Kulturarbeit und Unternehmertum sind kein Widerspruch. Angesicht knapper öffentlicher Kassen und zunehmender Neugründungen im Kulturbereich ist eine Synthese sogar wünschenswert. Künstlerische Eigeninitiativen und privatwirtschaftliche Kulturbetriebe werden immer mehr zur Regel. Die Akteure werden neben der künstlerischen Angebotsqualität auch an ihrer Effizienz und ihrem wirtschaftlichen Erfolg gemessen. Daher ist unternehmerisches Denken zwingend erforderlich. Dieser Beitrag soll nun diese Erfordernisse als neues Leitbild in der Kulturarbeit beschreiben.
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Elmar D. Konrad, Tobias Rauh: Cultural Entrepreneurship
1. Kultur und Management A 1.2
Strukturen und Prozesse im Kulturmanagement
Cultural Entrepreneurship
Unternehmertum als Leitbild für
den Kulturmanager
Dr. Elmar D. Konrad, Tobias Rauh
Kulturarbeit und Unternehmertum sind kein Widerspruch. Angesicht knapper öffentlicher Kassen
und zunehmender Neugründungen im Kulturbereich ist eine Synthese sogar wünschenswert.
Künstlerische Eigeninitiativen und privatwirtschaftliche Kulturbetriebe werden immer mehr zur
Regel. Die Akteure werden neben der künstlerischen Angebotsqualität auch an ihrer Effizienz und
ihrem wirtschaftlichen Erfolg gemessen. Daher ist unternehmerisches Denken zwingend erforder-
lich. Dieser Beitrag soll nun diese Erfordernisse als neues Leitbild in der Kulturarbeit beschreiben.
Gliederung Seite
1. Die Ausgangslage 2
2. Unternehmerisches Denken oder klassisches Management? 3
2.1 Die Prinzipien im Vergleich 3
2.2 Integration der Prinzipien 5
2.3 Fallbeispiel A: Der Kulturmanager als Kulturunternehmer in der Praxis 7
3. Erfolg durch unternehmerische Verhaltensweisen 9
3.1 Das Warum – Einflussfaktoren in der Kulturarbeit 9
3.1.1 Direkte Erfolgswirkung – Unternehmerische Strukturen und Prozesse 9
3.1.2 Indirekte Erfolgswirkung – Den Unternehmer formende Faktoren 12
3.1.3 Modell des Kulturunternehmertums 14
3.2 Das Wie – Gestaltungsmaßnahmen der Erfolgsfaktoren 15
3.3 Fallbeispiel B: Die Gründung eines Theaters 18
4. Fazit: Das Leitbild Cultural Entrepreneurship 20
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2. A 1.2 Kultur und Management
Strukturen und Prozesse im Kulturmanagement
1. Die Ausgangslage
Der Kulturmanager als Kulturunternehmer – warum eigentlich? In
Zeiten sinkender Steuereinnahmen und steigender Ausgaben öffentli-
cher Kultureinrichtungen sind die Kommunen immer mehr auf Eigen-
initiative und qualitativ hochwertige, kosteneffiziente Aktivitäten in-
nerhalb dieser Einrichtungen angewiesen. Daneben findet ein Großteil
der Kulturarbeit sowie der kulturellen Infrastruktur in privatwirt-
schaftlichen Kulturbetrieben statt. Dabei handelt es sich meist nicht
um klassische Unternehmen, sondern um aus Eigeninitiativen hervor-
gegangene sehr kleine Kultureinrichtungen.1 All diese Betriebe müs-
sen wirtschaftlich geführt werden, was sich aufgrund der Eigenheiten
und der besonderen Komplexität des kulturellen Sektors als schwierig
gestaltet. Kulturbetriebe befinden sich im steten Spagat zwischen ei-
nem Idealbild der Kunst und der Kunstrezeption, in welchem sich die
agierenden Künstler bewegen und dem kommerziellen Denken des
Marktes, in dem die Prinzipien von Angebot und Nachfrage, Kosten-
minimierung und Gewinnmaximierung regieren. Mit diesen Extremen
müssen der Künstler, der Kulturbetrieb und der Kulturmanager leben
und überleben.
Spannungsfeld zwischen Um in dem Spannungsfeld von wirtschaftlichen Notwendigkeiten und
wirtschaftlichen Zielen kunstfreundlichem Ideal erfolgreich agieren zu können, müssen die
und künstlerischer leitenden Akteure als Kulturmanager mit diesen Herausforderungen
Autonomie umgehen und etwa innovativ und flexibel, Chancen für kulturelles
Eigenengagement oder Marktnischen erkennen. Eine eigene Organisa-
tion ist zu schaffen oder eine Bestehende individuell zu prägen und
vor allem sind die nötigen Ressourcen zu beschaffen. Mit anderen
Worten ausgedrückt: Der Kulturmanager muss unternehmerisch den-
ken und handeln.
Die stetig wachsende Bedeutung von Unternehmertum in der Kultur-
arbeit zeigt sich auch vor dem Hintergrund, dass der Kultur- und Krea-
tivsektor sich mehr und mehr zu einem starken Wirtschaftszweig ent-
wickelt (Stichwort Creative Industries). Deshalb dürfen sich die Ak-
teure vor einer stärkeren unternehmerischen und marktorientierten
Ausrichtung nicht verschließen.2 Um diesen Herausforderungen zu
begegnen, müssen sich die Kulturmanager immer mehr als Kulturun-
ternehmer begreifen, die das Produkt Kultur nicht nur verwerten, son-
dern innovieren und formen, neue Strukturen schaffen und so den
Markt mit gestalten. Die Integration dieses unternehmerischen Geistes
in die Tätigkeiten des Kulturmanagers und die sich daraus ergebenden
Konsequenzen und Chancen sind Thema dieses Beitrags.
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3. Kultur und Management A 1.2
Strukturen und Prozesse im Kulturmanagement
2. Unternehmerisches Denken oder
klassisches Management?
2.1 Die Prinzipien im Vergleich
Die derzeitige Kulturmanagementtheorie besteht in erster Linie aus
Empfehlungskatalogen, wie erworbene Kenntnisse und Erfahrungen in
Handeln umzusetzen sind. Zur Entwicklung allgemeiner Kulturmana-
gementleitsätze liegen im Gegensatz zur Entrepreneurship-Forschung
kaum nennenswerte empirische und theoretische Untersuchungen und
Ergebnisse vor. Daher wollen wir zunächst die verschiedenen Aspekte
des Unternehmertums und Managements in der Kulturarbeit betrachten.
Aspekte des (Kultur)managements
Kulturmanagement kann als Instrument für zielorientiertes Planen, Klassisches
Entscheiden und Handeln im Kulturbereich verstanden werden. Dabei Führungsverhalten und
dominieren innerhalb des Kulturmanagements die Kategorien des Handlungsmethoden
klassischen Managements wie Marketing oder Controlling sowie de-
ren Modifikation für spezifische Kunstsparten, was bedeutet, dass
Kulturmanagement meist isoliert betrachtet wird. Bezüglich der Fülle
und Vielfalt der Aufgaben und Tätigkeitsfelder innerhalb der Kultur-
arbeit werden jedoch bestimmte Eigenschafts- und Anforderungsprofi-
le von Kulturmanagern erwartet.3 Klassische Führungsverfahren und
Handlungsmethoden aus dem Managementbereich von Wirtschaftsbe-
trieben lassen sich teilweise auf den Kulturbereich übertragen, gewis-
se Modifikationen in Bereichen des Controllings und Marketings für
spezifische Kunstformen einmal vorausgesetzt. Die wichtigsten Ab-
grenzungen und Unterschiede des Kulturbereichs zu anderen Wirt-
schafts- und Tätigkeitssektoren stellen sich wie folgt dar:
• Die Ideale. Der kulturelle Sektor ist geprägt von den Idealen seiner
Akteure. Oftmals stehen diese in Kontrast zu den Zielen eines
marktwirtschaftlich orientierten Managements. Dies zeigt sich
dann im extremen Spannungsfeld des Umgangs miteinander und in
dem Prozess der Entscheidungsfindung.
• Der Handlungsbereich. Der Kultursektor ist ein hochgradig indi-
vidualisiertes, kreatives und daher auch teilweise unberechenbares
Feld, welches in einem anderen Wertesystem und anderen Dimen-
sionen agiert. Auch hier kollidieren immer wieder kundenorientier-
tes Produktdenken und die Ideale einer freien Kunst.
• Die Betriebsgröße. Die meisten Kulturbetriebe sind privatwirt-
schaftlich organisiert und personal schwach ausgestattet, wodurch
es zu Mehrfachbelastungen einzelner Mitarbeiter, aber vor allem
der leitenden Personen kommt.4
3
4. A 1.2 Kultur und Management
Strukturen und Prozesse im Kulturmanagement
Ist Kulturmanagement Management und Marketing in der Kulturarbeit sind daher Werkzeuge
eine eigene Disziplin? effektiven, effizienten und gewinnorientierten Arbeitens im Sinne
eines dem idealen Kulturbegriff verpflichteten entsprechend modifi-
zierten Modell.5 Ein Großteil dieser modifizierten Arbeitsweisen rich-
tet sich gerade in der Ausbildung und Vermittlung von Handlungsemp-
fehlungen vor allem an öffentliche Kulturinstitutionen und nicht an
privatwirtschaftliche Betriebe.6 Daraus ergibt sich die Notwendigkeit,
das Instrumentarium des Kulturmanagements für die mehrheitlich
privatwirtschaftlich agierenden Kulturbetriebe zu erweitern bzw. neu
auszurichten. Gerade aufgrund der Tatsache, dass diese Einrichtungen
wenn nicht sogar von den Gründern so doch von Personen geleitet
werden, welche sich nicht als Angestellte sehen, sondern ihre persön-
liche Existenz mit dieser Aufgabe verbinden, erscheinen die Verfahren
und Verhaltensweisen aus dem Bereich des Unternehmertums hierfür
sinnvoll und notwendig.
Aspekte des (Kultur)unternehmertums
Chancen erkennen und Unternehmertum oder unternehmerisches Denken umfasst keine ein-
Ideen realisieren zelne, isoliert zu betrachtende zusätzliche Vorgehensweise oder gar
Alternative zum Kulturmanagement, sondern ist das Fundament der
erfolgreichen Kulturarbeit, auf dem das Instrumentarium und die Me-
thoden des Kulturmanagements fußen sollten. Dadurch lässt sich ein
Set von Eigenschaften und Verhaltensweisen ermitteln, welches sich
als erfolgsfördernd erwiesen hat.7 Dabei kristallisiert sich folgende
umfassende Kernaussage heraus: Ein Unternehmer ist jemand, der
Chancen und Gelegenheiten erkennt und sich eine passende Organisa-
tion aufbaut, um diese zu nutzen.8 Um dies auch umzusetzen, lassen
sich Unternehmer durch vier Hauptfunktionen charakterisieren:9
• Der Kundschafter erkennt eine ungenutzte Möglichkeit oder eine
Problemlösung;
• Der Kombinator schafft die nötigen Netzwerke und damit Res-
sourcen, um das Problem zu lösen oder die Möglichkeit zu nutzen;
• Der Innovator zerstört das bestehende Marktgleichgewicht, indem
er neue Produkte schafft;
• Der Risikoträger steht mit eigenen Ressourcen für den Erfolg des
Unterfangens ein.
Die Persönlichkeit des Unternehmers, die Motivation, die Kompeten-
zen und die spezifischen Handlungsweisen sind dabei ebenso ent-
scheidend für eine kreative und erfolgreiche Problemlösung, wie das
vorhandene Fach- und Branchenwissen.
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