zum Ausdruck bringen, wenn
ein Zaun drumherum steht. Es ist ihm nicht genug, am
Leben zu sein, denn Leben will nicht nur leben; um
sich zu verwirklichen, muss das Leben in der Lage
sein, Fortschritt zu machen, und Fortschritt wird nur
gemacht, wenn freie Bewegung möglich ist.“
Murshid nimmt als Beispiel für Wachstum die
Pflanzen. Er sagt, dass wir Menschen uns an den
Pflanzen ein Beispiel nehmen sollten. Er stellt
menschliches Wachstum dar als einen Prozess, ver-
gleichbar mit dem der Pflanzen.
Ist der Vergleich eine nette Parabel? Ist das Gleich-
nis als poetisches oder symbolisches Bild zu verste-
13. - 13 -
Was sind Pflanzen ?
hen?
An diesem Punkt stoßen wir auf etwas Wesentli-
ches. Murshid stellt in aller Deutlichkeit klar, dass
wir Menschen eine Weiterentwicklung des Pflanzen-
reiches sind. Wir sind so wie die Pflanzen, weil in uns
das Pflanzenreich als Erbe weiterlebt. Wir sind die
Pflanzen, und zwar alle!
Die Schöpfung ist in der Sufilehre ein einziger Ent-
wicklungsprozess. Das Leben hat sich aus dem Mine-
ralreich ins Pflanzenreich weiterentwickelt. Nach der
Stufe des Tierreiches ist momentan Gott dabei sich in
den Menschen zu entfalten. Die verschiedenen Na-
turreiche sind also jeweils Weiterentwicklungen des
Prinzips „freie Bewegung“.
Die Bewegung, die alle Naturreiche durchzieht,
hat ihren Ursprung im Klang. Murshid bezieht sich
auf die vedantische Lehre von Nada Brahma: Klang
als Schöpfer, Klang als kreativer Geist. Am Anfang
der Schöpfung war und ist ein Vibrieren. Die Sufis
nennen diesen Klangursprung Saut-e-Sarmad. Die
Pythagoreer hatten Kenntnis über die Harmonie der
Sphären. In der Bibel heißt es: Am Anfang war das
Wort.
Der nächste Schritt im Schöpfungsprozess ist das
Sichtbarwerden dieses Klanges: Das Licht entsteht.
Alle Formen und Farben der Blätter und Blüten
sind Ausdruck von Aspekten der Sonne. Murshid:
„Es sind die verschiedenen Abstufungen dieses
Lichts und der Vergleich untereinander, die die unter-
schiedlichen Farben entstehen lassen. Farben sind nur
die verschiedenen Schattierungen von Licht… Diese
Farben scheinen die Farben von Blumen, Pflanzen
und Blättern zu sein, aber in der Realität sind sie die
Farben der Sonne.“
Der Klang, das Licht, die Bewegung sind das Le-
ben. Das Leben ist also ein göttlicher Schöpfungsim-
puls.
Dieser Impuls durchwandert in seiner Entwick-
lung verschiedene Stadien des Erwachens. Der Sufi
Meister Jelalludin Rumi sagt, dass Gott in den Stei-
nen schläft, in den Pflanzen träumt, in den Tieren
aufwacht und in den Menschen zur Einheit erwacht.
In jedem Naturreich befreit sich die Bewegung des
Lebens, wird lebendiger.
Die Pflanzen bringen als Erbe aus dem Mineral-
reich die Geduld mit. Sie warten geduldig auf Regen.
Sie fragen nie nach einer Entlohnung, wenn ihre Blu-
men und Früchte genommen werden. Sie geben ein-
fach ohne Dankbarkeit zu erwarten.
Der Unterschied zwischen Mineralreich und Pflan-
zenreich wird von Inayat Khan so definiert, dass im
Vergleich zu den Steinen die Pflanzen eine viel grö-
ßere Biegsamkeit und Flexibilität entwickelt haben.
Eine Pflanze, sagt er, lässt sich beeinflussen und wird
dadurch produktiv und kreativ. Die Öffnung, die ent-
steht bei der Entwicklung der Schöpfung aus dem
Mineralreich ins Pflanzenreich, ist eine seelische.
Pflanzen haben, anders als Steine, die Fähigkeit, mit
zu fühlen. Pflanzen sind einfühlsam, mild, freundlich,
so Murshid: “Wenn wir nur die Pflanzen genau beob-
achten würden, würden wir sehen, wie sehr sie unsere
Anwesenheit und unsere Liebe fühlen“.
Ich weiß noch, wie in den 70er Jahren das Buch
von Tompkins und Birds „Das geheime Leben der
Pflanzen“ wie eine Bombe einschlug. Pflanzen füh-
len, nehmen wahr, erleben Schmerzen, so die Bot-
schaft des Buches, das auf wissenschaftlichen Beob-
achtungen beruht.
Neueste Untersuchungen belegen, dass Pflanzen
riechen, sehen, hören, tasten können.
14. - 14 -
Was sind Pflanzen ?
Wie kommt es, dass diese Einsicht so neu für uns
ist? Wahrscheinlich aus mehreren Gründen. Erstens
reagieren Pflanzen nicht, wenn sie leiden. Pflanzen
dulden schlichtweg. Oder sie sterben, wenn das Lei-
den zu groß wird. Die meisten Pflanzen wehren sich
nicht. Sie dienen.
Zweitens haben wir Menschen uns weit von der
Pflanzenwelt entfernt. Um Pflanzen verstehen zu kön-
nen, muss man bereit und fähig sein, wie eine Pflanze
zu werden. So ist das Prinzip allen Verstehens. Wenn
wir anfangen, mit Pflanzen in Kontakt zu treten, sieht
das zumindest kindlich oder sogar verrückt aus. Wer
redet denn mit Pflanzen. Pflanzen antworten doch
nicht.
Diese Art des in Kontakt-Tretens ist ein Kontakt
von Seele zu Seele. Da stoßen wir an einen weiteren
Hinderungsgrund. Wir haben in der westlichen Welt
wenig kulturelle Bestätigung dafür, dass Pflanzen
eine Seele haben. Abgesehen davon, dass wir west-
lichen Menschen nicht einmal mehr wissen, ob wir
selber eine Seele haben, wurde in der christlichen
Religion eine Barriere gegen Naturmystik errichtet.
Die Hexen, die noch ein Wissen von den Kräften der
Natur bewahrt hatten, wurden ausgerottet.
Dabei ist es so einfach, Freund der Pflanzen zu wer-
den. Pflanzen sind sofort dabei, diese Freundschaft
zu erwidern. Auf der Seelen-Ebene gibt es nämlich
keine Barrieren. Pflanzen sind in ihrem Gefühl voll-
kommen offen. Unsere Seele erreicht ihre Seele ohne
Hindernisse. Je tiefer unsere Seele ist, desto tiefer tre-
ten wir in die Pflanzenwelt ein. Warum? Weil es auf
der seelischen Ebene keinen Unterschied zwischen
Menschen und Pflanzen gibt. Die seelische Ebene,
auf der wir Menschen Freunde von allen Wesen wer-
den, ist genau die Welt, wo die Pflanzen die ganze
Zeit wohnen. Wir sprechen hier von der Ebene der
Engel. Murshid nennt die Engel, die im Pflanzenreich
angesiedelt sind, Devas.
In „Das Heilige Buch der Natur“ habe ich den En-
geln ein Kapitel gewidmet. Engel sind Klangwesen,
die sich sehr unweit der göttlichen Quelle bewegen.
Sie bleiben in der Nähe des göttlichen Ursprungslich-
tes und verherrlichen ihren Schöpfer. Engel tanzen
schwerelos und singen Halleluja. Sie bestätigen ohne
Wenn und Aber Pracht und Glanz des Schöpfers in
ihrer eigenen Schönheit. Engel haben keinen Zweifel.
Sie sind im Einklang mit dem Einen und lassen das
hören. Die Notwendigkeit, die Schöpfung zu erfor-
schen, darüber nach zu denken und damit zu hadern,
entfällt. Diese Ebene des Seins nennen wir Himmel.
Der Mensch hat zu dieser Ebene in sich erst Zu-
gang, wenn er seinen Stolz abgelegt hat. Wenn wir
uns mit Demut in unserem Herzen vor der Schönheit
und Weisheit des Schöpfers verneigen, sind wir im
Himmel.
Die Pflanzen können uns zeigen, wie wir sind in
unserer Engelgestalt. So können wir verstehen, war-
um Murshid im Gayan sagt: „Der Naturfreund ist der
wahre Gottesverehrer.“
Wenn wir uns mit den Pflanzen anfreunden, haben
wir die Sphären der Menschen und der Tiere hinter
uns gelassen. Wir sind so zu sagen den Weg zurück
zum Ursprung gegangen.
Im Gayan lesen wir:
„Die Bäume zu den Wolken: „Mit erhobenen Hän-
den bringen wir euch unsere Huldigung dar.“
Die Wolken: “Unter Tränen gewähren wir euch
euer Begehren.“
Natürlich ist das eine poetische Darstellung der
Bäume. Wenn wir aber dieses Gedicht analysieren,
15. - 15 -
Was sind Pflanzen ?
sehen wir, dass Bäume in ihrem Wesen Lobpreisen
und dass sie genährt werden, weil sie lobpreisen. Wir
Menschen werden zu Bäumen, wenn wir uns keine
Gedanken mehr über unsere Existenzsicherung ma-
chen, sondern uns in vollem Vertrauen erheben. Die
Antwort kann dann nicht ausbleiben.
Zum Schluss noch einmal in einem Schaubild eine
Darstellung, wie sich die Schöpfung evoluiert bis
zum Menschen und wie sich dann der Mensch invo-
luiert bis zur Quelle allen Seins:
Wir Menschen kommen aus der Natur und sollten
uns der Natur wieder zuwenden.
Die Geburt der Pflanze
„Es wird ein Tag des Erwachens, der Entfaltung kommen; wir warten in Stille darauf.“ Diese Aussage
von Murshid gilt für alle Lebewesen: Steine, Pflanzen, Tiere, Menschen, Planet Erde, die Schöpfung.
Wenn wir das Geheimnis der Schöpfung und den Grund unseres Lebens, das wo wir her kommen und
wo wir hingehen, entdecken wollen, sollten wir in die Natur gehen. „Eine Seele die nicht nah an der Natur ist,
ist weit von dem, was man Spiritualität nennt, entfernt. Um spirituell zu sein muss man kommunizieren und
insbesondere muss man mit der Natur kommunizieren; man muss die Natur fühlen. Es gibt so viel zu lernen
aus dem Leben der Pflanzen…“
Damit ist nicht gemeint, dass wir alle Biologen wer-
den sollten. Es ist hier nicht die Rede von Wissen-
schaft im engeren Sinne. Murshid meint, dass, um
sich selbst als Mensch zu verstehen, wir bei den an-
deren Naturreichen zurate gehen sollen. Die Sufis
betrachten genau dieses staunende Schauen als be-
zeichnend für die Rolle der Menschen in der Schöp-
fung: „Gott schlief im Stein, Gott träumte im Baum,
17. - 125 -
Ölbaum
Der Olivenbaum (Olea europaea), auch Echter Ölbaum genannt, ist ein mit-
telgroßer, im Alter oft knorriger Baum aus der Gattung der Ölbäume (Olea).
Er wird seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. als Nutzpflanze kultiviert.
Etymologie und Vorkommen
Englisch: oil. Französisch: huile. Italienisch: olio. Griechisch: Elaiva. Armenisch: Ewl. Ägyptisch: Tet-t. Ur-
semitisch: Seitu. Arabisch: zeitun. Spanisch: aceite.
Die Kultur des Ölbaums war lange vor ihrer ersten
Erwähnung bei Homer in Griechenland und auf den
ägäischen Inseln bekannt, selbstverständlich auch im
Vorderen Orient, in Kleinasien und Nordafrika.
In der Forschung stand lange die Theorie im Raum,
dass die Olive von Menschen in den Mittelmeerraum
gebracht worden sei. Fossile Funde von Blattabdrü-
cken von Olea europea auf der griechischen Insel
Santorin widerlegen diese These. Die Blätter wurden
von den Ascheablagerungen des Vulkans Thera bei
einem Ausbruch vor 54000 Jahren eingeschlossen.
Es gibt allein im Mittelmeerraum über 1.000 Sor-
ten von Olivenbäumen. Je nach Klima und Bodenbe-
schaffenheit hat sich der Olivenbaum über hunderte
Jahre anders entwickelt, manche Olivenbaumsorten
sind auf einzelne Dörfer beschränkt.
Olivenbaumpflanzungen nehmen auf der Welt 8,6
Millionen Hektar an Fläche ein, auf denen jährlich
17,3 Millionen Tonnen Oliven geerntet werden. Spa-
nien ist der größte Olivenproduzent. Die vier wich-
tigsten Länder (Spanien, Italien, Griechenland und
Syrien) erstellen ca. 80 % der weltweiten Olivenpro-
duktion.
Da die Nachfrage nach Olivenöl auch in nördlichen
Ländern stetig zugenommen hat, wurde der Anbau
von Olivenbäumen erheblich ausgeweitet. In vielen
Regionen der Hauptproduzenten ist der Olivenbaum
Grundlage der ländlichen Wirtschaft.
Botanik
Der Ölbaum ist für mich unbeschreiblich. Das ers-
te Mal, als ich in Griechenland in einen Olivenhain
kam, blieb mir der Atem weg. Uralte Gebilde, jedes
eine Individualität, viel Zwischenraum, damit jedes
genug Platz hat. Alle gemeinsam in einer gleichzeitig
getragenen und heiteren Atmosphäre. Getragen durch
die Würde des Altertums. Heiter durch das spezielle
Licht, das in einer solchen Anpflanzung herrscht. Wie
viele Generationen von Bauern werden hier jährlich
die Erde gepflügt haben, damit das wenige Wasser
nur den Oliven zu Gute kommt? Die menschliche
Existenz erscheint als Randerscheinung bei diesen
ehrwürdigen Gestalten. Es heißt, die Olive dient den
Menschen mit ihrem Öl und ihrem Holz. Mir scheint
das Umgekehrte genau so richtig: Der Mensch dient
dem Olivenbaum von Vater auf Sohn, von Mutter auf
Tochter. Der älteste Olivenbaum Europas soll etwa
2000 Jahre alt sein und in der Stadt Bar in Montene-
gro stehen.
Der Stamm zerfällt im Alter in Teilstücke. Er sieht
einem Felsen ähnlicher als einem pflanzlichen Gebil-
de. Aber doch treiben jeden Frühling jung und frisch
grünende Zweige aus ihm.
Die kurz gestielten, elliptischen Blätter sind ober-
18. - 126 -
Ölbaum
seits dunkelgrün und glänzend. Die silbrig glänzende
gefärbte Blattunterseite besitzt kleine Härchen, die
die Wasserabgabe des Baumes vermindern. Der Oli-
venbaum verliert zu keiner Jahreszeit all sein Laub,
sondern mehrere Jahre alte Blätter werden jahreszei-
tunabhängig abgeworfen. Die Knospen an Trieben des
Vorjahrs öffnen sich im Mai zu kleinen, weiß-gelbli-
chen, leicht duftenden Blüten. Ende Juli haben die el-
lipsenförmigen Steinfrüchte eine Größe von zwei bis
drei Zentimetern erreicht. Zum Ausreifen der Früchte
bedarf es der Trockenheit des langen Sommers. Der
Baum gibt seine ganzen Lebenskräfte an die Bildung
und Reifung der Früchte ab, denn er wächst während
dieser Zeit nur noch langsam weiter, um während der
Erntezeit, die vom Spätherbst bis Winterende andau-
ert, Sprießen und Wachstum fast völlig einzustellen.
Der Ölbaum verausgabt sich nicht in Wachstum. Er
gibt seine ganze Konzentration auf die Entwicklung
der Früchte. Darum kann er so uralt werden. Im Gar-
ten Gethsemane stehen wahrscheinlich heute noch ei-
nige der Bäume, welche die Passion einleiteten.
Im Winter werden die Bäume zur besseren Ernte
beschnitten, damit sie kleiner bleiben. Der Ölbaum
hat mächtige und weitauslaufende Wurzeln, die bis
zu sechs Metern Tiefe hinabreichen. Jede Hauptwur-
zel kann einem bestimmten Hauptast zugeordnet wer-
den, entfernt man diesen Ast, degeneriert im Boden
der gesamte Wurzelabschnitt.
Kulturgeschichte
Die Geschichte des Ölbaums reicht bis in die Antike
zurück. Erste archäologische Funde von Olivenker-
nen sind über 9000 Jahre alt, dabei handelt es sich
aber um von Menschen gesammelte Oliven von wil-
den Olivenbäumen. Wann die Wildform zur frucht-
baren Gartenolive kultiviert wurde, ist unbekannt.
Archäologische Funde deuten jedoch darauf hin, dass
dies um 4000 v. Chr. in Kreta und Syrien geschah.
Ägypten
In Ägypten wurden Oliven an der Mittelmeerküste,
den Oasen Baħrija, Dachla, Karga und Siwa sowie
auf dem Sinai angebaut. Der erste Nachweis stammt
aus der 18. Dynastie. Im Grab des Pharao Tutancha-
mun wurden Blätter des Ölbaums gefunden.
Das Alte Testament
Der Bibel zufolge schickte Noah nach der Sint-
flut eine Taube los. Sie kehrte mit einem Ölzweig im
Schnabel zurück: die Erde grünte wieder, das Leben
war zurück. Also erhielt Noah, der Stammvater der
Hamiten, Semiten und Indogermanen noch vor der
Landung in Armenien als erstes die Kenntnis vom
Vorhandensein des Wilden Ölbaums, der in seiner
östl. Verbreitung bis zur Krim und in den Kaukasus
reicht.
Nach dem Alten Testament war die Ölfrucht den
Juden im gelobten Land verheißen. Die eingewander-
ten Israeliten fanden den Olivenbaum schon vor. Die
Könige David und Salomo förderten seinen Anbau.
Man benutzte das Öl zu Speisen, bei Opfergaben, als
Brennöl und zum Salben des Haars und des ganzen
menschlichen Körpers.
Der Baum wurde auch in seiner bescheidenen
Dienstbarkeit gerühmt:
„Einst machten sich die Bäume auf, um sich einen
König zu salben, und sie sagten zum Ölbaum: ‚Sei du
unser König.‘ Der Ölbaum sagte zu ihnen: ‚Soll ich
mein Fett aufgeben, mit dem man Götter und Men-
19. - 127 -
Ölbaum
schen ehrt und hingehen, um über den anderen Bäu-
men zu schwanken?“ (Buch der Richter, 9, 8-9)
Die Griechen
Das aus den Früchten gewonnene Öl war als Speiseöl
wie als Salböl und als Lampenöl ein fast unverzicht-
bares Naturprodukt in der griechischen Welt. Dem
Salböl schrieb man große lebenserhaltende Kräfte
zu. Vor allem im Winter ölte man die Körper täglich
damit ein, um den Wärmehaushalt zu regulieren. Zu
Homers Zeiten benutzte man in Griechenland das
Holz des wilden Ölbaums wegen seiner großen Fes-
tigkeit zur Anfertigung von Axtstielen.
Das Ehebett von Odysseus und Penelope war auf
und um einem Ölbaum gebaut. Die Ehe zwischen den
beiden galt als unverwüstlich:
„Innerhalb des Gehegs war ein
weitumschattender Ölbaum,
Stark und blühenden Wuchses; der Stamm glich
Säulen an Dicke.
Rings um diesen erbaut’ ich von
dichtgeordneten Steinen
Unser Ehegemach, und wölbte die obere Decke,
Und verschloß die Pforte mit
festeinfugenden Flügeln.
Hierauf kappt’ ich die Äste des
weitumschattenden Ölbaums,
Und behaute den Stamm an der Wurzel,
glättet’ ihn ringsum
Künstlich und schön mit dem Erz, und nach dem
Maße der Richtschnur;
Schnitzt’ ihn zum Fuße des Bettes, und bohrt’
ihn rings mit dem Bohrer,
Fügete Bohlen daran, und baute das zierliche Bette,
Welches mit Gold und Silber und Elfenbeine
geschmückt war;
Und durchzog es mit Riemen von
purpurfarbener Stierhaut.“
(Odyssee, 23. Gesang, 190–201)
Die Griechen dankten Athene für die Gabe des ersten
Ölbaumes und es galt einst als undenkbarer Frevel,
Ölbäume umzuhauen. Wer Olivenbäumen Schaden
zufügte, wurde streng bestraft, nicht nur von mensch-
lichen Richtern, sondern auch von den Göttern.
Interessant ist auch, dass der Caduceus, der Stab
der Heiler, von dem Gewand von Bacchus abgeleitet
wurde, der aus geflochtenen Olivenzweigen bestand.
Durch Berührung mit diesem Stab schenkte Bacchus
den Irdischen Beredsamkeit.
Die Römer
Im 6. Jahrhundert v. Chr. kam der Olivenbaum nach
Italien. Wie schon in Griechenland war ein Kranz aus
Ölzweigen die höchste Auszeichnung des um das Va-
terland hochverdienten Bürgers. Der Ölzweig war das
Symbol des Friedens, und Besiegte, die um Frieden
baten, trugen Ölzweige in den Händen.
Christentum
Da der Olivenbaum ein Götter-Geschenk war, war
auch sein Produkt, das Öl, geheiligt. Fürsten, Könige
und Priester wurden seit der griechischen Klassik bei
der Amtseinführung mit Olivenöl, meist mit Balsam
versetzt, gesalbt. Symbol ihrer göttlichen Würde und
Autorität. Die „letzte Ölung“, das Sterbesakrament
der katholischen Kirche, ist in diesem Zusammen-
hang zu sehen.
20. - 128 -
Ölbaum
Jesus hielt im Olivenhain von Gethsemane kurz
vor seiner Kreuzigung Zwiespräche mit Gott, seinem
Vater. Er sprach davon, dass der Kelch an ihm vorü-
berziehen möge. Seine Kräfte ließen nach. Konnte er
die Kreuzigung überhaupt noch erreichen? Deshalb
musste der Olivenbaum daneben stehen. Er hat den
Menschen gestützt.
Islam
Das Olivenöl, das schon in minoischer Zeit die Lam-
pen Kretas füllte und das in den dunklen Jahreszeiten
Licht brachte, wurde oft als ein geistiges Licht emp-
funden, ein Sinnbild der Kraft und Klarheit Gottes.
In diese Tradition stellt sich auch der Koran:
„Allah ist das Licht der Himmel und der Erde. Sein
Licht ist gleich einer Nische, in der sich eine Lampe
befindet: Die Lampe… Angezündet (wird die Lam-
pe) von einem gesegneten Ölbaum, der weder östlich
noch westlich ist, dessen Öl beinahe leuchten würde,
auch wenn das Feuer es nicht berührte.“ ( Sure 24:35
„Das Licht“)
Eine herrliche Sure, denn sie sagt mir, dass der Islam
in Wirklichkeit keine unbedingt aggressive Religion
ist, weder östlich noch westlich, sondern aus sich he-
raus leuchtend.
Heilwirkung
Den Blättern wird ein beruhigender und schlafför-
dernder Effekt zugeschrieben. Sie sollten das Immun-
system stärken sowie den Cholesterinspiegel senken.
Das Öl ist gesund wegen des hohenAnteils an einfach
ungesättigten Fettsäuren und wirkt sich positiv auf
das Herzkreislaufsystem und den Fettstoffwechsel
aus. Es verringert die Gefahr von Diabetes mellitus
oder Krebs. Extra natives Olivenöl hat entzündungs-
hemmende Wirkung.
Dr. Edward Bach, der geistige Vater der Blüten-
essenzen, fand die Olivenblüte als Mittel bei einem
Zustand, welchen man heute „Burn-out“ nennen wür-
de. Wir haben es so weit getrieben, oder wir haben
sosehr leiden müssen, dass nichts mehr übrig ist. Das
tägliche Leben wird zu einer Belastung ohne Freude.
Wir sind erschöpft und müde. An dem Punkt ange-
langt, hilft Olive, sich zu regenerieren. Die Fähigkeit,
sich auf seine innere Führung zu konzentrieren, statt
auf alles, was von außen auf einen einprasselt, wird
gefördert.
Gurudas beschreibt, wie wir in dem Baum die Fä-
higkeit entdecken können, unsere Energie zu konzen-
trieren und zielgerichtet ein zu setzen. Olive macht
das auf eine korrekte, herzliche liebevolle Art, ohne
anderen zu schaden. Es gibt ein Gefühl von tiefem
unterbewusstem Frieden.
Murshid
Aus seinem reichen Schatz an Erfahrungen mit reli-
giösen Traditionen bringt Murshid Inayat Khan uns
eine ganze Reihe von Beispielen für die Salbung.
Aus der hinduistischen Tradition beschreibt er das
Öl-Opfer an Hanuman, dem Affengott: „Das Bildnis
von Hanuman stellt die primitive Natur im Menschen
dar und im Ausgießen von Öl im Dienst von Hanu-
man wird dem Anbeter eine Lektion gegeben. Wie
großartig deine Evolution auch sein mag, Achtung
und Rücksicht für die primitive Natur ist notwendig,
da alles sich in dem erweiterten Programm der Natur
21. - 129 -
Ölbaum
reguliert… Das Leben wird schwierig ohne Achtung
und Rücksichtnahme für die primitive Natur. Wenn
man sich darüber ärgert, nimmt man daran Teil; wenn
man dagegen rebelliert, gibt man dem Feuer Nahrung.
Man sollte die primitive Natur in sich selber und in
den anderen besänftigen durch Weisheit, Geduld und
Freundlichkeit.
Das gleiche kann man bei indischen Hochzeiten
beobachten, wo Kopf, Schultern, Arme und Hände,
Knie und Füße von Braut und Bräutigam geölt wer-
den. Murshid erklärt, dass es hier geht um „eine psy-
chologische Suggestion… damit die Hände und Füße
von beiden vorbereitet sind um dem Partner zu die-
nen; dass sie sich gegenseitig nicht zugeknöpft zeigen
und wenn es noch Härte in ihrer Natur geben sollte,
diese aufgeweicht wird, da Harmonie den Segen ei-
nes Hauses ausmacht. Es lehrt uns, dass, um Freunde
zu werden und Freundschaft zu pflegen, Verzeihung
erforderlich ist. Es ist nun mal so, dass unser Partner
nicht so flexibel und fügsam ist, als wie wir es uns
vorgestellt hatten.“
Aus dem von ihm geliebten Russland, wo er ei-
nige Jahre gelebt hat, erzählt Murshid das Beispiel
der Ölung des Tsar am Tag seiner Krönung: „Die
Salbung der Stirn des Königs bedeutet, dass er einen
entspannten Ausdruck haben sollte, nicht stirnrun-
zelnd und mit verzogenem Gesicht, sondern mit einer
lächelnden Stirn, wie der persische Ausdruck lautet.
Arm und Reich, alle müssen mit ihren Sorgen und
Schwierigkeiten zum König kommen und sein Blick
muss sie trösten und beruhigen. Die große Lehre,
welche man aus diesem Brauch ziehen kann ist, dass
die große Erziehung im Leben darin besteht, unsere
Gefühle, unsere Gedanken, Worte und Handlungen
weich zu machen, so dass sie uns selbst Entspannung
schenken und damit wir eine entspannte Atmosphäre
kreieren, die allen die mit uns in Kontakt kommen zu
Gute kommt.“
Um besser verstehen zu können, was eine Salbung
eigentlich bedeutet, ist es aufschlussreich im Pflan-
zenreich der Rolle des Öls nach zu spüren.
Am Anfang eines Pflanzenlebens steht das Wasser.
Zum Keimen, oder um aus dem Unsichtbaren heraus
auf Erden sichtbar zu werden, verbindet die Pflanze
sich mit Wasser und Erde. Erst gegen Ende ihres Le-
bens fängt die Pflanze an, sich mit Öl zu beschäftigen.
In allen Samen findet man Öl. Meistens nur im Keim
(z.B. Weizenkeimöl). Manche Pflanzen tragen Öl
im ganzen Samen. Die Mandel ist ein Beispiel. Und
dann gibt es Pflanzen, die so sehr Öl-orientiert sind,
dass sie darüber hinaus das Fruchtfleisch ölig gestal-
ten. So die Olive.
So wie Wasser die Inkarnation möglich macht,
macht Öl die Rückkehr zur Seelenwelt möglich. Das
Feuerelement ist nun vorherrschend. Die Pflanze ver-
bindet sich mit der Wärme. Es braucht die Wärme zur
Fruchtbildung und es verkörpert die Wärme im Öl.
Die Olive ist eine ausgesprochene Wärme-Pflanze.
In der zweiten Jahreshälfte kümmert sie sich nicht
mehr um Wachstum von Ästen und Blätter, sondern
konzentriert sich voll und ganze auf ihre Früchte und
Samen. In der Frucht wird das nächste Leben vorbe-
reitet und umhüllt. Im Samen liegt das Wesentliche,
die Quintessenz, verborgen.
Murshid nennt uns Menschen oft den Samen von
Gott: „Die ganze Manifestation ist einfach wie ein
Baum, welche von der göttlichen Wurzel stammend
aus dem Boden schießt. Die Natur ist wie sein Stamm
und alle Aspekte der Natur sind wie die Äste, die
Blätter, die Früchte und die Blumen; und von diesem
22. - 130 -
Ölbaum
Baum wird wiederum der gleiche Samen produziert,
die menschliche Seele, welche die erste Ursache des
Baumes war. Dieser Same ist der Geist Gottes, und
so wie Gott das ganze Universum in sich begreift und
Eins ist, so enthält der Mensch in sich selbst das gan-
ze Universum als Seine Miniatur.“
So können wir besser nachempfinden, was Murshid
meint, wenn er im Vadan sagt: “Mein Herz, hüte das
Öl, das die Flamme des Lichts erhält.“
Das Öl in uns ist eineArt Substanz, welche entsteht
in einer Phase unseres Lebens, worin unsere Seele er-
wacht. Das einzige, was dann noch interessiert, ist,
das innere Licht zu empfangen. Dies hat schon auch
mit dem Alter zu tun, aber vor allem mit der Reife ei-
ner Person. Murshid wurde 45 Jahre alt; ich bin jetzt
65 und gerade mal dabei, etwas besser zu begreifen,
was Hazrat Inayat Khan mit Öl meinte.
Dieses innere Öl muss gehütet werden. Murshid
erzählt zur Erläuterung dieses Konzepts die Parabel
der 10 Jungfrauen, welche Jesus Christus uns hinter-
lassen hat: „Das Ziel des Lebens einer Person ist, das
Licht in einem, ihrem eigentlichen Wesen, zu ver-
vollkommnen. Was auch immer die Qualifikationen
eines Menschen sein mögen, was auch immer seine
Ressourcen, Position und Rang sind, wenn das Licht
in ihm nicht scheint, kann er das Ziel seines Lebens
nicht erfüllen… Die dummen Jungfrauen hatten kein
Öl in ihren Lampen bereitgehalten, die weisen hat-
ten es aufbewahrt. So kamen die weisen Jungfrauen
ihrem Ziel für den Tag, für welchen es versprochen
wurde, nach, und die Dummen bereuten es… Die
weise Seele sammelte alles Material, um ihr Licht für
den Tag, welches der gelobte Tag war, scheinender zu
machen. Die dumme Seele vergeudete es und stand
ohne da in dem Moment, wo sie es brauchte.
Ya Sabur
„Das Öl auf dem Weg der Liebe ist Geduld.“
(Hazrat Inayat Khan)
Medikation
• Rücksicht auf die menschliche primitive Natur
• Weisheit, Geduld und Freundlichkeit
• Verzeihung für die Unzulänglichkeiten des Part-
ners
• Lächeln der Stirn
• Sorgen und Schwierigkeiten Trost und Beruhi-
gung entgegenstellen
• Entspannung schenken
• das Öl für das innere Licht hüten
• Erleuchtung empfangen
23. Das Heilige Buch der Natur
Spirituelle Ökologe der Sicht des Universalen Sufismus
Die Natur, das sind wir! Die Rolle des Menschen in der Schöpfung wird sich wandeln.
Noch lange nicht haben wir das Ziel erreicht, wofür wir gedacht sind. Wir werden lernen,
die Natur als Ausdruck von uns und uns selbst als Ausdruck der Natur wert zu schätzen.
Firos Holterman ten Hove erörtert aus unterschiedlichen Blickwinkeln, wie die Sufi-
Meister die Natur erlebt und begriffen haben.
Die Seele der Steine
Heilende Mineral-Elixiere aus der Sicht des Universalen Sufismus
Natur, Mensch und Stein haben große Ähnlichkeiten und erhebliche Unterschiede.
Beide drücken die ganze Vielfalt der Schöpfung aus. Aber während der Stein dies in
einer Art von Tiefschlaf tut, entdeckt sich der Mensch als Ausdruck der Vielfalt nicht nur
im Mineralreich, sondern auch im Pflanzen- und Tierreich. Wir Menschen tragen den
ganzen Kosmos in uns, sagt Hazrat Inayat Khan. Als einzelne Wesen sind wir durch die
Naturreiche mit ihren verschiedenen Bewusstseinsstufen gegangen.
Firos Holterman ten Hove
„Es gibt ein Heiliges Buch, die geweihte Schrift der Natur,
die einzige Schrift, die den Leser erleuchten kann“ (Hazrat Inayat Khan)
24. Anfragen für Informationen über die von Hazrat Inayat Khan gegründete Internationale
Sufi-Bewegung und Internationaler Sufi-Orden können an folgende Adressen geschickt werden:
Verlag Heilbronn
Postfach 2162, D-71370 Weinstadt
www.verlag-heilbronn.de ● info@verlag-heilbronn.de
Sufi Orden Deutschland e.V.
www.sufiorden.de
Sufi Orden Schweiz
www.sufismus.ch
Sufi Orden Österreich
www.sufiorden.at
International Sufi Movement
www.sufimovement.org
Tänze der Universellen Friedens
www.friedenstänze.de
Zenith Institute
(Suficamp)
www.zenithinstitute.com
Förderverein Sufi-Saint-School
www.sufi-saint-school-ev.de
Hope Project
www.hope-project.de
Firos Holterman ten Hove
United Nature ● Eisenbolz 7, 97480 Weitnau
www.unitednature.eu
25. Vom Glück der Harmonie
Die innere Einheit aller Wesen
Inayat Khan verkündet die innere Einheit
aller Wesen in ihrer Verbundenheit mit
Gott, dem wir nur dienen, den wir nur
wahrhaft anbeten, wenn wir ihn in jedem
Mitgeschöpf erkennen und verehren. Da-
rauf beruht das Geheimnis der Schönheit
der Welt und der seelischen Harmonie.
Wanderer auf dem inneren Pfad
Der Sufi-Pfad
Viele Menschen fragen heute nach dem
Sinn ihres Lebens und suchen nach ei-
nem inneren Weg, um zur Selbsterkennt-
nis zu gelangen, zur Selbstverwirklichung
- und schließlich zu Gott. Der Sufi-Pfad
steuert dieses Ziel direkt an, setzt aber
auch die Führung durch einen geistigen
Lehrer voraus.
Die Schatzkammer des Königs
Sufigeschichten
In der Geschichte der Menschheit wurden
von jeher spirituelle Wahrheiten in
Geschichten verkleidet erzählt. Für den,
der nur das äußere Geschehen aufnimmt,
sind sie eine vergnügliche Unterhaltung
- für denjenigen, der die hintergründige
Bedeutung erkennt, sind sie eine Weisung
für den inneren Pfad.
Gebet - Atem der Seele
Sufigebete
Wie für die Sufis aller Zeiten und Länder
war auch für Hazrat Inayat Khan das
Gebet – die Zwiesprache mit Gott – von
allergrößter Bedeutung. Aus der Tiefe
seines Herzens schrieb er für seine An-
hänger, aber nicht nur für sie, sondern für
alle Menschen, die sich von seinen Wor-
ten angesprochen fühlen, Gebete, die sie
einerseits im täglichen Leben begleiten...
Hazrat Inayat Khan
Wenn die Seele auf Gott gestimmt ist,
wird ihr jedes Tun zu Musik
26. Gayan - Vadan - Nirtan
Die Essenz der Sufibotschaft
Man kann sagen, dass die Aphorismen
in „Gayan - Vadan - Nirtan“ die Essenz
der Sufi-Botschaft von Hazrat Inayat
Khan darstellen. ‘Gayan’ bedeutet die
‘Musik des Schweigens’, ‘Vadan’ heißt die
‘göttliche Symphonie’, und ‘Nirtan’ ist der
‘Tanz der Seele’.
Die Schale des Schenken
Sufi-Weisheiten für jeden Tag
„The bowl of Saki“ - „Die Schale des
Schenken“ nannte Hazrat Inayat Khan
seine Sammlung von Aphorismen. „Saki“
ist ein Begriff aus der persischen Dichtung
und bedeutet im wörtlichen Sinn: der,
der Wein einschenkt, der Schenke. Im
übertragenen Sinn ist es derjenige, der
uns in Ekstase versetzt.
Die Gathas
Weisheit der Sufis
Lehren für seine Schüler von
Hazrat Inayat Khan.
Sie enthalten Anleitungen zu sieben
verschiedenen Themen: Aberglaube,
Bräuche und Volksglaube; Einsicht; Sym-
bolik; Atem; Kultivierung des Herzens;
Alltagsleben und Metaphysik.
Die Seele - Woher und Wohin
Die Reise der Seele
Hazrat Inayat Khan beschreibt den Weg
der Seele, die sich als ein Lichtstrahl aus
der Einheit Gottes löst, sich ein Gewand
aus Gedanken und Gefühlen zulegt und
dann einen physischen Körper, um den
Zweck der Schöpfung zu erfüllen, alles
mit göttlichem Bewusstsein zu durch-
dringen.
Hazrat Inayat Khan
Weisheit der Sufis
27. Musik und Meditation
von Pir Vilayat Inayat Khan
und Aeoliah Christa Muckenheimt
Die Begegnung mit Pir Vilayat Ina-
yat Khan verwandelt das Leben der
profesionellen Musikerin Aeoliah Christa
Muckenheim. Ein Praxisbeispiel über die
heilende und transformierende Kraft von
Musik und Meditation.
Universaler Sufismus
Die Sufi-Botschaft von Hazrat Inayat Khan
Eine inspirierende Reise durch die innere
Weisheit des Universalen Sufismus.
Sufismus bedeutet mehr als bloße Worte
und Ideen - er ist eine Lebensweise, eine
Einstellung dem Leben gegenüber. Seine
Wurzeln reichen tief hinab in den reichen
spirituellen Boden des alten Ägyptens, ...
Musik und kosmische Harmonie
Aus mystischer Sicht
Sie lieben Musik? Dann haben Sie das
wahrscheinlich schon erlebt: Wer Musik
liebt, kann die erhabensten geistigen Ebe-
nen des Menschseins erreichen. Durch
Musik wird die Harmonie mit dem Selbst
und dem Unendlichen wieder hergestellt.
Musik nährt die Seele und den Geist.
Musik
Aus mystischer Sicht
„Alle Formen der Natur, z.B. die Blumen,
sind vollkommen in Form und Farbe; die
Planeten, die Sterne und die Erde vermit-
teln uns die Vorstellung von Harmonie,
von Musik. Die ganze Natur atmet…
und das Zeichen des Lebens, das diese
lebende Schönheit gibt, ist Musik.“
Hazrat Inayat Khan
Aus Musik wurde das
Universum erschaffen, ...
Sufismus ist die Weisheit von der Einheit im Geiste