Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Gmilkowsky: Das Urheberrecht am Werk des Schülers
1. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
Das Urheberrecht am Werk des Schülers
Dr. iur. Achim Gmilkowsky, Hamburg
Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Medienrecht und Lehrbeauftrag-
ter an der Fresenius Hochschule für Wirtschaft und Medien und der Hamburg
School of Business Administration B
1.23
S. 1
Inhalt Seite
1. Einleitung und Problemstellung 2
1.1 Fallbeispiele aus der Praxis 2
1.2 Schule und sonstige Institutionen 3
2. Urheber in der Schule 3
2.1 Minderjährige als Urheber 3
2.2 Schüler und Lehrer als Miturheber 4
3. Schutzfähigkeit und Schöpfungshöhe der Schülerarbeit 5
3.1 Schöpfungshöhe und Computertechnik 5
3.2 Schöpfungshöhe und Ausführungsvorgaben 6
3.3 Übersetzungen 6
4. Urheberrecht und Sacheigentum am Werk 7
4.1 Herausgabepflicht der Schule 8
4.2 Vernichtung der Werke nach Ablauf der Abholfrist 9
5. Einräumung von Nutzungsrechten 10
5.1 Ausdrückliche Nutzungsrechtsvereinbarungen 10
5.2 Konkludente Nutzungsrechtseinräumung 11
6. Ansprüche bei Urheberrechtsverletzungen 11
6.1 Abmahnung von Verletzungen des Schüler-Urheberrechts 11
6.2 Passivlegitimation von Lehrer, Schule, Schulträger und Land 12
7. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 13
8. Rechtsprechungsübersicht in Leitsätzen 13
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2. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
1. Einleitung und Problemstellung
Wenn Schüler im Kunstunterricht Bilder malen, Zeichnungen oder Skulpturen
anfertigen, wenn sie im Musikunterricht Stücke komponieren, wenn sie Gedichte
und Fantasiegeschichten verfassen oder einen Text übersetzen, dann stellt sich in
der Schulpraxis zunehmend1 die Frage: Haben die Schüler hier möglicherweise
Urheberrechte oder sonstige Rechte an ihren Arbeiten? Und falls ja: Mit welchen
B Konsequenzen muss die Schule rechnen, falls sie diese Rechte verletzt?
1.23
S. 2 Zur Veranschaulichung der Problematik dienen die nachfolgende
1.1 Fallbeispiele aus der Praxis
1. In einer Japanisch-Klausur des Ludwig-Kurz-Gymnasiums, Hamburg, fertigt
die 16-jährige Vera die Übersetzung eines Textes des japanischen Literatur-
nobelpreisträgers Oe Kenzaburo an. Der Fachlehrer will das gelungene Werk
in das Intranet der Schule einstellen.
2. Im Kunstunterricht sollen Schüler Inhalte für die Schul-Homepage erstellen.
Emily und Junda entwerfen hierzu eigene Grafiken und – im Wege des sog.
Foto-Composing – eindrucksvolle Verfremdungen von im Internet frei ver-
fügbaren Bildern. Ihre Computergrafiken werden für die Homepage ausge-
wählt und verwendet. Alsbald darauf verlangen Emily und Junda die sofortige
Entfernung ihrer „Werke“ von der Homepage, zumindest aber eine „Nut-
zungsvergütung“.
3. Deutschlehrer Dr. Lumbers gibt einer Klasse der Sekundar-Stufe II das The-
ma für einen Kurzroman vor. Jeder Schüler verfasst ein bestimmtes Kapitel.
Der Roman soll in kleiner Auflage gedruckt erscheinen. Schüler Pfeiffer ver-
langt – als einziger –, dass sein Name seinem Kapitel vorangestellt wird.
4. Die 11c des Theodor-Heuss-Gymnasiums veranstaltet auf dem Schulfest ein
„Action-Painting“, bei dem mehrere Schüler mit verschiedenen Gestaltungs-
techniken (spray, scratch, body etc.) spontan ein bizarres Gesamtwerk auf
Leinwand erschaffen. Das Bild wird anschließend im Foyer ausgestellt. Herr
Wagner, Vater eines beteiligten Schülers, verlangt die sofortige Entfernung
des Werkes mit der Begründung, er verweigere seine Zustimmung zur Ver-
wendung des „Geschmieres“ seines noch minderjährigen Sohnes.
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3. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
1.2 Schule und sonstige Institutionen
Die vorgenannten Fragen stellen sich nicht nur in öffentlichen, allgemein- oder
berufsbildenden Schulen, sondern können, mit unterschiedlicher Akzentuierung,
prinzipiell auch in jeder sonstigen Bildungsorganisation auftreten, z. B. in Hand-
werksbetrieben, im Hochschulstudium und noch darüber hinaus. Denn das Gesel-
lenstück eines Schreiners kann im Einzelfall durchaus prägende künstlerische
Gestaltungselemente aufweisen und mithin urheberrechtlichen Schutz genießen. B
Wer Musik oder Malerei studiert, fertigt eigene Werke üblicherweise im Rahmen 1.23
universitärer Ausbildungsveranstaltungen. Letztlich fragt sich genaugenommen S. 3
sogar, wie diejenigen Werke einzuordnen und zu behandeln sind, die in periphe-
ren Institutionen entstehen, wie etwa im Kindergarten, in privaten Kunstschulen
etc.
Die nachfolgende Darstellung orientiert sich am Ausbildungsbetrieb allgemein-
bildender öffentlicher Schulen. Etwaige Besonderheiten spezieller Institutionen
werden dabei im jeweiligen Kontext berücksichtigt.
2. Urheber in der Schule
Urheber ist der Schöpfer des Werkes (§ 7 UrhG). Die Erschaffung eines urheber-
rechtlich schutzfähigen Werkes i.S.d. § 2 UrhG ist eine rein tatsächliche Hand-
lung (sog. Realakt).2 Der urheberrechtliche Schutz eines Werkes entsteht im
deutschen Recht unmittelbar durch Schöpfung des Werkes, ohne dass es einer
behördlichen Registrierung oder Anmeldung bedarf.3 Am Schöpfungsakt können
mehrere beteiligt sein.
2.1 Minderjährige als Urheber
Aus der grundsätzlichen gesetzgeberischen Wertung, dass die Werkschöpfung als
solche bloßer Realakt ist, folgt unmittelbar, dass der Rechtsschutz nach dem
Urheberrechtsgesetz nicht davon abhängt, ob der Schöpfer eines Werkes in recht-
licher Hinsicht überhaupt geschäftsfähig ist oder nicht. Auf Geschäftsfähigkeit
des Urhebers kommt es nicht an.4
Der Urheber mag mit Vollendung seines 18. Lebensjahres volljährig, mithin
unbeschränkt geschäftsfähig geworden sein (§§ 2, 104 BGB). Ausschlaggebend
allein ist aber, ob er ein schutzfähiges Werk i.S.d. § 2 UrhG erschaffen hat. Des-
halb kann grundsätzlich sowohl ein Minderjähriger als auch ein vollständig Ge-
schäftsunfähiger5 Urheber i.S.d. § 7 UrhG sein.6 Man wird daher als Institutionen
kreativ-schöpferischen Wirkens grundsätzlich selbst Kindergärten, Kindertages-
stätten und den Schulhort im Blick behalten müssen.
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4. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
In Deutschland werden Kinder schulpflichtig, sobald sie das 6. Lebensjahr voll-
endet haben.7 Zu diesem Zeitpunkt sind sie gem. § 104 Nr. 1 BGB noch ge-
schäftsunfähig. Ab Vollendung des 7. Lebensjahres und bis zur Vollendung des
18. Lebensjahres bleibt der Schüler in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt
(§ 106 BGB). Er benötigt daher gem. § 107 BGB für den Abschluss etwaiger
vertraglicher Vereinbarungen grundsätzlich die Einwilligung seiner gesetzlichen
Vertreter.8 Dies gilt freilich auch für etwaige urheberrechtlich relevante Vereinba-
B rungen.
1.23
In der handwerklichen und kaufmännischen Berufsausbildung sind die Auszubil-
S. 4
denden, je nach Art und Zeitpunkt ihres schulischen Abschlusses, oftmals eben-
falls noch minderjährig. Den Hauptschulabschluss kann man mit fünfzehn oder
sechzehn Jahren erlangen, den Realschulabschluss und teilweise sogar noch das
Abitur mit siebzehn. Erst der Student ist üblicherweise volljährig.
Sofern also Kinder und Jugendliche, Schüler, Auszubildende und Studenten das
18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben sollten, stünde dies ihren etwaigen
urheberrechtlichen Ansprüchen nicht entgegen.
2.2 Schüler und Lehrer als Miturheber
Wirken Schüler und Lehrer bei der Schaffung eines Werkes zusammen, indem sie
z. B. ein Musical gemeinsam schreiben, kann eine Miturheberschaft i.S.d. § 8
UrhG entstehen. Veröffentlichungs- und Verwertungsrechte stehen ihnen dann
gem. § 8 Abs. 2 S. 1 UrhG gemeinschaftlich zu.
Erforderlich für die Erlangung der Rechtsposition des Miturhebers ist dabei je-
doch zum einen, dass der Mitwirkende – wie es für jeden Urheber unerlässlich
ist – eine eigene schöpferische Gestaltungsleistung erbringt.9 Dafür genügt es
nicht, Ideen, Anregungen oder auch Anleitungen und sonstige Hilfestellungen zu
geben.10 Und zum zweiten muss der Mitwirkende sich durch gemeinschaftliches
Zusammenwirken an der Schaffung eines einheitlichen Werkes beteiligen.11
Diese Voraussetzungen sind eher zwischen Schülern erfüllt, die an einem gemein-
samen Projekt arbeiten – wie beim eingangs genannten Fall des „Action-
Painting“.
Miturheberschaft ist in der alltäglichen Unterrichtstätigkeit auf Seiten der Lehr-
kraft in aller Regel nicht festzustellen. Die Lehrkraft wird theoretische Einfüh-
rungen geben, Anschauungsmaterial anbieten, Beispiele liefern, inhaltliche The-
men vorgeben, womöglich die eine oder andere Mal- oder Gestaltungstechnik
vorführen und gewiss hier und da, wo nötig, am Werk des Schülers selbst Hand
anlegen. Die Mitwirkung der Lehrkraft beschränkt sich dabei aber zumeist auf
Hilfs- und Unterstützungshandlungen. Sofern zudem nicht ausnahmsweise von
vornherein die Schaffung gerade auch eines gemeinschaftlichen Werkes im Zu-
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