Simulationen und simulierte Welten - Lernen in immersiven Lernumgebungen
Entwicklungszusammenarbeit - Technologieeinsatz beim Lernen und Lehren
1.
2. 2
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
1. Lernen
und
Lehren
in
der
Entwicklungszusammen-‐ 2. Warum
technologiegestütztes
Lernen
in
der
Entwick-‐
arbeit:
Capacity
Building lungszusammenarbeit?
Zunächst stellen sich bei diesem Thema die Frage: Auch Entwicklungszusammenarbeit entwickelt sich,
Was ist Entwicklungszusammenarbeit bzw. Entwick- im wahrsten Sinne des Wortes. Die Frage, warum nun
lungshilfe? Der Begriff der „Entwicklungszusam- auch technologiegestütztes Lernen Einzug in Ca-
menarbeit“ betont, im Gegensatz zum veralteten pacity-Building-Maßnahmen der Entwicklungszusam-
Konzept der „Entwicklungshilfe“, den partnerschaft- menarbeit findet, lässt sich sowohl aus der Sicht der
lichen Charakter der Beziehungen zwischen Entwick- Geberländer als auch der Empfänger/innen beant-
lungs- und Industrieländern. In der Entwicklungszu- worten.
sammenarbeit heute steht das gemeinsame Bemühen
von Industrieländern und Entwicklungsländern im Wo
sehen
Sie
die
größten
Vorteile
von
technologiege-‐
Vordergrund weltweite Unterschiede in der sozio-
ökonomischen Entwicklung und in den allgemeinen
? stützten
Lernangeboten
im
Rahmen
der
Entwicklungs-‐
zusammenarbeit?
Warum
kann
es
beispielsweise
Lebensbedingungen dauerhaft und nachhaltig abzu- sinnvoll
sein,
dass
eine
EntwicklungsorganisaKon
für
bauen. Ein zentraler Begriff ist hier das „Capacity Teilnehmer/innen
aus
Namibia
eine
Schulung
zum
Building“, dessen Verständnis wichtig für die später Thema
HIV/AIDS-‐PrävenKon
als
E-‐Learning
anbietet?
Warum
kann
das
für
die
Teilnehmer/innen
aus
Na-‐
beschriebenen Ausführungen zum Einsatz von tech- mibia
vorteilhaWer
sein,
als
an
einer
Präsenzschulung
nologiegestützten Lernszenarien ist. teilzunehmen?
Capacity Building (engl. für „Aufbau von Kapa-
zität“) ist eine der Methoden, die sich in den letzten
Jahren als erfolgversprechend (und oftmals auch er- Im Folgenden werden wir von den Vorteilen techno-
folgreich) für die Entwicklungszusammenarbeit ge- logisch gestütztem Lernen berichten, wie sie sich in
zeigt hat. Es gibt zahlreiche Definitionen für Capacity bisherigen Projekten darstellten.
Building. Eine davon deutet Capacity Building als die
Vorteile
aus
Sicht
der
Geber/innen
und
Anbieter/innen
Vermittlung von Handlungskompetenzen und
Wissen, frei nach dem Montessori-Grundsatz: „Hilf Aus der Sicht der Geber/innen bzw. der Anbieter/in-
mir, es selbst zu tun“. Capacity Building bedeutet in nen der Bildungsangebote ist technologiegestütztes
diesem Sinne, die Handlungskompetenzen des Ein- Lehren nur eine von vielen Möglichkeiten, Infor-
zelnen zu stärken und ihn zu befähigen, sein Wissen mation und Wissen zu transferieren und damit zur
weiterzugeben. Teilnehmende an Capacity-Building- Entwicklung von Staaten beizutragen. Es macht nicht
Programmen tragen ihre neuen Kompetenzen und in jedem Fall Sinn und sollte nicht zum reinen Selbst-
Erfahrungen in ihre Behörden, Verbände, Kammern zweck werden. Technologiegestütztes Lernen kann
und Unternehmen, in regionale und überregionale folgende Vorteile haben: Reisekosten für Exper-
Institutionen. Sie tragen ihr Wissen an jene Stellen, an tinnen und Experten entfallen, Inhalte können
denen Veränderungsprozesse angestoßen werden leichter adaptiert und angepasst werden; darüber
können. hinaus stehen die Lerninhalte den Teilnehmern je-
Strukturelle Veränderungen können sich aber nur derzeit, auch nach Beendigung des Programms zur
dann langfristig durchsetzen, wenn die entspre- Verfügung. Weitere Vorteile sind, dass Fachwissen
chenden Rahmenbedingungen stimmen. Das be- von Expertinnen und Experten vermittelt werden
deutet letztlich, dass Veränderungsprozesse vertikal kann, die ansonsten vielleicht nicht zur Verfügung
auf allen Ebenen greifen und horizontal alle Sektoren stehen würden: Wer reist schon gerne in ein von
umfassen sollten, also politische Akteure ebenso wie Krieg, Unruhen und Krisen geschütteltes Land wie
Vertreter/innen aus der Wirtschaft sowie der Zivilge- Afghanistan oder den Irak? Zudem können Lernin-
sellschaft. halte vergleichsweise einfach an verschiedenste Ziel-
gruppen, unterschiedliche individuelle Bedarfe und
Was
bedeuten
„Veränderungsprozesse“
und
„Verände-‐ unterschiedliche kulturelle Umgebungen angepasst
? rungsmanagement“?
Recherchieren
Sie
dazu.
In
welcher
Weise
kann
technologiegestütztes
Lernen
in
werden.
der
Entwicklungszusammenarbeit
solche
Verände-‐
rungsprozesse
unterstützen?
Entwerfen
und
disku-‐
Keren
Sie,
am
besten
im
Gespräch
mit
einer
Partnerin
oder
einem
Partner,
ein
mögliches
Szenario.
3. Entwicklungszusammenarbeit.
Technologieeinsatz
beim
Lernen
und
Lehren
—
3
lungsländer in die Entwicklungszusammenarbeit ein-
Vorteile
für
die
Teilnehmer/innen
bringt. Dieses wäre auf „konventionellem Weg“ fast
Mit E-Learning-Angeboten können Zielgruppen an- unbezahlbar.
gesprochen werden, die geographisch nicht ohne wei-
3. Besonderheiten
des
technologiegestützten
Lernens
teres erreichbar sind. Entscheidungsträger/innen,
in
der
internaKonalen
Entwicklungszusammenarbeit
beispielsweise in der Mongolei, haben so nicht immer
Zeit und Lust, für ein Seminar eine Anreise von einer Die möglichen Vorteile des technologiegestützten
Woche auf sich zu nehmen. An einem webbasierten Lernens können nur dann wirken, wenn sie für die
Training würden sie eher teilnehmen und somit Ver- Zielgruppe erreichbar sind. Zentral sind dabei die
änderungsprozesse mittragen können. Es ist auch Fragen nach der Infrastruktur sowie Voraussetzungen
immer noch schwierig, Männer für Kindererzie- für den Umgang mit der Technologie und für das
hungskurse in Aserbaidschan zu begeistern, obwohl verteilte Lernen, also die entsprechend notwendigen
sich auch dort die Rollenverteilung drastisch ändert. Kompetenzen der jeweils angesprochenen Part-
Aber an E-Learning-Kursen, bei denen sie nicht per- ner/innen und Teilnehmer/innen.
sönlich teilnehmen müssen, sich also nicht „outen“
müssen, nehmen sie rege teil, zeigten Evaluierungser-
gebnisse der Universität in Baku (Selbstauskunft der Technologiegestützte
Lernangebote
können,
sofern
Universität Baku). ! sie
die
Zielgruppe
erreichen,
LernseYngs
ermög-‐
lichen,
die
im
Präzenzunterricht
unter
Umständen
gar
Ein weiterer Vorteil liegt in der möglichen Einbe-
nicht
realisierbar
sind.
ziehung von benachteiligten Gruppen durch die
Nutzung von Technologien. So haben Frauen Technische
Infrastruktur
machmal keine Möglichkeit an Präsenztrainings teil-
zunehmen, erhalten aber durch E-Learning Zugang Der Zugang der Teilnehmer/innen zu Technologien
zu einzelnen Fortbildungen, sogar Bachelor- und ist beschränkt und die Telekommunikationsinfra-
Master-Programmen. Besonders eindringlich lässt strukturen sind häufig noch ziemlich schlecht und
sich dieses an einem Beispiel aus Afghanistan ver- teuer. Während man in den USA beispielsweise für
deutlichen: So können dort Frauen, selbst wenn sie in einen Computer statistisch gesehen circa ein Monats-
hohen Positionen in Ministerien sitzen, nur an Prä- gehalt aufwenden muss, kostet dieser einen Ein-
senztrainings teilnehmen, wenn ein männlicher Ver- wohner von Bangladesch acht Jahresgehälter
wandter sie zumindest begleitet. Es ist dem Seminar- (Afemann, 2003). Ähnlich verhält es sich mit den In-
verlauf oft nicht dienlich, wenn hinter jeder Teilneh- ternetkosten. Computer mögen vorhanden sein, die
merin ein Bruder oder Onkel sitzt. E-Learning ist Bandbreite des Internets aber ist sehr beschränkt;
hier eine mögliche Lösung für alle Beteiligten. Wie neue Software fehlt. Insgesamt besitzen wesentlich
zahlreiche weitere Beispiele aus Ländern des Nahen weniger Einwohner/innen der Entwicklungsländer
Ostens zeigen, trägt der Austausch mit Angehörigen einen Zugang zum Internet als in den Industriena-
anderer Kulturen in Foren und Chats weiter zur tionen (vgl. Abbildung 1).
Selbstbestimmung teilnehmender Frauen bei.
Es gelten also die gleichen Argumente, wie sie in
der europäischen Diskussion zum E-Learning ange-
bracht werden, also beispielsweise die Zeitersparnis,
Flexibilität und Kosteneffizienz. Hinzu kommen aber
auch weitere, spezifische Vorteile, beispielsweise die
Anonymität der Teilnahme. Wird in multikulturellen
Lerngruppen gelernt, das heißt zum Beispiel in einer
internationalen Gruppe, können Lerntechnologien
Wege eröffnen, die auf konventionellem Weg fast un-
bezahlbar und unrealistisch sind. Teilnehmer/innen
aus den verschiedensten Regionen der Welt können
sich austauschen, vernetzen und gemeinsam Lö-
sungen erarbeiten. Es kommt vor allem auch zu Abbildung
1:
Internetnutzer/innen
je
100
einem Dialog, der das „Geber-Nehmer“-Schema der Einwohner/innen.
Quelle:
ITU
World
Telecommunica-‐
Entwicklungs„hilfe“ durchbricht und insofern in be- tions,
URL:
http://www.itu.int/ITU-‐
sonderem Maße die andere Perspektive der Entwick- D/ict/statistics/index.html
[2010-‐12-‐12]
4. 4
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
In der Praxis: Das Bandbreitenproblem
9600
bit/s
entspricht
der
mobilen
GSM-‐Datenrate
und
be-‐ raten
die
etwa
Hundert
Mal
höher
sind,
also
bei
bis
zu
1
nennt
die
Übertragungsgeschwindigkeit
in
"bit
per
second". Mbit/s
liegen,
als
unerträglich
langsam
und
würden
frustriert
Nutzer/innen
in
Mibeleuropa
erleben
heute
Übertragungs-‐ den
Web-‐Browser
schließen.
Eine große Hürde ist bei webbasierten Lern- der besondere Nutzen und teilweise sogar das Ziel
angeboten das „Bandbreitenproblem“: Zahlreiche der begründet, nehmen Teilnehmer/innen aus den unter-
heute genutzten und hoch gelobten, interaktiven und schiedlichsten Kontinenten, Regionen, Ländern, Reli-
lernmotivierenden Angebote im Internet beruhen auf gionen, Ethnien teil, die verschiedenste Sprachen
Techniken, die einen enormen Datentransfer in sprechen und verschiedenste Lernerfahrungen ge-
kurzer Zeit erfordern. Als Beispiel seien hier nur macht haben.
Videos, Audiowiedergabe oder gar bandbreitenin- Die neuen Lerntechnologien, das Internet, Mobil-
tensive Angebote wie Videokonferenzen, genannt. telefone, Computer und Kommunikationstechnik be-
Wenn Teilnehmer/innen aus Mali oder aus dem wegen sich besonders in den Entwicklungsländern in
mongolischen Gobi-Altai an einem Kurs teilnehmen einem dynamischen Spannungsfeld zwischen traditio-
möchte, so stellen diese Techniken bei einer 9.600 nellen, erprobten Lernmethoden und technologiege-
bit/s Modem-Anbindung eine unüberwindbare stützten innovativen Lernformen.
Hürde dar und stellen die Zielerreichung des Pro- All dieses spiegelt sich in der Aufbereitung und
gramms der Entwicklungszusammenarbeit mehr als Durchführung der Kurse wider: die Didaktik, das
nur in Frage (siehe Box „In der Praxis“ oben). Ein Layout, die Bebilderung und die Sprache stellen be-
Alternative ist in manchen Fällen, zumindest in sondere Herausforderungen dar. Praktiker/innen be-
Ländern in denen die entsprechende Infrastruktur richten dabei auch, dass die Begeisterung für tech-
vorhanden ist, die Nutzung von Mobiltelefonen nische Innovationen und neue Medien in Entwick-
(siehe Box „In der Praxis“ unten). Freilich ergeben lungsländern oftmals besonders hoch ist.
sich in M-Learning-Szenarien wiederum besondere
Probleme für die Aufbereitung des zu vermittelnden
Wissens.
Weitere
Herausforderungen Welche
Technologien
kommen
in
Kursen
zum
Einsatz,
Andererseits sind aber natürlich auch sprachliche ? die
Sie
kennen?
Recherchieren
Sie,
wie
viel
Band-‐
breite
diese
benöKgen.
Würden
Sie
diese
Technologie
Fragen zu beachten. Dabei gibt es besondere kultu- noch
nutzen,
wenn
Sie
eine
sehr
langsame
Internet-‐
relle und interkulturelle Aspekte zu berücksichtigen. verbindung
häben?
Die Gegebenheiten des täglichen Lebens und
des Arbeitsalltags, beispielsweise die Zeit des islami-
schen Fastenmonats Ramadan sind teilweise gänzlich Wählen
Sie
eine
Ihrer
Lehrveranstaltungen
aus:
Wie
anders als bei uns.
Eine Herausforderung stellen auch interkultu-
? könnte
der
Inhalt,
möglichst
textbasiert
und
leicht
ver-‐
ständlich,
auhereitet
werden?
relle Aspekte dar. An Programmen der Entwick-
lungszusammenarbeit, und darin liegt ja oftmals auch
In der Praxis: Mobile HIV/Aids-Prävention in Südafrika
In
keinem
anderen
Land
gibt
es
mehr
Menschen,
die
an daher
Kurznachrichten
verschickt:
Mit
Hilfe
solcher
SMS
HIV/Aids
erkrankt
sind
als
in
der
Republik
Südafrika,
die
von sollen
Jugendliche
sensibilisiert
werden,
auf
AkKonen
und
der
Europäischen
Union
nicht
eindeuKg
als
Entwicklungsland Unterstützung
aufmerksam
gemacht
werden,
beispielsweise
zugeordnet
wird.
Um
möglichst
viele
gefährdete
Menschen, auf
Kondomausgabestellen.
also
vor
allem
Jugendliche
und
junge
Erwachsene
zu
er-‐
reichen,
wird
das
Mobiltelefon
eingesetzt,
das
die
meisten Quelle:
hbp://www.cell-‐life.org/cellphones-‐4-‐hiv
von
ihnen
besitzen.
Im
Projekt
„Cellphones
4
HIV“
werden [2010-‐12-‐12];
Schneider
et
al.,
2010,
88f
5. Entwicklungszusammenarbeit.
Technologieeinsatz
beim
Lernen
und
Lehren
—
5
4. PragmaKscher
Umgang
mit
der
Technik einem Kasachen. Auch gibt es nationale politische
Es gilt also Lösungen zu finden, sich technisch zu be- Freund- und Feindschaften sowie entsprechende Ste-
schränken und eine spezielle Methodik und Didaktik reotypen und Vorurteile.
zu entwickeln, die diesen Umständen Rechnung trägt. Nehmen wir als Beispiel nur die grafische Ge-
Dieses stellt eine große Herausforderung für alle Be- staltung des Kurses: Im besten Falle sollte bei jedem
teiligten dar, gleich ob Autor/in, Didaktiker/in, tech- Bild ein Mensch aus jeder Bevölkerungsgruppe,
nische Entwickler/in, Grafiker/in oder Tutor/in. beider Geschlechter, jedes Landes in jeder Rolle, also
▸ Lernmaterialien auf CD-ROM sind vielfach eine beispielsweise als Ärztin oder Patientin, zu sehen
hilfreiche Option, wenn keine ausreichende Inter- sein. Wird eine die Diversität einer solchen Dar-
netanbindung vorhanden ist. stellung, sofern sie überhaupt gelingt, als positiv emp-
▸ Häufig sind Mobiltelefone weit verbreitet und funden? Oder schafft dies erst Raum für Fremden-
stellen damit eine Option in Sachen Erreichbarkeit feindlichkeit, Vorbehalte und entsprechende Refle-
der Teilnehmer/innen dar. xionen der Teilnehmer/innen? Neutrale Strich-
▸ Bei webbasierten Anwendungen ist ein Verzicht männchen sind eine naheliegende Lösung. Aber wäre
auf statt von bandbreitenintensiven Anwen- das dann förderlicher für das Lernen?
dungen, insbesondere Reduktion von Bildern und Es zeigt sich deutlich: Scheinbar simple Fragen
Multimedia, häufig notwendig. nach Inhalten und Darstellung müssen von den Be-
teiligten je nach entwicklungspolitischer Zielsetzung
Kursentwickler/innen haben die Erfahrung gemacht, des Capacity Building und je nach regionalem oder
dass die eingeschränkten Möglichkeiten oft die Kon- multikulturellem Kontext neu gestellt und beant-
zentration auf das, was wirklich wichtig ist, nämlich wortet werden. Das Wissen darüber und ein sensibler
eine saubere Konzeption und Umsetzung der Kursin- Umgang mit den kulturellen Besonderheiten der Ziel-
halte, forciert. Vielleicht auch, weil sich schlechte In- gruppe ist dabei notwendige Voraussetzung.
halte nicht mehr hinter Animationen, Videos oder Si-
6. Technologiegestütztes
Lernen
als
Empowerment
mulationen „verstecken“ können.
Das Potenzial von technologisch gestütztem Lernen
5. Sensibler
Umgang
mit
(inter-‐)
kulturellen
Vorausset-‐
und Lehren in der Entwicklungszusammenarbeit liegt
zungen
vor allem darin, Know-How im Umgang mit den In-
Nehmen wir als Beispiel einen Kurs, in dem Teil- formations- und Kommunikationstechnologien auf-
nehmer/innen aus Bildungseinrichtungen in Zen- zubauen, also die Fähigkeit, auch in Entwicklungs-
tralasien (Usbekistan, Tadschikistan, Kasachstan, Kir- ländern selbstständig weltweit verfügbare Informa-
gisistan) erlernen wollen, wie man mit dem Thema tionen und vorhandenes Wissen für sich nutzbar zu
HIV/AIDS im Gesundheitswesen umgehen kann machen. Informations- und Kommunikationstechno-
und welche Konzepte in diesem Bereich bestehen logien sind für die Entwicklungszusammenarbeit in-
und evtl. übernommen werden könnten. sofern vor allem ein Instrument der Steigerung der
Die potentiellen Teilnehmer/innen kommen zwar Autonomie oder Selbstbestimmung (engl. „Empo-
alle aus einer Region (Zentralasien), sprechen aber werment“). Sie sind ein Werkzeug, um die Bildungs-
verschiedene Sprachen (mit Russisch als mögliche ge- chancen der Armen zu erhöhen und um mehr Men-
meinsame Sprache, die man in allen Ländern, aller- schen die Teilnahme am gesellschaftlichen und wirt-
dings in unterschiedlichem Maße, beherrscht), sie schaftlichen Leben zu ermöglichen. Je schneller die
haben unterschiedliche Religionen in unterschied- Menschen, gerade Frauen und Mädchen, aus mög-
lichen Ausprägungen mit unterschiedlichen Einstel- lichst allen sozialen Schichten an die neue Techno-
lungen zu Sexualität und der Rolle der Frau in der logie herangeführt werden, umso schneller wird der
Gesellschaft. Stereotype und historische Empfind- Anschluss an die globale Informations- und Wissens-
samkeiten beeinflussen die Wahrnehmung des jeweils gesellschaft gelingen. Und gerade in dieser Hinsicht
anderen. Im Kommunikationsverhalten, der Gestik stößt technologiegestütztes Lernen als Instrument für
und Mimik, Ritualen spiegeln sich unterschiedliche Entwicklung und im Einsatz des Capacity Building
Tabus wider, beispielsweise welche Person eine auch an seine Grenzen, nämlich die politisch-wirt-
andere zuerst grüßen sollte und wie dies auf keinen schaftlichen Strukturen: Das Angebot darf nicht
Fall geschehen sollte. Auch unterscheidet sich bei- allein der städtischen Elite, der Schicht der Reichen
spielsweise eine Usbekin in ihrem Äußeren deutlich und Mächtigen zu Gute kommen. Damit auch länd-
von einer Kirgisin, ein Tschetschene deutlich von liche Regionen und Menschen in Armut davon profi-
tieren, bedarf es nationaler, umfassender E-Learning-
6. 6
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
Strategien bzw. einer nationalen E-Policy. Informati-
onsfreiheit und Rechtssicherheit müssen gewähr-
leistet sein.
Mit der „Global Campus 21 E-Academy“, die im
Auftrag des deutschen Bundesministeriums für Wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung entwi-
ckelt wurde, gibt es zudem ein umfassendes Angebot
an freien und gebührenpflichtigen Kursen zu fast
allen Themen der Entwicklungszusammenarbeit.
Nachhaltigkeit spielt dabei eine entscheidende Rolle
(siehe Abbildung 2).
7. Förderung
von
E-‐Learning
als
Empowerment
Abbildung
2:
Überblick
über
das
Kursangebot
bei
der Vor dem Hintergrund, dass Kompetenzen im
„GC21
E-‐Academy“.
Quelle:
http://www.gc21-‐eacade-‐ Umgang mit Informationstechnologien und im
my.org
[2010-‐12-‐12] Lernen mit technologischer Unterstützung die Auto-
nomie und Selbstbestimmung unterstützen, gibt es
zahlreiche Initiativen der Entwicklungszusammen-
arbeit, die sich den Ausbau entsprechender Kompe-
tenzen auf die Fahne geschrieben haben.
In der Praxis: One Laptop per Child
Das
Project
„One
Laptop
per
Child“,
kurz
OLPC,
hat
den Jahren
von
MIT-‐Professor
Seymour
Papert
angestellt.
In
AuWrag,
Bildungschancen
für
die
Ärmsten
der
Welt
zu einem
Forschungsprojekt
brachte
er
Computertechnologie
in
schaffen,
indem
sie
jedes
Kind
mit
einem
robusten,
kosten-‐ ein
afrikanisches
Dorf.
Er
beobachtete,
inwieweit
die
Kinder,
günsKgen,
stromsparenden
Laptop
ausstabet.
Zu
diesem die
vorher
keinen
Kontakt
damit
haben,
innerhalb
kürzester
Zweck
wurden
Hardware,
Inhalte
und
SoWware
für
kollabora-‐ Zeit
lernten,
den
Computer
anzuwenden
und
sich
so
neues
Kves,
spannendes
und
selbstbesKmmtes
Lernen
entwickelt. Wissen
aneigneten.
Bei
weiteren
Überlegungen
kam
am
MIT
Mit
dem
Zugang
zu
InformaKonen
und
Technologien
wird
es die
Idee
auf,
ein
100-‐Dollar-‐Laptop
speziell
für
Entwicklungs-‐
gelingen,
Kinder
lernen,
teilen
und
gestalten
zu
lassen.
Sie länder
zu
konzipieren.
werden
miteinander
verbunden,
zur
Schaffung
einer
bes-‐ Als
sich
abzeichnete,
dass
das
Projekt
den
Rahmen
eines
seren
ZukunW.
reinen
Forschungsprojektes
sprengen
würde,
wurde
zu
dessen
Umsetzung
in
die
Praxis
die
gemeinnützige
Gesell-‐
Erste
Überlegungen
bezüglich
eines
Wissenstransfers
in
Ent-‐ schaW
One
Laptop
per
Child
gegründet.
wicklungs-‐
und
Schwellenländer
wurden
schon
in
den
1970er
In der Praxis: „Open Source and more IT for African Business“
„Open
Source
and
more
IT
for
African
Business“
ist
eine Open-‐Source-‐SoWware
einzusetzen;
einerseits
direkt
und
an-‐
Sammlung
von
E-‐Learning-‐Kursen
zum
effekKven
Einsatz
von dererseits
indem
sie
andere
Unternehmen
in
der
Nutzung
Open-‐
Source-‐SoWware
in
kleinen
und
mibelständischen
Un-‐ dieser
kostenlosen
und
dennoch
legalen
SoWware
schulen.
Es
ternehmen.
Alle
Kurse
dieser
Suite
sind
mit
einer
CreaKve-‐ ist
schon
Erfolg,
das
Verständnis
für
die
Nutzung
„legaler“
Commons-‐Lizenz
veröffentlich
und
können
damit
auch
für SoWware
entwickelt
wird;
die
Legalisierung
der
SoWwarean-‐
eigene
Schulungsangebote
eingesetzt
werden.
Es
werden wendung
ist
ein
Erfolg
in
der
Entwicklung
von
ganzen
hierdurch
erfolgreich
Unternehmen
in
die
Lage
versetzt, Staaten.
7. Entwicklungszusammenarbeit.
Technologieeinsatz
beim
Lernen
und
Lehren
—
7
D a s Schaffen von E-Learning-Kapazitäten in entwickelt und sind alle frei zugänglich und nutzbar.
Partnerländern, verfolgt einen dreiteiligen Ansatz. Sie verfolgen den Ansatz freier Bildungsmaterialien
Hier geht es (a) um die Fortbildung von Einzelper- (siehe Kapitel #openaccess); Bildungsinstitutionen
sonen zu E-Learning-Experten, (b) um den Auf- und aus Entwicklungs- und Transformationsländern
Ausbau von Bildungsinstitutionen zu E-Learning-An- können die Materialien also für ihre eigenen Zwecke
wendern und -Anbietern, und (c) um die Einleitung oder als Bildungsanbieter in ihrem Land bzw. ihrer
von Veränderungsprozessen in Bildungssystemen Region weiter verwenden.
mittels neuer Lehr- und Lernmethoden. Die Ein-
8. Fazit
führung und Anwendung von E-Learning ist ein
idealer Ansatzpunkt für weitere Veränderungspro- Technologiegestütztes Lernen und Lehren macht
zesse in Bildungssystemen. Durch die Einführung auch vor der Entwicklungszusammenarbeit heute
von E-Learning auf institutioneller Ebene ergeben nicht mehr Halt. Unter der Bedingung angepasster
sich früher oder später Auswirkungen auf der politi- Konzepte, der richtigen Nutzung der Technik und
schen Ebene, so zum Beispiel zur Akkreditierung mit speziell an die Zielgruppen und ihre Bedürfnisse
und Zertifizierung von E-Learning-Institutionen und angepassten Inhalten und didaktischen Methoden ist
-Produkten. Damit bewirkt E-Learning mittelbar technologiegestütztes Lernen heute ein wichtiges In-
Prozesse, die häufig zum grundlegenden Überdenken strument des Capacity Building und damit der inter-
von Bildungssystemen führen. Ein gutes Beispiel nationalen Entwicklungszusammenarbeit. Gleich-
hierfür ist Kambodscha, das aktuell eine nationale zeitig können zahlreiche speziell aus den Bedürf-
„E-Policy“ erarbeitet, unter anderem auch zum nissen der Entwicklungszusammenarbeit entstandene
Einsatz von technologiegestütztem Lernen im Bil- Konzepte auch in Industrieländern wertvolle Hin-
dungssystem. Diese Programme gehen also eine weise und Anregungen für die weitere Nutzung von
Stufe weiter: Sie versetzen Institutionen in die Lage, Technologien in verschiedensten Lernszenarien und
in Zukunft selbständig E-Learning anzubieten und -situationen geben.
den Nutzen daraus nachhaltig zu ziehen. So macht Literatur
Entwicklungszusammenarbeit sich irgendwann selbst
überflüssig, hat also ihr Ziel erreicht. ▸ Afemann, U. (2003). Internet als Entwicklungshelfer? Die
Zur Umsetzung des zweiten Ansatzes kommen Dritte Welt und das Internet. In: Franziskaner Mission,
zum Beispiel Kurz- und Langzeitprogramme der Dortmund (Hrsg.), Franziskaner Mission, 3.
deutschen Entwicklungszusammenarbeit zum ▸ Boas, T.; Dunning, T. & Bussell, J. (2005). Will the digital revo-
Einsatz, die durch das deutsche Bundesministerium lution revolutionize development? Drawing together the
für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- debate. In: Studies in Comparative International Development,
wicklung gefördert werden: „eLDI - eLearning Deve- New York: Springer.
lopment & Implementation“, „eLiP - eLearning in ▸ Böhm, D. (2010). Lokale Barrieren der globalen Informations-
Practice“ und „eAST - eApplication Skills Transfer“. gesellschaft. Zum Stellenwert der Informations- und Kommu-
Die Kurse dauern drei Monat bis zu einem Jahr. Sie nikationstechnologien in Entwicklungsländern. Hamburg: Di-
bieten Fortbildungen zu allen zentralen Themen in plomica Verlag.
technologiegestützter Fernlehre an, beispielsweise zur ▸ Niemann, J. (2007). Wesentlicher Inhalt. In: E+Z Entwicklung
Curriculumsentwicklung, zum Management von und Zusammenarbeit, Frankfurt am Main, 48.
Online-Gemeinschaften und zur E-Moderation. ▸ Schneider, C., Schön, S. & Wieden-Bischof, D. (2011). Mobile
Diese Kurse sind als Angebote in der Entwicklungs- Lerngemeinschaften. In: S. Schön, D. Wieden-Bischof, C.
zusammenarbeit einzigartig. Seit knapp zehn Jahren Schneider & M. Schumann (Hrsg.), Mobile Gemeinschaften.
wurden damit mehr als 1.200 Teilnehmer/innen von Erfolgreiche Beispiele aus den Bereichen Spielen, Lernen und
mehr als 100 Institutionen aus Lateinamerika, Süd- Gesundheit. Salzburg: Salzburg Research, 61-80.
Ost-Asien, Zentralasien, Sub-Sahara-Afrika und dem ▸ Schönstedt, A. & Sangmeister, H. (2010). Entwicklungszusam-
Kaukasus fortgebildet. Diese Länder setzen heute E- menarbeit im 21. Jahrhundert: Ein Überblick. Baden-Baden:
Learning als Methode ein und verbreiten eigene Nomos.
Lerninhalte auf diesem Wege. Die Inhalte der ge-
nannten E-Learning-Programme wurden partner-
schaftlich mit Institutionen aus Entwicklungsländern