Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Brune: Der Freie Mitarbeiter
1. D Arbeits- und Personalrecht
D2 Der Künstler als Arbeitnehmer oder Unternehmer
Der Freie Mitarbeiter
Gesetzliche Vorgaben und Handlungsspielräume
Dr. Ulrike Brune
Richterin am Arbeitsgericht, Lehrbeauftragte an der Universität Erfurt und Auto-
rin für juristische Themen
Inhalt Seite
1. Einleitung 3
2. Gesetzliche Ausgangslage 4
3. Zivilrechtliche Rahmenbedingungen für die Tätigkeit als
freier Mitarbeiter 5
3.1 Übersicht über infrage kommende Vertragstypen 5
3.2 Abgrenzung von Dienst-, Werk- und Arbeitsvertrag 5
D
3.3 Dienstvertrag 8 2.2
3.4 Werkvertrag 12 S. 1
3.5 Arbeitsvertrag 14
3.6 Arbeitnehmerähnliche Person 15
3.7 Besonderheiten in den Rundfunk- und Fernsehanstalten 16
4. Sozialversicherungsrecht 18
4.1 Künstlersozialversicherung 18
4.2 Rentenversicherungspflicht für Selbständige mit nur einem
Auftraggeber (vormals sog. arbeitnehmerähnliche Selbständige) 19
4.3 Sozialversicherungspflicht für „Scheinselbständige“ 21
4.4 Sozialversicherungsrechtliche Abgrenzungen im künstlerischen
und publizistischen Bereich 21
4.5 Sozialversicherungsrechtliche Risiken bei freien Mitarbeitern 22
5. Steuerrecht 23
5.1 Einkünfte aus selbständiger Arbeit 24
5.2 Einkünfte aus Gewerbebetrieb 26
5.3 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 26
5.4 Anrufungsauskunft nach § 42 e EStG 28
5.5 Steuerrechtliche Risiken 29
Tabelle zur Abgrenzung von Dienst-, Werk- und Arbeitsvertrag 7
Checkliste:
Befreiung der Selbständigen von der Rentenversicherungspflicht 20
Checkliste:
Merkmale für die steuerrechtliche Arbeitnehmereigenschaft 27
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2. D Arbeits- und Personalrecht
D2 Der Künstler als Arbeitnehmer oder Unternehmer
Checkliste:
Merkmale für die steuerrechtliche Unternehmereigenschaft 27
Abgrenzungskatalog für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk-
und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehpro-duktionen tätige
Personen vom 30. Mai 2000 31
Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status 36
Der Freie Mitarbeiter ist im Kulturbereich populär. Für ihn und die Kultureinrich-
tung hat die Selbständigkeit eine Reihe von rechtlichen Konsequenzen, die von
Anfang an berücksichtigt werden sollten. Der vorliegende Beitrag stellt dar, wel-
che Rahmenbedingungen für die Tätigkeit eines Freien Mitarbeiters vorauszuset-
D
zen bzw. zu schaffen sind. Dabei sind natürlich die Problematik der „neuen Selb-
2.2 ständigkeit“ und das Phänomen der Scheinselbständigkeit zu berücksichtigen
S. 2
28 Kultur & Recht Mai 2005
3. D Arbeits- und Personalrecht
D2 Der Künstler als Arbeitnehmer oder Unternehmer
1. Einleitung
Freie Mitarbeiter haben Konjunktur. In der Medien- und Kulturbranche sind sie
schon seit Jahren und in stetig wachsender Zahl anzutreffen. Mittlerweile haben
sich, nicht zuletzt als Folge der sogenannten Hartz-Reformgesetze, freie Mitar-
beiter in nahezu allen Wirtschaftsbereichen etabliert. Was hat dazu geführt? Ist
das „normale“ Arbeitsverhältnis uninteressant geworden?
Aus Unternehmersicht hat die Beschäftigung von freien Mitarbeitern anstelle von
Festangestellten mehrere erhebliche Vorteile. Hier in Kürze nur die Wichtigsten:
- Freie Mitarbeiter haben kürzere Kündigungsfristen und genießen keinen
Kündigungsschutz.
- Freie Mitarbeiter haben keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub, Feiertagsver-
gütung, Mutterschutz und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. D
- Freie Mitarbeiter können bedarfsbezogen beschäftigt und müssen bei Ar- 2.2
beitsmangel nicht „durchbezahlt“ werden. S. 3
- Freie Mitarbeiter werden nicht vom Betriebsrat vertreten, d. h. insbesondere
keine Anhörung bei Kündigungen.
- Freie Mitarbeiter kosten keine Sozialversicherungsbeiträge, d. h. es entfallen
die sogenannten Lohnnebenkosten.
- Sog. Wettbewerbsverbote nach Beendigung des Vertragsverhältnisses unter-
fallen nicht den (kostenintensiven) Beschränkungen des HGB.
- Die auf das Honorar des freien Mitarbeiters entfallende Mehrwertsteuer kann
im Rahmen des Vorsteuerabzugs geltend gemacht werden.
Auch für den freien Mitarbeiter erscheint die Selbständigkeit gegenüber dem
Anstellungsverhältnis in vielerlei Hinsicht verlockend:
- Aus steuerlicher Sicht bietet sich die Möglichkeit zum Betriebsausgabenab-
zug und zum Vorsteuerabzug im Rahmen der Umsatzsteuer (interessant ist
auch die Einbringung des privaten PKWs in das Betriebsvermögen).
- Es besteht mehr Raum für Eigeninitiative, insbes. ist eine Tätigkeit für mehre-
re Auftraggeber gleichzeitig möglich.
- Das Nettoeinkommen erhöht sich durch ersparte Arbeitnehmeranteile zur
Sozialversicherung; nur die Einkommensteuer muss abgeführt werden.
- Der freie Mitarbeiter ist nicht eingebunden in eine betriebliche Hierarchie und
Organisation.
- Er kann im Wesentlichen frei über seine Zeiteinteilung bestimmen.
- Nebentätigkeiten für andere Auftraggeber sind grundsätzlich zulässig.
Diese „Freiheiten“ bezahlt der freie Mitarbeiter allerdings mit dem Verzicht auf
alle Schutzmechanismen des Arbeits- und Sozialrechts. Dem "freien Mitarbeiter"
muss auch klar sein, dass er in keine Arbeitslosen- und Rentenversicherung ein-
bezahlt hat und daraus auch später keine Ansprüche geltend machen kann. Dar-
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4. D Arbeits- und Personalrecht
D2 Der Künstler als Arbeitnehmer oder Unternehmer
über hinaus obliegt es seiner eigenen Verantwortung, für Kranken- und Pflege-
versicherung zu sorgen. Gerade dadurch wird die freie Mitarbeit für den Unter-
nehmer interessant, denn diese Schutzmechanismen kosten bares Geld. Das Phä-
nomen der freien Mitarbeit wird deshalb im Arbeits- und im Sozialrecht und nicht
zuletzt auch im Steuerrecht besonders kritisch beäugt. Die Problematik ist in
Verbindung mit dem Phänomen der „neuen Selbständigkeit“ sowie unter dem
Schlagwort „Scheinselbständigkeit“ neuerdings auch gesellschaftlich zum Reiz-
thema geworden.
2. Gesetzliche Ausgangslage
Der Begriff „Freie Mitarbeit“ ist kein gesetzlicher Terminus. Es gibt auch keine
gesetzliche Definition des freien Mitarbeiters, weder im Arbeitsrecht noch im
D Sozialrecht noch im Steuerrecht. Für freie Mitarbeiter greifen aber wesentlich
2.2 andere rechtliche Bestimmungen als für die „abhängige“ Beschäftigung im Rah-
S. 4 men eines Arbeitsverhältnisses. Daher muss man die freie Mitarbeit vom Arbeits-
verhältnis abgrenzen können.
Als Merkmal für die Unterscheidung zwischen freier Mitarbeit und Arbeitsver-
hältnis taucht in allen drei Rechtsgebieten das Merkmal „Selbständigkeit“ auf.
Damit ist allerdings noch nicht viel gewonnen, weil die Grenze zur „unselbstän-
digen“, also abhängigen Beschäftigung nicht genau definiert ist. Man kann allen-
falls positiv festellen:
Definition:
Freier (selbständiger) Mitarbeiter ist, wer nicht Arbeitnehmer i.S.d. Arbeits-,
Sozial- und Steuerrechts und auch keine sogenannte arbeitnehmerähnliche Person
ist.1
Leider gibt es im Arbeitsrecht, im Steuerrecht und im Sozialrecht keinen einheit-
lichen Arbeitnehmerbegriff: Zwar wird derjenige, der Arbeitnehmer im Sinne des
Arbeitsrechts ist, grundsätzlich auch sozialrechtlich als Arbeitnehmer angesehen.
Das gilt aber nicht immer auch umgekehrt, d. h. es kann vorkommen, dass die
zuständigen Sozialversicherungsbehörden einen Mitarbeiter als Arbeitnehmer
ansehen, der aus arbeitsrechtlicher Sicht freier Mitarbeiter ist. Im Steuerrecht
kann es vorkommen, dass eine selbständige Tätigkeit angenommen wird, obwohl
im Arbeits- und Sozialrecht die Arbeitnehmereigenschaft bejaht wurde – und
auch die umgekehrte Fallkonstellation ist denkbar.
Ein Rundfunkgebührenermittler ist selbständiger Gewerbetreibender im
steuerrechtlichen Sinne, wenn die Höhe seiner Einnahmen von seinem
eigenen Arbeitseinsatz abhängt und er für Ausfallzeiten keine Vergütung erhält.
Die arbeits- und sozialrechtliche Einordnung als Arbeitnehmer ist im Steuerrecht
allenfalls ein Indiz für eine unselbständige Beschäftigung, hat für die Finanzge-
richte aber keine Bindungswirkung.2
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