Die Akteur-Netzwerk-Theorie - Eine Techniktheorie für das Lernen und Lehren m...
Medienpädagogik - Strömungen, Forschungsfragen und Aufgaben
1. Mandy
Schiefner
Medienpädagogik
Strömungen, Forschungsfragen und Aufgaben
Jede
Form
von
Erziehung
ist
in
der
heuDgen
GesellschaI auch
Medienerziehung,
da
Medien
aus
unserem
Alltag
nicht
mehr
wegzudenken
sind.
Dabei
spielen
Medienerziehung
und
MediendidakDk
als
Pfeiler
der
Medienpädagogik
eine
große
Rolle.
Medienpädagogik
ist
kein
einheitliches
Gebiet.
Im
Bereich
der
Medi-‐
enpädagogik
und
ihrer
Forschung
gibt
es
im
Laufe
der
Geschichte
unterschiedliche
Strömungen,
die
zum
Teil
bis
heute
nachwirken
und
Auswirkungen
auf
medienpädagogische
Arbeit
haben.
Auch
heute
noch
sind
bewahrpädagogische,
kriDsch-‐emanzipaDve
Tendenzen
rund
um
die
Diskussion
mit
Medien
sichtbar.
Aufgabe
von
Medienpädagogik
ist
die
VermiFlung
und
Ausbildung
von
Medienkompetenz.
Der
akDven
in-‐
tegraDven
Medienarbeit,
ebenso
wie
der
kriDschen
Komponente
der
Medienkompetenz,
hat
auch
mit
der
aktuellen
Entwicklung
hin
in
Richtung
„Web
2.0“
eine
große
Bedeutung.
Quelle:
URL:
sadatshami,
hFp://www.flickr.com/photos/sadatshami/5131388068/
[2011-‐01-‐19]
#medienpaedagogik
#einfuehrung
#paedagogikpsychologie
#theorieforschung
Version
vom
1.
Februar
2011
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dieses
Kapitel
wird
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2. 2
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
2. Strömungen
der
Medienpädagogik
1. Einführung
Dabei kann man im Laufe der Zeit verschiedene
Versucht man Medienpädagogik genauer zu fassen, Strömungen in der Medienpädagogik unterscheiden,
stößt man leicht an Grenzen, denn es gibt die Medi- die sich allerdings nicht gegenseitig ablösen, sondern
enpädagogik nicht. Medienpädagogik als eigen- teilweise bis heute parallel nebeneinander stehen, je
ständige wissenschaftliche Disziplin hat sich erst seit nachdem, welches Ziel mit Medienpädagogik verfolgt
den 1970er Jahren herausgebildet. Unterschiedliche werden soll:
Disziplinen haben Zugang zum Feld der Medien- ▸ traditionell bewahrpädagogische Position
pädagogik, von der Pädagogik, der Medienwissen- ▸ kritisch-emanzipative Medienpädagogik
schaft, der Publizistik- und Kommunikationswissen- ▸ bildungstechnologische Medienpädagogik
schaft über die Psychologie bis hin zur Soziologie – ▸ handlungsorientierte Medienpädagogik
all diese Disziplinen setzen sich mit medienpädagogi-
schen Fragestellungen auseinander. So verwundert es Im Rahmen der traditionell bewahrpädagogischen
nicht, dass es unterschiedliche und konkurrierende Position steht vor allem das Bewahren der Kinder
fachspezifische Traditionen und Fragestellungen gibt, und Jugendlichen vor den schädlichen Medienein-
die wissenschaftsinstitutionelle Verankerung eher flüssen im Vordergrund. Bewahrpädagogische Tradi-
diffus ist, eine unzureichende strukturelle Absiche- tionen kamen schon in der Weimarer Republik auf
rungen der Medienpädagogik als Forschungs- und und ziehen sich bis heute durch die Diskussion von
Lehrgebiet vorliegt und vor allem widersprüchliche Medien, vor allem in Erziehungsprozessen. Medien
gesellschaftspolitische Perspektiven existieren werden potenziell als gefährlich angesehen. Dabei be-
(Swoboda, 1994, 11). Von daher wird im Folgenden ziehen sich bewahrpädagogische Haltungen immer
versucht das Feld der Medienpädagogik zu über- auf die aktuell neuen Medien: vom „Schund und
blicken. Schmutz“ der Massenliteratur der frühen 1920er
Erziehungsprozesse, sei es in der Freizeit oder der Jahre, über die Kritik am Kino bis zur heutigen Kritik
Ausbildung, sind kaum mehr von Medien zu trennen. an Computerspielen und dem Internet reichen die
Medien sind „Teile sozialer Wirklichkeit, die nicht nach bewahrpädagogischen Aspekten kritischen und
nur den Informations- und Wissenserwerb beein- gefährlichen Medien, vor denen vor allem Kinder
flussen, sondern auch den Prozess der sozialen Wirk- und Jugendliche geschützt werden müssen (vgl.
lichkeitskonstruktion mit tragen“ (Barsch & Erlinger, Postman, 2003, Spitzer, 2006).
2002, 12). Die Frage der Medienpädagogik ist also die Ganz anders sieht die kritisch-emanzipative
Sozialisation in Medienwelten sowie die Vermittlung Medienpädagogik Medien. Ausgehend von der
und der Aufbau von Medienkompetenz über die ge- Frankfurter Schule und der kritischen Theorie um
samte Lebensspanne hinweg. Adorno und Horkheimer geht es im Rahmen kri-
Während es medienpädagogische Bestrebungen ei- tisch-emanzipativer Medienpädagogik um kritische
gentlich seit der Weimarer Republik gibt, wird in der Auseinandersetzung mit Medien und die darüber gel-
wissenschaftlichen Auseinandersetzung oft Baacke als tenden Herrschaftsstrukturen. Massenmedien stehen
einer der ersten Vorreiter für die Disziplin der Medi- unter dem politischen Manipulationsverdacht, so dass
enpädagogik genannt. Er definiert Medienpädagogik das Subjekt Opfer der Medien wird. Schwerpunkt
a l s Überbegriff für die pädagogische Beschäf- war die theoretische und analytische Tiefe der Dis-
tigung mit Medien in Theorie und Praxis, der aus kussionen rund um Medien vergleichbar mit den ge-
den Aspekten Medienerziehung, Mediendidaktik, Me- sellschaftlich-politischen Diskussionen der Zeit. Die
dienkunde, Medienforschung besteht (Baacke, Sozialwissenschaft in den 1960er und 1970er Jahren
2007, 4). Sie unterscheidet sich somit auch von Kom- setzte in der „Praxis weniger auf klassische pädago-
munikations- und Medienforschung (Swoboda, 1994, gische Arbeit, sondern auf politisch orientierte Ge-
13). sellschaftsveränderung“ (Ganguin & Sander, 2008,
62). Damit fehlt der Medienpädagogik aber klar die
Praxis und Handlungsorientierung, in der sie hätte
Medienpädagogik
ist
somit
die
„Gesamtheit
aller
päd-‐
wirksam werden können. Es fehlten didaktische Mo-
! agogisch
relevanten
handlungsanleitenden
Überle-‐
gungen
mit
Medienbezug,
einschließlich
ihrer
empiri-‐
delle und Forschungen über die konkrete Nutzung
des Rezipienten. Denn der Rezipient wurde noch als
schen,
theoreDschen
und
normaDven
Grundlagen“ passiv angesehen, indem man von einem Kommuni-
(Tulodzieki,
1989,
21).
kationsmodell ausgeht, das Wirkungen von Medien
beim Rezipienten vor allem auf Reiz-Reaktions-Sche-
3. Medienpädagogik.
Strömungen,
Forschungsfragen
und
Aufgaben
—
3
matas begrenzt (Hüther & Podehl, 2006, 123). Er-
Zeichnen
Sie
die
unterschiedlichen
Strömungen
der
weitert wurde diese Strömung durch eine gesell-
schaftskritische Position, in der die Medieneinflüsse ? Medienpädagogik
nach
und
versuchen
sie
zu
jeder
ein
aktuelles Beispiel
aus
der
Diskussion
rund
um
Er-‐
durch die Schaffung einer Gegenöffentlichkeit zu- ziehung
mit
Medien
zu
finden.
rückgedrängt werden und das Individuum als poli- Schauen
Sie
sich
dann
folgendes
Video
an.
In
welche
tisch aktives Wesen begriffen wird, das Medien auch der
Strömungen
von
Medienpädagogik
lässt
sich
der
aktiv nutzt. Vortrag
einordnen?
Worin
liegt
die
anfängliche
Über-‐
Neben diesen Betrachtungen von Medien als zeugungskraI
Spitzers
mit
seinen
Thesen?
Mittel öffentlicher Kommunikation entwickelte sich hFp://www.youtube.com/watch?v=81kuRBE6R3c.
parallel dazu ein Bereich der Medienpädagogik, der
sich vor allem um den Medieneinsatz im Bildungsbe-
reich bemühte und Medien als Mittel in Lehr-Lern- Zeichnen
Sie
die
Entwicklung
der
Medienpädagogik
settings und pädagogischer Kommunikation in das ? nach.
Welche
Faktoren
beeinflussten
die
Entwick-‐
lungen
im
Bereich
der
Medienpädagogik?
Blickfeld nahm. Bildungstechnologisch-optimie-
rende Medienpädagogik richtete somit den Blick Welche
Entwicklungen
im
Bereich
der
Medienpäd-‐
agogik
zeichnen
sich
aktuell
ab?
Wie
können
diese
in
vor allem auf den effizienten Einsatz von Medien in
der
Schule
oder
Hochschule
integriert
werden?
Bildungsprozessen. Medien sollen hier, angeregt
durch „bildungsökonomische Argumente, Lehrer-
mangel, Übernahme von Erkenntnissen der behavio- Welche
Berufsfelder
können
für
medienpädagogische
ristischen Lerntheorie in die Erziehungswissenschaft
und erste Formen der progammierten Unterweisung“
? Fragestellungen
interessant
sein?
(Hüther & Podehl, 2006, 117) Lehren und Lernen
verbessern. 2.
Forschungsfragen
und
-‐methoden
der
Medienpäd-‐
Dies änderte sich mit Aufkommen der hand- agogik
lungsorientierten Medienpädagogik, die von ak- Den unterschiedlichen beschriebenen Strömungen
tiven Nutzenden ausgeht. Der Rezipient von Medien entsprechen die heterogenen Forschungsmethoden
handelt so, dass seine Bedürfnisse befriedigt werden. im Bereich der Medienpädagogik.
Es kommt zu einer aktiven und erfahrungsbezogenen Medienpädagogische Fragestellungen ergeben sich
Auseinandersetzung mit Medien, man denke nur an immer dort, wo Medien und Rezipienten aufeinander
Bürgerjournalismus und den offenen Kanal, die als treffen. Durch die immer größere Durchdringung
handlungsorientierte Medien in den 80er Jahren des von Medien in der Gesellschaft breiten sich auch me-
letzten Jahrhunderts dominierten. Aufgabe der Medi- dienpädagogische Fragestellungen aus. Je nach der
enpädagogik ist es in diesem Ansatz, Medienkritik zur Betrachtung der Medien stehen unterschiedliche For-
angemessenen Nutzung von Medien auszubilden. schungsaspekte im Fokus.
Aus der handlungsorientierten Medienpädagogik ent- Am Anfang der Beschäftigung mit Medien in der
wickelte sich so das Konzept der Medienkompetenz. Gesellschaft haben in der Medienforschung vor allem
Man sieht an diesen Strömungen sehr gut die Ver- Fragestellungen interessiert, die sich mit den Wir-
knüpfung der Medienpädagogik mit gesamtgesell- kungen von Medien auf den Rezipienten beschäftigt
schaftlichen Entwicklungen: von Zeiten, in denen haben, sogenannter Rezeptionsforschung. The-
Medien noch eine vermeintliche Allmacht zuge- menbereiche sind hier vor allem Gewalt, Sexualität
sprochen wurde und man Kinder vor diesen be- und Werbung. So wurde vor allem Medienforschung
wahren musste über Entwicklungen der 68er-Be- betrieben, die meist quantitativ orientiert war. Diese
wegung und der kritischen Theorie, die der Medien- quantitative Ausrichtung speiste sich aus zwei
pädagogik vor allem aufklärerisches Potenzial über Richtungen: zum einen war dies meist das vorherr-
Macht- und Einflussstrukturen im Mediensektor zu- schende Forschungsparadigma der „Heimatdiszi-
wiesen bis hin zu aktiver Medienarbeit als Folge plinen“ wie Psychologie, Pädagogik oder Medienwis-
dieser Aufklärung und jetzigen partizipativen Struk- senschaft, zum anderen lehnte sich das Medienver-
turen mit Web-2.0-Medien. Immer wieder veränderte ständnis stark an dem Stimulus-Response-Modell an.
sich das Konzept bzw. die Ansprüche von Medien- Wenn Medien im Vordergrund stehen, lautet
pädagogik. demnach die zentrale Frage: „Wie wirken Medien auf
die Rezipientinnen und Rezipienten?“ Charakteris-
tisch für quantitative Medienforschung ist die primäre
Orientierung an Hypothesen, die eine Ursache-Wir-
4. 4
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
kungs-Relation postulieren. Zur Datengewinnung der zentralen Frage „Was macht der Mensch mit den
werden meist Fragebogenstudien oder Experimente Medien, die er in Gebrauch nimmt, im Kontext und
durchgeführt (Möller, 2008, S. 310). Neuere Entwick- in Bezug auf seine soziale Umwelt?“ (Theunert,
lungen im Bereich quantitativer Medienforschung in- 2008, 302). Es geht also vor allem um Medienan-
tegrieren Verfahren datenbasierter Typenbildung wie eignung durch das rezipierende Subjekt. Medienan-
Cluster- oder Korrespondenzanalysen, da die bishe- eignung umfasst so Nutzungsstrukturen, also zum
rigen Indikatoren gesellschaftlicher Heterogenität wie Beispiel die Auswahl eines Medienprodukts, oder
Alter oder Schicht nicht mehr ausreichen, um ho- auch Präferenzen, zum anderen gehören zu Mediena-
mogene Untergruppen zu bilden (Möller, 2008, 312). neignung auch qualitative Dimensionen wie die
Frühe Forschungen im Bereich Medien und Kom- Wahrnehmung von Inhalten sowie die Bewertung
munikation waren meist Medienwirkungsforschung und die Verarbeitung von Medieninhalten.
mit der Frage, wie ein medialer Reiz auf ein Indi- Somit haben sich Fragestellungen entwickelt, die
viduum wirkt. So wurden vor allem bis in die 1950er- nach den Motiven der Rezipienten fragen, sich
Jahre PR-Kampagnen und Werbemaßnahmen sowie Medien zuzuwenden oder diese zu nutzen (Gehrau,
politische Kampagnen untersucht (Grimm, 2008, S. 2008, 341ff) und in qualitativen Untersuchungsde-
320). Diese Forschungsfokussierung hatte die signs meist an Einzelfällen in der Tiefe untersucht
Gründe zum einen in der generellen Beeinfluss- werden. Auch biographische (z. B. Ganguin, 2008)
barkeit der Menschen durch Medien, wie erste oder ethnographische Methoden (vgl. Bergmann,
Studien aus den USA nachwiesen und Erfahrungen 2008) werden im Bereich qualitativer Medienfor-
aus dem dritten Reich zeigten. Überdies hinaus war schung eingesetzt. Der medienbiographische Ansatz
man sich auch der Wirkung von Medien auf die Po- thematisiert die Bedeutung und Rolle von Medien für
litik bewusst, da man nach Untersuchungen von La- die Biographiekonstruktion und -rekonstruktion von
zarsfeld et al. (1944/1968) wusste, dass etwa ein Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“ (Ganguin,
Drittel der Wähler bis zur Wahlentscheidung unent- 2008, 335), während der medienethnographische
schlossen und damit durch politische Werbe-Kam- Ansatz soziale und kulturelle Praktiken in Bezug auf
pagnen beeinflussbar sind. Medien mit ethnographischen Methoden untersucht.
In den Frühformen kamen meist Inhaltsanalysen
medialer Produkte zum Einsatz, aus deren Quantität
dann auf die Wirkung beim Individuum geschlossen Reflexionsfragen:
wird Inhaltsanalysen und Rezeptionsforschung ver- ? ▸ Welche
Richtungen
medienpädagogischer
For-‐
schung
gibt
es?
weisen aber meist auf punktuelle Ergebnisse (ebd, ▸ Worin
liegen
zentrale
Unterschiede?
S. 253). Somit gibt es Probleme, sollen einzelne Wir-
kungen direkt auf Medien zurückgeführt werden:
„Aus ihrer Komplexität folgt, dass das, was mit dem
Wie
unterscheiden
sich
die
unterschiedlichen
For-‐
globalen Begriff der Wirkung bezeichnet wird, in
Wahrheit ein nicht bis ins letzte zu entwirrendes Ge- ? schungsrichtungen
im
Bereich
Medienpädagogik
zum
einen
im
Blick
auf
die
Medien,
zum
anderen
mit
Blick
flecht ist von Wirkung, Gegenwirkung, Wechsel- auf
die
RezipienDnnen
und
Rezipienten?
wirkung, von Neben-, Mit- und Nachwirkung, von
kurzfristigen und langfristigen, von offenen und la- 3. Aufgabe
von
Medienpädagogik:
VermiDlung
von
Me-‐
tenten, von kognitiven und emotionalen, von teils dienkompetenz
einander verstärkenden, teils einander neutralisie-
renden Wirkungen“ (Merkert, 1992, 27). Wie in allen Bereichen der Pädagogik braucht es auch
Für Medienwirkungsforschung gibt es mittlerweile im Rahmen von Medienpädagogik ein Ziel der päd-
zwei Bedingungen: Es muss eine Veränderung des agogischen Maßnahmen. Im Bereich der Medienpäd-
Rezipienten auf der Wirkungsdimension zweifelsfrei agogik ist das Ziel die Erhöhung von Medienkom-
festgestellt werden, wofür somit mehr als zwei Mess- petenz, sei es auf individueller oder auf gesellschaft-
zeitpunkte benötigt werden und der mediale Stimulus licher Ebene. Aufgrund der unterschiedlichen Refe-
muss genau erfasst und mögliche Einflussgrößen renzdisziplinen der Medienpädagogik verwundert es-
müssen kontrolliert werden (Grimm, 2008, 322). nicht, dass sich unterschiedliche Disziplinen dem
Daher kommen heute vermehrt Laborexperimente Konstrukt der Medienkompetenz unterschiedlich
zum Einsatz. nähern und eigene Facetten betonen.
Qualitative Medienforschung beschäftigt sich
im Gegensatz zur quantitativen Medienforschung mit
5. Medienpädagogik.
Strömungen,
Forschungsfragen
und
Aufgaben
—
5
ist Kommunikation auf soziale Realität gerichtet
Die
Aufgabe
von
Medienpädagogik
ist
die
VermiFlung
(Schorb, 2009, 258). Diese Herleitung ist für das Ver-
! und
der
Autau
von
Medienkompetenz
als
eine
der
wichDgen
Fähigkeiten
in
der
heuDgen
medial
ge-‐ ständnis von Medienkompetenz zentral: es geht vor
prägten
Welt.
allem in den frühen Formen um gesellschaftliche
Kommunikation und um die Herausbildung kriti-
scher und mündiger Bürger. Somit verfügt Medien-
So gibt es die Diskussion um Medienkompetenz klas- kompetenz schon aus der Frühform heraus über un-
sischer Weise in der (Medien-) Pädagogik (Tulod- terschiedliche Dimensionen, von der reinen Hand-
ziecki, 2005; Spanhel, 2002; Aufenanger, 1999; u.a.), habbarkeit von Medien bis hin zur Analyse der Me-
in der Psychologie (z.B. Groeben, 2004; Groeben & diensprache und der Reflexion über Medien.
Hurrelmann, 2002; Winterhoff-Spurk, 1997; 2000), Ausgehend vom Ursprungskonzept nach Baacke
der Kommunikationswissenschaft (z. B. Jarren & haben sich unterschiedliche Facetten von Me-
Wassmer, 2009) und vielen Disziplinen mehr. dienkompetenz aufgegliedert (vgl. z.B. Rosebrock
Seit in den 1970er Jahren von Baacke Medienkom- and Zitzelsberger, 2002). In einigen Definitionsver-
petenz in die Diskussion gebracht wurde, hat der Be- suchen fokussierte man eher auf die gesellschaftliche
griff auf jeder Debatte rund um das Lernen mit Perspektive des Begriffes (z. B. Hillebrand & Lange,
Medien Konjunktur. Medienkompetenz ist zum 1996), in anderen wurden die Lehrenden mehr in den
Schlag- und Modewort in einer Gesellschaft ge- Blick genommen, so zum Beispiel bei Groebel (2001;
worden, in der Medien in immer mehr Bereichen eine 1997) und wieder andere widmeten sich der individu-
relevante Rolle spielen. Baacke entwickelte Medien- ellen Ebene (Dewe & Sander, 1996; Pöttinger, 1997).
kompetenz aus dem Konzept der Kommunikativen Bei all der Eindeutigkeit, die diese Unterscheidung
Kompetenz von Habermas heraus, unter der man von Baacke und anderen anscheinend liefert, muss
„die umfassende Fähigkeit des Menschen zu ver- festgestellt werden, dass die Medienpädagogik ei-
sehen, sich zu verständigen, mittels des Austausches gentlich keinen universalen Begriff von Medienkom-
von Symbolen sprachlicher und nicht-sprachlicher petenz hat. Dieser ist zudem meist immer abhängig
Art verstand“ (Schorb, 2009, 258). Kommunikations- von aktuellen Medientechnologien, so dass er
kompetenz, unabhängig von einer direkten oder einer oftmals „über einige Allerweltsformulierungen hinaus
medialen Kommunikation, ist dabei kein Wert an (...) hohl, zumindest porös und amorph“ (Kübler,
sich, sondern hat als Ziel die Gestaltung und Verän- 1996) ist.
derung des Zusammenlebens der Menschen. Somit
Aufenanger
(1997) Baacke
(1998) Tulodzieki
(1997) Kübler
(1999) Groeben
(2002)
KogniDve
Medienkunde Mediengestaltung
verstehen
und KogniDve
Fähigkei-‐ Meidenwissen/Mediali-‐
Dimension bewerten ten tätsbewusstsein
Bedingungen
der
Medienproduk-‐
Don
und
-‐verbreitung
analysie-‐
rend
erfassen
Handlungs Mediennutzung Medienangebote
sinnvoll
aus-‐ Handlungsorien-‐ Medienspezifische
Re-‐
dimension wählen
und
nutzen Derte
Fähigkeiten zepDonsmuster
SelekDon/KombinaDon
von
Mediennutzung
Moralische
MedienkriDk Medieneinflüsse
erkennen
und AnalyDsche
und Medienbezogene
KriDk-‐
Dimension aufarbeiten evaluaDve
Fähig-‐ fähigkeit
keiten
ÄstheDsche
Mediengestaltung Eigene
Medienbeiträge
gestalten Sozial-‐reflexive
Fä-‐ AnschlusskommunikaDon
Dimension und
verbreiten higkeiten
AffekDve
Medienbezogene
Ge-‐
Dimension nussfähigkeit
Tabelle
1:
Ansätze
und
Definitionsversuche
der
Teilbereiche
von
Medienkompetenz
(Gapski,
2006,
17)
6. 6
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
So verwundert es nicht, dass allein Gapski (2001) 4. Medienpädagogik
und
Medienkompetenz
–
immer
in seiner Dissertationsschrift 104 Definitionen von noch
aktuell?
Medienkompetenz auflistet, die aus allen gesellschaft- Doch was ist nun „aktuelle“ Medienpädagogik? Wir
lichen Bereichen stammen. Folgende Tabelle gibt haben gesehen, dass Medienpädagogik sich meist in
einen Überblick über die wichtigsten Ansätze und Abhängigkeit gesellschaftlicher medialer Entwick-
Definitionsversuche der Teilbereiche von Medien- lungen entwickelt und diese Entwicklungen auch
kompetenz (Gapski, 2006, 17, siehe Tabelle 1). Einfluss auf die Diskussion rund um den Begriff
Nach Hugger (2008, 95) gibt es zentrale Über- von Medienkompetenz hat. Verschiedene Richtungen
einstimmungen aller theoretischen Konzepte von sind im Moment im Rahmen der Medienpädagogik
Medienkompetenz: und somit der Medienkompetenzvermittlung beob-
▸ „Medienkompetenz rekurriert in zentraler Weise achtbar:
auf die Selbstorganisationsdispositionen und -fä- Zum einen ändert sich der Ort der Medienkom-
higkeiten des Menschen (Agieren unter unbe- petenzentwicklung immer mehr: Medienkompe-
stimmten Bedingungen, selbst aktiv werden, tenzen werden jenseits von formalen Lehr-/Lern-Set-
immer wieder umlernen) tings erworben (Hug, 2000). So rücken mit aktuellen
▸ Unterstützung und Förderung (formell wie in- Medienentwicklungen auch informelle Lehr-/Lern-
formell) ist nötig Settings, vor allem beim Lernen mit und über
▸ Medienkompetenz ist ein Beobachterbegriff, d.h. Medien, stärker in den Blickpunkt. Manche Autoren
er bezieht sich auf 'Dispositionen', (Anlagen, Fä- sprechen gar von einer Selbstsozialisation, die mittels
higkeiten, Bereitschaften), die es ermöglichen, be- Web-2.0-Medien stattfindet (Sutter, 2010).
stimmte Handlungen auszuführen (Medienkom- Eine zweite Entwicklung ist die stärkere Fokus-
petenz vs. Medienperformanz)“ sierung auf den reflexiven Anteil von Medienkom-
petenz. In Zeiten, in denen Lernende Medienpro-
Ebenso gibt es Dimensionen, die in allen gängigen dukte auf einfache Weise selbst erstellen können, in
Definitionen von Medienkompetenz enthalten sind, denen jedermann Informationen über Wikis und We-
wenn auch unter sich unterscheidenden Bezeich- blogs schnell verbreiten kann und Medienkonvergenz
nungen, wie kognitive, analytische und evaluative immer mehr zunimmt, ist es von wachsender Be-
sowie sozial-reflexive Fähigkeiten inklusive morali- deutung, kritisch mit Medien umzugehen, beispiels-
scher Orientierungen und emotionaler Aspekte weise die Qualität der Informationen kritisch be-
(Kübler, 1999): werten zu können und Aussagen kritisch zu analy-
Stellt man Medienpädagogik in den Vordergrund, sieren. Studien weisen nach, dass Kinder und Jugend-
so betrachtet man vor allem die Vermittlung und den liche bisher meist sehr medienkompetent in den Be-
Aufbau von Medienkompetenz in formellen reichen der Mediennutzung und -handhabung sind
Lehr-/Lern-Settings wie die Schule und Hochschule und Medien scheinbar mühelos benutzen, die Medien
oder der außerschulischen Jugendarbeit. Vor allem und die Informationen aber weniger hinterfragen und
für Schule und Hochschule geht es vor allem in Zu- reflektieren (z.B. CIBER, 2007; Kennedy et al., 2008;
kunft auch darum, Lehrpersonen im Bereich Medien- Bennett, Maton & Kervin, 2008).
pädagogik und -kompetenz auszubilden (vgl. Bett et Eine dritte Entwicklung ist die stärkere Be-
al., 2004). trachtung von Medienkompetenz unter dem Aspekt
der ganzheitlichen Bildung. Medienkompetenz
enthält immer auch eine normative Komponente
(Groeben, 2004) und ist nicht auf den Bereich der
(Aus-)Bildung, auf das Lehren und Lernen be-
Vor
allem
im
Bereich
des
Lehrens
und
Lernens
und
schränkt, sondern es geht vor allem um einen eigen-
? somit
der
Medienpädagogik
stellt
sich
die
Frage
nach
der
Medienkompetenz
in
zweifacher
Form:
verantwortlichen Umgang mit Medien in allen Be-
▸ Welche
Medienkompetenz
braucht
es,
um
Medien reichen des Lebens. Somit sprechen viele
adäquat
im
Bereich
Lehren
und
Lernen
einsetzen Vertreter/innen heute nicht mehr nur nur von Me-
zu
können?
Über
welche
Medienkompetenz dienkompetenz, sondern auch von einer umfas-
verfügt
die
Zielgruppe
der
medienpädagogischen senden Medienbildung unter einer lebenslangen Per-
VermiFlung? spektive (Marotzki & Jörissen, 2008). Allerdings gibt
▸ Wie
muss
Lehren
und
Lernen
gestaltet
sein,
um
Medienkompetenz
auf
Seiten
der
Lernenden
auf-‐
es widersprüchliche Auffassungen, inwieweit Medien-
zubauen
bzw.
diese
Fähigkeit
zu
begünsDgen? bildung schon im Begriff der Medienkomeptenz ent-
halten ist oder nicht (vgl. dazu Schorb, 2009).
7. Medienpädagogik.
Strömungen,
Forschungsfragen
und
Aufgaben
—
7
▸ Ganguin, S. (2008). Biographische Medienforschung. In: U.
Literaturempfehlung:
Sander, F. von Gross, & K.-U. Hugger (Hrsg.), Handbuch Me-
! Sander,
U.;
von
Gross,
F.
&
Hugger,
K.-‐U.
(Hrsg.). dienpädagogik, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften,
Handbuch
Medienpädagogik,
München:
VS
Verlag.
335-340.
Das
Buch
bietet
eine
Übersicht
über
die
vielschich-‐ ▸ Ganguin, S. & Sander, U. (2008). Kritisch-emanzipative Medi-
Dgen
und
vielfälDgen
FaceFen
eines
kaum
klar
zu
um-‐
enpädagogik. In: U. Sander; F. von Gross & K.-U. Hugger
reißenden
Fachbereiches.
Die
Experten
und
Exper-‐
Dnnen
geben
einen
umfassenden
Einblick
in
Historie, (Hrsg.), Handbuch Medienpädagogik, Wiesbaden: VS Verlag
Bezugstheorien,
Methoden
und
Diskussionsfelder
der für Sozialwissenschaften, 61-65.
Disziplin.
In
der
Breite
der
eingebrachten
Diskurse
aus ▸ Gapski, H. (2001). Medienkompetenz. Eine Bestandsaufnahme
unterschiedlichen
wissenschaIlichen
Disziplinen
wie und Vorüberlegungen zu einem systemtheoretischen Rahmen-
Pädagogik,
Soziologie
oder
KommunikaDons-‐
und
Me-‐ konzept, Wiesbaden.
dienwissenschaI
enyaltet
der
Band
seine
Stärke
und ▸ Gapski, H. (2006). Medienkompetenzen messen? Verfahren
eignet
sich
auf
für
Einsteiger,
um
einen
Überblick
über
und Reflexionen zur Erfassung von Schlüsselkompetenzen.
das
vielschichDge
Feld
der
Medienpädagogik
zu
er-‐
halten. Düsseldorf: Kopäd.
▸ Grimm, J. (2008). Medienwirkungsforschung. In: U. Sander, F.
Literatur von Gross, & K.-U. Hugger (Hrsg.), Handbuch Medienpäd-
▸ Aufenanger, S. (1997). Medienpädagogik und Medienkom- agogik, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 314-
petenz: Eine Bestandsaufnahme. URL: http://www.media- 327.
culture-online.de/fileadmin/bibliothek/aufenanger_medien- ▸ Groebel, J. (2001). Neue Medien, neues Lernen. In: I. Hamm
kompetenz/aufenanger_medienkompetenz.pdf [15-11-2010]. (Hrsg.), Medienkompetenz. Gütersloh: Verlag Bertelsmann
▸ Aufenanger, S. (1999). Medienkomeptenz oder Medienbildung? Stiftung, 80-111.
Wie neue Medien Erziehung und Bildung verändern. Ber- ▸ Groebel, J. (1997). Medienkompetenz und Kommunikations-
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