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Robert Kirchmaier: Kulturgüteraustausch und Staatsgarantien
1. A Rechtsgrundlagen
A1 Deutsche, europäische und internationale Rechtsgrundlagen
Kulturgüteraustausch und
Staatsgarantien
A
1.11
Robert Kirchmaier S. 1
Leitender Regierungsdirektor an der Direktion der Bayerischen Staatsgemälde-
sammlungen in München; Leiter der Stabsstelle Recht, Verwaltung und Organisa-
tion für die staatlichen Museen und Sammlungen im Freistaat Bayern; Lehrbeauf-
tragter an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Inhalt Seite
1. Einführung 2
2. Staatsgarantien in Bund und Ländern 3
3. Staatsgarantien in Europa 8
4. Internationale Staatsgarantien 17
5. Pro und Contra 17
Die mit dem weltweit stattfindenden Kulturgüteraustausch verbundenen Gefahren
und Risiken können durch kommerzielle Versicherungen oder durch Staatsgaran-
tien gedeckt werden. Staatsgarantien werden von einer zunehmenden Zahl von
Staaten angeboten. Das System der Staatsgarantien ist vordergründig wirtschaft-
lich überzeugend, weil keine Versicherungsprämien anfallen. Neben grundsätzli-
chen Einwänden gegen dieses System zeigt sich, dass Staatsgarantien nur in ein-
geschränktem Umfang als adäquate Versicherungslösung im Vergleich zu her-
kömmlichen kommerziellen Kunstversicherungen geeignet erscheinen.
58 Kultur & Recht Juli 2012
2. A Rechtsgrundlagen
A1 Deutsche, europäische und internationale Rechtsgrundlagen
1. Einführung
Der Kulturgüteraustausch ist ein weltumspannendes Geschehen. Mit der zuneh-
A menden Mobilität hat sich das Phänomen der Kultur auf Reisen deutlich intensi-
1.11 viert. Nahmen früher Kunst- und Kulturinteressierte oftmals anstrengende Reisen
auf sich, um herausragende Kulturgüter sehen und erleben zu können, geht der
S. 2
Trend mittlerweile eher dahin, diese Kulturgüter weltweit verfügbar zu machen.
Die Zahl der Sonderausstellungen hält sich auf hohem Niveau.1 Rechtliche
Grundlage dafür ist der (inter-)nationale Leihverkehr zwischen den Kultureinrich-
tungen, insbesondere zwischen Museen und Ausstellungshäusern.2
Definition:
Staatsgarantie bedeutet, dass der Staat bzw. eine dazu befugte staatliche Ein-
richtung in einem näher bezeichneten Umfang die Gewähr für bestimmte Ri-
siken im Zusammenhang mit der Ausleihe von Kulturgütern übernimmt und
für etwaige Schäden aufkommt. Im kulturellen Bereich handelt es sich hier-
bei nicht um eine Art von Ausfallgarantie für den Fall, dass ein Risikoträger
unvorhergesehen nicht einstehen kann oder will. Es wird vielmehr unmittel-
bar eine Art staatlicher Versicherungsleistung angeboten, der Staat agiert wie
ein Versicherer.
Die in der Praxis verwendeten Begriffe sind nicht einheitlich. Es finden sich
gleichbedeutend mit dem Begriff Staatsgarantie Bezeichnungen wie Landeshaf-
tung, Bundeshaftung, Eigenhaftung, Eigendeckung, Eigenversicherung, Selbstde-
ckung oder Staatsbürgschaft.
In Leihverträgen findet sich mitunter folgende Regelung: „Der Leihgeber verzichtet
auf eine Versicherung seiner Leihgabe.“ Diese Formulierung kann dahingehend
missverstanden werden, dass damit auch auf die Haftung des Entleihers für den
Erhalt und die Rückgabe der Leihgabe verzichtet wird. Dies wird jedoch in der
Regel nicht gewollt sein. Die Haftung einer staatlichen Institution als Entleiher
wird dann nicht durch eine kommerzielle Versicherung abgedeckt. De facto liegt
somit eine Staatshaftung vor, ohne dass die rechtlichen Grundlagen hierfür geprüft
und bejaht worden sind. Dies kann dazu führen, dass im Haftungsfall Schäden
aus den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln reguliert werden müssen. Hier
stellt sich auch die Frage der Regressnahme bei den verantwortlichen Bediensteten.
Der Umgang mit Kulturgütern birgt zahlreiche Risiken in sich. Die rechtliche
Gewähr für den Erhalt und die unversehrte Rückgabe entliehener Kulturgüter
trägt grundsätzlich der Entleiher/Leihnehmer. Die wirtschaftliche Absicherung
dieser Haftungsrisiken erfolgt durch kommerzielle Kunstversicherungen3 oder
durch Staatsgarantien. Oftmals finden sich auch kombinierte Lösungen. Im Wei-
teren werden die rechtliche Grundlage der Staatsgarantien erläutert sowie ihre
unterschiedlichen Ausprägungen auf nationaler, europäischer und internationaler
Ebene skizziert, bevor abschließend eine Bewertung von Pro und Kontra erfolgt.
58 Kultur & Recht Juli 2012
3. A Rechtsgrundlagen
A1 Deutsche, europäische und internationale Rechtsgrundlagen
Die rechtliche Grundlage für die Gewährung einer Staatsgarantie findet sich in
der Regel in Gesetzen. Die gesetzliche Ausgestaltung der Voraussetzungen für die
Übernahme einer Staatsgarantie erfolgt häufig in den Haushaltsgesetzen. Dies ist
nachvollziehbar und sinnvoll, weil die Übernahme einer Garantie mit finanziellen
A
Risiken verbunden ist, deren Deckung ihrerseits wiederum dem Haushaltsgesetz-
geber vorbehalten ist. Ergänzend zu den gesetzlichen Regelungen gibt es verein-
1.11
zelt Ausführungsbestimmungen oder Richtlinien. S. 3
2. Staatsgarantien in Bund und Ländern
Im Bund wurde 1992 im Zusammenhang mit der Eröffnung der Kunst- und Aus-
stellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn eine Staatsgarantie einge-
führt. Die meisten Bundesländer bieten ebenfalls Staatsgarantien an. Auf kom-
munaler Ebene spielen Staatsgarantien in der Regel kaum eine Rolle. Allenfalls
größere Kommunen mit beträchtlichem eigenem Finanzaufkommen könnten sich
in der Lage sehen, derartige Gewährleistungen zu übernehmen. In der Praxis
finden sich hierfür Beispiele in Bremen, Hamburg und Berlin.
Staatsgarantien bieten an der Bund und die Länder Baden-Württemberg (B-W),
Berlin (B), Brandenburg (BraB), Bremen (HB), Hamburg (HH), Hessen (He),
Mecklenburg-Vorpommern (M-V), Niedersachsen (NdS), Nordrhein-Westfalen
(NRW), Rheinland-Pfalz (R-P), Sachsen (Sachs), Schleswig-Holstein (S-H) und
Thüringen (Thü).
Keine Staatsgarantie bietet der Freistaat Bayern an. Im Saarland und in Sachsen-
Anhalt geben die haushaltsgesetzlichen Regelungen vergleichbare Grundlagen
für die Annahme her, dass in diesen Ländern Staatsgarantien verankert sind und
angeboten werden. Allenfalls im Rahmen haushaltsrechtlicher Verpflichtungser-
mächtigungen, die jedoch nicht entsprechend spezifiziert sind, besteht hier die
Möglichkeit, dass Staatsgarantieerklärungen abgegeben werden können.
Die Staatsgarantiebedingungen von Bund und Ländern weichen zum Teil nicht
unerheblich voneinander ab. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über
die Rechtsgrundlagen, die begünstigten Institutionen, Gewährleistungshöhe und
-ausschlüsse.
58 Kultur & Recht Juli 2012
4. A Rechtsgrundlagen
A1 Deutsche, europäische und internationale Rechtsgrundlagen
Rechts- Begünstigte Gewähr- Gewähr- Risiko-
grundlage Institution(en) leistungs- leistungs- ausschlüsse
höhe umfang
A Bund § 3 Abs.1 Institutionelle 171 Mrd. €4 Allgefahren- nein
1.11 Nr.5 HHG Zuwendungs- deckung
S. 4 2012 empfänger:
- Kunst- und „von Nagel
Ausstellungs- zu Nagel“
halle Bonn
- Deutsches
Historisches
Museum
- Alliierten-
museum
- Museum
Karlshorst
- Haus der
Kulturen der
Welt
- Jüdisches
Museum
Berlin
- Die
Deutsche
Bibliothek
- Casa di
Goethe
B-W § 5 Abs.3 Staatliche Unbeschränkt, Allgefahren- Verderb und
HHG 20125 Museen; ab 5 Mio. € deckung Verschleiß
- Stiftung pro Leihgabe
Zentrum für mit parlament. „von Nagel Schuldhaftes
Kunst und Zustimmung zu Nagel“ Handeln des
Medien- Leihgebers
technologie;
- Stiftung
Landes-
museum für
Technik und
Arbeit
58 Kultur & Recht Juli 2012