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Titel KOMPLEXE ZAHLEN
und ihre Anwendung
Autor HEINRICH HARTMANN
Lehrer Klaus Gornik
Schule Willigis Gymnasium Mainz
Jahr Januar - August 2002
Besondere Lernleistung in den F¨achern:
Mathematik, Physik, Informatik
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort 4
2 Grundbegriffe und Einf¨uhrung in die Thematik 5
2.1 Die Erfindung der komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . 5
2.2 d
dt Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.3 Was sind komplexe Zahlen ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.3.1 Vektorraumstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.3.2 Addition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.3.3 Multiplikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.3.4 C und R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.3.5 i und Summenschreibweise . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.4 Darstellungsformen und die Gaußsche Ebene . . . . . . . . . 11
2.4.1 ¯z, |z|, z > w... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.4.2 Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.5 Rechenregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.5.1 Die Addition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.5.2 Die Subtraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.5.3 Die Multiplikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.5.4 Die Division . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
3 H¨ohere Rechenarten 16
3.1 Potenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
3.1.1 Moivresche Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
3.1.2 Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
3.1.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3.2 Riemannsche Fl¨achen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3.3 Die Exponentialfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.3.1 Die Eulerformeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.3.2 Herleitung aus den Potenzreihen . . . . . . . . . . . . 21
3.3.3 Beziehung zu den Kreisfunktionen . . . . . . . . . . . 22
3.3.4 Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.3.5 Sonderf¨alle und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.3.6 Ganzheitliche Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . 23
INHALTSVERZEICHNIS 3
3.4 (−e)x . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
3.5 Hyperbolische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
3.6 Der Logarithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3.7 Differentialrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
4 Anwendungen in der Physik 31
4.1 Die harmonische Schwingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
4.1.1 D¨ampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
4.2 Wechselstrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
4.2.1 Zeigerdiagramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
4.2.2 Addition gleichfrequenter Schwingungen . . . . . . . . 37
4.2.3 Addition ungleichfrequenter Schwingungen . . . . . . 37
4.2.4 Wechselstromwiderst¨ande . . . . . . . . . . . . . . . . 37
4.2.5 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
5 Penningfallen 41
5.1 Potentialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
5.2 Die Differentialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
5.3 L¨osung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
6 Rollkurven 47
6.1 Zykloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
6.2 Epizykel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
6.3 Epizykloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
6.4 Hypozykloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
6.5 Hartmannkurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
6.5.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
6.5.2 Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
6.5.3 Sonderf¨alle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
6.5.4 Symmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
7 Fraktale 58
7.1 Mandelbrotmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
7.1.1 Hauptk¨orperbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 60
7.2 Juliamengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
7.3 Verallgemeinerte Mandel- und Juliamengen . . . . . . . . . . 62
A Ausblick 63
B Quelltexte 64
Kapitel 1
Vorwort
Jeder hat davon wohl schon irgendwann einmal geh¨ort. Teilweise schon in
der Grundschule bei der Einf¨uhrung der negativen Zahlen wurde auf ihre
Existenz hingewiesen. Sie verschwanden jedoch in aller Regel ganz schnell
wieder in der Schublade und tauchten sp¨ater auch nur als Randbemerkungen
ab und zu wieder auf: die komplexen Zahlen.
Viele abenteuerliche Vorstellungen ¨uber diesen “Gral der Mathematik”
geistern in so manchem Sch¨ulerkopf herum. Eben diese waren es auch, die
mich bewogen haben dem R¨atsel auf den Grund zu gehen und mich mit
diesem geheimnisvollen i n¨aher zu besch¨aftigen.
In der nun folgenden Arbeit wird zun¨achst einmal der Umgang mit den
komplexen Zahlen erkl¨art bzw. eine strukturmathematische Einf¨uhrung ge-
liefert. Im n¨achsten Teil werden dann aus dem Reellen bekannte Funktionen
im Komplexen n¨aher erl¨autert. Der vierte Teil befasst sich mit dem Anwen-
dungsgebiet Physik, wo unter anderem die Teilchenbewegungen in Penning-
fallen beschrieben werden wird. Darauf folgt ein Kapitel ¨uber Rollkurven,
in dem ich auch eine eigene, fraktale Rollkurve vorstelle. Das leitet ¨uber in
den n¨achsten Teil, in dem ich Chaostheorie am Beispiel von Mandel und
Juliamengen anschneiden werde. Dort liegt auch der Teil der Arbeit, der
in die Informationstechnik hineinragt. Das beigef¨ugte Programm ist in der
Lage, viele Fraktale graphisch umzusetzen.
Vorausgesetzt werden grunds¨atzlich Kenntnisse der Mathematik der gym-
nasialen Oberstufe. Insbesondere die Begrifflichkeiten: Gruppe, K¨orper, Vek-
torraum, exp, ln, sin, sinh, c
a=b, d
dt werden intensiv gebraucht werden. Dar¨uber-
hinaus wird grundlegendes Verst¨andnis vektoranalytischer Operatoren zum
Verst¨andnis des Kapitels ¨uber Penningfallen von N¨oten sein.
Kapitel 2
Grundbegriffe und
Einf¨uhrung in die Thematik
2.1 Die Erfindung der komplexen Zahlen
Es ist nicht ganz, einfach ein Erfindungsdatum f¨ur die komplexen Zahlen
anzugeben. Bis aus unvollst¨andigen Anmerkungen eine vollst¨andige Theorie
entstanden war, dauerte es mehrere Jahrhunderte. Die grundliegende Pro-
blematik, die schließlich zur Einf¨uhrung und allgemeinen Akzeptanz dieser
“quantitas sophistica” gef¨uhrt hat, liegt sicherlich bei den Polynomen.
Man kann Gleichungen wie z.B.
x2
+ 1 = 0 (2.1)
im reellen Zahlenraum nicht l¨osen. Diese Tatsache wurde von einigen Mathe-
matikern als Unvollkommenheit gedeutet und sie versuchten dieses Problem
in den Griff zu bekommen. Es fanden sich auch noch einige weitere Indizien,
die darauf hindeuteten, dass da außer den reellen Zahlen noch etwas sein
muss. So entdeckte zum Beispiel Leibniz um 1674 die Beziehung:
1 +
√
−3 + 1 −
√
−3 =
√
6 1 (2.2)
Des Weiteren kam man bei allgemeinen L¨osungsversuchen f¨ur die kubischen
Gleichungen an Ausdr¨ucken vorbei, die diese “negativen Wurzeln” beinhal-
teten. W¨ahrend die einen die Rechnungen als “absurd” abtaten, nahmen
einige dieses Ph¨anomen ernst und bem¨uhten sich Licht ins Dunkle zu brin-
gen.
Der erste, dem eine umfangreiche mathematische Fundierung der kom-
plexen Zahlen gelang, war der Schweizer Mathematiker Leonard Euler. Bei
seinen Arbeiten fand er erstaunliche S¨atze (Eulerformeln), die bisher ver-
schieden betrachtete Teilgebiete der Mathematik auf elegante Weise ver-
banden. Aber dazu sp¨ater mehr.
1
Beispiel entnommen aus [10] S.48
6 Grundbegriffe und Einf¨uhrung in die Thematik
2.2 d
dt Zahlen
In fr¨uheren Jahrhunderten erlag der Zahlbegriff einem stetem Wandel, man
verallgemeinerte ihn, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu wer-
den. Von den nat¨urlichen Zahlen kann man sich noch eine sehr anschauliche
Vorstellung machen. Wenn man von einem Ding eine gewisse Menge zur
Verf¨ugung hat, kann man diese Menge (i.d.R) durch eine nat¨urliche Zahl
beschreiben. Alle Weiterentwicklungen des Zahlbegriffs haben eine Gemein-
samkeit, sie bringen immer Neuerungen mit, die zun¨achst unintuitiv und
unnat¨urlich wirken. Dies hat zur Folge, dass sie von Zeitgenossen nur mit
viel Skepsis angenommen werden. So auch bei der 0, sie kann man beispiels-
weise so oft zu einer nat¨urlichen Zahl addieren wie man will, das Ergebnis
ver¨andert sich nicht. Die negativen Zahlen waren mit die erste Erweiterung,
die sich durchsetzte. Sie wurde von Kaufleuten entwickelt, die in irgendei-
ner Form mit Schulden umgehen wollten. Die ganzen Zahlen waren geboren.
Br¨uche fand man auch irgendwann sehr praktisch, mit ihnen befasste sich
z.B. Pythagoras. Und als man schließlich von Architekten vor das Problem
der Umkreis- oder Diagonalenberechnung gestellt wurde, musste man auch
diesen Zahlbegriff erweitern. Die Erweiterung zu den komplexen Zahlen ist
nun eine neue Erg¨anzung, die den Zahlen zur algebraischen Abgeschlossen-
heit 2 verhilft. Man trennt sich mit dieser Einf¨uhrung nun endg¨ultig von der
Zahl als Z¨ahlbegriff und geht zu einer abstrakten Definition ¨uber, die das
Handwerkszeug f¨ur unsere Anwendungen liefert. Es wurde f¨ur die Mathe-
matik wichtig mit “negativen Wurzeln” umzugehen, weshalb man sich das
entsprechende “Handwerkszeug” aufgebaut hat. Es hat sich jedoch im Lau-
fe der Zeit gezeigt, dass dieser neue Zahlbegriff wesentlich leistungsf¨ahiger
sein w¨urde als erwartet. Im Folgenden wird nun Schritt f¨ur Schritt dieses
Handwerkszeug erstellt werden.
2.3 Was sind komplexe Zahlen ?
Ziel des folgenden Kapitels wird es sein, einen Calculus aufzubauen, der
nur ein paar wenige Bedingungen erf¨ullen muss, n¨amlich uns das Rechnen
mit “negativen Wurzeln” zu erm¨oglichen. Der Rest dieser BLL wird sich
im Prinzip darum drehen, die Feinheiten, dieses Systems auszuleuchten, die
Konsequenzen aufzuzeigen, die eine solche Einf¨uhrung mit sich bringt, und
ihre Anwendungen und Vorteile darzustellen.
Hamilton war einer der ersten Menschen, die erkannten, dass sich ein solcher
Calculus nicht sinnvoll in einem eindimensionalen System von linear ange-
ordneten Elementen aufbauen l¨asst. Eine M¨oglichkeit ist es, einen zweidi-
mensionalen Vektorraum als Basis zu verwenden, was unmittelbar zur Folge
2
Ein K¨orper heißt algebraisch abgeschlossen, wenn in ihm jedes Polynom nten Gerades
in n Linearfaktoren zerf¨allt.
2.3 Was sind komplexe Zahlen ? 7
hat, dass wir nun mit geordneten Zahlenpaaren rechnen werden. Diesen Vek-
torraum wollen wir von nun an C nennen. In ihm werden nun Operationen
definiert und zwar nach folgenden Regeln:
• C soll ein kommutativer K¨orper sein. 3
• Die reellen Operationen sollen aus der komplexen Definition der Ope-
rationen hervorgehen. Daher C ist Oberk¨orper von R.
• i2 = −1
2.3.1 Vektorraumstruktur
Wir haben schon festgestellt, dass C ein Vektorraum einen soll. Wir brauchen
also eine abelsche Gruppe G deren Elemente wir komplexe Zahlen nennen
werden und wir brauchen einen kommutativen Skalarenk¨orper S. Wie auch
in der Schule bei verwenden wir R x R (mit einer Addition die sp¨ater defi-
niert wird) als abelsche Gruppe und R als Skalarenk¨orper. F¨ur die skalare
Multiplikation soll nun gelten:
u · (a|b) = (u · a|u · b) u ∈ R = S (a|b) ∈ R2
= G (2.3)
2.3.2 Addition
Die Addition wird schlichtweg aus der reellen Vektorgeometrie ¨ubernommen
und mit
(a|b) + (u|v) = (a + u|b + v) (2.4)
definiert. Das neutrale Element der Addition ist der 0-Vektor (0|0). Das
Kommutativgesetz und das Assoziativgesetz gilt. Beweis durch Zuhilfenah-
me der Rechengesetze im reellen Zahlenraum:
(a|b) + (0|0) = (a + 0|b + 0) = (a|b) (2.5)
(a|b) + (u|v) = (a + u|b + v) = (u + a|v + b)
= (u|v) + (a|b) (2.6)
(a|b) + ((u|v) + (x|y)) = (a|b) + (u + x|v + y)
= (a + u + x|a + v + y) = (a + u|b + v) + (x|y)
= ((a|b) + (u|v)) + (x|y) (2.7)
Das inverse Element der Addition erh¨alt man durch
(a|b) + (u|v) = (0|0) ⇒ (u|v) = (−a| − b) = −(a|b) (2.8)
3
d.h. C besteht aus einer Menge und 2 Operationen (+, ·), die jedem geordneten Paar
von Elementen (a, b) ein c = a · b oder c = a + b, c ∈ C zuordnen. Diese Operationen
m¨ussen so gew¨ahlt sein, dass das Assoziativgesetz f¨ur die Multiplikation und die Addition
erf¨ullt ist, es ein (je verschiedenes) neutrales Element f¨ur Multiplikation und Addition
gibt, jeweils ein inverses Element existiert (bei der Multiplikation ist die 0 ausgenommen)
und das Distibutivgesetzt gilt. Vgl. [15] S.19
8 Grundbegriffe und Einf¨uhrung in die Thematik
2.3.3 Multiplikation
In der reellen Vektorgeometrie existieren schon 2 Multiplikationen, die wir
in der Oberstufe kennengelernt haben: das Skalarprodukt und das Vektor-
produkt. Diese beiden Operationen sind jedoch f¨ur unsere Anwendung un-
zul¨anglich: Das Skalarprodukt ist eine Abbildung aus dem Raum in den
Skalarenk¨orper des Vektorraums (V → S). Das Vektorprodukt ist hingegen
nur im R3 definiert und scheidet schon daher aus. Wir m¨ussen also eine
v¨ollig neue Multiplikation von C nach C bzw. von R2 nach R2 erfinden. Die
Definition der komplexen Multiplikation ist wie folgt:
(a|b) · (u|v) = (au − bv|av + bu) (2.9)
Dies scheint zun¨achst etwas willk¨urlich, jedoch l¨asst sich leicht zeigen, dass
die geforderten Bedingungen von dieser Multiplikation erf¨ullt werden. Das
Einselement des K¨orpers ist der Vektor (1|0). Das Kommutativgesetz und
das Assoziativgesetz gelten und die geforderte Distributivit¨at ist auch erf¨ullt.
Beweis:
(a|b)(1|0) = (a1 − b0|a0 + b1) = (a|b) (2.10)
(a|b)(u|v) = (au − bv|av + bu) = (ua − vb|va + ub)
= (u|v)(a|b) (2.11)
(a|b)((u|v)(x|y)) = (a|b)(ux − vy|uy + vx)
= (a(ux − vy) − b(uy + vx)|a(uy + vx) + b(ux − vy))
= (aux − avy − buy − bvx|auy + avx + bux − bvy)
= (x(au − bv) − y(av + bu)|x(av + bu) + y(au − bv))
= (au − bv|av + bu)(x|y)
= ((a|b)(u|v))(x|y) (2.12)
(a|b)((u|v) + (x|y)) = (a|b)(u + x|v + y)
= (a(u + x) − b(v + y)|a(v + y) + b(u + x))
= (au + ax − bv − by|av + ay + bu + bx)
= (au − bv + ax − by|av + bu + ay + bx)
= (au − bv|av + bu) + (ax − by|ay + bx)
= ((a|b)(u|v)) + ((a|b)(x|y)) (2.13)
Das inverse Element ergibt sich zu
(a|b)−1
= (
a
a2 + b2
|
−b
a2 + b2
) (2.14)
denn:
(a|b)(
a
a2 + b2
|
−b
a2 + b2
)
2.3 Was sind komplexe Zahlen ? 9
= (
a2
a2 + b2
−
−b2
a2 + b2
|
−ab
a2 + b2
+
ab
a2 + b2
)
= (1|0) (2.15)
Es gibt außer dieser noch andere M¨oglichkeiten, eine Multiplikation 4 zu
erfinden, die die geforderten Eigenschaften besitzt. Trotz des sonderbaren
Formalismus wird sich sp¨ater zeigen, dass eine solche Definition der Multi-
plikation ¨außerst zweckm¨assig ist.
2.3.4 C und R
Gesucht ist eine Abbildung (A) von R nach C, die folgende Bedingungen
erf¨ullen muss:
A(a + b) = A(a) + A(b) a, b ∈ R (2.16)
A(a · b) = A(a) · A(b) (2.17)
c · A(a) = A(c · a) c ∈ R = S (2.18)
Aus 2.16 und 2.18 folgt, dass die Abbildung linear sein muss. Man kann sie
also in der Form A : k → (kx|ky) x, y ∈ R schreiben. Setzen wir mit dieser
Bedingung 2.16 an, so erh¨alt man:
A(a · b) = A(a) · A(b) (2.19)
⇔ (xab|yab) = (x2
ab − y2
ab|2xyab) (2.20)
⇔ xab = x2
ab − y2
ab ∧ 2xyab = yab (2.21)
⇔ y = 0 ∨ (x = x2
− y2
∧ 2x = 1) (2.22)
⇔ (y = 0 ∧ x = 1) ∨ (
1
2
=
1
4
− y2
) (2.23)
⇔ (y = 0 ∧ x = 1) ∨ (y2
= −
1
4
) (2.24)
Der 2. Teil dieses Ausdrucks widerspricht der Forderung y ∈ R, daher er-
halten wir die Abbildung A : k → (k|0) als einzig m¨ogliche. Der K¨orper der
Reellen Zahlen findet sich also in C als Vektoren der Form (r|0) wieder.
Insbesondere gilt also:
1A(a) = A(1a) = A(a) = (a|0) = 1A(a) = aA(1) (2.25)
Obwohl 1, das neutrale Element der Multiplikation im Skalarenk¨orper und
(1|0), das neutrale Element der Multiplikation im Vektorraum und Teil
der nat¨urlichen Basis des Vektorraums nicht dasselbe sind, ist es allgemein
¨ublich, sie beliebig gegeneinander auszutauschen. Daher soll nun gelten:
A(1) = 1 = (1|0) a = aA(1) = A(a) = (a|0) (2.26)
4
Hamilton fordert weiterhin die G¨ultigkeit der sog. Produktregel ( |z · w| = |z| · |w|),
deren Hinzunahme diese Definition zwingend macht. Genau nachzulesen ist dies u.a in
[10] S. 54.
10 Grundbegriffe und Einf¨uhrung in die Thematik
2.3.5 i und Summenschreibweise
Letztlich bleibt nur noch die Forderung nach i2 = −1 zu best¨atigen. Jedoch
m¨ussen wir daf¨ur erst einmal wissen, was i ¨uberhaupt ist. Nachdem wir im
vorherigen Kapitel (1|0) mit 1 identifiziert haben, definieren wir nun den
anderen Teil der nat¨urlichen Basis (0|1) zu i = (0|1). Diesmal ist dies nicht
so problematisch, da i selbst kein Element des Skalarenk¨orpers ist. Es zeigt
sich nun sofort, dass auch diese Forderung erf¨ullt ist(0|1) · (0|1) = (−1|0).
Wir haben mit dieser letzten Definition auch die Grundlage f¨ur eine neue
Schreibweise gelegt. Es gilt n¨amlich:
(a|b) = (a|0) + (0|b) = a(1|0) + b(0|1) = a1 + bi = a + bi (2.27)
Nun wird auch ersichtlich, warum es sinnvoll war, die Multiplikation so ob-
skur zu definieren. Wir m¨ussen n¨amlich gar keinen neuen Formalismus er-
lernen, wenn wir mit komplexen Zahlen umgehen wollen, sondern k¨onnen
mit i wie mit einer reellen Unbekannten rechnen. Die einzige Besonderheit
ist, dass man f¨ur i2 auch −1 schreiben darf.
F¨ur zwei Zahlen z, w ∈ C kann man nun (nach dem reellen Formalismus) so
vorgehen:
z · w = (a + bi)(u + vi)
= au + avi + bui + bvi2
= au − bv + avi + bui
= au − bv + i(av + bu) (2.28)
Das Ergebnis ist gerade die Definition 2.9.
2.4 Darstellungsformen und die Gaußsche Ebene 11
2.4 Darstellungsformen und die Gaußsche Ebene
Abbildung 2.1: Gaußsche
Ebene
Auf Gauß geht schließlich die wohl anschau-
lichste Darstellung der komplexen Zahlen
zur¨uck. Zus¨atzlich zu dem reellen “Zah-
lenstrahl” kommt nun noch eine imagin¨are
Achse, die senkrecht auf ihm steht, hin-
zu. Beide zusammen spannen nun die sog.
Gaußsche Zahlenebene auf. Jede (komplexe)
Zahl wird nun durch einen Punkt P in der
Ebene symbolisiert. Die Basis des Vektor-
raums ist durch die 2 Vektoren 1 und i gege-
ben. Diese werden i.d.R. so angeordnet, dass
die reelle Achse (1) horizontal orientiert ist
(X-Achse) und die Achse mit dem Basisvek-
tor (i) senkrecht dazu (Y-Achse) gerichtet
ist.
2.4.1 ¯z, |z|, z > w...
Es gibt einige Operationen, die erst mit Einf¨uhrung der komplexen Zahlen
Sinn bekommen oder nun in einem ganz anderem Licht stehen. In C kennt
man beispielsweise rein-imagin¨are und rein-reelle Zahlen, das sind genau die
Zahlen, bei denen eine Komponente 0 wird. Geometrisch bilden die beiden
Zahlenmengen zusammen die Achsen des Koordinatensystems.
Aus der Summendarstellung, die wir im vorherigen Abschnitt kennengelernt
haben, folgt unter anderem, dass man jede komplexe Zahl(z) in eine Sum-
me zweier Zahlen zerlegen kann, bei denen die eine rein imagin¨ar und die
andere rein reell ist ( z = a1 + bi ). Die reelle Zahl nennt man auch Realteil
(ℜ(z) = a), dementsprechend spricht man bei der 2. Komponente von dem
Imagin¨arteil (ℑ(z) = b). Unter der komplex Konjugierten einer Zahl (z) ver-
steht man die Zahl, die man erh¨alt, wenn man ihren Imagin¨arteil negiert:
¯z = a − bi.
−z erh¨alt man indem man beide Komponenten negiert. Diese Operation
entspricht der Multiplikation mit dem Skalar −1 und liefert das additiv In-
verse (−z = −a − bi).
Die Betragsfunktion einer Zahl gibt ihren Abstand zum 0-Punkt an. Wir
kennen diese Funktion schon aus der reellen Vektorgeometrie: in dieser ist
sie definiert zu
|v| =
√
v · v =
n
r=0
v2
r (2.29)
12 Grundbegriffe und Einf¨uhrung in die Thematik
wobei n hier f¨ur die Dimension des Raumes steht. Der Beweis f¨ur zwei- und
h¨oherdimensionale R¨aume leitet sich aus dem Satz des Pythagoras her.5 Wie
schon erw¨ahnt, ist C nichts anderes als ein Vektorraum der Dimension 2. Es
ist daher sinnvoll, den Betrag analog zu definieren:
|z| = a2 + b2 = ℜ(z)2 + ℑ(z)2 (2.30)
Eine weitere Gr¨oße, die im Zusammenhang mit der Gaußschen Ebene sinn-
voll wird, ist das Argument. Das Argument einer Zahl z gibt den Winkel
zwischen der reellen Achse und der Halbgeraden von 0 durch z an. Es gilt:
tan ϕ = ℑ(z)/ℜ(z), ϕ = Arg(z) (2.31)
Ein fundamentaler Begriff, der in der reellen Algebra h¨aufig verwandt wird,
ist der der Anordnung. Jedem reellen Zahlenpaar kann man eine der 3 Bezie-
hungen =, >, < eindeutig zuordnen. In C ist das nicht mehr ohne weiteres
m¨oglich. Es ist in der Tat nur noch die Relation = bzw. = definiert. Die
Unm¨oglichkeit einer konsistenten <, > Relation l¨asst sich wie folgt zeigen:6
• F¨ur jedes Element z aus C gilt entweder z < 0, z = 0, oder z > 0.
• Aus w > 0 und z > 0 folgt stets w + z > 0, wz > 0 und −z < 0.
F¨ur jedes z = 0 gilt demnach z2 > 0. Insbesondere dann auch 12 > 0, i2 > 0
und 0 = i2 + 1 > 0 ✸ .
2.4.2 Polarkoordinaten
Ein Punkt einer Ebene kann nicht nur eindeutig durch seine Achsenabschnit-
te definiert werden, sondern auch durch die Angabe seines Betrages und
des Arguments. Als Polarkoordinaten einer Zahl z bezeichnet man nun ge-
rade das Zahlenpaar, bestehend aus Betrag und Argument. Zwischen der
Darstellung als Polarkoordinaten und als Achsenabschnitt besteht folgende
Beziehung:
z = a + bi = |z|(cos(ϕ) + i sin(ϕ)), ϕ = Arg(z) (2.32)
2.5 Rechenregeln
Nachdem wir uns den Grundrechenarten schon beim Aufbau des K¨orpers ge-
widmet haben, wollen wir uns nun vor Augen f¨uhren, was diese Definitionen
geometrisch bedeuten.7
5
Bemerkung: Die Definition des Betrages wird i.d.R. ¨uber das Skalarprodukt gef¨uhrt.
Die zweite Beziehung setzt die Verwendung des Standardskalarprodukts vorraus.
6
Beweis entnommen aus [10], S. 56
7
Bemerkung: Wir werden im Folgenden als komplexe Variablen i.d.R. z und w verwen-
den, f¨ur die Zerlegung in Real- und Imagin¨arteil soll die Schreibweise z = zr + izi und
w = wr + iwi sein. F¨ur die Polarkoordinaten gilt stets: Arg(z) = ϕ und Arg(w) = ψ.
2.5 Rechenregeln 13
2.5.1 Die Addition
Die komplexe Addition l¨asst sich als Aneinanderlegen der Ortsvektoren der
Punkte in der Gaußschen Ebene deuten.
Abbildung 2.2: Addition komplexer Zahlen
2.5.2 Die Subtraktion
Die Subtraktion geschieht ebenso wie die Addition. Nur wird nun die (addi-
tiv) Inverse Zahl (-z) addiert. Man spiegelt den Subtrahenden am Ursprung
und addiert ihn zum Minuenden.
Die Differenz zweier komplexer Zahlen gibt zugleich auch den Abstand
zweier Zahlen an.
z − w = z + (−w)
= zr − wr + i(wi − wi) (2.33)
2.5.3 Die Multiplikation
Die Multiplikation wird wohl in der obigen Darstellung die meisten Fragen
offen gelassen haben. Nicht nur, dass sie algebraisch so gut aufgeht, sie l¨asst
sich auch geometrisch sehr anschaulich deuten.
z · w = (zr + izi) · (wr + iwi)
= wrzr + i(wrzi + wizr) + i2
(wizi)
mit i2 = −1
= wrzr − wizi + i(wrzi + wizr) (2.34)
Man k¨onnte nun diesen Term analysieren und sein Gehirn verrenken, um
versuchen zu verstehen, welcher Sinn in dieser Definition steckt. Jedoch l¨asst
14 Grundbegriffe und Einf¨uhrung in die Thematik
Abbildung 2.3: komplexe Multiplikation
sich das auch umgehen. Wir haben n¨amlich noch eine andere Darstellung
kennengelernt, mit der sich das Problem wesentlich eleganter l¨osen l¨asst: Die
Polarkoordinaten.
z = zr + izi
= |z| cos ϕ + i|z| sin ϕ
= |z|(cos ϕ + i sin ϕ) (2.35)
Setzt man nun f¨ur die Multiplikation ein gilt:
z · w = |z|(cos ϕ + i sin ϕ) · |w|(cos ψ + i sin ψ)
= |z||w|[(cos ϕ cos ψ − sin ϕ sin ψ)
+i(cos ϕ sin ψ + sin ϕ cos ψ)] (2.36)
Es scheint zun¨achst so, als w¨aren wir nicht wesentlich weiter gekommen,
doch lassen sich nun die Additionstheoreme aus Klasse 10 anwenden. Man
erh¨alt so:
w · z = |z||w|[(cos ϕ cos ψ − sin ϕ sin ψ)
+i(cos ϕ sin ψ + sin ϕ cos ψ)]
= |z||w|[cos(ϕ + ψ) + i sin(ϕ + ψ)] (2.37)
Analysiert man nun das Ergebnis, so erkennt man, dass die komplexe
Multiplikation eine Drehstreckung bewirkt. Der Betrag der Ausgangszahl
wird um den Betrag des Multiplikators gestreckt und der Winkel des Mul-
tiplikators wird addiert.
2.5.4 Die Division
¨Ahnlich wie bei der Subtraktion wird die Division durch eine Multiplikation
mit dem Inversen durchgef¨uhrt. Um z−1 zu erhalten, ohne die Division vor-
2.5 Rechenregeln 15
wegzunehmen, bedient man sich eines Tricks. Wenn man eine Zahl an der
reellen Achse spiegelt, erh¨alt man die sogenannte konjugiert-komplexe Zahl.
Es gilt:
z · ¯z = (zr + izi)(zr − izi)
= z2
r − izrzi + izizr − i2
r2
i
= z2
r + r2
i
= |z|2
(2.38)
z−1 erh¨alt man nun durch Erweitern mit ¯z:
1
z
=
¯z
z¯z
= ¯z
1
|z|2
(2.39)
Die Division ergibt sich also wie folgt:
z
w
=
z ¯w
|w|2
=
|z||w|
|w|2
(cos ϕ + i sin ϕ)(cos ψ − i sin ψ)
=
|z|
|w|
(cos(ϕ − ψ) + i sin(ϕ − ψ)) (2.40)
Es wird wiederum gedreht und gestreckt. Der Betrag des Dividenden wird
durch den des Divisors geteilt und das Argument des Quotienten ergibt
sich als Differenz der beiden Ausgangszahlen. Man dreht gewissermaßen
r¨uckw¨arts und staucht den erhaltenen Vektor um |w|.
Kapitel 3
H¨ohere Rechenarten
3.1 Potenzen
Ein mathematisch pr¨aziser Potenzbegriff l¨asst sich erst mit Zuhilfenahme
der Exponentialfunktion und des Logarithmus definieren, die jedoch noch
nicht behandelt wurden. Wir k¨onnen an dieser Stelle aber sehr wohl verste-
hen, was eine Potenz einer komplexen Zahl prinzipiell bedeutet.
Potenzen sind grunds¨atzlich auch im Komplexen eine abk¨urzende Schreib-
weise f¨ur eine wiederholte Multiplikation. Sei n eine nat¨urliche Zahl, so sind
folgende Beziehungen einleuchtend.
z = |z|(cos(ϕ) + i sin(ϕ))
z1
= z = |z|1
(cos(1ϕ) + i sin(1ϕ))
z2
= zz = |z|2
(cos(2ϕ) + i sin(2ϕ))
z3
= zzz = |z|3
(cos(3ϕ) + i sin(3ϕ))
zn
= zz...z = |z|n
(cos(nϕ) + i sin(nϕ)) (3.1)
Die Definition stellt sich auch als sinnvoll f¨ur negative Exponenten heraus.
Wir hatten bereits in Kapitel 1 ¨uber 1
z = z−1 gesprochen. Wendet man 3.1
an, so ergibt sich:
z−1
= |z|−1
(cos(−ϕ) + i sin(−ϕ)) =
|z|(cos(−ϕ) + i sin(−ϕ))
|z|2
=
¯z
|z|2
Aus diesen Gleichungen folgt auch unmittelbar die G¨ultigkeit der Potenzge-
setze:
zn
zm
= z(n+m)
, zn
wn
= (zw)2
, (zn
)m
= znm
(3.2)
F¨ur n aus Q und R ist die Beziehung 3.1 auch erf¨ullt. Es wird jedoch auf
die Gr¨unde hier nicht weiter eingegangen. 1
1
Nachzulesen ist die genaue Definition z.B. [4] Bd. 2, S.568
3.1 Potenzen 17
3.1.1 Moivresche Formeln
Im letzten Absatz haben wir v¨ollig außer Acht gelassen, dass man Poten-
zen mit nat¨urlichen Exponenten auch nach dem Binomiallehrsatz entwickeln
darf. Es gilt nach wie vor:
((cos(ϕ) + i sin(ϕ))n
= cosn
(ϕ)
+i
n
1
cosn−1
(ϕ) sin1
(ϕ)
−
n
2
cosn−2
(ϕ) sin2
(ϕ)
−i
n
3
cosn−3
(ϕ) sin3
(ϕ)...
= cos(nϕ) + i sin(nϕ) (3.3)
Da der Binomialkoeffizient n
m f¨ur m > n dauerhaft 0 wird, darf man sich
die Reihe bis ins Unendliche fortgesetzt denken. Zu beachten ist weiterhin,
dass die entsprechenden Potenzen f¨ur i direkt eingesetzt wurden. Nimmt
man die Reihe nun auseinander und trennt nach Real- und Imagin¨arteil, so
kommt man auf die Moivresche Formeln:
sin(nϕ) =
n
1
cosn−1
(ϕ) sin1
(ϕ) −
n
3
cosn−3
(ϕ) sin3
(ϕ) + −...(3.4)
cos(nϕ) =
n
0
cosn
(ϕ) −
n
2
cosn−2
(ϕ) sin2
(ϕ) + −... (3.5)
3.1.2 Wurzeln
Da wir nun schon die Potenzen kennengelernt haben, liegt es nahe auch
die Umkehrfunktion zu diskutieren. Wir unterscheiden grunds¨atzlich zwei
verschiedene Typen von Wurzeln: die einen kennen wir aus der Mittelstufe,
sie sind das Resultat einer Intervallschachtelung und sind nur in R+ definiert.
Die andere allgemeinere Form ist die, mit der wir uns hier besch¨aftigen
wollen. Der Definitionsbereich dieser Wurzel ist ganz C.
Es wird sich zeigen, dass diese Wurzeln i.d.R. nicht eindeutig sind, so gilt
z.B. i2 = −1 und (−i)2 = −1. Dieser Widerspruch kommt daher, dass eine
Zahl sich nicht ver¨andert, wenn man zu ihrem Argument 2π addiert. Eine
kleine Rechnung illustriert diese Tatsache:
zn
= w
⇔ z = n
√
w
= n
|w|(cos(ψ + 2kπ) + i sin(ψ + 2kπ)) , k ∈ N
= n
|w|(cos(
ψ
n
+
2kπ
n
) + i sin(
ψ
n
+
2kπ
n
)) (3.6)
18 H¨ohere Rechenarten
Abbildung 3.1: Dritte Wurzeln einer Zahl
Wir ziehen also die n-te Wurzel, indem wir das Argument der Ausgangs-
zahl durch n teilen und vom Betrag die reelle Wurzel ziehen. Das ist der
sogenannte Hauptwert der Wurzel. Die Nebenwerte liegen in symmetrischen
Abst¨anden von diesem Hauptwert entfernt. Der Parameter k durchl¨auft da-
bei die Werte 0 bis n. Alle die so erzeugten Werte erzeugen ein regelm¨aßiges
n-Eck um den Ursprung, wobei die Orientierung durch den Hauptwert schon
eindeutig bestimmt ist.
Als Einheitswurzeln werden alle L¨osungen der Gleichung zn = 1 bezeichnet.
3.1.3 Beispiele
Mit Kenntnis des Formalismus l¨asst sich die Beziehung 2.2 ganz einfach
nachrechnen:
1 +
√
−3 + 1 −
√
−3 =
√
6 |()2
( 1 +
√
−3 + 1 −
√
−3)2
= 6 |mit i2
= −1
( 1 + i
√
3 + 1 − i
√
3)2
= 6 |bin. F.
(1 + i
√
3) + 2 (1 − i
√
3)(1 + i
√
3) + (1 − i
√
3) = 6 |3. bin. F.
2 + 2 1 − (i
√
3)2 = 6
2 + 2
√
4 = 6
Wie wichtig die Unterscheidung der Werte der Wurzel ist, illustriert folgende
Rechnung.
1 =
√
1 = (−1)(−1) =
√
−1
√
−1 = i2
= −1 (3.7)
3.2 Riemannsche Fl¨achen 19
z-Ebene w-Ebene
Abbildung 3.2: Ausgangs- und Bildmenge zu z → z2
Man sollte es vermeiden, die beiden Wurzelsorten durcheinanderzuwerfen,
ohne genau darauf zu achten, was man gerade tut. Eine Definition wie√
−1 = i liest man zwar nicht selten, ist aber irref¨uhrend bzw. falsch.
3.2 Riemannsche Fl¨achen 2
Wir betrachten nun eine Zuordnung der Form
w = z2
(3.8)
Diese Vorschrift ordnet jedem Punkt z der Gaußschen Ebene einen zwei-
ten Punkt zu. Dieser wird in der Regel in einem anderem Koordinatensys-
tem dargestellt. Man spricht daher von einer z-Ebene, auf der z variiert
wird und dementsprechend von einer w-Ebene, auf der sich die abgebilde-
ten Punkte befinden. Die w- und z-Ebene sind sind im Prinzip analog zu
der X- und Y-Achse eines normalen “Koordinatensystems”, jedoch reichen
bei diesem 2 Dimensionen aus, um den Definitionsbereich und den Wertebe-
reich darzustellen. Im Komplexen werden die Abbildungen gewissermaßen 4-
dimensional, was sich fast immer negativ auf die ¨Ubersichtlichkeit auswirkt.
Trotzdem gibt es einige M¨oglichkeiten komplexwertige Funktionen auch auf
einem Blatt Papier vern¨unftig wiederzugeben. Neben der Aufteilung auf 2
Ebenen lassen sich auch 2 Ober߬achen im Raum, farbliche Codierungen oder
Parametrisierungen als Hilfsmittel verwenden, von denen auch in dieser Ar-
beit Gebrauch gemacht werden wird.
Wir wollen uns nun anschauen, wie diese Abbildung Punkte der Ebene
transformiert. Betrachten wir zun¨achst die rechte H¨alfte der z-Ebene, ge-
nauer: wir betrachten alle Zahlen der gesamten Ebene, f¨ur die gilt ℜ(z) > 0
oder
arg(z) ∈] −
π
2
..
π
2
[ ∧ |z| > 0
2
Die Reihenfolge der Darstellung lehnt sich an [4] Bd.2 S. 591 ff
20 H¨ohere Rechenarten
Der “Rand” soll also nicht mehr zu der Ebene geh¨oren. Wir wollen diese
Halbebene von jetzt an auch E0 nennen.
E0 = {z|z ∈ C, arg(z) ∈] −
π
2
..
π
2
[ ∧ |z| > 0} (3.9)
Wenden wir nun die Zuordnungsvorschrift 3.8 an, so zeigt sich, dass je-
der Punkt dieser Ebene einem Punkt der gesamten Ebene zugeordnet wird.
Die Bildmenge der E0-Ebene deckt die komplette w-Ebene bis auf den von
0 ausgehenden Halbstrahl in negativer x-Richtung (τ) ab. In Formeln:
z2
= |z|2
(cos(2ϕ) + i sin(2ϕ)) = w (3.10)
⇒ arg(w) = 2ϕ (3.11)
⇒ |w| = |z|2
(3.12)
z ∈ E0 ⇒ |z| ∈]0.. + ∞[⇒ |z|2
= |w| ∈]0.. + ∞[ (3.13)
z ∈ E0 ⇒ ϕ ∈] −
π
2
..
π
2
[⇒ 2ϕ = ψ ∈] − π..π[ (3.14)
E1 = {w|w ∈ C, ψ ∈] − π..π[∧|w| ∈]0.. + ∞[} (3.15)
Diese Abbildung bildet Halbkreise (um den Ursprung) in E0 auf Vollkreise
in E1 ab. Der Halbstrahl in positiver X-Richtung wird auf sich selber abge-
bildet, was mit der Aussage ¨aquivalent ist, dass das Quadrat einer positiven
reellen Zahl auch eine positive reelle Zahl ist.
Es zeigt sich weiterhin, dass f¨ur jedes w ∈ E1 ein und nur ein z ∈ E0
existiert, so dass gilt: z2 = w. Diese Aussage macht es uns m¨oglich eine
eindeutige Umkehrfunktion zu definieren:
√
w. Wir betrachten also jeweils
nur den Hauptwert der Wurzelfunktion. Offensichtlich wird nun durch sie
E1 in E0 abgebildet.
Betrachten wir nun die linke H¨alfte der z-Ebene (E0), wobei wir auch hier
wieder den Rand ausschließen. Die dort liegenden Zahlen haben einen Real-
teil kleiner 0 und somit eine Argument zwischen π
2 und 3π
2 . Quadrieren wir
die Elemente dieser Menge, erreichen wir wiederum alle Zahlen der w-Ebene
bis auf den Halbstrahl τ:
E′
0 = {z|z ∈ C, ℜ(z) < 0}
= {z|z ∈ C, Arg(z) ∈]
π
2
..
3π
2
[ ∧ |z| ∈]0.. + ∞[}(3.16)
⇒ Arg(z2
) ∈ ] − π..π[und
|z2
| ∈ ]0.. + ∞[ (3.17)
⇒ E′
1 = {w|w ∈ C, ψ ∈] − π..π[∧|w| ∈]0.. + ∞[} (3.18)
= E1
3.2 Riemannsche Fl¨achen 21
Abbildung 3.3: zweibl¨attrige
w-Ebene
Bei der Umkehrabbildung
√
w haben wir
auch wieder kein Problem im Hinblick auf
die Eindeutigkeit, da wir nun die Werte an-
schauen, die nicht mit dem Hauptwert zu-
sammenfallen.
W¨urde man nun E0 und E′
0 vereinigen,
m¨usste man wieder die Bijektivit¨at opfern.
Um dies zu vermeiden, denkt man sich E′
1
als unter E1 liegend. Die beiden Fl¨achen
(oder Bl¨atter) sind dann entlang τ so ver-
bunden, dass der obere Rand von E1 mit
dem untern von E′
1 und der untere Rand
von E1 mit dem oberen von E′
1 zusammenfallen. 3 Die beiden Ebenen sind
weiterhin am 0-Punkt zusammengeheftet, da dieser nur einmal vorhanden
ist. Es besteht keine Verbindung zwischen dem oberen und unteren Rand ein
und derselben Ebene. L¨asst man einen Zeiger fester L¨ange auf der z-Ebene
1.Blatt
2.Blatt
Abbildung 3.4: Querschnitt durch eine zweibl¨attrige Riemannfl¨ache
um den Ursprung rotieren, so wechselt das Bild dieses Zeigers bei jedem Um-
lauf von einem Blatt ins andere. Diese Systeme von Fl¨achen gehen auf den
deutschen Mathematiker Friedrich Riemann zur¨uck. Man nennt sie daher
auch Riemannsche Fl¨achen. In unserem Beispiel haben wir die 2-bl¨attri-
ge Riemannsche Fl¨ache der Funktion z → z2 untersucht. Die Riemannsche
Fl¨ache der Abbildung z → z4 s¨ahe dementsprechend so aus.
1.Blatt
4.Blatt
Abbildung 3.5: Querschnitt durch eine vierbl¨attrige Riemannfl¨ache
3
In Dreidimensionalen ist eine solche Verbindung nicht ohne ¨Uberschneidung darzu-
stellen. Dieser kommt mathematisch jedoch keine Bedeutung zu.
22 H¨ohere Rechenarten
3.3 Die Exponentialfunktion
3.3.1 Die Eulerformeln
Um 1748 ver¨offentlichte der ¨osterreichische Mathematiker Leonard Euler
seine “Introductio in Analysin infinitorum”, in der sich unter anderem die
Herleitung der folgenden Formeln findet:
eiz
= cos z + i sin z (3.19)
⇒ cos z =
eiz + e−iz
2
(3.20)
⇒ sin z =
eiz − e−iz
2i
(3.21)
3.3.2 Herleitung aus den Potenzreihen
Um diese Beziehungen zu beweisen, werden die definierenden Potenzreihen
benutzt, die aus der Mittel- bzw. Oberstufe bekannt sind.
ex
=
∞
n=0
xn
n!
(3.22)
cos x =
∞
n=0
(−1)n
(2n)!
· z2n
(3.23)
sin x =
∞
n=0
(−1)n
(2n + 1)!
· z2n+1
(3.24)
F¨ur 3.19 w¨urde der Beweis dem folgendem Muster entsprechen (vgl. [12]
S.35):
cos ϕ = 1 −
ϕ2
2!
+
ϕ4
4!
−
ϕ6
6!
... (3.25)
+ i sin ϕ = iϕ −
iϕ3
3!
+
iϕ5
5!
... (3.26)
= eiϕ
= 1 + iϕ −
ϕ2
2!
−
iϕ3
3!
+
ϕ4
4!
+
iϕ5
5!
−
ϕ6
6!
... (3.27)
= 1 + iϕ −
(iϕ)2
2!
−
(iϕ)3
3!
+
(iϕ)4
4!
+
(iϕ)5
5!
−
(iϕ)6
6!
(3.28)
Dies ist zwar kein strenger Beweis, macht aber deutlich, dass die erste Eu-
lerformel (3.19) aus der reellen Definition hervorgeht und wohl richtig ist.
Der folgende Abschnitt lehnt sich an [4] Band 2, S.558:
“Man h¨atte die Exponentialfunktion auch anders definieren k¨onnen, da eine
Potenz mit komplexen Exponenten von sich aus keine Bedeutung hat. Wir
k¨onnen nur entscheiden, ob eine getroffene Wahl sinnvoll ist. Gr¨unde, die
f¨ur die obige Definition sprechen, sind, dass sie sich f¨ur reelle Exponenten
3.3 Die Exponentialfunktion 23
mit der “normalen” Exponentialfunktion deckt, dass die Additionstheoreme
erf¨ullt sind; und vor allem zeigt eine analytische Fortsetzung in der Funk-
tionentheorie, dass jede andere Deutung sehr unzweckm¨aßig w¨are.”
3.3.3 Beziehung zu den Kreisfunktionen
Diese tiefliegende Verwandtschaft zwischen den trigonometrischen Funktio-
nen und der Exponentialfunktion l¨asst sich sehr gut geometrisch veranschau-
lichen:
w = ez
= ezr+izi
= ezr
· eizi
= ezr
(cos zi + i sin zi) = |w| · eiψ
(3.29)
Abbildung 3.6: Parametrischer
Plot der Funktion eit
wobei ψ = zi und |w| = ezr
.
Es zeigt sich also, dass die Exponenti-
alfunktion nun kreis¨ahnliche Eigenschaf-
ten hat. Ver¨andert man ψ = zi dreht
sich der Bildpunkt auf der Gaußschen-
Ebene um den Ursprung. Eine Ver¨ande-
rung des Betrags bzw. des Realteils des
Ausgangswertes hat indes Auswirkung
auf die L¨ange des Zeigers.
Die erste Abbildung (3.3.3) zeigt
einen (parametrischen) Plot der Expo-
nentialfunktion 3.29, wobei |w| = 1 =
cost. und ψ variiert wurde. Abbildung
3.3.3 zeigt denselben Sachverhalt, nur dass hier die einzelnen Komponen-
ten jede f¨ur sich geplottet wurden (Imagin¨arteil gr¨un).
Abbildung 3.7: Plot des Real und Imagin¨arteils der Funktion eit
24 H¨ohere Rechenarten
3.3.4 Polarkoordinaten
Auff¨allig sind des Weiteren die ¨Ahnlichkeiten zu den Polarkoordinaten, bei
denen ebenfalls Winkel und Betr¨age zur Abbildung der Zahlen angegeben
werden.
arg(z) = ϕ; |z| = |z| (3.30)
z = |z|(cos ϕ + i sin ϕ) = |w| eiϕ
(3.31)
Durch bloße ¨Aquivalenzumformung k¨onnen wir die schreibaufwendigen Tri-
gonometrischen Funktionen in der Exponentialfunktion verpacken, weshalb
von nun an nur noch die Schreibweise 3.30 f¨ur die Polarkoordinaten verwen-
det werden wird.
3.3.5 Sonderf¨alle und Beispiele
Welche Folgen hat das f¨ur das Verhalten der Exponentialfunktion ? Aus
3.29 geht unter anderem hervor, dass die komplexe Exponentialfunktion pe-
riodische Eigenschaften hat. Die Periode ist 2πi, das entspricht einem vollen
Umlauf um den Ursprung. Daher gilt:
ez
= ez+2kπi
k ∈ Z (3.32)
Insbesondere ist:
e0iπ
= 1; eiπ
2 = i; eiπ
= −1; ei3π
2 = e−iπ
2 = −i;
ei2π
= i (3.33)
Die eigentliche Revolution an dieser Entdeckung war, dass es nun m¨oglich
wurde die trigonometrischen Additionstheoreme etc. durch die Potenzge-
setze zu umschiffen. Diese Tatsache schafft den komplexen Zahlen heute
auch ihre Hauptanwendungsgebiete. So berechnen Elektriker Wechselstrom-
widerst¨ande selten mit Zeigerdiagrammen, sondern setzten als Wiederst¨ande
komplexe Zahlen ein. Die Mathematik liefert dann die richtigen Ergebnisse
quasi automatisch. (Vgl. Kapitel 4)
3.3.6 Ganzheitliche Darstellung
Das ist ein Plot der Exponentialfunktion, wobei der Realteil der Ausgangs-
werte auf der Y Achse und der Imagin¨arteil auf der X Achse variiert werden.
Das schwarze Gitter ist der Realteil des Ergebnisses, das gr¨une der imagin¨are
Wert. Gut zu erkennen sind die exponentielle Grundstruktur der Funktion
und die periodischen Eigenschaften, die sie “vom Sinus geerbt” hat. Schnei-
det man eine Ebene bei x=0 durch die Abbildung, so ist die Schnittfigur die
reelle e-Funktion in Schwarz und ein bei 0 konstante Imagin¨arteil.
3.4 (−e)x 25
Abbildung 3.8: Surfaceplot des Real- und Imagin¨arteils der Exponential-
funktion
3.4 (−e)x
Im Mathematikunterricht bei der Behandlung der Exponentialfunktion stell-
te sich mir die Frage, wie sich die Funktion wohl bei Einsetzung negativer
Basen verhalten w¨urde. Eines stand auf jeden Fall fest: Sie verh¨alt sich ex-
trem “komisch”. Man kann zwischen den ganzzahligen Exponenten, f¨ur die
sie definiert ist, nicht sinnvoll interpolieren (wie z.B. bei n! mit der Gam-
mafunktion), jedoch scheint sich die Einh¨ullende exponentiell zu verhalten.
Im Rahmen meiner Nachforschungen ¨uber komplexe Zahlen ließen sich die-
se h¨ochst verwirrenden Tatsachen in einen einleuchtenden Zusammenhang
bringen. Zun¨achst habe ich die Exponentialfunktion f¨ur extreme Basiswerte
untersucht:
lim
k→0
kx
= lim
k→∞
k−x
(3.34)
Wenn man sich den zugeh¨origen Funktionsgraphen (bzw. die Kurvenschar)
f¨ur extrem kleine Basen anschaut, wird man als Grenzfigur eine rechtwinklige
“Ecke” finden, die den 1. Quadranten begrenzt. Um nun auch negative Basen
zu behandeln, formen wir zun¨achst um:
kx
= eln((k)x)
= ex ln(−1·−k)
= ex ln(−1)+x ln(−k)
= eixπ
ex ln(−k)
(3.35)
ln(k) wird f¨ur kleine k sehr stark negativ, daher ist wiederum ein Knick
bei x = 0 zu erwarten. Zwar wird sich die Funktion infolge des Terms eixπ
26 H¨ohere Rechenarten
Schnitt bei x = 0 Schnitt bei y = 0
Schnitt bei x = 0.35π Schnitt bei x = 0, 5π
Abbildung 3.9: Schnitte durch 3.8
3.4 (−e)x 27
stets spiralf¨ormig um die x-Achse winden, jedoch strebt der Radius dieser
Bewegung gegen unendlich.
ex ln(−k)
= eln(−k)x
= (−k)x
(3.36)
Dieser Teil der Funktion ist rein reell. Eklatant f¨allt nun die ¨Ahnlichkeit
zur Ausgangsgleichung auf. Es ist einsichtig, dass die Grenzfigur f¨ur kleine
k wieder eine den 1.Quadranten begrenzende Ecke sein wird.
eixπ
= cos(πx) + i sin(πx) (3.37)
Dieser Teil bringt nun komplexe Zahlen ins Spiel. Die Nullstellen des Ima-
gin¨arteils fallen mit den ganzen Zahlen zusammen, was einsichtig macht,
warum man diese im Reellen berechnen kann.
Fassen wir nun noch einmal zusammen:
• F¨ur sehr große k entartet die Funktion zu einer den 2.
Quadranten begrenzenden Ecke.
• F¨ur endliche, positive k > 1 hat die Exponentialfunk-
tion ihre wohlbekannte Form.
• F¨ur k=1 ist die Funktion konstant 1
• F¨ur k < 1 l¨asst sich der Kehrwert einer Basis > 1
als negativer Exponent in den Exponenten ziehen. Als
geometrische Operation gedeutet, l¨asst sich das neue
Vorzeichen als Achsenspiegelung an der y-Achse deu-
ten.
• F¨ur unendlich kleine k mutiert die Kurve zu einer den
1.Quadranten begrenzenden Kurve.
• Beim ¨Ubergang ins Negative windet die Kurve unend-
lich oft um die x-Achse, wobei wiederum die Grenz-
figur f¨ur große (negative) k eine den 1. Quadranten
begrenzende Ecke darstellt.
28 H¨ohere Rechenarten
• F¨ur k zwischen 0 und −1 ist die Kurve eine Spirale,
die f¨ur negative x einen großen, f¨ur positive x einen
kleinen Radius hat.
• F¨ur k = −1 hat sie die Form einer gleichf¨ormigen Spi-
rale.
• F¨ur Negative k < −1 ist sie wiederum spiralf¨ormig,
jedoch steigt der Radius mit wachsendem x.
• l¨asst man nun k gegen minus unendlich gehen, n¨ahert
sich die Figur wieder dem Graphen f¨ur stark positive k
an: extrem kleine Betr¨age f¨ur negative x-Werte, extrem
große Radien f¨ur positive x-Werte. 4
4
Es w¨are mal ganz interessant, eine geeignete Projektion der Kurvenschar auf der
Riemannkugel zu betrachten,
3.5 Hyperbolische Funktionen 29
3.5 Hyperbolische Funktionen
Abbildung 3.10: cosh und
sinh
Die sogenannten Hyperbelfunktionen haben
große ¨Ahnlichkeit mit den trigonometrischen
Funktionen am Kreis (x2 + y2 = 1). Anders als
der Sinus und der Kosinus beschreiben der Sinus-
bzw. Kosinus hyperbolicus (sinh, cosh) die Hy-
perbel (x2 − y2 = 1). Definiert sind sie als:
sinh = 1 +
z2
2!
+
z4
4!
+ . . .
=
ez − e−z
2
(3.38)
cosh = z +
z3
3!
+
z5
5!
+ . . .
=
ez + e−z
2
(3.39)
Auff¨allig ist vor allem die ¨Ahnlichkeit zu 3.20 und 3.21, in der die Kreis-
funktionen definiert wurden. Es gilt sogar
sinh(x) = −i sin(ix); cosh(x) = cos(ix) (3.40)
In der Tat sind sie sich so ¨ahnlich, dass man viele Eigenschaften einfach
¨ubertragen kann:
1. Die Additionstheoreme sind erf¨ullt:
sinh(z1 + z2) = cosh z1 cosh z2 + sinh z1 sinh z2 (3.41)
cosh(z1 + z2) = cosh z1 sinh z2 + sinh z1 cosh z2 (3.42)
Zum Vergleich
sin(z1 + z2) = cos z1 cos z2 + sin z1 sin z2 (3.43)
cos(z1 + z2) = cos z1 sin z2 + sin z1 cos z2 (3.44)
2. Aus
sinh(x) = − sinh(−x) cosh(x) = cosh(−x) (3.45)
folgt, dass der hyperbolische Cosinus eine gerade und der Sinus eine
ungerade Funktion ist.
3. Beide Funktionen sind periodisch. Es gilt
sinh(x) = sinh(x + 2kπi) (3.46)
cosh(x) = cosh(x + 2kπi) k ∈ Z (3.47)
30 H¨ohere Rechenarten
Abbildung 3.11: Surfaceplot des Kosinus Hyperbolicus
Wie die hyperbolischen Funktionen im Reellen erben nun auch die Kreis-
funktionen exponentielle Eigenschaften. Diese Grafik zeigt den Kosinus hy-
perbolicus. Auf der x-Achse wird der Realteil des Ausgangswertes, auf der
y-Achse der Imagin¨arteil variiert. In der 3. Dimension ist grau der Real- und
schwarz der Imagin¨arteil dargestellt. Betrachtet man eine Schnittebene bei
x=0, kann man den Verlauf des cosh im grauen Gitter erkennen. Schlecht
zu erkennen ist, dass der Imagin¨arteil auf dieser Ebene konstant 0 ist. Ein
Schnitt bei y=0 liefert einen bei Null konstanten Realteil und einen sinus-
bzw. kosinusf¨ormigen Verlauf des Imagin¨arteils (schwarz).
Abbildung 3.12: Surfaceplot des Kosinus
3.12 zeigt den “normalen” Kosinus. Die Verteilung der Variablen auf
die Achsen ist analog zur obigen Abbildung. Schneidet man nun bei einem
Imagin¨arteil von 0(=x) durch die Graphen, so ergibt sich ein konstanter
Imagin¨arwert bei 0 und die Kosinusfunktion als reeller Teil (wie auch nicht
3.5 Hyperbolische Funktionen 31
anders zu erwarten). Setzt man nun den Realteil des Ausgangswertes gleich
0, erh¨alt man den Kosinus hyperbolicus als Verlauf des Imagin¨arwertes.
Dieses Beispiel veranschaulicht auf verbl¨uffende Weise a) den Zusam-
menhang der hyperbolischen Funktionen mit den Kreisfunktionen, b) die
Bedeutung einer Multiplikation mit i als Drehung um 90 Grad (vgl. 3.40)
und c) die Gemeinsamkeiten mit der Exponentialfunktion(vgl. 3.20,3.21).
Schnitt bei y = 0 Schnitt bei x = 0
Schnitt bei y = 0.35π Schnitt bei x = 0, 35π
Schnitt bei y = 0.5π Schnitt bei x = 0, 5π
Abbildung 3.13: Schnitte durch den cosh
32 H¨ohere Rechenarten
3.6 Der Logarithmus
Der Logarithmus ist im Reellen wie im Komplexen als Umkehrfunktion der
Exponentialfunktion definiert. Im Komplexen hat man mit einigen Proble-
men zu k¨ampfen, die im Reellen nicht auftreten. Die Exponentialfunktion
ist n¨amlich nicht mehr streng monoton, sondern periodisch, was zur Folge
hat, dass eine Umkehrabbildung niemals eindeutig sein kann. Man spricht
daher von der sogenannten Hauptabbildung, deren imagin¨arer Teil zwischen
] − π.. + π]gelegen ist. Die Nebenwerte des Logarithmus unterscheiden sich
jeweils nur um additiv hinzukommende Vielfache von 2πi. Es folgt:
ln z = LN(z) + k2πi k ∈ Z (3.48)
wobei LN f¨ur den Hauptwert stehen soll. Um nun konkrete Werte f¨ur den
Logarithmus zu erhalten, bringen wir die Zahlen in ihre Darstellungsform
als Polarkoordinaten und logarithmieren die Gleichung
w = |w|eix
| ln() x ∈ R
ln(w) = ln(|w|eix
)
= ln(|w|) + ix (3.49)
3.7 Differentialrechnung
Um die physikalischen Anwendungen zu verstehen, ist es notwendig, sich
mit der Ableitung komplexer Funktionen etwas n¨aher zu besch¨aftigen (oder
sie zumindest kurz anzuschneiden). Die Ableitung d/dx ist durch den Diffe-
rentialquotienten definiert, weshalb wir ihn nun mit einer komplexwertigen
Funktion ( z(t) = a(t) + i(b(t)))untersuchen:
d
dt
z(t) = lim
∆t→0
z(t + ∆t) − z(t)
∆t
= lim
∆t→0
a(t + ∆t) + ib(t + ∆t)) − (a(t) + ib(t))
∆t
= lim
∆t→0
a(t + ∆t) − a(t)
∆t
+ i
b(t + ∆t) − ib(t)
∆t
= lim
∆t→0
a(t + ∆t) − a(t)
∆t
+ lim
∆t→0
i
b(t + ∆t) − ib(t)
∆t
=
d
dt
a(t) + i
d
dt
b(t) (3.50)
Es zeigt sich also, dass man Imagin¨arteil und Realteil getrennt voneinander
differenzieren und i wie einen konstanten Faktor behandeln kann. 5 Die nun
5
Anmerkung: In der Vektoranalysis differenziert man auch, indem man die einzelnen
Komponenten getrennt voneinander ableitet.
3.7 Differentialrechnung 33
entstandene komplexe Zahl l¨asst sich als Geschwindigkeitsvektor deuten. Die
2. Ableitung liefert dementsprechend den Beschleunigungsvektor.
Wir wollen dies einmal am Beispiel der Exponentialfunktion verdeutli-
chen:
z(x) = |z|eiωx
= |z|(cos(ωx) + i sin(ωx))
d
dx
z(x) = |z|(−ω sin(ωx) + iω cos(ωx))
= |z|iω(−
sin(ωx)
i
+ ω cos(ωx))
= |z|iω(cos(ωx) +
i2
i
sin(ωx))
= |z|iω eiωx
d2
dx2
z(x) = −|z|ω2
eiωx
(3.51)
Abbildung 3.14: geometrische Deutung des Beispiels 3.51
Kapitel 4
Anwendungen in der Physik
4.1 Die harmonische Schwingung
m a
D x
Abbildung 4.1: freie
Schwingung
Es hat sich gezeigt, dass komplexe Zahlen ein her-
vorragendes Mittel zur Beschreibung von Kreis-
bahnen sind. Daher liegt es nahe, die harmoni-
sche Schwingung als Funktion komplexer Zahlen
aufzufassen. 1 Die Differentialgleichung der har-
monischen Schwingung lautet:
m · a = −Dx
wobei m die Masse, a die Beschleunigung, D die
Federkonstante und x die Elongation ist. Da die
Beschleunigung ja bekanntermaßen die 2. Ablei-
tung des Ortes ist (vgl. [1]), gilt weiterhin:
m ·
d2
dt2
x = −Dx (4.1)
Im Reellen wird i.a. die Funktion
x0 cos(wt + ∆) (4.2)
als L¨osung angegeben. Im Komplexen sind auch noch andere L¨osungen
m¨oglich.2 Da die komplexe Exponentialfunktion die Eigenschaft f(x) =
−kf′′(x) besitzt, kann auch
x0eiωt+∆
(4.3)
die Gleichung l¨osen. Wir setzen ein und l¨osen nach ω auf. Es ergibt sich:
1
Der Einsatz komplexer Zahlen ist hier nat¨urlich ¨ubertrieben, da die reelle L¨osung
wesentlich intuitiver zug¨anglich ist.
2
Man kann beweisen, dass sich alle L¨osungen dieser Differentialgleichung in der Form
4.2 schreiben lassen. Dies wird auch im Komplexen nicht anders, da nur der Realteil der
Funktion betrachtet wird und dieser wiederum sinusf¨ormig ist.
4.1 Die harmonische Schwingung 35
m
d2
dt2
x = −D x
⇒ −mx0ω2
eiωt+∆
= −Dx0eiωt+∆
| : x0eiωt+∆
(4.4)
⇔ −mω2
= −D
⇔ ω = ±
D
m
(4.5)
Der Vektorraum der L¨osungen der DGl wird also durch
L(t) = Ae
it D
m + Be
−it D
m (4.6)
aufgespannt (wobei A und B beliebige reelle Konstanten). Mit 2Re(z) = z+¯z
und 2iIm(z) = z − ¯z und ¯eiϕ = e−iϕ gilt:
L1(t) =
A
2
(e
it D
m − e
−it D
m ) = Re(L(t)) (4.7)
= A cos(t
D
m
) (4.8)
L2(t) =
B
2i
(e
it D
m + e
−it D
m ) = Im(L(t)) (4.9)
= B sin(t
D
m
) (4.10)
Die allgemeine L¨osung ist wieder eine Linearkombination der neuen Basen.
Mit den Additionstheoremen erh¨alt man:
x(t) = x0 cos(t
D
m
+ ∆) (4.11)
Der freie Parameter x0 kann als maximale Elongation der Schwingung ge-
deutet werden, ∆ als Phasenverschiebung.
4.1.1 D¨ampfung
In der Natur wird man nur ¨außerst selten Schwingungen antreffen, die so
“sauber” sind, wie die oben beschriebene. Abgesehen davon, dass sie in der
Regel nicht nur in einer Dimension stattfinden, sind sie durch Luftwider-
stand oder sonstige Reibungskr¨afte ged¨ampft. Die im Zusammenhang mit
Schwingungen am h¨aufigsten auftretende Reibung ist die nach Stokes 3. Es
ist in diesem Rahmen wohl auch nur sinnvoll, diese Reibung zu behandeln,
da z.B. eine Coulomb-Reibung sich nur in den Koeffizienten bemerkbar ma-
chen w¨urde und kompliziertere Reibungsmodelle aus der Str¨omungslehre den
Rahmen sprengen w¨urden.
3
George Gabriel Stokes (1819- 1903), u.a. Pr¨asident der Royal Society, in der auch
schon I. Newton und jetzt S. Hawking den Vorsitz hatten bzw. haben.
36 Anwendungen in der Physik
Das Wesentliche an der besagten Stokesschen’ Reibung ist die Proportio-
nalit¨at zur Geschwindigkeit. Die Differentialgleichung der Schwingung ergibt
sich somit zu
m
d2
dt2
x + k
d
dt
x = −D x (4.12)
Die L¨osungen dieser Gleichung bilden einen zweidimensionalen Funktions-
raum. An uns liegt es nun, eine Basis dieses Raumes zu finden. Dies ist genau
dann erreicht, wenn wir 2 Funktionen gefunden haben, die beide die Glei-
chung l¨osen und zus¨atzlich linear unabh¨angig sind 4. Alle weiteren L¨osungen
lassen sich nun als Linearkombination der Basisfunktionen schreiben.
Wir setzen zun¨achst mit der Exponentialfunktion an:
x(t) = x0 eλt
(4.13)
Es gilt nun den Parameter λ so zu bestimmen, dass die Gleichung 4.12 erf¨ullt
wird. Wir setzen ein:
mλ2
x0 eλt
+ kλx0 eλt
+ D x0 eλt
= 0 | : x0 eλt
(4.14)
mλ2
+ kλ + D = 0 | : pq − Formel5 (4.15)
λ1,2 = −
k
2m
±
k2
4m2
−
D
m
(4.16)
Was haben wir nun gemacht ? Nach dem Einsetzen kann man die Expo-
nentialfunktion abdividieren, da sie nirgends Null wird. Sollte x0 = 0 sein,
er¨ubrigt sich jede Rechnung, da keine Schwingung mehr vorhanden ist. Wir
nehmen also x0 > 0 an und k¨onnen wiederum abdividieren. Die Gleichung,
die wir erhalten, ist ein Polynom 2. Grades, das wir nach der pq Formel
aufl¨osen. Es k¨onnen nun 3 F¨alle eintreten: Die Diskriminante kann kleiner,
gleich oder gr¨oßer 0 sein. Einsetzen in die L¨osungsfunktion ergibt:
f(x) = x0 e
(− k
2m
± k2
4m2 − D
m
)t
(4.17)
Wie unschwer zu erkennen, wird die Rechnung schnell aufwendig und daher
auch fehleranf¨allig. Um dem entgegenzuwirken und die ¨Ubersichtlichkeit zu
erh¨ohen, f¨uhren wir einige Abk¨urzungen ein:
ω0 =
D
m
;
k
2m
= δ |δ, ω0 ∈ R (4.18)
Ersteres ist aus der freien Schwingung entnommen, und mit δ wird nun der
“D¨ampfungsfaktor” abgek¨urzt.
x(t) = x0 e(−δ±
√
δ2−ω2
0)t
(4.19)
Nun untersuchen wir die oben unterschiedenen F¨alle, die in dieser Gleichung
auftauchen k¨onnen:
4
im zweidimensionalen Vektorraum bilden jeweils 2 linearunabh¨angige Vektoren eine
Basis des Raumes vgl. [15]
4.1 Die harmonische Schwingung 37
• k < 2
√
Dm ⇔ δ2 < ω2
0 Schwingfall
ist der “Normalfall” . Die Diskriminante wird negativ, was zur Folge
hat, dass der Exponent nun eine imagin¨are Komponente hat. Die pq-
Formel liefert uns 2 Gleichungen, die die Differentialgleichung l¨osen:
x1(t) = x0 e(−δ+
√
δ2−ω2
0)t
(4.20)
x2(t) = x0 e(−δ−
√
δ2−ω2
0)t
(4.21)
Die DGL ist des weiteren linear, weswegen auch alle Linearkombina-
tionen von L¨osungen die Gleichung l¨osen. Insbesondere ist hier x2 =
¯x1, weshalb wir auch rein reelle L¨osungen erhalten. Es gilt n¨amlich
z + ¯z = 2ℜz und z − ¯z = 2iℑz . Somit erhalten wir 2 weitere L¨osungen
unserer Gleichung:
z1(t) = ℜ(x1) =
1
2
(x1(t) + ¯x1(t)) (4.22)
z2(t) = ℑ(x2) =
1
i2
(x1(t) − ¯x1(t)) (4.23)
die nun den großen Vorteil haben, dass sie keinen Imagin¨arteil haben.
Daher kommen wir nun nicht in die Verlegenheit, komplexe Wege ge-
hen zu m¨ussen. Wir setzen nun weiterhin ω = ω2
0 + δ2 und erhalten:
x1(t) = x0 e−δt
(cos(ωt) + i sin(ωt)) (4.24)
x2(t) = x0 e−δt
(cos(ωt) − i sin(ωt)) (4.25)
z1(t) = x0 e−δt
cos(ωt) (4.26)
z2(t) = x0 e−δt
sin(ωt) (4.27)
Die Wronski-Determinante liefert uns die Garantie, dass die beiden
L¨osungen linear unabh¨angig sind:
det W =
z1(t) z2(t)
d
dtz1(t) d
dtz2(t)
= e−2δt cos(ωt) sin(ωt)
−δ cos(ωt) − ω sin(ωt) −δ sin(ωt) + ω cos(ωt)
= e−2δt
(−δ sin(ωt) cos(ωt) + ω cos2
(ωt)
+δ cos(ωt) sin(ωt) − ω sin2
(ωt)
= ωe−2δt
= 0 (4.28)
Die allgemeine L¨osung lautet also:
x(t) = e−2δt
(A cos(ωt) + B sin(ωt)) (4.29)
I.d.R. ist dies die handlichere Form:
x(t) = Ke−2δt
sin(ωt + ϕ) (4.30)
38 Anwendungen in der Physik
Die Additionstheoreme liefern die Beziehungen zwischen K, ϕ und
A, B Es gilt n¨amlich:
x(t) = Ke−2δt
sin(ωt + ϕ)
= e−2δt
(−K sin(ϕ) cos(ωt) + K cos(ϕ) sin(ωt))
= e−2δt
(A cos(ωt) + B sin(ωt)) (4.31)
wobei A = −K sin(ϕ) und B = K cos(ϕ). k ist demnach K =
√
A2 + B2
und tan ϕ = −A
B . Die Wahl der Parameter ergibt sich aus den Startbe-
dingungen der Schwingung: f(0) := x0 = A und d
dtf(0) = v0 = −δB.
• k = 2
√
Dm ⇔ δ2 = ω2
0 aperiodischer Grenzfall
Bei diesem Grenzfall verschwindet die Schwingung vollst¨andig. Die
Diskriminante ist 0, ξ = − k
2m , daher existiert auch (zun¨achst) nur
eine L¨osung der DGL ξ = − k
2m:
x(t) = e− k
2m (4.32)
Um an noch eine weitere L¨osung zu kommen, versuchen wir einfach,
unsere jetzige L¨osung mit t zu multiplizieren 6. Und siehe da:
x2(t) = tx1(t) (4.33)
d
dt
x2(t) = x1(t) + t
d
dt
x1(t) (4.34)
d2
dt2
x2(t) = 2x1(t) + t
d2
dt2
x1(t) (4.35)
0 = m(2x1(t) + t
d2
dt2
x1(t)) +
k(x1(t) + t
d
dt
x1(t)) + Dtx1 (4.36)
= t(m
d2
dt2
x1(t) + x1(t)
√
Dm + Dx1(t))
+2m
d
dt
x1(t) + 2
√
Dmx1(t) (4.37)
Wir sind schon fast am Ziel. Da x1 die DGL l¨ost und der erste Teil
dieser Gleichung genau x1, eingesetzt in der DGL, entspricht, muss
dieser immer 0 sein. Es bleibt nun folgendes ¨ubrig:
0 = 2m
d
dt
x1(t) + 2
√
Dmx1(t) (4.38)
= −2m
k
2m
x1(t) + 2
√
Dmx1(t) (4.39)
= x1(t)(2
√
Dm − k) = 0 (4.40)
6
L¨osung durch Erraten
4.1 Die harmonische Schwingung 39
Nun zeigen wir wiederum mit der Wronski-Determinante, dass die
L¨osungen linear unabh¨angig sind:
detW =
x1(t) x2(t)
d
dtx1(t) d
dt x2(t)
= x2
1(t) + tx1(t)
d
dt
x1(t) − tx1(t)
d
dt
x1(t) (4.41)
= x2
1(t) = 0 (4.42)
Die allgemeine L¨osung ist nun eine Linearkombination der beiden Ba-
sisfunktionen:
x(t) = Ax1(t) + Btx1(t) = (A + Bt)e− k
2m
t
A, B ∈ R (4.43)
Die Konstanten A und B ergeben sich wiederum direkt aus den Start-
bedingungen.
• k > 2
√
Dm ⇔ δ2 > ω2
0 Kriechfall
Die Wurzel ist nun rein reell, was bedeutet, dass beide L¨osungen der
pq-Formel sich direkt umsetzen lassen:
x1(t) = eξ1t
x2(t) = eξ2t
(4.44)
ξ1,2 = −
k
2m
±
k2
4m2
−
D
m
(4.45)
Die lineare Unabh¨angigkeit zeigen wir wieder mit der Wronski-Determinante:
det W =
x1(t) x2(t)
d
dt x1(t) d
dt x2(t)
= e(ξ1+ξ2)t
(ξ2 − ξ1) (4.46)
= 0 da ξ2 = ξ1 (4.47)
Wir f¨uhren nun noch die Abk¨urzung ˆω = k2
4m2 − D
m ein. Die Linear-
kombination sieht dann folgendermaßen aus:
x(t) = e− k
2m
t
(Aeˆωt
+ Be−ˆωt
) (4.48)
Eigentlich gef¨allt uns das jetzt schon ganz gut, es geht jedoch noch
sch¨oner: Mit C = A + B und S = A − B gilt:
x(t) = e− k
2m
t
(
C
2
eˆωt
+
S
2
eˆωt
+
C
2
e−ˆωt
+
S
2
e−ˆωt
) (4.49)
= e− k
2m
t
(C cosh ˆωt + S sinh ˆωt) (4.50)
40 Anwendungen in der Physik
4.2 Wechselstrom
4.2.1 Zeigerdiagramme
Um eine harmonische Schwingung zu beschreiben, benutzt man h¨aufig Zei-
gerdiagramme. Ein Zeiger bzw. ein Vektor wird sich dabei um den Ursprung
rotierend vorgestellt, die Elongation kann man dann als Projektion auf einer
der Achsen ablesen. Solche Gebilde lassen sich sehr gut in der Gaußschen
Ebene auffassen, da die Projektion auf die Achsen sich einfach durch den
Imagin¨ar- bzw. Realteil der betrachteten Zahl bzw. Vektors ergibt. Die kom-
plexe e-Funktion ist dar¨uberhinaus geradezu pr¨adestiniert, die Kreisbewe-
gung darzustellen.
z(t) = reiωt
(4.51)
= r(cos(ωt) + i sin(ωt)) (4.52)
ℜ(z(t)) = r cos(ωt) (4.53)
ℑ(z(t)) = r sin(ωt) (4.54)
4.2.2 Addition gleichfrequenter Schwingungen
Betrachtet man nun ¨Uberlagerungen von Schwingungen gleicher Frequenz,
gen¨ugt es, die beiden Zeiger vektoriell bzw. komplex zu addieren.
z(t) + w(t) = rzeiωt
+ rweiωt+i∆
(4.55)
= (rz + rwei∆
)eiωt
(4.56)
Ungleichphasige Schwingungen lassen sich durch die Phasendifferenz ∆ be-
handeln. Deutlich zu erkennen ist die Schwingungskomponente eiωt und die
Gesamtamplitude mit Phasenverschiebung rz + rwei∆.
4.2.3 Addition ungleichfrequenter Schwingungen
Schwebungen treten auf, wenn sich zwei Schwingungen, deren Frequenzen
verschieden sind, ¨uberlagern. Zur mathematischen Vereinfachung werden die
Amplituden gleich 1 gesetzt.
z(t) + w(t) = rzeiωzt
+ rweiωwt
(4.57)
= (rz + rwei∆
)eiωt
(4.58)
4.2.4 Wechselstromwiderst¨ande
Wechselstromquellen liefern i.a. eine Spannung, die man durch U = ˆU cos ωt
darstellen kann. Als U0 oder ˆU bezeichnet man dabei die Amplitude ω oder f
als die Frequenz. Prinzipiell k¨onnen wir alle Aufgabenstellungen mit diesen
Gleichungen ansetzen, jedoch hat man st¨andig das Problem, die umst¨and-
lichen Additionstheoreme bem¨uhen zu m¨ussen oder k¨unstlich Amplituden
4.2 Wechselstrom 41
und Phasenbeziehungen getrennt zu errechnen. Deutlich vereinfachen kann
man das wiederum mit komplexen Zahlen. Es gilt:7
U = ˆU cos ωt = ˆU ℜ(eiωt
) (4.59)
Ohmscher Wiederstand
Setzt man nun einen Ohmschen Widerstand in den Schaltkreis, so kann man
einen zur Spannung proportionalen Strom I messen. Die Proportionalitaets-
konstante bezeichnen wir mit R oder RΩ. Somit gilt:
I =
U
RΩ
=
ˆU
RΩ
eiωt
(4.60)
Kondensatoren
Wird ein Kondensator von einem Wechselstrom durchflossen, so messen wir
einen Strom mit I = C d
dt U. Setzen wir nun ein erhalten wir:
I = C
d
dt
( ˆU eiωt
) (4.61)
= ˆU C i ω eiωt
(4.62)
= (i ω C) U (4.63)
Wir bezeichnen nun wiederrum mit Widerstand den Faktor, mit dem man
den Strom multiplizieren muss um die Spannung zu erhalten.8 somit gilt:
RC =
1
i ω C
(4.64)
Spulen
Die Gleichung die das Verhalten von Spannungen und Str¨omen durch Spulen
beschreibt lautet: U = L d
dt I. Wir setzen wieder ein:
I =
1
L
ˆU eiωt
dt (4.65)
= ˆU
1
i ω L
eiωt
(4.66)
=
1
i ω L
U (4.67)
Die Proportionalit¨atskonstante RL zwischen sinusf¨ormigen Spannung und
Str¨omen ist demnach also.
RL = i ω L (4.68)
7
Die explizite Angabe, dass man nur den Realteil betrachtet, kann auch weggelassen,
wenn aus dem Zusammenhang klar wird, was gemeint ist.
8
Nat¨urlich gilt dies nur f¨ur sinusf¨ormige Spannungen. Die Definition des ohmschen
Widerstands bleibt hingegen immer g¨ultig.
42 Anwendungen in der Physik
R1 C1
L2
R2
L1
U
Abbildung 4.2: Beispielschaltung
Der große Vorteil an diesen “neuen” Widerst¨anden ist nun, dass man mit
ihnen nun jeden Schaltkreis nach den altbekannten Regeln f¨ur Parallel- und
Gleichschaltungen, wie sie f¨ur ohmsche Widerst¨ander gelten analysieren.
4.2.5 Beispiel
Wir werden nun versuchen, die in 4.2 gezeigte Schaltung zu analysieren. Die
ben¨otigten Parameter sollen sein:
ˆU = 5 V ω = 200 Hz
RΩ 1 = 12 Ω RΩ 2 = 10 Ω
L1 = 2 mH L2 = 4 mH
C1 = 3 µF
Wir bauen nun die Teilwiderst¨ande von innen nach aussen auf. Als erstes
fassen wir die Parallelschaltung von R1 und C1 zusammen, den Gesamtwi-
derstand dieses Bausteins nennen wir A. Die Reihenschaltung aus A und
L1 soll B heißen. C ist von nun an der Widerstand der Reihenschaltung
von R2 und L2. Der Gesamtwiderstand heißt nun D und ergibt sich durch
Parallelschaltung von C und B. Es gilt demnach:
D−1
= B−1
+ C−1
(4.69)
C = R2 + RL2 (4.70)
B = A + RL1 (4.71)
A−1
= R−1
1 + R−1
C1 (4.72)
Es bedarf nun etwas Arbeit das alles einzusetzen. Wir k¨onnen entweder
Maple bem¨uhen oder uns selbst in den Kampf st¨urzen. Wir entscheiden uns
4.2 Wechselstrom 43
f¨ur letzteres. Wir arbeiten uns nun von A nach D durch (die Genauigkeit
beschr¨anken wir auf 3 g¨ultige Stellen).
A−1
=
1
12Ω
+ i200
1
s
310−6
F = (8, 33 + 610−4
i)
1
Ω
(4.73)
A = (12, 0 − 0, 0864i)Ω (4.74)
B = (12, 0 − 0, 0864i)Ω + i200
1
s
210−3
H = (12, 0 − 0, 314i)Ω(4.75)
C = 10Ω + i200
1
s
410−3
H = (10 + 0, 8i)Ω (4.76)
D−1
=
1
12, 0 − 0, 314i
+
1
10 + 0, 8i
(4.77)
D = (5, 46 + 0, 172i)Ω (4.78)
Damit ergibt sich die Stromst¨arke zu
I =
U
R
=
5
5, 46 + 0, 172i
ei200 t
s A (4.79)
= (0, 913 − 0, 0288i)ei200 t
s A (4.80)
Der Imagin¨arteil des “Widerstandes” kann als Phasenverschiebung gedeutet
werden.
Kapitel 5
Penningfallen
Ich habe in den Sommerferien ein Praktikum in der physikalischen Fakult¨at
der Universit¨at Mainz ausgef¨uhrt. Genauer war ich bei der ETAP (Experi-
mentelle Teilchen- und Atomphysik) zu Gast, die mit Paul- bzw. Penning-
fallen Ionen fangen und an ihnen dann (hoffentlich bald) Laserspektroskopie
bzw. Lebensdauermessungen durchf¨uhren. Speziell schrieb ein Gruppenmit-
glied (Stephan Krause) gerade ein Simulationsprogramm, um gemessene Fal-
leninstabilit¨aten auch theoretisch zu fundieren. Dies gab mir die Gelegenheit,
mich mit der Mathematik dieser Versuchsaufbauten n¨aher zu befassen.
Der eigentlich interessante Teil ist wieder die L¨osng der DGl. Der Weg dort-
hin wird im Folgenden kurz umrissen.
Die Grundidee bei den meisten Ionenfallen ist, eine lineare r¨ucktreiben-
de Kraft zu erm¨oglichen, um die Teilchenbahn als Addition m¨oglichst un-
abh¨angiger harmonischer Schwinger beschreiben zu k¨onnen. Speziell bei der
Penningfalle haben wir ein hyperbolisches Potential des E-Feldes. Die Teil-
chen werden von den oberen Kalotten abgestoßen und durch die Ringelek-
trode nach außen gezogen. Das Ausbrechen der Ionen aus der Falle wird
durch ein starkes Magnetfeld verhindert, das sie bei horizontaler Bewegung
auf Kreisbahnen zwingt. Im Experiment ist es stets Ziel, die Teilchen auf die
Fallenmitte zu konzentrieren. Dies erreicht man durch geschicktes Anpassen
der Speicherparameter 1.
5.1 Potentialgleichung
Die Anfangsforderung lautet also:
F ∼ r (5.1)
1
Auf diesen (sicherlich wichtigen) Aspekt wird hier nicht eingegangen werden, da auch
das einfache Modell der idealen Penningfalle die n¨otigen Umst¨ande (Reibung etc.) nicht
ber¨ucksichtigt.
5.1 Potentialgleichung 45
Abbildung 5.1: Penningfalle
wobei r der Abstand vom Fallenmittelpunkt ist. Mit E = F
q und E =
−gradΦ = −∇Φ erh¨alt man die Gleichung:
Φ = αx2
+ βy2
+ γz2
+ Φ0 (5.2)
Und damit
−∇Φ = E = −2


αx
βy
γz

 (5.3)
Der quadratische Ansatz f¨ur das Potential ist uns auch aus der Differential-
gleichung der harmonischen Schwingung, die im Physikunterricht der Ober-
stufe behandelt wird, bekannt:
F = −Dx (5.4)
⇔ m¨x = −Dx | · ˙x (5.5)
⇔ m¨x ˙x = −Dx ˙x |P = F · v (5.6)
⇔ m
d
dt
[(
1
2
˙x)2
] = −D
d
dt
[(
1
2
x)2
] (5.7)
⇔
1
2
mv2
+
1
2
Dx2
= C (5.8)
Also die Summe aus kinetischer Energie und potentieller Energie ist kon-
stant. Dies ist auch klar, da die Energieerhaltung vorgeschrieben ist und das
46 Penningfallen
Modell nur kinetische Energie und das Federpotential kennt. Es gilt weiter:
m¨x = −
d
dx
Epot = −
d
dx
1
2
Dx2
= −Dx (5.9)
Die Differentiation des Potentials ist die negative Kraft. Der Differentia-
tionsoperator im Rn der Gradient taucht beim elektrischen Potential der
Penningfalle genau an der selben Stelle auf. Soviel zur Analogie.
Da wir keine wesentlichen Ladungen in der Falle haben, setzen wir ρ = 0
und erhalten mit der Maxwellgleichung:
∇ · E =
ρ
ǫ0
= 0 (5.10)
⇒ ∇ · ∇Φ = △Φ = 0 (5.11)
△Φ = ∇


2αx
2βy
2γz

 = 2α + 2β + 2γ = 0 (5.12)
Aus Symmetriegr¨unden (Rotationssymmetrie zur z-Aches) setzen wir nun
α = β und erhalten f¨ur γ = −2α, so dass
Φ(x, y, z) = Φ0 + α(x2
+ y2
− 2z2
) (5.13)
Die hyperbolische Form der Falle ist bereits jetzt vorherbestimmt, da die
Elektroden stets auf ¨Aquipotentialfl¨achen liegen. Die Fallenmitte soll vom
seitlichen Elektrodenring den Abstand r0 besitzen. An diesen Punkten nor-
mieren wir das Potential, wir erden also die Ringelektrode :
0 = Φ(x2
+ y2
= r2
0, z = 0) (5.14)
= Φ0 + α(r2
0 − 0) (5.15)
= Φ0 + αr2
0 (5.16)
Weiterhin soll zwischen den Kalotten und der Ringelektrode eine Spannung
U0 anliegen.
Φ(0, 0, ±z0) = U0 = Φ0 − 2αz2
0 (5.17)
Wir bedienen uns nun eines Tricks. Wir opfern einen Freiheitsgrad, um die
Gleichungen zu vereinfachen und setzen den Abstand der Kalotten auf z0 =
r2
0/2. Addieren wir nun (5.17) und (5.15), erhalten wir:
0 = Φ0 + αr2
0
+ U0 = Φ0 − αr2
0(= Φ0 − 2αz2
0)
= 0 + U0 = Φ0 − αr2
0 + (Φ0 + αr2
0)
⇒ Φ0 = U0/2
Subtraktion ergibt:
U0 = (Φ0 − αr2
0) − (Φ0 + αr2
0) ⇒ α = −
U0
2r2
0
(5.18)
5.2 Die Differentialgleichung 47
Unser Potential sieht nun in der Endfassung so aus:
Φ =
U0
2
−
U0
2r2
0
(x2
+ y2
− 2z2
) (5.19)
=
U0
2r2
0
(r2
0 + 2z2
− x2
− y2
) (5.20)
=
U0
2r2
0
(2(z2
+ z2
0) − x2
− y2
) (5.21)
5.2 Die Differentialgleichung
Wir erhalten aus (5.21) die elektrische Feldst¨arke zu:
Abbildung 5.2: E-Feld in einer
Penningfalle (Schnitt)
E = −∇Φ = −
U0
r2
0


−x
−y
2z

 (5.22)
Mit F = qE und F = ma gilt weiterhin:
¨x = −
q
m
∂xΦ =
qU0
mr2
0
x (5.23)
¨y = −
q
m
∂yΦ =
qU0
mr2
0
y (5.24)
¨z = −
q
m
∂zΦ = −
2qU0
mr2
0
z (5.25)
Um uns etwas Schreibarbeit zu sparen, f¨uhren wir die Abk¨urzung ωz =
2qU0
mr2
0
ein.
¨x =
ω2
z
2
x (5.26)
¨y =
ω2
z
2
y (5.27)
¨z = −ω2
zz (5.28)
W¨are das schon die vollst¨andige DGL, w¨urden alle Teilchen schnell aus der
Falle verschwinden. Die L¨osungen f¨ur die x- und y-Achse sind n¨amlich:
ex, e−x, sinh(x), cosh(x). Das Besondere an Penningfallen ist jedoch, dass
in z-Richtung ein starkes magnetisches Feld anliegt (i.d.R. > 2 T).
F = ma = qv × B (5.29)
= m


¨x
¨y
¨z

 = q


˙x
˙y
˙z

 × B


0
0
1

 (5.30)
48 Penningfallen
⇒


¨x
¨y
¨z

 =
qB
m


˙y
− ˙x
0

 (5.31)
Nun sind wir schon fast am Ziel. Wir k¨urzen noch qB
m mit ωc ab und gelangen
direkt zu unserem DGl System.
¨x =
ω2
z
2
x + ωc ˙y (5.32)
¨y =
ω2
z
2
y − ωc ˙x (5.33)
¨z = −ω2
zz (5.34)
Die Gleichung ist noch nicht ganz vollst¨andig. Eigentlich fehlen noch Rei-
bungsterme, Anteile der Korrekturpotentiale und Terme, die die St¨orungen
durch L¨ocher und ¨Ahnliches beschreiben. Doch dann l¨asst sich die Gleichung
im Allgemeinen nicht mehr explizit l¨osen.
5.3 L¨osung
F¨ur die z-Koordinate ist die L¨osung trivial. Sie beschreibt die unged¨ampfte
harmonische Schwingung.
A cos(ωzt) + B sin(ωzt) (5.35)
Um die beiden anderen Gleichungen zu l¨osen, bedienen wir uns wieder eines
Tricks: Wir k¨onnen aus 2 Differentialgleichungen in 2 Variablen eine einzi-
ge DGl in einer Variablen erhalten, indem wir komplexe Zahlen einsetzen.
Addition von (5.32) und i·(5.33) ergibt:
¨x + i¨y =
ω2
z
2
(x + iy) + ωc( ˙y − i ˙x) (5.36)
⇔
d2
dt2
(x + iy) =
ω2
z
2
(x + iy) +
ωc
i
d
dt
(x + iy) (5.37)
Nun k¨onnen wir x+iy auch in Polarkoordinaten in der Form e−iωt , ω ∈ C(!)
angeben.
d2
dt2
e−iωt
=
ω2
z
2
e−iωt
+
ωc
i
d
dt
e−iωt
(5.38)
⇔ (−iω)2
e−iωt
=
ω2
z
2
e−iωt
+
ωc
i
(−iω)e−iωt
(5.39)
Wir k¨urzen zun¨achst wieder die Exponentialfunktion, weil ungleich 0.
−ω2
=
ω2
z
2
− ωcω (5.40)
⇔ 0 = ω2
− ωcω +
ω2
z
2
(5.41)
5.3 L¨osung 49
Das ist nun eine quadratische Gleichung in ω. Es ist ¨ublich, bei der pq-Formel
statt x1,2 an dieser Stelle x± zu verwenden. Es ergibt sich:
ω± =
ωc
2
±
ω2
c
4
−
ω2
z
2
(5.42)
Um eine stabile Speicherung zu erhalten, ist es notwendig, dass ω± reell
bleibt. Ist dies nicht der Fall, entsteht ein Realteil im Exponent der L¨osung,
was das Entweichen des Teilchens aus der Falle impliziert. Dies ist auch der
Grund, weshalb ein starkes Magnetfeld zur Speicherung ben¨otigt wird.
Abbildung 5.3: Teilchenbewegung in
der Penningfalle
Uns liegen nun 2 linear unabh¨angi-
ge L¨osungen der DGl vor. Wie bei
allen linearen DGls 2. Grades, kann
man alle L¨osungen als Linearkom-
bination dieser Basisl¨osungen aus-
dr¨ucken. Als allgemeine L¨osung ergibt
sich somit:
Aeiω−t
+ Beiω+t
(5.43)
Die x- und y-Komponenten k¨onnen
nun als Real- und Imagin¨arteil abgele-
sen werden. Die (klassische) Bahn, die
ein geladenes Teilchen in einer idea-
len Pennigfalle beschreibt, ist also ei-
ne Kopplung zweier Kreisbewegungen
in der x, y - Ebene und eine harmonische Schwingung in der Z Richtung.
x = Acos(ω−t) + Bcos(ω+t) (5.44)
y = Asin(ω−t) + Bsin(ω+t) (5.45)
z = Ccos(ωzt) + Dsin(ωzt) (5.46)
Wir werden uns mit Kurven, die bei ¨Uberlagerung von Kreisbewegungen
entstehen, im n¨achsten Kapitel befassen, deswegen entf¨allt an dieser Stelle
eine n¨ahere Diskussion.
Kapitel 6
Rollkurven
Vor etwa 8 Jahen (1994) habe ich einen “Malkasten” mit dem Titel Spiro-
graph geschenkt bekommen. Das Kinderspielzeug besteht aus verschiedenen
Zahnr¨adern und F¨uhrungsschienen. Die Zahnr¨ader sind an verschiedenen
Stellen mit L¨ochern versehen, so dass man kreisverwandte Figuren auf ein
untergelegtes Papier zeichnen kann.
Die mathematische Betrachtung so entstandener Kurven findet sich erst-
mals bei Apollonius von Perg¨a ca 200 v. Chr., der mit Epizyklen die Bewe-
gung der Planeten am Firmament beschreibt. Ptolem¨aus griff die Apollo-
nischen Ideen wieder auf und schuf eine Beschreibung der Bahnkurven, die
erst 1400 Jahre sp¨ater von den Keplerschen Gesetzen abgel¨ost werden sollte.
Zwar ist das Sonnensystem nicht gerade verwandt mit einem Malkasten aus
Kinderzeiten, jedoch ¨ahneln sie sich in der Mathematik, die dahintersteht.
In der Renaissance besch¨aftigte man sich mit sogenannten Radkurven,
dabei handelte es sich wiederum um Kreise, die auf Kreisen oder Graden
oder anderen Kurven abgerollt oder auf irgendeine andere Art und Weise
miteinander in Beziehung gesetzt wurden.
Ich habe nun versucht, einige dieser Kurven als Funktionen mit komple-
xen Werten darzustellen und bin dabei zu folgenden Ergebnissen gelangt:
6.1 Zykloide
Die wohl einfachste Rollkurve ist die Zykloide. Hier wird ein Punkt eines
Kreises betrachtet, der auf einer Geraden abgerollt wird. Die Bewegung, die
von diesem Punkt vollzogen wird, kann man in 2 Komponenten aufteilen:
zum einen bewegt sich der Punkt auf dem Kreis und zum andern der Kreis
entlang der Linie. Den Mittelpunkt des Kreises wollen wir hier als M, den
betrachteten Punkt mit P bezeichnen. Die 1. Komponente entlang der Linie
ist mit simpler Addition und Multiplikation zu erreichen:
M(t) = v · t + i · r (6.1)
6.1 Zykloide 51
Abbildung 6.1: Zykloide mit den Parametern: r1 = r2 = 2
v ist hier die Geschwindigkeit, mit der sich der Kreis auf der Geraden be-
wegt. Die Addition von ir bewirkt, dass der Kreis auf der Geraden aufliegt.
Wenn dieses r nicht gleich dem Radius des Kreises ist, ergeben sich weite-
re interessante Figuren (Trochoiden), die insbesondere h¨aufig bei dem oben
genannten Spirographen auftreten.
Mit Hilfe der komplexen Exponentialfunktion f¨allt es auch nicht schwer,
eine Darstellung der Kreisbewegung zu finden:
MP(t) = ˆrei(ωt+∆)
(6.2)
Hierbei ist ωt der Winkel, der zwischen x-Achse und der Strecke MP einge-
schlossen ist, r der Radius des Kreises und ∆ eine Phasenverschiebung. Da
wir in der Regel im Ursprung anfangen wollen, wird i.d.R. ∆ = −π
2 gew¨ahlt.
Addition der beiden Komponenten liefert nun die komplette Gleichung:
P(t) = tv + i · r + ˆrei(ωt+∆)
(6.3)
Damit nun auch ein tats¨achliches Abrollen stattfindet und der Kreis nicht
nur “orientierungslos” ¨uber die Gerade stolpert, m¨ussen noch die richtigen
Beziehungen insbesondere zwischen ω ↔ v gefunden werden.
Der zur¨uckgelegte Weg des Kreismittelpunktes muss zu jeder Zeit gleich
dem Weg (bzw. der Bogenl¨ange) sein, den ein Punkt auf dem Kreis durchl¨auft.
vt = rωt
⇔
v
r
= ω (6.4)
Nun sind wir fast am Ziel, das einzige, was wir bis jetzt außer Acht gelassen
haben, ist der Drehsinn des Kreises. Im Moment bewegt er sich noch mathe-
matisch positiv, ein abrollender Kreis dreht sich in umgekehrter Richtung.
Weiter kann v = 1 gesetzt werden, da dieser Faktor nur bei t auftritt und
somit nur eine Umparametrisierung der gleichen Kurve bewirkt. Als fertige
Gleichung erhalten wir:
P(t) = t + i · r + ˆrei(− 1
r
t+∆)
(6.5)
52 Rollkurven
Abbildung 6.2: Trochoide mit r = 2, ˆr = 3
6.2 Epizykel
Den Weg, den ein Punkt (P) beschreibt, der sich auf einem drehenden
Kreis befindet, dessen Mittelpunkt (M) wiederum um ein anderes Zentrum
(O = 0) gedreht wird, nennt man Epizykel. Diese Bewegung l¨asst sich auch
in 2 Komponenten zerlegen. Wir erhalten 2 Kreisbewegungen, die man im
Komplexen so darstellen kann:
OM(t) = r0eiω0t
(6.6)
MP(t) = r1eiω1t
(6.7)
Einfache Addition liefert in diesem Fall die vollst¨andige Gleichung:
P(t) = r0eiω0t
+ r1eiω1t
(6.8)
In dieser Form ist die Gleichung am allgemeinsten. Es sind die vief¨altigsten
Figuren durch Variation der Parameter m¨oglich.
6.3 Epizykloide
In diesem Fall ist die betrachtete Kurve die Bahn eines Punktes eines Kreises,
der auf einem anderen Kreis abgerollt wird. Es zeigt sich, dass Epizykloiden
nur entartete Epizykel sind. Die Kurve, die der Mittelpunkt des abrollenden
Kreises beschreibt, ist wiederum ein Kreis, von dem ausgehend man die
entsprechende Epizykloide konstruieren kann. Wir nennen den Radius des
inneren Kreises, auf dem der 2. abrollen soll r0, dementsprechend soll r1 der
des zweiten Kreises sein, welcher abgerollt wird. Der Radius des Kreises,
auf dem sich der 2. Kreis um den Mittelpunkt des ersten bewegt, hat den
Radius r0 + r1, entsprechend ergeben sich nun die Gleichungen zu:
OP = P(t) = OM + MP
OM = M(t) = (r0 + r1)eiω0t
MP = r1eiω1t
(6.9)
6.3 Epizykloide 53
Abbildung 6.3: schematische Darstellung, der Epizykloidenkonstruktion
Es gilt nun eine Beziehung zwischen den beiden Rotationsgeschwindigkeiten
ω0 und ω1 zu finden. Eine solche erhalten wir durch die Abrollbedingung.
Bevor wir diese jedoch auswerten k¨onnen, m¨ussen wir uns ein paar Gedanken
¨uber die Geometrie der Figur machen. W¨urden wir die beiden Kreise fest
aneinander koppeln, w¨urde der Punkt P stets einen konstanten Abstand
zum Mittelpunkt wahren. In unserer Gleichung entspricht eben ω0 = ω1.
Das Abrollen ist eine zus¨atzliche Bewegung. Wir erhalten die Beziehung,
indem wir die entsprechenden Bogenl¨angen gleichsetzen (vgl. Abb. 6.3 ).
ω1 = ω0 + β
β · r1 = ω0 · r0
⇔ β = ω0
r0
r1
(6.10)
⇒ ω1 = ω0(1 +
r0
r1
) (6.11)
Wir k¨onnen weiter ω0 = 1 setzen, da dieser Faktor nur im Zusammenhang
mit t auftaucht. Durch Substitution erhalten wir:
M(t) = (r0 + r1)eit
MP(t) = r1e
i(1+
r0
r1
)t
⇒ P(t) = (r0 + r1)eit
+ r1e
i(1+
r0
r1
)t
(6.12)
54 Rollkurven
Abbildung 6.4: Epizykloide mit den Parametern r0 = 10, r1 = ˆr1 = 2
Man kann die entstandene Gleichung noch verallgemeinern, indem man den
Abstand des Punktes vom Kreismittelpunkt des abrollenden Kreises nicht
auf dessen Radius festlegt. Weiterhin liefert ein additiv hinzukommendes ∆
Freiheit bei der Wahl des Startpunkts:
P(⊔) = (r0 + r1)eit
+ ˆr1e
i(1+
r2
r1
)t+i∆
(6.13)
An dieser Stelle sind nun einige Beispiele f¨ur die besprochenen Kurven bei-
gef¨ugt (Alle Abbildungen wurden mit Maple geplottet).
6.4 Hypozykloide
Bei dieser Kurve betrachtet man einen Punkt eines Kreises, der innerhalb
eines anderen abgerollt wird. Es stellt sich heraus, dass eine genauere mathe-
matische Behandlung gar nicht von N¨oten ist, da sie einerseits als Epizykel,
andererseits allerdings insbesondere als Epizykloid mit negativem r1 dar-
stellbar ist.
6.4 Hypozykloide 55
Abbildung 6.5: Epitrochoide: r0 = 10, r1 = 2, ˆr1 = 3
Abbildung 6.6: Hypozykloide mit r0 = 10, r1 = −2, ˆr1 = 2
56 Rollkurven
6.5 Hartmannkurve
6.5.1 Definition
Nun m¨ochte ich eine von mir selbst entwickelte Rollkurve vorstellen. Den
Namen “Hartmannkurve” habe ich ihr gegeben, da ich bei meinen Nachfor-
schungen auf keine vergleichbare Kurve gestoßen bin. Sollte jemand mich
dahingehend berichtigen wollen, ist das nat¨urlich kein Problem. Die funda-
mentale Idee bei dieser Kurve ist, dass man unendlich viele Kreise aufein-
ander abrollt. Folgende Funktionen f¨uhren wir ein, die das Verhalten der
Kurve bestimmen:
rn Radius des nten Kreises
αn Maß f¨ur den Winkel, den der n + 1te Kreis
um den nten Kreis gerollt wird.
Der Mittelpunkt des nten Kreises beschreibt dabei nun folgende Kurve:
Mn(t) =
n−1
k=0
(rk + rk+1)eiωkt
(6.14)
Wobei sich ωn zu
ωn = αn +
n−1
k=0
(1 + rk/rk+1)αk (6.15)
ergibt.
α ist also eigentlich eine Winkelgeschwindigkeit. Als Hartmannkurve be-
zeichnet man nun den Grenzwert der von den Mittelpunkten beschreiben
Kurven f¨ur n gegen Unendlich (falls dieser existiert).
6.5.2 Herleitung
Das Ganze ging nat¨urlich jetzt etwas schnell. Wir wollen uns nun anschauen,
wie man auf die einzelnen Resultate kommt.
F¨ur den nullten Kreis ist die Sache trivial: Er bewegt sich nicht.
M0(t) = 0 (6.16)
Der Mittelpunkt des ersten Kreises bewegt sich genau mit der Winkelge-
schwindigkeit α0 um den 0. Kreis. Er h¨alt dabei stets den Abstand r0 + r1
vom Ursprung. Daher gilt:
ω0 = α0 (6.17)
M1(t) = [0+](r0 + r1)eiω0t
(6.18)
Der zweite Kreis nun bewegt sich mit α1 um den ersten, jedoch muss nun be-
dacht werden, dass dieser nun nicht mehr ruht, es wurde vielmehr der erste
6.5 Hartmannkurve 57
um den nullten Kreis entlang eines Winkels α0t abgerollt. Die Gesamtrota-
tion (ω1) setzt sich also aus der Drehung des ersten Kreises um den nullten,
dem Rollwinkel und dem neuen Drehwinkel α1t zusammen (vgl. Abbildung).
ω1 = ω0 +
r0
r1
α0 + α1 (6.19)
= α0 +
r0
r1
α0 + α0 + α1 (6.20)
= (1 +
r0
r1
)α0 + α1 (6.21)
⇒ M2 = M1 + (r1 + r2)eiω1t
(6.22)
= (r0 + r1)eiω0t
+ (r1 + r2)eiω1t
(6.23)
Die Bewegung des dritten Kreismittelpunkts erhalten wir wieder ¨ahnlich.
Die Winkelgeschwindigkeit der Drehung um den zweiten Kreis setzt sich
wieder aus der Gesamtdrehung desselben plus Abrollwinkel plus neuer Dreh-
winkel zusammen. W¨urden wir nur die Gesamtdrehung addieren, so haftet
der Kreis gewissermaßen am letzten, ohne sich zu drehen. Der Abrollwinkel
ber¨ucksichtigt das Rollen des zweiten auf dem ersten Kreis. Und schließlich
der neue Drehwinkel versetzt den Mittelpunkt des dritten Kreises auf die
Position, auf die er “zurollen” soll. Hierbei ist wiederum die Abbildung ein
wichtiges Hilfsmittel.
ω2 = ω1 +
r1
r2
α1 + α2 (6.24)
= (1 +
r0
r1
)α0 + α1 +
r1
r2
α1 + α2 (6.25)
= (1 +
r0
r1
)α0 + (1 +
r1
r2
)α1 + α2 (6.26)
⇒ M3 = M2 + (r2 + r3)eiω2t
(6.27)
= (r0 + r1)eiω0t
+ (r1 + r2)eiω1t
+ (r2 + r3)eiω2t
(6.28)
Wir k¨onnen unsere Ergebnisse nun verallgemeinern, da wir alle wesentlichen
Aspekte bereits gesehen haben. Wir k¨onnen bei ω ausklammern und die ent-
sprechenden Terme in Summen ausdr¨ucken. Entsprechende Umformungen
ergeben 6.14 und 6.15.
6.5.3 Sonderf¨alle
Der sch¨onste Sonderfall, der mir bisher untergekommen ist, ist zugleich einer
der einfachsten:
αn = 1 und rn = 1
2n
Die Abrollgeschwindigkeit ist also stets dieselbe und die Radien halbieren
sich jeweils. Die Summen vereinfachen sich nun auch erheblich:
58 Rollkurven
ωn = 1 +
n−1
k=0
(1 +
2k+1
2k
) (6.29)
= 1 +
n−1
k=0
3 (6.30)
= 1 + 3n (6.31)
rk + rk+1 =
1
2k
+
1
2k+1
=
3
2 · 2k
(6.32)
Mn(t) =
n−1
k=0
(rk + rk+1)eiωkt
(6.33)
=
3
2
n−1
k=0
ei3kteit
2k
(6.34)
=
3
2
eit
n−1
k=0
(
ei3t
2
)k
(6.35)
Abbildung 6.7: Hartmannkur-
ve f¨ur αn = 1, rn = 1
2n
Nachdem wir schon so weit gekommen sind,
liegt die Vermutung nahe, dass wir auch die-
se Summe noch aufl¨osen k¨onnen. In der Tat
ist diese Summe gerade eine geometrische
Reihe. Wir bilden, bevor wir die Summe
aufl¨osen, zun¨achst den Grenzwert f¨ur n ge-
gen Unendlich, um nun eine Hartmannkurve
zu erhalten.
H(t) = lim
n→∞
Mn (6.36)
=
3
2
eit
∞
k=0
(
ei3t
2
)k
(6.37)
=
3
2
eit 1
1 − (ei3t
2 )
(6.38)
= 3
eit
2 − ei3t
(6.39)
Verf¨ahrt man genauso f¨ur den allgemeineren Fall:
αn = 1 (6.40)
rn = m−n
m ≥ 2 (6.41)
so erh¨alt man f¨ur die Hartmannkurve
H(t) = (m + 1)
eit
m − ei(1+m)t
(6.42)
6.5 Hartmannkurve 59
Die Vereinfachung der geometrischen Reihe bleibt g¨ultig, da der Faktor
(ei(1+m)t
m )n f¨ur n → ∞ gegen Null strebt. Ich finde es auf jeden Fall absolut
erstaunlich, dass diese Summe auf so eine einfache Form gebracht werden
kann.
6.5.4 Symmetrie
Weiterhin legt der Graph der Funktion nahe, dass eine Drehsymmetrie exis-
tieren k¨onnte. N¨ahere Untersuchung zeigt, dass dies tats¨achlich der Fall ist.
Es gilt:
H(t)ei 2π
m+1 = (m + 1)
eitei 2π
m+1
m − ei(1+m)t
(6.43)
= (m + 1)
ei(t+ 2π
m+1
)
m − ei(1+m)t
(6.44)
= (m + 1)
ei(t+ 2π
m+1
)
m − ei(1+m)t+2πi
(6.45)
= (m + 1)
ei(t+ 2π
m+1
)
m − e
i(1+m)(t+ 2π
(1+m)
)
(6.46)
= H(t +
2π
m + 1
) (6.47)
Die Drehsymmetrie ist also erf¨ullt. Insbesondere zeigt sich, dass die Teil-
kurven im Abstand l · 2π
m+1 , l ∈ Z jeweils mit der gleichen Geschwindigkeit
durchlaufen werden.
Es existieren sogar noch weitere Symmetrieen, betrachtet Abb. 6.8 oder
¨ahnliche Kurven, so erkennt man wiederum einige Drehsymmetrieen. Sei
nun
rn = x−n
, x ∈ Z (6.48)
αn = yn
, y ∈ Z, x + y = 0 (6.49)
existiert eine x+y Symmetrie. Wir haben eben sogar einen Sonderfall dieser
Behauptung bewiesen: es war y = 1 und x = m es zeigte sich eine m + 1 =
x + y Symmetrie. Nun zum Beweis: Es zeigt sich, dass der Ansatz
H(t)e
i 2π
x+y = H(t +
2π
x + y
) (6.50)
wieder ausreicht, um die Vermutung zu beweisen.
Mn(t)ei 2π
x+y = ei 2π
x+y
n−1
k=0
(rk + rk+1)eiωkt
(6.51)
60 Rollkurven
Abbildung 6.8: Hartmannkurve f¨ur αn = 2n, rn = 2−n; αn = 3n, rn = 2−n;
αn = 2n, rn = 3−n
=
n−1
k=0
(rk + rk+1)eiωkt+i 2π
x+y (6.52)
(6.53)
Obwohl zwei gleiche Summen nicht immer die selben Summanden haben
m¨ussen kann man in diesem Beispiel eben dies zeigen (woraus nat¨urlich die
Gleichheit der Summen folgt). Es gilt also:
(rk + rk+1)eiωkt+i 2π
x+y = (rk + rk+1)eiωk(t+ 2π
x+y
)
(6.54)
⇔ e
iωkt+i 2π
x+y = e
iωk(t+ 2π
x+y
)
(6.55)
⇔ iωkt + i
2π
x + y
+ l · 2πi = iωk(t +
2π
x + y
) , l ∈ Z (6.56)
⇔
1
x + y
+ l = ωk
1
x + y
(6.57)
⇔ l(x + y) = ωk − 1 (6.58)
Wenden wir uns nun ω zu:
ωn = αn +
n−1
k=0
(1 + rk/rk+1)αk (6.59)
= yn
+
n−1
k=0
(1 + x)yk
(6.60)
6.5 Hartmannkurve 61
Abbildung 6.9: Hartmannkurve f¨ur αn = 3n, rn = 2−n
= yn
+ (1 + x)
1 − yn
1 − y
, y = 1 (6.61)
Den Sonderfall y = 1 haben wir bereits abgedeckt, es reicht also aus, alle
¨ubrigen F¨alle zu betrachten.
l(x + y) = yk
+ (1 + x)
1 − yk
1 − y
− 1 (6.62)
⇔ l(x + y)(1 − y) = yk
− yk+1
+ 1 − yk
+ x(1 − y) − 1 + y (6.63)
⇔ l(x + y)(1 − y) = y(1 − yk
) + x(1 − yk
) (6.64)
⇔ l =
1 − yk
(1 − y)
=
k−1
p=0
yp
(6.65)
Da nun y ∈ Z ist, gilt dasselbe f¨ur yp und somit auch f¨ur k−1
p=0 yp ∈ Z.
Womit die Behauptung bewiesen w¨are.
62 Rollkurven
Abbildung 6.10: Konstruktionsskizze zur Hartmannkurve
Kapitel 7
Fraktale
Eines der “sch¨onsten” und sicherlich auch aktuellsten Gebiete der Mathe-
matik ist sicherlich die Lehre der Fraktale: Sonderbare Figuren, deren Kan-
ten und Fl¨achen wunderbare Eigenschaften aufweisen. Man spricht von ge-
brochenen Dimensionen (daher auch der Name, lat. frangere - brechen),
fl¨achenf¨ullenden Kurven (z.B. Peanokurve) oder Punktstaub (z.B. Cantor-
staub). Neben den mathematischen Besonderheiten machen sie auch man-
ches Mal rein optisch auf sich aufmerksam.
7.1 Mandelbrotmenge
Neben Kochkurven, Mengerteppich und Sierpinskidreieck geh¨ort die Man-
delbrotmenge mit zu den bekanntesten Figuren ihrer Gattung. Ihr wird im
Rahmen dieser Arbeit ein Kapitel gewidmet, da sie durch eine Iteration einer
Folge komplexer Zahlen entsteht. Die Folge ist gegeben durch:
Zn+1 = Z2
n + Z0 (7.1)
M = {Z0 ∈ C|n → ∞ ⇒ |Zn| → ∞} (7.2)
Als Startwerte sind alle Punkte der Gaußschen Ebene zugelassen. In der
Darstellung, die man am h¨aufigsten antrifft, wird je nach Verhalten der
Folge f¨ur den entsprechenden Startwert dem Punkt auf der Ebene eine Farbe
zugewiesen. Man unterscheidet grunds¨atzlich 2 F¨alle:
• Die Folge bleibt unter einem bestimmten Grenzbetrag 1 ⇒ P ∈ M
• Die Folge ¨uberschreitet diesen ⇒ P /∈ M
1
Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der idealen Mandelbrotmenge, bei
der man “unendlich” oft iteriert. Divergiert die Folge f¨ur einen Startwert, so ¨uberschrei-
tet der Betrag der Glieder mit großem n auch jede Grenze. Erfahrungsgem¨aß spielt die
Wahl des Parameter keine entscheidende Rolle. Vern¨unftige Folgenglieder von “konvergie-
renden” Folgen haben stets kleine Betr¨age. Anschaulich illustriert diesen Sachverhalt das
Feigenbaumdiagramm: Alle Fixpunkte konzentrieren sich um die “0-Gerade”.
64 Fraktale
Abbildung 7.1: Mandelbrotmenge
Oftmals macht man auch die Farbe von der Anzahl der Iterationen abh¨angig,
die zum ¨Uberschreiten des Grenzwerts ben¨otigt werden. Das Erstaunliche
dieser Figur ist nun, dass trotz der Einfachheit der Iterationen die Struktu-
ren, die am Rand der Menge auftreten, unendlich fein aufgegliedert sind.
Zun¨achst wollen wir der Frage nachgehen, was die Folge geometrisch
bedeutet: Wir haben erst einmal einen Ausgangsvektor / Zahl, Z0. Im ers-
ten Schritt wird die Zahl quadriert, was einer Verdopplung des Arguments
und einer Quadratur des Betrags entspricht, danach wird Z0 addiert. Diese
Schritte werden nun so oft wiederholt, bis der Zeiger einen Kreis um den
Ursprung mit Radius des Grenzwertes ¨uberschreitet.
Es gibt im Wesentlichen 5 Verhaltensmuster, die die Folge aufzeigen
k¨onnen:
• Divergenz: die Folge ¨uberschreitet den Grenzwert, z.B. Z0 = 1.
• Konvergenz: die Folge strebt einem Grenzwert zu, z.B. Z0 = 0.2
• Fixpunktartige Konzentration: die Folge springt nach wenigen Schrit-
ten auf einen Wert, den sie nicht wieder verl¨asst, z.B. Z0 = −2
• Periodisches Verhalten: Eine endliche Anzahl von Zahlen wird immer
wieder durchlaufen, z.B. Z0 = i
7.1 Mandelbrotmenge 65
Abbildung 7.2: Mandelrotmenge mit Feigenbaumdiagramm
• Chaotisches Verhalten: die Folge bleibt unter dem Grenzwert, springt
jedoch scheinbar willk¨urlich hin und her, z.B Z0 = −1, 9
Anschaulich illustriert diese Tatsache das Feigenbaumdiagramm. Da in
der Regel nur 2 statt 4 Dimensionen zur Verf¨ugung stehen, beschr¨anken wir
uns hier auf die Betrachtung einer Geraden in der Ebene. Es entsteht folgen-
dermaßen: Zun¨achst l¨asst man die Werte eine endliche Zahl an Iterationen
einschwingen, danach tr¨agt man gegen den Startwert endlich viele Folgewer-
te auf. 2 In diesem Diagramm l¨asst sich nun ablesen, um wieviele Fixpunkte
die Werte pendeln. 3
7.1.1 Hauptk¨orperbestimmung
Eine sehr sch¨one Verbindung zwischen Rollkurven und Mandelbrotmengen
f¨allt bei Betrachtung des Hauptk¨orpers auf. Ich bin auf diesen Zusammen-
hang durch [24] gestoßen, m¨ochte ihn dem Leser aber nicht vorenthalten.
Alle Punkte der Ebene, f¨ur die die Folge auf genau einen Grenzwert zu-
strebt, bezeichnet man als Hauptk¨orper. Hat die Folge (nach unendlich vie-
2
Auch hier gilt wieder, dass die Parameter im Ideal gegen Unendlich gehen, allerdings
kommen die wesentlichen Aspekte auch schon bei je 20 Iterationen gut zum Vorschein.
3
Vermutung: Jedem gr¨oßeren zusammenh¨angenden Gebiet innerhalb der Mandelbrot-
menge kann man ein spezielles Schwingungsmuster mit charakteristischen Grenzwerten
zuordnen und umgekehrt.
66 Fraktale
Abbildung 7.3: Mandelbrotmenge und Feigenbaumdiagramm f¨ur die Punkte
um 0.354100867801208 − 0.426483147289218i
len Schritten) diesen Wert nun erreicht, wird sie sich von da an nicht mehr
¨andern. Daher ist dieser Grenzwert immer ein Fixpunkt. F¨ur Fixpunkte gilt:
f(z) = z = z2
+ z0 (7.3)
Es ist nicht schwer, f¨ur diese Gleichung L¨osungen anzugeben, jedoch ist es
f¨ur das sp¨atere Vorgehen einfacher, wenn wir zun¨achst z durch kλ, k ∈ R+
ersetzen.
Wir lassen nun das Stabilit¨atskriterium | d
dx f(x)| < 1 vom Himmel fallen.
Alle Fixpunkte, die diesem Kriterium gen¨ugen, sind attraktiv, was bedeutet,
dass in der N¨ahe liegende Werte zu diesem hinstreben. Bei der Mandelbro-
titeration liefert Anwendung der Bedingung:
|
d
dx
f(z)| = |2z| = |2kλ| < 1 (7.4)
Nun wird ersichtlich, warum wir z substituiert haben: wir k¨onnen nun 2k = 1
setzen und uns hier die Arbeit vereinfachen.
|λ| < 1 (7.5)
Die Punkte f¨ur die gilt |λ| = 1 = ℜ(λ)2 + ℑ(λ)2 ⇒ λ = eit begrenzen
diesen Bereich. Setzen wir nun in das Fixpunktkriterium ein, so erhalten
7.2 Juliamengen 67
wir:
kλ = k2
λ2
+ z0 ⇔ kλ − k2
λ2
= z0 (7.6)
z0 =
1
2
eit
−
1
4
e2it
, t ∈ R (7.7)
Solche Gleichungen kennen wir wiederum aus dem vorhergegangenen Kapi-
tel, es handelt sich um eine Epizykloide mit r1 = r2 = 1
2 und ∆ = π. Dieser
Spezialfall ist auch unter dem Namen Cardioide (Herzkurve) bekannt.
7.2 Juliamengen
Die Folge, die zur Juliamenge f¨uhrt, ist ebenso simpel wie die der Mandelbrot
Iterationen. Statt Z0 kommt nun als additives Element stets ein festes k ∈ C
hinzu. Entsprechend gibt es daher auch nicht “die” Juliamenge, sondern f¨ur
jedes k sieht sie anders aus. Jeder Punkt der Ebene steht nun wieder f¨ur ein
Z0 der Folge und wird entsprechend des Verhaltens der Iteration koloriert.
Es gibt im wesentlichen 2 Grundtypen von Juliamengen. Die einen bilden
eine zusammenh¨angende Fl¨ache, die anderen zerfallen in Staub mit Fl¨achen-
inhalt 0. Eine interessante Parallele zwischen Mandelbrot- und Juliamengen
ergibt sich folgendermaßen. F¨ur jeden Punkt der Gaußschen Ebene l¨asst
sich eine Juliamenge mit der Konstanten (x + iy) konstruieren. Liegt die
Konstante in der Mandelbrotmenge, so ist die zugeh¨orige Juliamenge zu-
sammenh¨angend und umgekehrt. Dass der Mittelpunkt der Juliamenge mit
dem entsprechenden Punkt auf der Mandelbrotmenge ¨ubereinstimmt, l¨asst
sich leicht zeigen:
Jn+1 = J2
n + C, J0 = 0, J = ((((C2
+ C)2
+ C)2
+ C)2
+ C)2
...
Mn+1 = M2
n + M0, M0 = C, M = ((((M2
0 + C)2
+ M0)2
+ M0)2
+ M0)2
...
M = (((( C2
+ C)2
+ C)2
+ C)2
+ C)2
... (7.8)
Auff¨allig ist des Weiteren, dass wenn man einen kleinen Ausschnitt der Man-
delbrotmenge mit einer Juliamenge vergleicht, deren Konstante im betrach-
teten Ausschnitt liegt, deutliche Parallelen erkennen kann. Dies ist auch
plausibel, da stets mit ¨ahnlichen Zahlen iteriert wird (vgl. 7.2).
Historisch gesehen ist man auf die Mandelbrotiteration erst durch diese
Betrachtung an Juliamengen gestoßen.
Eine sch¨one Abrundung der Ergebnisse l¨asst sich dadurch erreichen, dass
man Mandel- und Juliamengen nicht als 2 getrennte Gebilde auffasst, son-
dern als eine Menge. Auf je 2 Achsen werden C und Z0 ver¨andert. Die
Juliamengen schneiden dann je an ihrem 0-Punkt die Mandelbrotmenge.
Das entstandene 4-dim. Konstrukt ist leider wiedermal vergleichsweise un-
vorstellbar. 4
4
Noch weiter kann man das Spielchen treiben, wenn man z.B. den Exponent der Ite-
ration auch auf ein (oder 2 Achsen) variiert.
68 Fraktale
Mandelbrotmenge an der Stelle: Juliamenge mit ebendieser
0.354100867801208 Konstanten, an ebendieser
−0.426483147289218i Stelle.
Abbildung 7.4: Vergleich zweier Ausschnitte aus einer Mandelbrot- und Ju-
liamenge
Anbei findet sich ein Pascalprogramm, mit dem u.a. s¨amtliche Abbildun-
gen dieses Kapitels erstellt wurden. Es wurde in Bezug auf Geschwindigkeit
optimiert. So ist bspw. die Unit Graph durch Assemblercode ersetzt und
die Iteration durch Umstellung und Zwischenspeicherungen leicht verbes-
sert worden. Die rund 1000 Zeilen Code erhalten zahlreiche Features, die
das Navigieren und Wechseln zwischen den Mengen erleichtern sollen (so-
weit das in Pascal m¨oglich ist). Es findet sich weiterhin eine Prozedur zum
*.bmp Export und zum Speichern der aktuellen Werte in einer externen
Datei. N¨ahere Information liefert der abgedruckte Quelltext bzw. die imple-
mentierte Hilfe.
7.3 Verallgemeinerte Mandel- und Juliamengen
Statt einer Quadratur des vorherigen Folgegliedes kann man bspw. auch 3
oder 4 als Exponent w¨ahlen, was freilich ¨ahnliche, aber nichtsdestoweniger
interessante Figuren hervorbringt. Es l¨asst sich zeigen, dass die Mandelbrot-
mengen zum Exponent n immer eine Drehsymmetrie zu 2π
n−1 aufweisen und
die Juliamengen zu 2π
n . Weiterhin bleiben die Elemente der Mandelbrot-
menge betragsm¨aßig immer kleiner als n−1
√
2. Der Hauptk¨orper zu so ver-
allgemeinerten Mandelbrotmengen ist nun wieder von Rollkurven begrenzt.
Das Verh¨altnis der Radien ist jeweils n-1:1, was dazu f¨uhrt, dass man je n-1
Spitzen der Epizykloide erh¨alt.
Eine nette Spielerei stellt auch noch das Einsetzen von reellen Zahlen als
Exponent da. Das Ergebnis ist i.A. jedoch recht unsch¨on. Man erh¨alt Unste-
tigkeiten beim st¨andigen Wechsel der Riemannfl¨achen und evtl. Rollkurven,
die sich niemals wieder schließen, als Begrenzung. 5
5
Das beigef¨ugte Programm ist in der Lage all diese Mengen zu plotten. Dem interes-
7.3 Verallgemeinerte Mandel- und Juliamengen 69
sierten Leser sei empfohlen, dies zu tun, um ein Gef¨uhl daf¨ur zu bekommen, wie sich die
Menge verh¨alt. Insbesondere sind die Feigenbaumdiagramme der verschiedenen Teilmen-
gen h¨ochst interessant.
Anhang A
Ausblick
Leider kann in dieser Arbeit nicht alles er¨ortert werden, was wesentlich mit
den komplexen Zahlen zusammenh¨angt. Ich habe mir große M¨uhe gegeben,
einen weitreichenden ¨Uberblick ¨uber alle Aspekte der Materie zu geben.
Jedoch sind trotz des erheblichen Umfangs der BLL nicht alle Themen, mit
denen ich mich befasst habe, zur Sprache gekommen. Eines dieser Kapitel
ist beispielsweise die Fundamentalsatzmathematik, die besonders historisch
eine herausragende Rolle einnimmt. Eng damit verbunden sind Studien ¨uber
das Verhalten der Potenzen komplexer Zahlen, bzw. des ¨Ubergangs zwischen
den Exponenten. Es stellen sich faszinierende Gegebenheiten heraus, wenn
man beispielsweise betrachtet, wie aus der Gleichung z0 , z0.5 =
√
z und
weiter z1, z2... wird. Abbildung A.1 verdeutlicht die Problematik.
Sicherlich w¨are auch das Kapitel ¨uber physikalische Anwendungen noch
weiter ausbaubar und auch Mandelbrot l¨asst noch viel Raum f¨ur Nachfor-
schungen, z.B. Verhalten der Begrenzungskurven der Einflussbereiche einzel-
ner Fixpunkte oder genauere Untersuchungen an Iterationen h¨oherer Ord-
nung: z3 + z0...
Abbildung A.1: Conturplots der Realteile der Funktionen z−5 bis z4
71
Gescheitert bin ich bei dem Versuch zu beweisen, dass sich ein Stab in
einer Dreispitz Hypozykloide abrollen l¨asst. Bekannt ist dieses Problem im
Zusammenhang mit dem Wankelmotor, es l¨asst sich sogar zeigen, dass sich in
einer n-Spitz Hypozykloide immer eine (n-1)-Spitz Hypozykloide umdrehen
l¨asst. Generell lassen sich die komplexen Zahlen auch gut als Hilfsmittel zur
L¨osung geometrischer Probleme verwenden, speziell wenn es um Streckungen
und Drehungen geht.
Damit verbunden ist die Darstellung komplexer Zahlen als 2×2 Matrizen,
die einer Zahl eine Abbildung zuordnet, mit der gerechnet werden kann.
Anhang B
Quelltexte
Auf der beiliegenden Diskette finden sich die Quelltexte in digitaler Form
und 2 vorkompilierte Versionen des Programms (mit SVGA, ohne SVGA).
Das Programm darf zu Studienzwecken beliebig vervielf¨altigt und ver¨andert
werden. Es w¨are nur nett, wenn entsprechende Copyrighthinweise bei ¨Uber-
nahme großer Programmteile erhalten blieben.
section{Mandelbrot}
subsection{Haputprogramm}
lstinputlisting{D:/bll/mandel/bbl.pas}
subsection{mygraph.inc}
lstinputlisting{D:/bll/mandel/mygraph.inc}
subsection{files.inc}
lstinputlisting{D:/bll/mandel/files.inc}
subsection{maus.inc}
lstinputlisting{D:/bll/mandel/maus.inc}
subsection{feigenb.inc}
lstinputlisting{D:/bll/mandel/feigenb.inc}
subsection{fracbmp.inc}
lstinputlisting{D:/bll/mandel/fracbmp.inc}
subsection{steuerru.inc}
lstinputlisting{D:/bll/mandel/steuerru.inc}
subsection{fraccalc.inc}
lstinputlisting{D:/bll/mandel/fraccalc.inc}
subsection{help.inc}
lstinputlisting{D:/bll/mandel/help.inc}
section{Hartmannkurve}
lstinputlisting{D:/bll/mandel/hez.pas}
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Komplexe Zahlen

  • 1. Titel KOMPLEXE ZAHLEN und ihre Anwendung Autor HEINRICH HARTMANN Lehrer Klaus Gornik Schule Willigis Gymnasium Mainz Jahr Januar - August 2002 Besondere Lernleistung in den F¨achern: Mathematik, Physik, Informatik
  • 2. Inhaltsverzeichnis 1 Vorwort 4 2 Grundbegriffe und Einf¨uhrung in die Thematik 5 2.1 Die Erfindung der komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . 5 2.2 d dt Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.3 Was sind komplexe Zahlen ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.3.1 Vektorraumstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.3.2 Addition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.3.3 Multiplikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.3.4 C und R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.3.5 i und Summenschreibweise . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.4 Darstellungsformen und die Gaußsche Ebene . . . . . . . . . 11 2.4.1 ¯z, |z|, z > w... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.4.2 Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.5 Rechenregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.5.1 Die Addition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.5.2 Die Subtraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.5.3 Die Multiplikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.5.4 Die Division . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3 H¨ohere Rechenarten 16 3.1 Potenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.1.1 Moivresche Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3.1.2 Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3.1.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3.2 Riemannsche Fl¨achen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3.3 Die Exponentialfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.3.1 Die Eulerformeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.3.2 Herleitung aus den Potenzreihen . . . . . . . . . . . . 21 3.3.3 Beziehung zu den Kreisfunktionen . . . . . . . . . . . 22 3.3.4 Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3.3.5 Sonderf¨alle und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3.3.6 Ganzheitliche Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . 23
  • 3. INHALTSVERZEICHNIS 3 3.4 (−e)x . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3.5 Hyperbolische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.6 Der Logarithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.7 Differentialrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4 Anwendungen in der Physik 31 4.1 Die harmonische Schwingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4.1.1 D¨ampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.2 Wechselstrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4.2.1 Zeigerdiagramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4.2.2 Addition gleichfrequenter Schwingungen . . . . . . . . 37 4.2.3 Addition ungleichfrequenter Schwingungen . . . . . . 37 4.2.4 Wechselstromwiderst¨ande . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4.2.5 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 5 Penningfallen 41 5.1 Potentialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 5.2 Die Differentialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 5.3 L¨osung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 6 Rollkurven 47 6.1 Zykloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 6.2 Epizykel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 6.3 Epizykloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 6.4 Hypozykloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 6.5 Hartmannkurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 6.5.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 6.5.2 Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 6.5.3 Sonderf¨alle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 6.5.4 Symmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 7 Fraktale 58 7.1 Mandelbrotmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 7.1.1 Hauptk¨orperbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 60 7.2 Juliamengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 7.3 Verallgemeinerte Mandel- und Juliamengen . . . . . . . . . . 62 A Ausblick 63 B Quelltexte 64
  • 4. Kapitel 1 Vorwort Jeder hat davon wohl schon irgendwann einmal geh¨ort. Teilweise schon in der Grundschule bei der Einf¨uhrung der negativen Zahlen wurde auf ihre Existenz hingewiesen. Sie verschwanden jedoch in aller Regel ganz schnell wieder in der Schublade und tauchten sp¨ater auch nur als Randbemerkungen ab und zu wieder auf: die komplexen Zahlen. Viele abenteuerliche Vorstellungen ¨uber diesen “Gral der Mathematik” geistern in so manchem Sch¨ulerkopf herum. Eben diese waren es auch, die mich bewogen haben dem R¨atsel auf den Grund zu gehen und mich mit diesem geheimnisvollen i n¨aher zu besch¨aftigen. In der nun folgenden Arbeit wird zun¨achst einmal der Umgang mit den komplexen Zahlen erkl¨art bzw. eine strukturmathematische Einf¨uhrung ge- liefert. Im n¨achsten Teil werden dann aus dem Reellen bekannte Funktionen im Komplexen n¨aher erl¨autert. Der vierte Teil befasst sich mit dem Anwen- dungsgebiet Physik, wo unter anderem die Teilchenbewegungen in Penning- fallen beschrieben werden wird. Darauf folgt ein Kapitel ¨uber Rollkurven, in dem ich auch eine eigene, fraktale Rollkurve vorstelle. Das leitet ¨uber in den n¨achsten Teil, in dem ich Chaostheorie am Beispiel von Mandel und Juliamengen anschneiden werde. Dort liegt auch der Teil der Arbeit, der in die Informationstechnik hineinragt. Das beigef¨ugte Programm ist in der Lage, viele Fraktale graphisch umzusetzen. Vorausgesetzt werden grunds¨atzlich Kenntnisse der Mathematik der gym- nasialen Oberstufe. Insbesondere die Begrifflichkeiten: Gruppe, K¨orper, Vek- torraum, exp, ln, sin, sinh, c a=b, d dt werden intensiv gebraucht werden. Dar¨uber- hinaus wird grundlegendes Verst¨andnis vektoranalytischer Operatoren zum Verst¨andnis des Kapitels ¨uber Penningfallen von N¨oten sein.
  • 5. Kapitel 2 Grundbegriffe und Einf¨uhrung in die Thematik 2.1 Die Erfindung der komplexen Zahlen Es ist nicht ganz, einfach ein Erfindungsdatum f¨ur die komplexen Zahlen anzugeben. Bis aus unvollst¨andigen Anmerkungen eine vollst¨andige Theorie entstanden war, dauerte es mehrere Jahrhunderte. Die grundliegende Pro- blematik, die schließlich zur Einf¨uhrung und allgemeinen Akzeptanz dieser “quantitas sophistica” gef¨uhrt hat, liegt sicherlich bei den Polynomen. Man kann Gleichungen wie z.B. x2 + 1 = 0 (2.1) im reellen Zahlenraum nicht l¨osen. Diese Tatsache wurde von einigen Mathe- matikern als Unvollkommenheit gedeutet und sie versuchten dieses Problem in den Griff zu bekommen. Es fanden sich auch noch einige weitere Indizien, die darauf hindeuteten, dass da außer den reellen Zahlen noch etwas sein muss. So entdeckte zum Beispiel Leibniz um 1674 die Beziehung: 1 + √ −3 + 1 − √ −3 = √ 6 1 (2.2) Des Weiteren kam man bei allgemeinen L¨osungsversuchen f¨ur die kubischen Gleichungen an Ausdr¨ucken vorbei, die diese “negativen Wurzeln” beinhal- teten. W¨ahrend die einen die Rechnungen als “absurd” abtaten, nahmen einige dieses Ph¨anomen ernst und bem¨uhten sich Licht ins Dunkle zu brin- gen. Der erste, dem eine umfangreiche mathematische Fundierung der kom- plexen Zahlen gelang, war der Schweizer Mathematiker Leonard Euler. Bei seinen Arbeiten fand er erstaunliche S¨atze (Eulerformeln), die bisher ver- schieden betrachtete Teilgebiete der Mathematik auf elegante Weise ver- banden. Aber dazu sp¨ater mehr. 1 Beispiel entnommen aus [10] S.48
  • 6. 6 Grundbegriffe und Einf¨uhrung in die Thematik 2.2 d dt Zahlen In fr¨uheren Jahrhunderten erlag der Zahlbegriff einem stetem Wandel, man verallgemeinerte ihn, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu wer- den. Von den nat¨urlichen Zahlen kann man sich noch eine sehr anschauliche Vorstellung machen. Wenn man von einem Ding eine gewisse Menge zur Verf¨ugung hat, kann man diese Menge (i.d.R) durch eine nat¨urliche Zahl beschreiben. Alle Weiterentwicklungen des Zahlbegriffs haben eine Gemein- samkeit, sie bringen immer Neuerungen mit, die zun¨achst unintuitiv und unnat¨urlich wirken. Dies hat zur Folge, dass sie von Zeitgenossen nur mit viel Skepsis angenommen werden. So auch bei der 0, sie kann man beispiels- weise so oft zu einer nat¨urlichen Zahl addieren wie man will, das Ergebnis ver¨andert sich nicht. Die negativen Zahlen waren mit die erste Erweiterung, die sich durchsetzte. Sie wurde von Kaufleuten entwickelt, die in irgendei- ner Form mit Schulden umgehen wollten. Die ganzen Zahlen waren geboren. Br¨uche fand man auch irgendwann sehr praktisch, mit ihnen befasste sich z.B. Pythagoras. Und als man schließlich von Architekten vor das Problem der Umkreis- oder Diagonalenberechnung gestellt wurde, musste man auch diesen Zahlbegriff erweitern. Die Erweiterung zu den komplexen Zahlen ist nun eine neue Erg¨anzung, die den Zahlen zur algebraischen Abgeschlossen- heit 2 verhilft. Man trennt sich mit dieser Einf¨uhrung nun endg¨ultig von der Zahl als Z¨ahlbegriff und geht zu einer abstrakten Definition ¨uber, die das Handwerkszeug f¨ur unsere Anwendungen liefert. Es wurde f¨ur die Mathe- matik wichtig mit “negativen Wurzeln” umzugehen, weshalb man sich das entsprechende “Handwerkszeug” aufgebaut hat. Es hat sich jedoch im Lau- fe der Zeit gezeigt, dass dieser neue Zahlbegriff wesentlich leistungsf¨ahiger sein w¨urde als erwartet. Im Folgenden wird nun Schritt f¨ur Schritt dieses Handwerkszeug erstellt werden. 2.3 Was sind komplexe Zahlen ? Ziel des folgenden Kapitels wird es sein, einen Calculus aufzubauen, der nur ein paar wenige Bedingungen erf¨ullen muss, n¨amlich uns das Rechnen mit “negativen Wurzeln” zu erm¨oglichen. Der Rest dieser BLL wird sich im Prinzip darum drehen, die Feinheiten, dieses Systems auszuleuchten, die Konsequenzen aufzuzeigen, die eine solche Einf¨uhrung mit sich bringt, und ihre Anwendungen und Vorteile darzustellen. Hamilton war einer der ersten Menschen, die erkannten, dass sich ein solcher Calculus nicht sinnvoll in einem eindimensionalen System von linear ange- ordneten Elementen aufbauen l¨asst. Eine M¨oglichkeit ist es, einen zweidi- mensionalen Vektorraum als Basis zu verwenden, was unmittelbar zur Folge 2 Ein K¨orper heißt algebraisch abgeschlossen, wenn in ihm jedes Polynom nten Gerades in n Linearfaktoren zerf¨allt.
  • 7. 2.3 Was sind komplexe Zahlen ? 7 hat, dass wir nun mit geordneten Zahlenpaaren rechnen werden. Diesen Vek- torraum wollen wir von nun an C nennen. In ihm werden nun Operationen definiert und zwar nach folgenden Regeln: • C soll ein kommutativer K¨orper sein. 3 • Die reellen Operationen sollen aus der komplexen Definition der Ope- rationen hervorgehen. Daher C ist Oberk¨orper von R. • i2 = −1 2.3.1 Vektorraumstruktur Wir haben schon festgestellt, dass C ein Vektorraum einen soll. Wir brauchen also eine abelsche Gruppe G deren Elemente wir komplexe Zahlen nennen werden und wir brauchen einen kommutativen Skalarenk¨orper S. Wie auch in der Schule bei verwenden wir R x R (mit einer Addition die sp¨ater defi- niert wird) als abelsche Gruppe und R als Skalarenk¨orper. F¨ur die skalare Multiplikation soll nun gelten: u · (a|b) = (u · a|u · b) u ∈ R = S (a|b) ∈ R2 = G (2.3) 2.3.2 Addition Die Addition wird schlichtweg aus der reellen Vektorgeometrie ¨ubernommen und mit (a|b) + (u|v) = (a + u|b + v) (2.4) definiert. Das neutrale Element der Addition ist der 0-Vektor (0|0). Das Kommutativgesetz und das Assoziativgesetz gilt. Beweis durch Zuhilfenah- me der Rechengesetze im reellen Zahlenraum: (a|b) + (0|0) = (a + 0|b + 0) = (a|b) (2.5) (a|b) + (u|v) = (a + u|b + v) = (u + a|v + b) = (u|v) + (a|b) (2.6) (a|b) + ((u|v) + (x|y)) = (a|b) + (u + x|v + y) = (a + u + x|a + v + y) = (a + u|b + v) + (x|y) = ((a|b) + (u|v)) + (x|y) (2.7) Das inverse Element der Addition erh¨alt man durch (a|b) + (u|v) = (0|0) ⇒ (u|v) = (−a| − b) = −(a|b) (2.8) 3 d.h. C besteht aus einer Menge und 2 Operationen (+, ·), die jedem geordneten Paar von Elementen (a, b) ein c = a · b oder c = a + b, c ∈ C zuordnen. Diese Operationen m¨ussen so gew¨ahlt sein, dass das Assoziativgesetz f¨ur die Multiplikation und die Addition erf¨ullt ist, es ein (je verschiedenes) neutrales Element f¨ur Multiplikation und Addition gibt, jeweils ein inverses Element existiert (bei der Multiplikation ist die 0 ausgenommen) und das Distibutivgesetzt gilt. Vgl. [15] S.19
  • 8. 8 Grundbegriffe und Einf¨uhrung in die Thematik 2.3.3 Multiplikation In der reellen Vektorgeometrie existieren schon 2 Multiplikationen, die wir in der Oberstufe kennengelernt haben: das Skalarprodukt und das Vektor- produkt. Diese beiden Operationen sind jedoch f¨ur unsere Anwendung un- zul¨anglich: Das Skalarprodukt ist eine Abbildung aus dem Raum in den Skalarenk¨orper des Vektorraums (V → S). Das Vektorprodukt ist hingegen nur im R3 definiert und scheidet schon daher aus. Wir m¨ussen also eine v¨ollig neue Multiplikation von C nach C bzw. von R2 nach R2 erfinden. Die Definition der komplexen Multiplikation ist wie folgt: (a|b) · (u|v) = (au − bv|av + bu) (2.9) Dies scheint zun¨achst etwas willk¨urlich, jedoch l¨asst sich leicht zeigen, dass die geforderten Bedingungen von dieser Multiplikation erf¨ullt werden. Das Einselement des K¨orpers ist der Vektor (1|0). Das Kommutativgesetz und das Assoziativgesetz gelten und die geforderte Distributivit¨at ist auch erf¨ullt. Beweis: (a|b)(1|0) = (a1 − b0|a0 + b1) = (a|b) (2.10) (a|b)(u|v) = (au − bv|av + bu) = (ua − vb|va + ub) = (u|v)(a|b) (2.11) (a|b)((u|v)(x|y)) = (a|b)(ux − vy|uy + vx) = (a(ux − vy) − b(uy + vx)|a(uy + vx) + b(ux − vy)) = (aux − avy − buy − bvx|auy + avx + bux − bvy) = (x(au − bv) − y(av + bu)|x(av + bu) + y(au − bv)) = (au − bv|av + bu)(x|y) = ((a|b)(u|v))(x|y) (2.12) (a|b)((u|v) + (x|y)) = (a|b)(u + x|v + y) = (a(u + x) − b(v + y)|a(v + y) + b(u + x)) = (au + ax − bv − by|av + ay + bu + bx) = (au − bv + ax − by|av + bu + ay + bx) = (au − bv|av + bu) + (ax − by|ay + bx) = ((a|b)(u|v)) + ((a|b)(x|y)) (2.13) Das inverse Element ergibt sich zu (a|b)−1 = ( a a2 + b2 | −b a2 + b2 ) (2.14) denn: (a|b)( a a2 + b2 | −b a2 + b2 )
  • 9. 2.3 Was sind komplexe Zahlen ? 9 = ( a2 a2 + b2 − −b2 a2 + b2 | −ab a2 + b2 + ab a2 + b2 ) = (1|0) (2.15) Es gibt außer dieser noch andere M¨oglichkeiten, eine Multiplikation 4 zu erfinden, die die geforderten Eigenschaften besitzt. Trotz des sonderbaren Formalismus wird sich sp¨ater zeigen, dass eine solche Definition der Multi- plikation ¨außerst zweckm¨assig ist. 2.3.4 C und R Gesucht ist eine Abbildung (A) von R nach C, die folgende Bedingungen erf¨ullen muss: A(a + b) = A(a) + A(b) a, b ∈ R (2.16) A(a · b) = A(a) · A(b) (2.17) c · A(a) = A(c · a) c ∈ R = S (2.18) Aus 2.16 und 2.18 folgt, dass die Abbildung linear sein muss. Man kann sie also in der Form A : k → (kx|ky) x, y ∈ R schreiben. Setzen wir mit dieser Bedingung 2.16 an, so erh¨alt man: A(a · b) = A(a) · A(b) (2.19) ⇔ (xab|yab) = (x2 ab − y2 ab|2xyab) (2.20) ⇔ xab = x2 ab − y2 ab ∧ 2xyab = yab (2.21) ⇔ y = 0 ∨ (x = x2 − y2 ∧ 2x = 1) (2.22) ⇔ (y = 0 ∧ x = 1) ∨ ( 1 2 = 1 4 − y2 ) (2.23) ⇔ (y = 0 ∧ x = 1) ∨ (y2 = − 1 4 ) (2.24) Der 2. Teil dieses Ausdrucks widerspricht der Forderung y ∈ R, daher er- halten wir die Abbildung A : k → (k|0) als einzig m¨ogliche. Der K¨orper der Reellen Zahlen findet sich also in C als Vektoren der Form (r|0) wieder. Insbesondere gilt also: 1A(a) = A(1a) = A(a) = (a|0) = 1A(a) = aA(1) (2.25) Obwohl 1, das neutrale Element der Multiplikation im Skalarenk¨orper und (1|0), das neutrale Element der Multiplikation im Vektorraum und Teil der nat¨urlichen Basis des Vektorraums nicht dasselbe sind, ist es allgemein ¨ublich, sie beliebig gegeneinander auszutauschen. Daher soll nun gelten: A(1) = 1 = (1|0) a = aA(1) = A(a) = (a|0) (2.26) 4 Hamilton fordert weiterhin die G¨ultigkeit der sog. Produktregel ( |z · w| = |z| · |w|), deren Hinzunahme diese Definition zwingend macht. Genau nachzulesen ist dies u.a in [10] S. 54.
  • 10. 10 Grundbegriffe und Einf¨uhrung in die Thematik 2.3.5 i und Summenschreibweise Letztlich bleibt nur noch die Forderung nach i2 = −1 zu best¨atigen. Jedoch m¨ussen wir daf¨ur erst einmal wissen, was i ¨uberhaupt ist. Nachdem wir im vorherigen Kapitel (1|0) mit 1 identifiziert haben, definieren wir nun den anderen Teil der nat¨urlichen Basis (0|1) zu i = (0|1). Diesmal ist dies nicht so problematisch, da i selbst kein Element des Skalarenk¨orpers ist. Es zeigt sich nun sofort, dass auch diese Forderung erf¨ullt ist(0|1) · (0|1) = (−1|0). Wir haben mit dieser letzten Definition auch die Grundlage f¨ur eine neue Schreibweise gelegt. Es gilt n¨amlich: (a|b) = (a|0) + (0|b) = a(1|0) + b(0|1) = a1 + bi = a + bi (2.27) Nun wird auch ersichtlich, warum es sinnvoll war, die Multiplikation so ob- skur zu definieren. Wir m¨ussen n¨amlich gar keinen neuen Formalismus er- lernen, wenn wir mit komplexen Zahlen umgehen wollen, sondern k¨onnen mit i wie mit einer reellen Unbekannten rechnen. Die einzige Besonderheit ist, dass man f¨ur i2 auch −1 schreiben darf. F¨ur zwei Zahlen z, w ∈ C kann man nun (nach dem reellen Formalismus) so vorgehen: z · w = (a + bi)(u + vi) = au + avi + bui + bvi2 = au − bv + avi + bui = au − bv + i(av + bu) (2.28) Das Ergebnis ist gerade die Definition 2.9.
  • 11. 2.4 Darstellungsformen und die Gaußsche Ebene 11 2.4 Darstellungsformen und die Gaußsche Ebene Abbildung 2.1: Gaußsche Ebene Auf Gauß geht schließlich die wohl anschau- lichste Darstellung der komplexen Zahlen zur¨uck. Zus¨atzlich zu dem reellen “Zah- lenstrahl” kommt nun noch eine imagin¨are Achse, die senkrecht auf ihm steht, hin- zu. Beide zusammen spannen nun die sog. Gaußsche Zahlenebene auf. Jede (komplexe) Zahl wird nun durch einen Punkt P in der Ebene symbolisiert. Die Basis des Vektor- raums ist durch die 2 Vektoren 1 und i gege- ben. Diese werden i.d.R. so angeordnet, dass die reelle Achse (1) horizontal orientiert ist (X-Achse) und die Achse mit dem Basisvek- tor (i) senkrecht dazu (Y-Achse) gerichtet ist. 2.4.1 ¯z, |z|, z > w... Es gibt einige Operationen, die erst mit Einf¨uhrung der komplexen Zahlen Sinn bekommen oder nun in einem ganz anderem Licht stehen. In C kennt man beispielsweise rein-imagin¨are und rein-reelle Zahlen, das sind genau die Zahlen, bei denen eine Komponente 0 wird. Geometrisch bilden die beiden Zahlenmengen zusammen die Achsen des Koordinatensystems. Aus der Summendarstellung, die wir im vorherigen Abschnitt kennengelernt haben, folgt unter anderem, dass man jede komplexe Zahl(z) in eine Sum- me zweier Zahlen zerlegen kann, bei denen die eine rein imagin¨ar und die andere rein reell ist ( z = a1 + bi ). Die reelle Zahl nennt man auch Realteil (ℜ(z) = a), dementsprechend spricht man bei der 2. Komponente von dem Imagin¨arteil (ℑ(z) = b). Unter der komplex Konjugierten einer Zahl (z) ver- steht man die Zahl, die man erh¨alt, wenn man ihren Imagin¨arteil negiert: ¯z = a − bi. −z erh¨alt man indem man beide Komponenten negiert. Diese Operation entspricht der Multiplikation mit dem Skalar −1 und liefert das additiv In- verse (−z = −a − bi). Die Betragsfunktion einer Zahl gibt ihren Abstand zum 0-Punkt an. Wir kennen diese Funktion schon aus der reellen Vektorgeometrie: in dieser ist sie definiert zu |v| = √ v · v = n r=0 v2 r (2.29)
  • 12. 12 Grundbegriffe und Einf¨uhrung in die Thematik wobei n hier f¨ur die Dimension des Raumes steht. Der Beweis f¨ur zwei- und h¨oherdimensionale R¨aume leitet sich aus dem Satz des Pythagoras her.5 Wie schon erw¨ahnt, ist C nichts anderes als ein Vektorraum der Dimension 2. Es ist daher sinnvoll, den Betrag analog zu definieren: |z| = a2 + b2 = ℜ(z)2 + ℑ(z)2 (2.30) Eine weitere Gr¨oße, die im Zusammenhang mit der Gaußschen Ebene sinn- voll wird, ist das Argument. Das Argument einer Zahl z gibt den Winkel zwischen der reellen Achse und der Halbgeraden von 0 durch z an. Es gilt: tan ϕ = ℑ(z)/ℜ(z), ϕ = Arg(z) (2.31) Ein fundamentaler Begriff, der in der reellen Algebra h¨aufig verwandt wird, ist der der Anordnung. Jedem reellen Zahlenpaar kann man eine der 3 Bezie- hungen =, >, < eindeutig zuordnen. In C ist das nicht mehr ohne weiteres m¨oglich. Es ist in der Tat nur noch die Relation = bzw. = definiert. Die Unm¨oglichkeit einer konsistenten <, > Relation l¨asst sich wie folgt zeigen:6 • F¨ur jedes Element z aus C gilt entweder z < 0, z = 0, oder z > 0. • Aus w > 0 und z > 0 folgt stets w + z > 0, wz > 0 und −z < 0. F¨ur jedes z = 0 gilt demnach z2 > 0. Insbesondere dann auch 12 > 0, i2 > 0 und 0 = i2 + 1 > 0 ✸ . 2.4.2 Polarkoordinaten Ein Punkt einer Ebene kann nicht nur eindeutig durch seine Achsenabschnit- te definiert werden, sondern auch durch die Angabe seines Betrages und des Arguments. Als Polarkoordinaten einer Zahl z bezeichnet man nun ge- rade das Zahlenpaar, bestehend aus Betrag und Argument. Zwischen der Darstellung als Polarkoordinaten und als Achsenabschnitt besteht folgende Beziehung: z = a + bi = |z|(cos(ϕ) + i sin(ϕ)), ϕ = Arg(z) (2.32) 2.5 Rechenregeln Nachdem wir uns den Grundrechenarten schon beim Aufbau des K¨orpers ge- widmet haben, wollen wir uns nun vor Augen f¨uhren, was diese Definitionen geometrisch bedeuten.7 5 Bemerkung: Die Definition des Betrages wird i.d.R. ¨uber das Skalarprodukt gef¨uhrt. Die zweite Beziehung setzt die Verwendung des Standardskalarprodukts vorraus. 6 Beweis entnommen aus [10], S. 56 7 Bemerkung: Wir werden im Folgenden als komplexe Variablen i.d.R. z und w verwen- den, f¨ur die Zerlegung in Real- und Imagin¨arteil soll die Schreibweise z = zr + izi und w = wr + iwi sein. F¨ur die Polarkoordinaten gilt stets: Arg(z) = ϕ und Arg(w) = ψ.
  • 13. 2.5 Rechenregeln 13 2.5.1 Die Addition Die komplexe Addition l¨asst sich als Aneinanderlegen der Ortsvektoren der Punkte in der Gaußschen Ebene deuten. Abbildung 2.2: Addition komplexer Zahlen 2.5.2 Die Subtraktion Die Subtraktion geschieht ebenso wie die Addition. Nur wird nun die (addi- tiv) Inverse Zahl (-z) addiert. Man spiegelt den Subtrahenden am Ursprung und addiert ihn zum Minuenden. Die Differenz zweier komplexer Zahlen gibt zugleich auch den Abstand zweier Zahlen an. z − w = z + (−w) = zr − wr + i(wi − wi) (2.33) 2.5.3 Die Multiplikation Die Multiplikation wird wohl in der obigen Darstellung die meisten Fragen offen gelassen haben. Nicht nur, dass sie algebraisch so gut aufgeht, sie l¨asst sich auch geometrisch sehr anschaulich deuten. z · w = (zr + izi) · (wr + iwi) = wrzr + i(wrzi + wizr) + i2 (wizi) mit i2 = −1 = wrzr − wizi + i(wrzi + wizr) (2.34) Man k¨onnte nun diesen Term analysieren und sein Gehirn verrenken, um versuchen zu verstehen, welcher Sinn in dieser Definition steckt. Jedoch l¨asst
  • 14. 14 Grundbegriffe und Einf¨uhrung in die Thematik Abbildung 2.3: komplexe Multiplikation sich das auch umgehen. Wir haben n¨amlich noch eine andere Darstellung kennengelernt, mit der sich das Problem wesentlich eleganter l¨osen l¨asst: Die Polarkoordinaten. z = zr + izi = |z| cos ϕ + i|z| sin ϕ = |z|(cos ϕ + i sin ϕ) (2.35) Setzt man nun f¨ur die Multiplikation ein gilt: z · w = |z|(cos ϕ + i sin ϕ) · |w|(cos ψ + i sin ψ) = |z||w|[(cos ϕ cos ψ − sin ϕ sin ψ) +i(cos ϕ sin ψ + sin ϕ cos ψ)] (2.36) Es scheint zun¨achst so, als w¨aren wir nicht wesentlich weiter gekommen, doch lassen sich nun die Additionstheoreme aus Klasse 10 anwenden. Man erh¨alt so: w · z = |z||w|[(cos ϕ cos ψ − sin ϕ sin ψ) +i(cos ϕ sin ψ + sin ϕ cos ψ)] = |z||w|[cos(ϕ + ψ) + i sin(ϕ + ψ)] (2.37) Analysiert man nun das Ergebnis, so erkennt man, dass die komplexe Multiplikation eine Drehstreckung bewirkt. Der Betrag der Ausgangszahl wird um den Betrag des Multiplikators gestreckt und der Winkel des Mul- tiplikators wird addiert. 2.5.4 Die Division ¨Ahnlich wie bei der Subtraktion wird die Division durch eine Multiplikation mit dem Inversen durchgef¨uhrt. Um z−1 zu erhalten, ohne die Division vor-
  • 15. 2.5 Rechenregeln 15 wegzunehmen, bedient man sich eines Tricks. Wenn man eine Zahl an der reellen Achse spiegelt, erh¨alt man die sogenannte konjugiert-komplexe Zahl. Es gilt: z · ¯z = (zr + izi)(zr − izi) = z2 r − izrzi + izizr − i2 r2 i = z2 r + r2 i = |z|2 (2.38) z−1 erh¨alt man nun durch Erweitern mit ¯z: 1 z = ¯z z¯z = ¯z 1 |z|2 (2.39) Die Division ergibt sich also wie folgt: z w = z ¯w |w|2 = |z||w| |w|2 (cos ϕ + i sin ϕ)(cos ψ − i sin ψ) = |z| |w| (cos(ϕ − ψ) + i sin(ϕ − ψ)) (2.40) Es wird wiederum gedreht und gestreckt. Der Betrag des Dividenden wird durch den des Divisors geteilt und das Argument des Quotienten ergibt sich als Differenz der beiden Ausgangszahlen. Man dreht gewissermaßen r¨uckw¨arts und staucht den erhaltenen Vektor um |w|.
  • 16. Kapitel 3 H¨ohere Rechenarten 3.1 Potenzen Ein mathematisch pr¨aziser Potenzbegriff l¨asst sich erst mit Zuhilfenahme der Exponentialfunktion und des Logarithmus definieren, die jedoch noch nicht behandelt wurden. Wir k¨onnen an dieser Stelle aber sehr wohl verste- hen, was eine Potenz einer komplexen Zahl prinzipiell bedeutet. Potenzen sind grunds¨atzlich auch im Komplexen eine abk¨urzende Schreib- weise f¨ur eine wiederholte Multiplikation. Sei n eine nat¨urliche Zahl, so sind folgende Beziehungen einleuchtend. z = |z|(cos(ϕ) + i sin(ϕ)) z1 = z = |z|1 (cos(1ϕ) + i sin(1ϕ)) z2 = zz = |z|2 (cos(2ϕ) + i sin(2ϕ)) z3 = zzz = |z|3 (cos(3ϕ) + i sin(3ϕ)) zn = zz...z = |z|n (cos(nϕ) + i sin(nϕ)) (3.1) Die Definition stellt sich auch als sinnvoll f¨ur negative Exponenten heraus. Wir hatten bereits in Kapitel 1 ¨uber 1 z = z−1 gesprochen. Wendet man 3.1 an, so ergibt sich: z−1 = |z|−1 (cos(−ϕ) + i sin(−ϕ)) = |z|(cos(−ϕ) + i sin(−ϕ)) |z|2 = ¯z |z|2 Aus diesen Gleichungen folgt auch unmittelbar die G¨ultigkeit der Potenzge- setze: zn zm = z(n+m) , zn wn = (zw)2 , (zn )m = znm (3.2) F¨ur n aus Q und R ist die Beziehung 3.1 auch erf¨ullt. Es wird jedoch auf die Gr¨unde hier nicht weiter eingegangen. 1 1 Nachzulesen ist die genaue Definition z.B. [4] Bd. 2, S.568
  • 17. 3.1 Potenzen 17 3.1.1 Moivresche Formeln Im letzten Absatz haben wir v¨ollig außer Acht gelassen, dass man Poten- zen mit nat¨urlichen Exponenten auch nach dem Binomiallehrsatz entwickeln darf. Es gilt nach wie vor: ((cos(ϕ) + i sin(ϕ))n = cosn (ϕ) +i n 1 cosn−1 (ϕ) sin1 (ϕ) − n 2 cosn−2 (ϕ) sin2 (ϕ) −i n 3 cosn−3 (ϕ) sin3 (ϕ)... = cos(nϕ) + i sin(nϕ) (3.3) Da der Binomialkoeffizient n m f¨ur m > n dauerhaft 0 wird, darf man sich die Reihe bis ins Unendliche fortgesetzt denken. Zu beachten ist weiterhin, dass die entsprechenden Potenzen f¨ur i direkt eingesetzt wurden. Nimmt man die Reihe nun auseinander und trennt nach Real- und Imagin¨arteil, so kommt man auf die Moivresche Formeln: sin(nϕ) = n 1 cosn−1 (ϕ) sin1 (ϕ) − n 3 cosn−3 (ϕ) sin3 (ϕ) + −...(3.4) cos(nϕ) = n 0 cosn (ϕ) − n 2 cosn−2 (ϕ) sin2 (ϕ) + −... (3.5) 3.1.2 Wurzeln Da wir nun schon die Potenzen kennengelernt haben, liegt es nahe auch die Umkehrfunktion zu diskutieren. Wir unterscheiden grunds¨atzlich zwei verschiedene Typen von Wurzeln: die einen kennen wir aus der Mittelstufe, sie sind das Resultat einer Intervallschachtelung und sind nur in R+ definiert. Die andere allgemeinere Form ist die, mit der wir uns hier besch¨aftigen wollen. Der Definitionsbereich dieser Wurzel ist ganz C. Es wird sich zeigen, dass diese Wurzeln i.d.R. nicht eindeutig sind, so gilt z.B. i2 = −1 und (−i)2 = −1. Dieser Widerspruch kommt daher, dass eine Zahl sich nicht ver¨andert, wenn man zu ihrem Argument 2π addiert. Eine kleine Rechnung illustriert diese Tatsache: zn = w ⇔ z = n √ w = n |w|(cos(ψ + 2kπ) + i sin(ψ + 2kπ)) , k ∈ N = n |w|(cos( ψ n + 2kπ n ) + i sin( ψ n + 2kπ n )) (3.6)
  • 18. 18 H¨ohere Rechenarten Abbildung 3.1: Dritte Wurzeln einer Zahl Wir ziehen also die n-te Wurzel, indem wir das Argument der Ausgangs- zahl durch n teilen und vom Betrag die reelle Wurzel ziehen. Das ist der sogenannte Hauptwert der Wurzel. Die Nebenwerte liegen in symmetrischen Abst¨anden von diesem Hauptwert entfernt. Der Parameter k durchl¨auft da- bei die Werte 0 bis n. Alle die so erzeugten Werte erzeugen ein regelm¨aßiges n-Eck um den Ursprung, wobei die Orientierung durch den Hauptwert schon eindeutig bestimmt ist. Als Einheitswurzeln werden alle L¨osungen der Gleichung zn = 1 bezeichnet. 3.1.3 Beispiele Mit Kenntnis des Formalismus l¨asst sich die Beziehung 2.2 ganz einfach nachrechnen: 1 + √ −3 + 1 − √ −3 = √ 6 |()2 ( 1 + √ −3 + 1 − √ −3)2 = 6 |mit i2 = −1 ( 1 + i √ 3 + 1 − i √ 3)2 = 6 |bin. F. (1 + i √ 3) + 2 (1 − i √ 3)(1 + i √ 3) + (1 − i √ 3) = 6 |3. bin. F. 2 + 2 1 − (i √ 3)2 = 6 2 + 2 √ 4 = 6 Wie wichtig die Unterscheidung der Werte der Wurzel ist, illustriert folgende Rechnung. 1 = √ 1 = (−1)(−1) = √ −1 √ −1 = i2 = −1 (3.7)
  • 19. 3.2 Riemannsche Fl¨achen 19 z-Ebene w-Ebene Abbildung 3.2: Ausgangs- und Bildmenge zu z → z2 Man sollte es vermeiden, die beiden Wurzelsorten durcheinanderzuwerfen, ohne genau darauf zu achten, was man gerade tut. Eine Definition wie√ −1 = i liest man zwar nicht selten, ist aber irref¨uhrend bzw. falsch. 3.2 Riemannsche Fl¨achen 2 Wir betrachten nun eine Zuordnung der Form w = z2 (3.8) Diese Vorschrift ordnet jedem Punkt z der Gaußschen Ebene einen zwei- ten Punkt zu. Dieser wird in der Regel in einem anderem Koordinatensys- tem dargestellt. Man spricht daher von einer z-Ebene, auf der z variiert wird und dementsprechend von einer w-Ebene, auf der sich die abgebilde- ten Punkte befinden. Die w- und z-Ebene sind sind im Prinzip analog zu der X- und Y-Achse eines normalen “Koordinatensystems”, jedoch reichen bei diesem 2 Dimensionen aus, um den Definitionsbereich und den Wertebe- reich darzustellen. Im Komplexen werden die Abbildungen gewissermaßen 4- dimensional, was sich fast immer negativ auf die ¨Ubersichtlichkeit auswirkt. Trotzdem gibt es einige M¨oglichkeiten komplexwertige Funktionen auch auf einem Blatt Papier vern¨unftig wiederzugeben. Neben der Aufteilung auf 2 Ebenen lassen sich auch 2 Oberfl¨achen im Raum, farbliche Codierungen oder Parametrisierungen als Hilfsmittel verwenden, von denen auch in dieser Ar- beit Gebrauch gemacht werden wird. Wir wollen uns nun anschauen, wie diese Abbildung Punkte der Ebene transformiert. Betrachten wir zun¨achst die rechte H¨alfte der z-Ebene, ge- nauer: wir betrachten alle Zahlen der gesamten Ebene, f¨ur die gilt ℜ(z) > 0 oder arg(z) ∈] − π 2 .. π 2 [ ∧ |z| > 0 2 Die Reihenfolge der Darstellung lehnt sich an [4] Bd.2 S. 591 ff
  • 20. 20 H¨ohere Rechenarten Der “Rand” soll also nicht mehr zu der Ebene geh¨oren. Wir wollen diese Halbebene von jetzt an auch E0 nennen. E0 = {z|z ∈ C, arg(z) ∈] − π 2 .. π 2 [ ∧ |z| > 0} (3.9) Wenden wir nun die Zuordnungsvorschrift 3.8 an, so zeigt sich, dass je- der Punkt dieser Ebene einem Punkt der gesamten Ebene zugeordnet wird. Die Bildmenge der E0-Ebene deckt die komplette w-Ebene bis auf den von 0 ausgehenden Halbstrahl in negativer x-Richtung (τ) ab. In Formeln: z2 = |z|2 (cos(2ϕ) + i sin(2ϕ)) = w (3.10) ⇒ arg(w) = 2ϕ (3.11) ⇒ |w| = |z|2 (3.12) z ∈ E0 ⇒ |z| ∈]0.. + ∞[⇒ |z|2 = |w| ∈]0.. + ∞[ (3.13) z ∈ E0 ⇒ ϕ ∈] − π 2 .. π 2 [⇒ 2ϕ = ψ ∈] − π..π[ (3.14) E1 = {w|w ∈ C, ψ ∈] − π..π[∧|w| ∈]0.. + ∞[} (3.15) Diese Abbildung bildet Halbkreise (um den Ursprung) in E0 auf Vollkreise in E1 ab. Der Halbstrahl in positiver X-Richtung wird auf sich selber abge- bildet, was mit der Aussage ¨aquivalent ist, dass das Quadrat einer positiven reellen Zahl auch eine positive reelle Zahl ist. Es zeigt sich weiterhin, dass f¨ur jedes w ∈ E1 ein und nur ein z ∈ E0 existiert, so dass gilt: z2 = w. Diese Aussage macht es uns m¨oglich eine eindeutige Umkehrfunktion zu definieren: √ w. Wir betrachten also jeweils nur den Hauptwert der Wurzelfunktion. Offensichtlich wird nun durch sie E1 in E0 abgebildet. Betrachten wir nun die linke H¨alfte der z-Ebene (E0), wobei wir auch hier wieder den Rand ausschließen. Die dort liegenden Zahlen haben einen Real- teil kleiner 0 und somit eine Argument zwischen π 2 und 3π 2 . Quadrieren wir die Elemente dieser Menge, erreichen wir wiederum alle Zahlen der w-Ebene bis auf den Halbstrahl τ: E′ 0 = {z|z ∈ C, ℜ(z) < 0} = {z|z ∈ C, Arg(z) ∈] π 2 .. 3π 2 [ ∧ |z| ∈]0.. + ∞[}(3.16) ⇒ Arg(z2 ) ∈ ] − π..π[und |z2 | ∈ ]0.. + ∞[ (3.17) ⇒ E′ 1 = {w|w ∈ C, ψ ∈] − π..π[∧|w| ∈]0.. + ∞[} (3.18) = E1
  • 21. 3.2 Riemannsche Fl¨achen 21 Abbildung 3.3: zweibl¨attrige w-Ebene Bei der Umkehrabbildung √ w haben wir auch wieder kein Problem im Hinblick auf die Eindeutigkeit, da wir nun die Werte an- schauen, die nicht mit dem Hauptwert zu- sammenfallen. W¨urde man nun E0 und E′ 0 vereinigen, m¨usste man wieder die Bijektivit¨at opfern. Um dies zu vermeiden, denkt man sich E′ 1 als unter E1 liegend. Die beiden Fl¨achen (oder Bl¨atter) sind dann entlang τ so ver- bunden, dass der obere Rand von E1 mit dem untern von E′ 1 und der untere Rand von E1 mit dem oberen von E′ 1 zusammenfallen. 3 Die beiden Ebenen sind weiterhin am 0-Punkt zusammengeheftet, da dieser nur einmal vorhanden ist. Es besteht keine Verbindung zwischen dem oberen und unteren Rand ein und derselben Ebene. L¨asst man einen Zeiger fester L¨ange auf der z-Ebene 1.Blatt 2.Blatt Abbildung 3.4: Querschnitt durch eine zweibl¨attrige Riemannfl¨ache um den Ursprung rotieren, so wechselt das Bild dieses Zeigers bei jedem Um- lauf von einem Blatt ins andere. Diese Systeme von Fl¨achen gehen auf den deutschen Mathematiker Friedrich Riemann zur¨uck. Man nennt sie daher auch Riemannsche Fl¨achen. In unserem Beispiel haben wir die 2-bl¨attri- ge Riemannsche Fl¨ache der Funktion z → z2 untersucht. Die Riemannsche Fl¨ache der Abbildung z → z4 s¨ahe dementsprechend so aus. 1.Blatt 4.Blatt Abbildung 3.5: Querschnitt durch eine vierbl¨attrige Riemannfl¨ache 3 In Dreidimensionalen ist eine solche Verbindung nicht ohne ¨Uberschneidung darzu- stellen. Dieser kommt mathematisch jedoch keine Bedeutung zu.
  • 22. 22 H¨ohere Rechenarten 3.3 Die Exponentialfunktion 3.3.1 Die Eulerformeln Um 1748 ver¨offentlichte der ¨osterreichische Mathematiker Leonard Euler seine “Introductio in Analysin infinitorum”, in der sich unter anderem die Herleitung der folgenden Formeln findet: eiz = cos z + i sin z (3.19) ⇒ cos z = eiz + e−iz 2 (3.20) ⇒ sin z = eiz − e−iz 2i (3.21) 3.3.2 Herleitung aus den Potenzreihen Um diese Beziehungen zu beweisen, werden die definierenden Potenzreihen benutzt, die aus der Mittel- bzw. Oberstufe bekannt sind. ex = ∞ n=0 xn n! (3.22) cos x = ∞ n=0 (−1)n (2n)! · z2n (3.23) sin x = ∞ n=0 (−1)n (2n + 1)! · z2n+1 (3.24) F¨ur 3.19 w¨urde der Beweis dem folgendem Muster entsprechen (vgl. [12] S.35): cos ϕ = 1 − ϕ2 2! + ϕ4 4! − ϕ6 6! ... (3.25) + i sin ϕ = iϕ − iϕ3 3! + iϕ5 5! ... (3.26) = eiϕ = 1 + iϕ − ϕ2 2! − iϕ3 3! + ϕ4 4! + iϕ5 5! − ϕ6 6! ... (3.27) = 1 + iϕ − (iϕ)2 2! − (iϕ)3 3! + (iϕ)4 4! + (iϕ)5 5! − (iϕ)6 6! (3.28) Dies ist zwar kein strenger Beweis, macht aber deutlich, dass die erste Eu- lerformel (3.19) aus der reellen Definition hervorgeht und wohl richtig ist. Der folgende Abschnitt lehnt sich an [4] Band 2, S.558: “Man h¨atte die Exponentialfunktion auch anders definieren k¨onnen, da eine Potenz mit komplexen Exponenten von sich aus keine Bedeutung hat. Wir k¨onnen nur entscheiden, ob eine getroffene Wahl sinnvoll ist. Gr¨unde, die f¨ur die obige Definition sprechen, sind, dass sie sich f¨ur reelle Exponenten
  • 23. 3.3 Die Exponentialfunktion 23 mit der “normalen” Exponentialfunktion deckt, dass die Additionstheoreme erf¨ullt sind; und vor allem zeigt eine analytische Fortsetzung in der Funk- tionentheorie, dass jede andere Deutung sehr unzweckm¨aßig w¨are.” 3.3.3 Beziehung zu den Kreisfunktionen Diese tiefliegende Verwandtschaft zwischen den trigonometrischen Funktio- nen und der Exponentialfunktion l¨asst sich sehr gut geometrisch veranschau- lichen: w = ez = ezr+izi = ezr · eizi = ezr (cos zi + i sin zi) = |w| · eiψ (3.29) Abbildung 3.6: Parametrischer Plot der Funktion eit wobei ψ = zi und |w| = ezr . Es zeigt sich also, dass die Exponenti- alfunktion nun kreis¨ahnliche Eigenschaf- ten hat. Ver¨andert man ψ = zi dreht sich der Bildpunkt auf der Gaußschen- Ebene um den Ursprung. Eine Ver¨ande- rung des Betrags bzw. des Realteils des Ausgangswertes hat indes Auswirkung auf die L¨ange des Zeigers. Die erste Abbildung (3.3.3) zeigt einen (parametrischen) Plot der Expo- nentialfunktion 3.29, wobei |w| = 1 = cost. und ψ variiert wurde. Abbildung 3.3.3 zeigt denselben Sachverhalt, nur dass hier die einzelnen Komponen- ten jede f¨ur sich geplottet wurden (Imagin¨arteil gr¨un). Abbildung 3.7: Plot des Real und Imagin¨arteils der Funktion eit
  • 24. 24 H¨ohere Rechenarten 3.3.4 Polarkoordinaten Auff¨allig sind des Weiteren die ¨Ahnlichkeiten zu den Polarkoordinaten, bei denen ebenfalls Winkel und Betr¨age zur Abbildung der Zahlen angegeben werden. arg(z) = ϕ; |z| = |z| (3.30) z = |z|(cos ϕ + i sin ϕ) = |w| eiϕ (3.31) Durch bloße ¨Aquivalenzumformung k¨onnen wir die schreibaufwendigen Tri- gonometrischen Funktionen in der Exponentialfunktion verpacken, weshalb von nun an nur noch die Schreibweise 3.30 f¨ur die Polarkoordinaten verwen- det werden wird. 3.3.5 Sonderf¨alle und Beispiele Welche Folgen hat das f¨ur das Verhalten der Exponentialfunktion ? Aus 3.29 geht unter anderem hervor, dass die komplexe Exponentialfunktion pe- riodische Eigenschaften hat. Die Periode ist 2πi, das entspricht einem vollen Umlauf um den Ursprung. Daher gilt: ez = ez+2kπi k ∈ Z (3.32) Insbesondere ist: e0iπ = 1; eiπ 2 = i; eiπ = −1; ei3π 2 = e−iπ 2 = −i; ei2π = i (3.33) Die eigentliche Revolution an dieser Entdeckung war, dass es nun m¨oglich wurde die trigonometrischen Additionstheoreme etc. durch die Potenzge- setze zu umschiffen. Diese Tatsache schafft den komplexen Zahlen heute auch ihre Hauptanwendungsgebiete. So berechnen Elektriker Wechselstrom- widerst¨ande selten mit Zeigerdiagrammen, sondern setzten als Wiederst¨ande komplexe Zahlen ein. Die Mathematik liefert dann die richtigen Ergebnisse quasi automatisch. (Vgl. Kapitel 4) 3.3.6 Ganzheitliche Darstellung Das ist ein Plot der Exponentialfunktion, wobei der Realteil der Ausgangs- werte auf der Y Achse und der Imagin¨arteil auf der X Achse variiert werden. Das schwarze Gitter ist der Realteil des Ergebnisses, das gr¨une der imagin¨are Wert. Gut zu erkennen sind die exponentielle Grundstruktur der Funktion und die periodischen Eigenschaften, die sie “vom Sinus geerbt” hat. Schnei- det man eine Ebene bei x=0 durch die Abbildung, so ist die Schnittfigur die reelle e-Funktion in Schwarz und ein bei 0 konstante Imagin¨arteil.
  • 25. 3.4 (−e)x 25 Abbildung 3.8: Surfaceplot des Real- und Imagin¨arteils der Exponential- funktion 3.4 (−e)x Im Mathematikunterricht bei der Behandlung der Exponentialfunktion stell- te sich mir die Frage, wie sich die Funktion wohl bei Einsetzung negativer Basen verhalten w¨urde. Eines stand auf jeden Fall fest: Sie verh¨alt sich ex- trem “komisch”. Man kann zwischen den ganzzahligen Exponenten, f¨ur die sie definiert ist, nicht sinnvoll interpolieren (wie z.B. bei n! mit der Gam- mafunktion), jedoch scheint sich die Einh¨ullende exponentiell zu verhalten. Im Rahmen meiner Nachforschungen ¨uber komplexe Zahlen ließen sich die- se h¨ochst verwirrenden Tatsachen in einen einleuchtenden Zusammenhang bringen. Zun¨achst habe ich die Exponentialfunktion f¨ur extreme Basiswerte untersucht: lim k→0 kx = lim k→∞ k−x (3.34) Wenn man sich den zugeh¨origen Funktionsgraphen (bzw. die Kurvenschar) f¨ur extrem kleine Basen anschaut, wird man als Grenzfigur eine rechtwinklige “Ecke” finden, die den 1. Quadranten begrenzt. Um nun auch negative Basen zu behandeln, formen wir zun¨achst um: kx = eln((k)x) = ex ln(−1·−k) = ex ln(−1)+x ln(−k) = eixπ ex ln(−k) (3.35) ln(k) wird f¨ur kleine k sehr stark negativ, daher ist wiederum ein Knick bei x = 0 zu erwarten. Zwar wird sich die Funktion infolge des Terms eixπ
  • 26. 26 H¨ohere Rechenarten Schnitt bei x = 0 Schnitt bei y = 0 Schnitt bei x = 0.35π Schnitt bei x = 0, 5π Abbildung 3.9: Schnitte durch 3.8
  • 27. 3.4 (−e)x 27 stets spiralf¨ormig um die x-Achse winden, jedoch strebt der Radius dieser Bewegung gegen unendlich. ex ln(−k) = eln(−k)x = (−k)x (3.36) Dieser Teil der Funktion ist rein reell. Eklatant f¨allt nun die ¨Ahnlichkeit zur Ausgangsgleichung auf. Es ist einsichtig, dass die Grenzfigur f¨ur kleine k wieder eine den 1.Quadranten begrenzende Ecke sein wird. eixπ = cos(πx) + i sin(πx) (3.37) Dieser Teil bringt nun komplexe Zahlen ins Spiel. Die Nullstellen des Ima- gin¨arteils fallen mit den ganzen Zahlen zusammen, was einsichtig macht, warum man diese im Reellen berechnen kann. Fassen wir nun noch einmal zusammen: • F¨ur sehr große k entartet die Funktion zu einer den 2. Quadranten begrenzenden Ecke. • F¨ur endliche, positive k > 1 hat die Exponentialfunk- tion ihre wohlbekannte Form. • F¨ur k=1 ist die Funktion konstant 1 • F¨ur k < 1 l¨asst sich der Kehrwert einer Basis > 1 als negativer Exponent in den Exponenten ziehen. Als geometrische Operation gedeutet, l¨asst sich das neue Vorzeichen als Achsenspiegelung an der y-Achse deu- ten. • F¨ur unendlich kleine k mutiert die Kurve zu einer den 1.Quadranten begrenzenden Kurve. • Beim ¨Ubergang ins Negative windet die Kurve unend- lich oft um die x-Achse, wobei wiederum die Grenz- figur f¨ur große (negative) k eine den 1. Quadranten begrenzende Ecke darstellt.
  • 28. 28 H¨ohere Rechenarten • F¨ur k zwischen 0 und −1 ist die Kurve eine Spirale, die f¨ur negative x einen großen, f¨ur positive x einen kleinen Radius hat. • F¨ur k = −1 hat sie die Form einer gleichf¨ormigen Spi- rale. • F¨ur Negative k < −1 ist sie wiederum spiralf¨ormig, jedoch steigt der Radius mit wachsendem x. • l¨asst man nun k gegen minus unendlich gehen, n¨ahert sich die Figur wieder dem Graphen f¨ur stark positive k an: extrem kleine Betr¨age f¨ur negative x-Werte, extrem große Radien f¨ur positive x-Werte. 4 4 Es w¨are mal ganz interessant, eine geeignete Projektion der Kurvenschar auf der Riemannkugel zu betrachten,
  • 29. 3.5 Hyperbolische Funktionen 29 3.5 Hyperbolische Funktionen Abbildung 3.10: cosh und sinh Die sogenannten Hyperbelfunktionen haben große ¨Ahnlichkeit mit den trigonometrischen Funktionen am Kreis (x2 + y2 = 1). Anders als der Sinus und der Kosinus beschreiben der Sinus- bzw. Kosinus hyperbolicus (sinh, cosh) die Hy- perbel (x2 − y2 = 1). Definiert sind sie als: sinh = 1 + z2 2! + z4 4! + . . . = ez − e−z 2 (3.38) cosh = z + z3 3! + z5 5! + . . . = ez + e−z 2 (3.39) Auff¨allig ist vor allem die ¨Ahnlichkeit zu 3.20 und 3.21, in der die Kreis- funktionen definiert wurden. Es gilt sogar sinh(x) = −i sin(ix); cosh(x) = cos(ix) (3.40) In der Tat sind sie sich so ¨ahnlich, dass man viele Eigenschaften einfach ¨ubertragen kann: 1. Die Additionstheoreme sind erf¨ullt: sinh(z1 + z2) = cosh z1 cosh z2 + sinh z1 sinh z2 (3.41) cosh(z1 + z2) = cosh z1 sinh z2 + sinh z1 cosh z2 (3.42) Zum Vergleich sin(z1 + z2) = cos z1 cos z2 + sin z1 sin z2 (3.43) cos(z1 + z2) = cos z1 sin z2 + sin z1 cos z2 (3.44) 2. Aus sinh(x) = − sinh(−x) cosh(x) = cosh(−x) (3.45) folgt, dass der hyperbolische Cosinus eine gerade und der Sinus eine ungerade Funktion ist. 3. Beide Funktionen sind periodisch. Es gilt sinh(x) = sinh(x + 2kπi) (3.46) cosh(x) = cosh(x + 2kπi) k ∈ Z (3.47)
  • 30. 30 H¨ohere Rechenarten Abbildung 3.11: Surfaceplot des Kosinus Hyperbolicus Wie die hyperbolischen Funktionen im Reellen erben nun auch die Kreis- funktionen exponentielle Eigenschaften. Diese Grafik zeigt den Kosinus hy- perbolicus. Auf der x-Achse wird der Realteil des Ausgangswertes, auf der y-Achse der Imagin¨arteil variiert. In der 3. Dimension ist grau der Real- und schwarz der Imagin¨arteil dargestellt. Betrachtet man eine Schnittebene bei x=0, kann man den Verlauf des cosh im grauen Gitter erkennen. Schlecht zu erkennen ist, dass der Imagin¨arteil auf dieser Ebene konstant 0 ist. Ein Schnitt bei y=0 liefert einen bei Null konstanten Realteil und einen sinus- bzw. kosinusf¨ormigen Verlauf des Imagin¨arteils (schwarz). Abbildung 3.12: Surfaceplot des Kosinus 3.12 zeigt den “normalen” Kosinus. Die Verteilung der Variablen auf die Achsen ist analog zur obigen Abbildung. Schneidet man nun bei einem Imagin¨arteil von 0(=x) durch die Graphen, so ergibt sich ein konstanter Imagin¨arwert bei 0 und die Kosinusfunktion als reeller Teil (wie auch nicht
  • 31. 3.5 Hyperbolische Funktionen 31 anders zu erwarten). Setzt man nun den Realteil des Ausgangswertes gleich 0, erh¨alt man den Kosinus hyperbolicus als Verlauf des Imagin¨arwertes. Dieses Beispiel veranschaulicht auf verbl¨uffende Weise a) den Zusam- menhang der hyperbolischen Funktionen mit den Kreisfunktionen, b) die Bedeutung einer Multiplikation mit i als Drehung um 90 Grad (vgl. 3.40) und c) die Gemeinsamkeiten mit der Exponentialfunktion(vgl. 3.20,3.21). Schnitt bei y = 0 Schnitt bei x = 0 Schnitt bei y = 0.35π Schnitt bei x = 0, 35π Schnitt bei y = 0.5π Schnitt bei x = 0, 5π Abbildung 3.13: Schnitte durch den cosh
  • 32. 32 H¨ohere Rechenarten 3.6 Der Logarithmus Der Logarithmus ist im Reellen wie im Komplexen als Umkehrfunktion der Exponentialfunktion definiert. Im Komplexen hat man mit einigen Proble- men zu k¨ampfen, die im Reellen nicht auftreten. Die Exponentialfunktion ist n¨amlich nicht mehr streng monoton, sondern periodisch, was zur Folge hat, dass eine Umkehrabbildung niemals eindeutig sein kann. Man spricht daher von der sogenannten Hauptabbildung, deren imagin¨arer Teil zwischen ] − π.. + π]gelegen ist. Die Nebenwerte des Logarithmus unterscheiden sich jeweils nur um additiv hinzukommende Vielfache von 2πi. Es folgt: ln z = LN(z) + k2πi k ∈ Z (3.48) wobei LN f¨ur den Hauptwert stehen soll. Um nun konkrete Werte f¨ur den Logarithmus zu erhalten, bringen wir die Zahlen in ihre Darstellungsform als Polarkoordinaten und logarithmieren die Gleichung w = |w|eix | ln() x ∈ R ln(w) = ln(|w|eix ) = ln(|w|) + ix (3.49) 3.7 Differentialrechnung Um die physikalischen Anwendungen zu verstehen, ist es notwendig, sich mit der Ableitung komplexer Funktionen etwas n¨aher zu besch¨aftigen (oder sie zumindest kurz anzuschneiden). Die Ableitung d/dx ist durch den Diffe- rentialquotienten definiert, weshalb wir ihn nun mit einer komplexwertigen Funktion ( z(t) = a(t) + i(b(t)))untersuchen: d dt z(t) = lim ∆t→0 z(t + ∆t) − z(t) ∆t = lim ∆t→0 a(t + ∆t) + ib(t + ∆t)) − (a(t) + ib(t)) ∆t = lim ∆t→0 a(t + ∆t) − a(t) ∆t + i b(t + ∆t) − ib(t) ∆t = lim ∆t→0 a(t + ∆t) − a(t) ∆t + lim ∆t→0 i b(t + ∆t) − ib(t) ∆t = d dt a(t) + i d dt b(t) (3.50) Es zeigt sich also, dass man Imagin¨arteil und Realteil getrennt voneinander differenzieren und i wie einen konstanten Faktor behandeln kann. 5 Die nun 5 Anmerkung: In der Vektoranalysis differenziert man auch, indem man die einzelnen Komponenten getrennt voneinander ableitet.
  • 33. 3.7 Differentialrechnung 33 entstandene komplexe Zahl l¨asst sich als Geschwindigkeitsvektor deuten. Die 2. Ableitung liefert dementsprechend den Beschleunigungsvektor. Wir wollen dies einmal am Beispiel der Exponentialfunktion verdeutli- chen: z(x) = |z|eiωx = |z|(cos(ωx) + i sin(ωx)) d dx z(x) = |z|(−ω sin(ωx) + iω cos(ωx)) = |z|iω(− sin(ωx) i + ω cos(ωx)) = |z|iω(cos(ωx) + i2 i sin(ωx)) = |z|iω eiωx d2 dx2 z(x) = −|z|ω2 eiωx (3.51) Abbildung 3.14: geometrische Deutung des Beispiels 3.51
  • 34. Kapitel 4 Anwendungen in der Physik 4.1 Die harmonische Schwingung m a D x Abbildung 4.1: freie Schwingung Es hat sich gezeigt, dass komplexe Zahlen ein her- vorragendes Mittel zur Beschreibung von Kreis- bahnen sind. Daher liegt es nahe, die harmoni- sche Schwingung als Funktion komplexer Zahlen aufzufassen. 1 Die Differentialgleichung der har- monischen Schwingung lautet: m · a = −Dx wobei m die Masse, a die Beschleunigung, D die Federkonstante und x die Elongation ist. Da die Beschleunigung ja bekanntermaßen die 2. Ablei- tung des Ortes ist (vgl. [1]), gilt weiterhin: m · d2 dt2 x = −Dx (4.1) Im Reellen wird i.a. die Funktion x0 cos(wt + ∆) (4.2) als L¨osung angegeben. Im Komplexen sind auch noch andere L¨osungen m¨oglich.2 Da die komplexe Exponentialfunktion die Eigenschaft f(x) = −kf′′(x) besitzt, kann auch x0eiωt+∆ (4.3) die Gleichung l¨osen. Wir setzen ein und l¨osen nach ω auf. Es ergibt sich: 1 Der Einsatz komplexer Zahlen ist hier nat¨urlich ¨ubertrieben, da die reelle L¨osung wesentlich intuitiver zug¨anglich ist. 2 Man kann beweisen, dass sich alle L¨osungen dieser Differentialgleichung in der Form 4.2 schreiben lassen. Dies wird auch im Komplexen nicht anders, da nur der Realteil der Funktion betrachtet wird und dieser wiederum sinusf¨ormig ist.
  • 35. 4.1 Die harmonische Schwingung 35 m d2 dt2 x = −D x ⇒ −mx0ω2 eiωt+∆ = −Dx0eiωt+∆ | : x0eiωt+∆ (4.4) ⇔ −mω2 = −D ⇔ ω = ± D m (4.5) Der Vektorraum der L¨osungen der DGl wird also durch L(t) = Ae it D m + Be −it D m (4.6) aufgespannt (wobei A und B beliebige reelle Konstanten). Mit 2Re(z) = z+¯z und 2iIm(z) = z − ¯z und ¯eiϕ = e−iϕ gilt: L1(t) = A 2 (e it D m − e −it D m ) = Re(L(t)) (4.7) = A cos(t D m ) (4.8) L2(t) = B 2i (e it D m + e −it D m ) = Im(L(t)) (4.9) = B sin(t D m ) (4.10) Die allgemeine L¨osung ist wieder eine Linearkombination der neuen Basen. Mit den Additionstheoremen erh¨alt man: x(t) = x0 cos(t D m + ∆) (4.11) Der freie Parameter x0 kann als maximale Elongation der Schwingung ge- deutet werden, ∆ als Phasenverschiebung. 4.1.1 D¨ampfung In der Natur wird man nur ¨außerst selten Schwingungen antreffen, die so “sauber” sind, wie die oben beschriebene. Abgesehen davon, dass sie in der Regel nicht nur in einer Dimension stattfinden, sind sie durch Luftwider- stand oder sonstige Reibungskr¨afte ged¨ampft. Die im Zusammenhang mit Schwingungen am h¨aufigsten auftretende Reibung ist die nach Stokes 3. Es ist in diesem Rahmen wohl auch nur sinnvoll, diese Reibung zu behandeln, da z.B. eine Coulomb-Reibung sich nur in den Koeffizienten bemerkbar ma- chen w¨urde und kompliziertere Reibungsmodelle aus der Str¨omungslehre den Rahmen sprengen w¨urden. 3 George Gabriel Stokes (1819- 1903), u.a. Pr¨asident der Royal Society, in der auch schon I. Newton und jetzt S. Hawking den Vorsitz hatten bzw. haben.
  • 36. 36 Anwendungen in der Physik Das Wesentliche an der besagten Stokesschen’ Reibung ist die Proportio- nalit¨at zur Geschwindigkeit. Die Differentialgleichung der Schwingung ergibt sich somit zu m d2 dt2 x + k d dt x = −D x (4.12) Die L¨osungen dieser Gleichung bilden einen zweidimensionalen Funktions- raum. An uns liegt es nun, eine Basis dieses Raumes zu finden. Dies ist genau dann erreicht, wenn wir 2 Funktionen gefunden haben, die beide die Glei- chung l¨osen und zus¨atzlich linear unabh¨angig sind 4. Alle weiteren L¨osungen lassen sich nun als Linearkombination der Basisfunktionen schreiben. Wir setzen zun¨achst mit der Exponentialfunktion an: x(t) = x0 eλt (4.13) Es gilt nun den Parameter λ so zu bestimmen, dass die Gleichung 4.12 erf¨ullt wird. Wir setzen ein: mλ2 x0 eλt + kλx0 eλt + D x0 eλt = 0 | : x0 eλt (4.14) mλ2 + kλ + D = 0 | : pq − Formel5 (4.15) λ1,2 = − k 2m ± k2 4m2 − D m (4.16) Was haben wir nun gemacht ? Nach dem Einsetzen kann man die Expo- nentialfunktion abdividieren, da sie nirgends Null wird. Sollte x0 = 0 sein, er¨ubrigt sich jede Rechnung, da keine Schwingung mehr vorhanden ist. Wir nehmen also x0 > 0 an und k¨onnen wiederum abdividieren. Die Gleichung, die wir erhalten, ist ein Polynom 2. Grades, das wir nach der pq Formel aufl¨osen. Es k¨onnen nun 3 F¨alle eintreten: Die Diskriminante kann kleiner, gleich oder gr¨oßer 0 sein. Einsetzen in die L¨osungsfunktion ergibt: f(x) = x0 e (− k 2m ± k2 4m2 − D m )t (4.17) Wie unschwer zu erkennen, wird die Rechnung schnell aufwendig und daher auch fehleranf¨allig. Um dem entgegenzuwirken und die ¨Ubersichtlichkeit zu erh¨ohen, f¨uhren wir einige Abk¨urzungen ein: ω0 = D m ; k 2m = δ |δ, ω0 ∈ R (4.18) Ersteres ist aus der freien Schwingung entnommen, und mit δ wird nun der “D¨ampfungsfaktor” abgek¨urzt. x(t) = x0 e(−δ± √ δ2−ω2 0)t (4.19) Nun untersuchen wir die oben unterschiedenen F¨alle, die in dieser Gleichung auftauchen k¨onnen: 4 im zweidimensionalen Vektorraum bilden jeweils 2 linearunabh¨angige Vektoren eine Basis des Raumes vgl. [15]
  • 37. 4.1 Die harmonische Schwingung 37 • k < 2 √ Dm ⇔ δ2 < ω2 0 Schwingfall ist der “Normalfall” . Die Diskriminante wird negativ, was zur Folge hat, dass der Exponent nun eine imagin¨are Komponente hat. Die pq- Formel liefert uns 2 Gleichungen, die die Differentialgleichung l¨osen: x1(t) = x0 e(−δ+ √ δ2−ω2 0)t (4.20) x2(t) = x0 e(−δ− √ δ2−ω2 0)t (4.21) Die DGL ist des weiteren linear, weswegen auch alle Linearkombina- tionen von L¨osungen die Gleichung l¨osen. Insbesondere ist hier x2 = ¯x1, weshalb wir auch rein reelle L¨osungen erhalten. Es gilt n¨amlich z + ¯z = 2ℜz und z − ¯z = 2iℑz . Somit erhalten wir 2 weitere L¨osungen unserer Gleichung: z1(t) = ℜ(x1) = 1 2 (x1(t) + ¯x1(t)) (4.22) z2(t) = ℑ(x2) = 1 i2 (x1(t) − ¯x1(t)) (4.23) die nun den großen Vorteil haben, dass sie keinen Imagin¨arteil haben. Daher kommen wir nun nicht in die Verlegenheit, komplexe Wege ge- hen zu m¨ussen. Wir setzen nun weiterhin ω = ω2 0 + δ2 und erhalten: x1(t) = x0 e−δt (cos(ωt) + i sin(ωt)) (4.24) x2(t) = x0 e−δt (cos(ωt) − i sin(ωt)) (4.25) z1(t) = x0 e−δt cos(ωt) (4.26) z2(t) = x0 e−δt sin(ωt) (4.27) Die Wronski-Determinante liefert uns die Garantie, dass die beiden L¨osungen linear unabh¨angig sind: det W = z1(t) z2(t) d dtz1(t) d dtz2(t) = e−2δt cos(ωt) sin(ωt) −δ cos(ωt) − ω sin(ωt) −δ sin(ωt) + ω cos(ωt) = e−2δt (−δ sin(ωt) cos(ωt) + ω cos2 (ωt) +δ cos(ωt) sin(ωt) − ω sin2 (ωt) = ωe−2δt = 0 (4.28) Die allgemeine L¨osung lautet also: x(t) = e−2δt (A cos(ωt) + B sin(ωt)) (4.29) I.d.R. ist dies die handlichere Form: x(t) = Ke−2δt sin(ωt + ϕ) (4.30)
  • 38. 38 Anwendungen in der Physik Die Additionstheoreme liefern die Beziehungen zwischen K, ϕ und A, B Es gilt n¨amlich: x(t) = Ke−2δt sin(ωt + ϕ) = e−2δt (−K sin(ϕ) cos(ωt) + K cos(ϕ) sin(ωt)) = e−2δt (A cos(ωt) + B sin(ωt)) (4.31) wobei A = −K sin(ϕ) und B = K cos(ϕ). k ist demnach K = √ A2 + B2 und tan ϕ = −A B . Die Wahl der Parameter ergibt sich aus den Startbe- dingungen der Schwingung: f(0) := x0 = A und d dtf(0) = v0 = −δB. • k = 2 √ Dm ⇔ δ2 = ω2 0 aperiodischer Grenzfall Bei diesem Grenzfall verschwindet die Schwingung vollst¨andig. Die Diskriminante ist 0, ξ = − k 2m , daher existiert auch (zun¨achst) nur eine L¨osung der DGL ξ = − k 2m: x(t) = e− k 2m (4.32) Um an noch eine weitere L¨osung zu kommen, versuchen wir einfach, unsere jetzige L¨osung mit t zu multiplizieren 6. Und siehe da: x2(t) = tx1(t) (4.33) d dt x2(t) = x1(t) + t d dt x1(t) (4.34) d2 dt2 x2(t) = 2x1(t) + t d2 dt2 x1(t) (4.35) 0 = m(2x1(t) + t d2 dt2 x1(t)) + k(x1(t) + t d dt x1(t)) + Dtx1 (4.36) = t(m d2 dt2 x1(t) + x1(t) √ Dm + Dx1(t)) +2m d dt x1(t) + 2 √ Dmx1(t) (4.37) Wir sind schon fast am Ziel. Da x1 die DGL l¨ost und der erste Teil dieser Gleichung genau x1, eingesetzt in der DGL, entspricht, muss dieser immer 0 sein. Es bleibt nun folgendes ¨ubrig: 0 = 2m d dt x1(t) + 2 √ Dmx1(t) (4.38) = −2m k 2m x1(t) + 2 √ Dmx1(t) (4.39) = x1(t)(2 √ Dm − k) = 0 (4.40) 6 L¨osung durch Erraten
  • 39. 4.1 Die harmonische Schwingung 39 Nun zeigen wir wiederum mit der Wronski-Determinante, dass die L¨osungen linear unabh¨angig sind: detW = x1(t) x2(t) d dtx1(t) d dt x2(t) = x2 1(t) + tx1(t) d dt x1(t) − tx1(t) d dt x1(t) (4.41) = x2 1(t) = 0 (4.42) Die allgemeine L¨osung ist nun eine Linearkombination der beiden Ba- sisfunktionen: x(t) = Ax1(t) + Btx1(t) = (A + Bt)e− k 2m t A, B ∈ R (4.43) Die Konstanten A und B ergeben sich wiederum direkt aus den Start- bedingungen. • k > 2 √ Dm ⇔ δ2 > ω2 0 Kriechfall Die Wurzel ist nun rein reell, was bedeutet, dass beide L¨osungen der pq-Formel sich direkt umsetzen lassen: x1(t) = eξ1t x2(t) = eξ2t (4.44) ξ1,2 = − k 2m ± k2 4m2 − D m (4.45) Die lineare Unabh¨angigkeit zeigen wir wieder mit der Wronski-Determinante: det W = x1(t) x2(t) d dt x1(t) d dt x2(t) = e(ξ1+ξ2)t (ξ2 − ξ1) (4.46) = 0 da ξ2 = ξ1 (4.47) Wir f¨uhren nun noch die Abk¨urzung ˆω = k2 4m2 − D m ein. Die Linear- kombination sieht dann folgendermaßen aus: x(t) = e− k 2m t (Aeˆωt + Be−ˆωt ) (4.48) Eigentlich gef¨allt uns das jetzt schon ganz gut, es geht jedoch noch sch¨oner: Mit C = A + B und S = A − B gilt: x(t) = e− k 2m t ( C 2 eˆωt + S 2 eˆωt + C 2 e−ˆωt + S 2 e−ˆωt ) (4.49) = e− k 2m t (C cosh ˆωt + S sinh ˆωt) (4.50)
  • 40. 40 Anwendungen in der Physik 4.2 Wechselstrom 4.2.1 Zeigerdiagramme Um eine harmonische Schwingung zu beschreiben, benutzt man h¨aufig Zei- gerdiagramme. Ein Zeiger bzw. ein Vektor wird sich dabei um den Ursprung rotierend vorgestellt, die Elongation kann man dann als Projektion auf einer der Achsen ablesen. Solche Gebilde lassen sich sehr gut in der Gaußschen Ebene auffassen, da die Projektion auf die Achsen sich einfach durch den Imagin¨ar- bzw. Realteil der betrachteten Zahl bzw. Vektors ergibt. Die kom- plexe e-Funktion ist dar¨uberhinaus geradezu pr¨adestiniert, die Kreisbewe- gung darzustellen. z(t) = reiωt (4.51) = r(cos(ωt) + i sin(ωt)) (4.52) ℜ(z(t)) = r cos(ωt) (4.53) ℑ(z(t)) = r sin(ωt) (4.54) 4.2.2 Addition gleichfrequenter Schwingungen Betrachtet man nun ¨Uberlagerungen von Schwingungen gleicher Frequenz, gen¨ugt es, die beiden Zeiger vektoriell bzw. komplex zu addieren. z(t) + w(t) = rzeiωt + rweiωt+i∆ (4.55) = (rz + rwei∆ )eiωt (4.56) Ungleichphasige Schwingungen lassen sich durch die Phasendifferenz ∆ be- handeln. Deutlich zu erkennen ist die Schwingungskomponente eiωt und die Gesamtamplitude mit Phasenverschiebung rz + rwei∆. 4.2.3 Addition ungleichfrequenter Schwingungen Schwebungen treten auf, wenn sich zwei Schwingungen, deren Frequenzen verschieden sind, ¨uberlagern. Zur mathematischen Vereinfachung werden die Amplituden gleich 1 gesetzt. z(t) + w(t) = rzeiωzt + rweiωwt (4.57) = (rz + rwei∆ )eiωt (4.58) 4.2.4 Wechselstromwiderst¨ande Wechselstromquellen liefern i.a. eine Spannung, die man durch U = ˆU cos ωt darstellen kann. Als U0 oder ˆU bezeichnet man dabei die Amplitude ω oder f als die Frequenz. Prinzipiell k¨onnen wir alle Aufgabenstellungen mit diesen Gleichungen ansetzen, jedoch hat man st¨andig das Problem, die umst¨and- lichen Additionstheoreme bem¨uhen zu m¨ussen oder k¨unstlich Amplituden
  • 41. 4.2 Wechselstrom 41 und Phasenbeziehungen getrennt zu errechnen. Deutlich vereinfachen kann man das wiederum mit komplexen Zahlen. Es gilt:7 U = ˆU cos ωt = ˆU ℜ(eiωt ) (4.59) Ohmscher Wiederstand Setzt man nun einen Ohmschen Widerstand in den Schaltkreis, so kann man einen zur Spannung proportionalen Strom I messen. Die Proportionalitaets- konstante bezeichnen wir mit R oder RΩ. Somit gilt: I = U RΩ = ˆU RΩ eiωt (4.60) Kondensatoren Wird ein Kondensator von einem Wechselstrom durchflossen, so messen wir einen Strom mit I = C d dt U. Setzen wir nun ein erhalten wir: I = C d dt ( ˆU eiωt ) (4.61) = ˆU C i ω eiωt (4.62) = (i ω C) U (4.63) Wir bezeichnen nun wiederrum mit Widerstand den Faktor, mit dem man den Strom multiplizieren muss um die Spannung zu erhalten.8 somit gilt: RC = 1 i ω C (4.64) Spulen Die Gleichung die das Verhalten von Spannungen und Str¨omen durch Spulen beschreibt lautet: U = L d dt I. Wir setzen wieder ein: I = 1 L ˆU eiωt dt (4.65) = ˆU 1 i ω L eiωt (4.66) = 1 i ω L U (4.67) Die Proportionalit¨atskonstante RL zwischen sinusf¨ormigen Spannung und Str¨omen ist demnach also. RL = i ω L (4.68) 7 Die explizite Angabe, dass man nur den Realteil betrachtet, kann auch weggelassen, wenn aus dem Zusammenhang klar wird, was gemeint ist. 8 Nat¨urlich gilt dies nur f¨ur sinusf¨ormige Spannungen. Die Definition des ohmschen Widerstands bleibt hingegen immer g¨ultig.
  • 42. 42 Anwendungen in der Physik R1 C1 L2 R2 L1 U Abbildung 4.2: Beispielschaltung Der große Vorteil an diesen “neuen” Widerst¨anden ist nun, dass man mit ihnen nun jeden Schaltkreis nach den altbekannten Regeln f¨ur Parallel- und Gleichschaltungen, wie sie f¨ur ohmsche Widerst¨ander gelten analysieren. 4.2.5 Beispiel Wir werden nun versuchen, die in 4.2 gezeigte Schaltung zu analysieren. Die ben¨otigten Parameter sollen sein: ˆU = 5 V ω = 200 Hz RΩ 1 = 12 Ω RΩ 2 = 10 Ω L1 = 2 mH L2 = 4 mH C1 = 3 µF Wir bauen nun die Teilwiderst¨ande von innen nach aussen auf. Als erstes fassen wir die Parallelschaltung von R1 und C1 zusammen, den Gesamtwi- derstand dieses Bausteins nennen wir A. Die Reihenschaltung aus A und L1 soll B heißen. C ist von nun an der Widerstand der Reihenschaltung von R2 und L2. Der Gesamtwiderstand heißt nun D und ergibt sich durch Parallelschaltung von C und B. Es gilt demnach: D−1 = B−1 + C−1 (4.69) C = R2 + RL2 (4.70) B = A + RL1 (4.71) A−1 = R−1 1 + R−1 C1 (4.72) Es bedarf nun etwas Arbeit das alles einzusetzen. Wir k¨onnen entweder Maple bem¨uhen oder uns selbst in den Kampf st¨urzen. Wir entscheiden uns
  • 43. 4.2 Wechselstrom 43 f¨ur letzteres. Wir arbeiten uns nun von A nach D durch (die Genauigkeit beschr¨anken wir auf 3 g¨ultige Stellen). A−1 = 1 12Ω + i200 1 s 310−6 F = (8, 33 + 610−4 i) 1 Ω (4.73) A = (12, 0 − 0, 0864i)Ω (4.74) B = (12, 0 − 0, 0864i)Ω + i200 1 s 210−3 H = (12, 0 − 0, 314i)Ω(4.75) C = 10Ω + i200 1 s 410−3 H = (10 + 0, 8i)Ω (4.76) D−1 = 1 12, 0 − 0, 314i + 1 10 + 0, 8i (4.77) D = (5, 46 + 0, 172i)Ω (4.78) Damit ergibt sich die Stromst¨arke zu I = U R = 5 5, 46 + 0, 172i ei200 t s A (4.79) = (0, 913 − 0, 0288i)ei200 t s A (4.80) Der Imagin¨arteil des “Widerstandes” kann als Phasenverschiebung gedeutet werden.
  • 44. Kapitel 5 Penningfallen Ich habe in den Sommerferien ein Praktikum in der physikalischen Fakult¨at der Universit¨at Mainz ausgef¨uhrt. Genauer war ich bei der ETAP (Experi- mentelle Teilchen- und Atomphysik) zu Gast, die mit Paul- bzw. Penning- fallen Ionen fangen und an ihnen dann (hoffentlich bald) Laserspektroskopie bzw. Lebensdauermessungen durchf¨uhren. Speziell schrieb ein Gruppenmit- glied (Stephan Krause) gerade ein Simulationsprogramm, um gemessene Fal- leninstabilit¨aten auch theoretisch zu fundieren. Dies gab mir die Gelegenheit, mich mit der Mathematik dieser Versuchsaufbauten n¨aher zu befassen. Der eigentlich interessante Teil ist wieder die L¨osng der DGl. Der Weg dort- hin wird im Folgenden kurz umrissen. Die Grundidee bei den meisten Ionenfallen ist, eine lineare r¨ucktreiben- de Kraft zu erm¨oglichen, um die Teilchenbahn als Addition m¨oglichst un- abh¨angiger harmonischer Schwinger beschreiben zu k¨onnen. Speziell bei der Penningfalle haben wir ein hyperbolisches Potential des E-Feldes. Die Teil- chen werden von den oberen Kalotten abgestoßen und durch die Ringelek- trode nach außen gezogen. Das Ausbrechen der Ionen aus der Falle wird durch ein starkes Magnetfeld verhindert, das sie bei horizontaler Bewegung auf Kreisbahnen zwingt. Im Experiment ist es stets Ziel, die Teilchen auf die Fallenmitte zu konzentrieren. Dies erreicht man durch geschicktes Anpassen der Speicherparameter 1. 5.1 Potentialgleichung Die Anfangsforderung lautet also: F ∼ r (5.1) 1 Auf diesen (sicherlich wichtigen) Aspekt wird hier nicht eingegangen werden, da auch das einfache Modell der idealen Penningfalle die n¨otigen Umst¨ande (Reibung etc.) nicht ber¨ucksichtigt.
  • 45. 5.1 Potentialgleichung 45 Abbildung 5.1: Penningfalle wobei r der Abstand vom Fallenmittelpunkt ist. Mit E = F q und E = −gradΦ = −∇Φ erh¨alt man die Gleichung: Φ = αx2 + βy2 + γz2 + Φ0 (5.2) Und damit −∇Φ = E = −2   αx βy γz   (5.3) Der quadratische Ansatz f¨ur das Potential ist uns auch aus der Differential- gleichung der harmonischen Schwingung, die im Physikunterricht der Ober- stufe behandelt wird, bekannt: F = −Dx (5.4) ⇔ m¨x = −Dx | · ˙x (5.5) ⇔ m¨x ˙x = −Dx ˙x |P = F · v (5.6) ⇔ m d dt [( 1 2 ˙x)2 ] = −D d dt [( 1 2 x)2 ] (5.7) ⇔ 1 2 mv2 + 1 2 Dx2 = C (5.8) Also die Summe aus kinetischer Energie und potentieller Energie ist kon- stant. Dies ist auch klar, da die Energieerhaltung vorgeschrieben ist und das
  • 46. 46 Penningfallen Modell nur kinetische Energie und das Federpotential kennt. Es gilt weiter: m¨x = − d dx Epot = − d dx 1 2 Dx2 = −Dx (5.9) Die Differentiation des Potentials ist die negative Kraft. Der Differentia- tionsoperator im Rn der Gradient taucht beim elektrischen Potential der Penningfalle genau an der selben Stelle auf. Soviel zur Analogie. Da wir keine wesentlichen Ladungen in der Falle haben, setzen wir ρ = 0 und erhalten mit der Maxwellgleichung: ∇ · E = ρ ǫ0 = 0 (5.10) ⇒ ∇ · ∇Φ = △Φ = 0 (5.11) △Φ = ∇   2αx 2βy 2γz   = 2α + 2β + 2γ = 0 (5.12) Aus Symmetriegr¨unden (Rotationssymmetrie zur z-Aches) setzen wir nun α = β und erhalten f¨ur γ = −2α, so dass Φ(x, y, z) = Φ0 + α(x2 + y2 − 2z2 ) (5.13) Die hyperbolische Form der Falle ist bereits jetzt vorherbestimmt, da die Elektroden stets auf ¨Aquipotentialfl¨achen liegen. Die Fallenmitte soll vom seitlichen Elektrodenring den Abstand r0 besitzen. An diesen Punkten nor- mieren wir das Potential, wir erden also die Ringelektrode : 0 = Φ(x2 + y2 = r2 0, z = 0) (5.14) = Φ0 + α(r2 0 − 0) (5.15) = Φ0 + αr2 0 (5.16) Weiterhin soll zwischen den Kalotten und der Ringelektrode eine Spannung U0 anliegen. Φ(0, 0, ±z0) = U0 = Φ0 − 2αz2 0 (5.17) Wir bedienen uns nun eines Tricks. Wir opfern einen Freiheitsgrad, um die Gleichungen zu vereinfachen und setzen den Abstand der Kalotten auf z0 = r2 0/2. Addieren wir nun (5.17) und (5.15), erhalten wir: 0 = Φ0 + αr2 0 + U0 = Φ0 − αr2 0(= Φ0 − 2αz2 0) = 0 + U0 = Φ0 − αr2 0 + (Φ0 + αr2 0) ⇒ Φ0 = U0/2 Subtraktion ergibt: U0 = (Φ0 − αr2 0) − (Φ0 + αr2 0) ⇒ α = − U0 2r2 0 (5.18)
  • 47. 5.2 Die Differentialgleichung 47 Unser Potential sieht nun in der Endfassung so aus: Φ = U0 2 − U0 2r2 0 (x2 + y2 − 2z2 ) (5.19) = U0 2r2 0 (r2 0 + 2z2 − x2 − y2 ) (5.20) = U0 2r2 0 (2(z2 + z2 0) − x2 − y2 ) (5.21) 5.2 Die Differentialgleichung Wir erhalten aus (5.21) die elektrische Feldst¨arke zu: Abbildung 5.2: E-Feld in einer Penningfalle (Schnitt) E = −∇Φ = − U0 r2 0   −x −y 2z   (5.22) Mit F = qE und F = ma gilt weiterhin: ¨x = − q m ∂xΦ = qU0 mr2 0 x (5.23) ¨y = − q m ∂yΦ = qU0 mr2 0 y (5.24) ¨z = − q m ∂zΦ = − 2qU0 mr2 0 z (5.25) Um uns etwas Schreibarbeit zu sparen, f¨uhren wir die Abk¨urzung ωz = 2qU0 mr2 0 ein. ¨x = ω2 z 2 x (5.26) ¨y = ω2 z 2 y (5.27) ¨z = −ω2 zz (5.28) W¨are das schon die vollst¨andige DGL, w¨urden alle Teilchen schnell aus der Falle verschwinden. Die L¨osungen f¨ur die x- und y-Achse sind n¨amlich: ex, e−x, sinh(x), cosh(x). Das Besondere an Penningfallen ist jedoch, dass in z-Richtung ein starkes magnetisches Feld anliegt (i.d.R. > 2 T). F = ma = qv × B (5.29) = m   ¨x ¨y ¨z   = q   ˙x ˙y ˙z   × B   0 0 1   (5.30)
  • 48. 48 Penningfallen ⇒   ¨x ¨y ¨z   = qB m   ˙y − ˙x 0   (5.31) Nun sind wir schon fast am Ziel. Wir k¨urzen noch qB m mit ωc ab und gelangen direkt zu unserem DGl System. ¨x = ω2 z 2 x + ωc ˙y (5.32) ¨y = ω2 z 2 y − ωc ˙x (5.33) ¨z = −ω2 zz (5.34) Die Gleichung ist noch nicht ganz vollst¨andig. Eigentlich fehlen noch Rei- bungsterme, Anteile der Korrekturpotentiale und Terme, die die St¨orungen durch L¨ocher und ¨Ahnliches beschreiben. Doch dann l¨asst sich die Gleichung im Allgemeinen nicht mehr explizit l¨osen. 5.3 L¨osung F¨ur die z-Koordinate ist die L¨osung trivial. Sie beschreibt die unged¨ampfte harmonische Schwingung. A cos(ωzt) + B sin(ωzt) (5.35) Um die beiden anderen Gleichungen zu l¨osen, bedienen wir uns wieder eines Tricks: Wir k¨onnen aus 2 Differentialgleichungen in 2 Variablen eine einzi- ge DGl in einer Variablen erhalten, indem wir komplexe Zahlen einsetzen. Addition von (5.32) und i·(5.33) ergibt: ¨x + i¨y = ω2 z 2 (x + iy) + ωc( ˙y − i ˙x) (5.36) ⇔ d2 dt2 (x + iy) = ω2 z 2 (x + iy) + ωc i d dt (x + iy) (5.37) Nun k¨onnen wir x+iy auch in Polarkoordinaten in der Form e−iωt , ω ∈ C(!) angeben. d2 dt2 e−iωt = ω2 z 2 e−iωt + ωc i d dt e−iωt (5.38) ⇔ (−iω)2 e−iωt = ω2 z 2 e−iωt + ωc i (−iω)e−iωt (5.39) Wir k¨urzen zun¨achst wieder die Exponentialfunktion, weil ungleich 0. −ω2 = ω2 z 2 − ωcω (5.40) ⇔ 0 = ω2 − ωcω + ω2 z 2 (5.41)
  • 49. 5.3 L¨osung 49 Das ist nun eine quadratische Gleichung in ω. Es ist ¨ublich, bei der pq-Formel statt x1,2 an dieser Stelle x± zu verwenden. Es ergibt sich: ω± = ωc 2 ± ω2 c 4 − ω2 z 2 (5.42) Um eine stabile Speicherung zu erhalten, ist es notwendig, dass ω± reell bleibt. Ist dies nicht der Fall, entsteht ein Realteil im Exponent der L¨osung, was das Entweichen des Teilchens aus der Falle impliziert. Dies ist auch der Grund, weshalb ein starkes Magnetfeld zur Speicherung ben¨otigt wird. Abbildung 5.3: Teilchenbewegung in der Penningfalle Uns liegen nun 2 linear unabh¨angi- ge L¨osungen der DGl vor. Wie bei allen linearen DGls 2. Grades, kann man alle L¨osungen als Linearkom- bination dieser Basisl¨osungen aus- dr¨ucken. Als allgemeine L¨osung ergibt sich somit: Aeiω−t + Beiω+t (5.43) Die x- und y-Komponenten k¨onnen nun als Real- und Imagin¨arteil abgele- sen werden. Die (klassische) Bahn, die ein geladenes Teilchen in einer idea- len Pennigfalle beschreibt, ist also ei- ne Kopplung zweier Kreisbewegungen in der x, y - Ebene und eine harmonische Schwingung in der Z Richtung. x = Acos(ω−t) + Bcos(ω+t) (5.44) y = Asin(ω−t) + Bsin(ω+t) (5.45) z = Ccos(ωzt) + Dsin(ωzt) (5.46) Wir werden uns mit Kurven, die bei ¨Uberlagerung von Kreisbewegungen entstehen, im n¨achsten Kapitel befassen, deswegen entf¨allt an dieser Stelle eine n¨ahere Diskussion.
  • 50. Kapitel 6 Rollkurven Vor etwa 8 Jahen (1994) habe ich einen “Malkasten” mit dem Titel Spiro- graph geschenkt bekommen. Das Kinderspielzeug besteht aus verschiedenen Zahnr¨adern und F¨uhrungsschienen. Die Zahnr¨ader sind an verschiedenen Stellen mit L¨ochern versehen, so dass man kreisverwandte Figuren auf ein untergelegtes Papier zeichnen kann. Die mathematische Betrachtung so entstandener Kurven findet sich erst- mals bei Apollonius von Perg¨a ca 200 v. Chr., der mit Epizyklen die Bewe- gung der Planeten am Firmament beschreibt. Ptolem¨aus griff die Apollo- nischen Ideen wieder auf und schuf eine Beschreibung der Bahnkurven, die erst 1400 Jahre sp¨ater von den Keplerschen Gesetzen abgel¨ost werden sollte. Zwar ist das Sonnensystem nicht gerade verwandt mit einem Malkasten aus Kinderzeiten, jedoch ¨ahneln sie sich in der Mathematik, die dahintersteht. In der Renaissance besch¨aftigte man sich mit sogenannten Radkurven, dabei handelte es sich wiederum um Kreise, die auf Kreisen oder Graden oder anderen Kurven abgerollt oder auf irgendeine andere Art und Weise miteinander in Beziehung gesetzt wurden. Ich habe nun versucht, einige dieser Kurven als Funktionen mit komple- xen Werten darzustellen und bin dabei zu folgenden Ergebnissen gelangt: 6.1 Zykloide Die wohl einfachste Rollkurve ist die Zykloide. Hier wird ein Punkt eines Kreises betrachtet, der auf einer Geraden abgerollt wird. Die Bewegung, die von diesem Punkt vollzogen wird, kann man in 2 Komponenten aufteilen: zum einen bewegt sich der Punkt auf dem Kreis und zum andern der Kreis entlang der Linie. Den Mittelpunkt des Kreises wollen wir hier als M, den betrachteten Punkt mit P bezeichnen. Die 1. Komponente entlang der Linie ist mit simpler Addition und Multiplikation zu erreichen: M(t) = v · t + i · r (6.1)
  • 51. 6.1 Zykloide 51 Abbildung 6.1: Zykloide mit den Parametern: r1 = r2 = 2 v ist hier die Geschwindigkeit, mit der sich der Kreis auf der Geraden be- wegt. Die Addition von ir bewirkt, dass der Kreis auf der Geraden aufliegt. Wenn dieses r nicht gleich dem Radius des Kreises ist, ergeben sich weite- re interessante Figuren (Trochoiden), die insbesondere h¨aufig bei dem oben genannten Spirographen auftreten. Mit Hilfe der komplexen Exponentialfunktion f¨allt es auch nicht schwer, eine Darstellung der Kreisbewegung zu finden: MP(t) = ˆrei(ωt+∆) (6.2) Hierbei ist ωt der Winkel, der zwischen x-Achse und der Strecke MP einge- schlossen ist, r der Radius des Kreises und ∆ eine Phasenverschiebung. Da wir in der Regel im Ursprung anfangen wollen, wird i.d.R. ∆ = −π 2 gew¨ahlt. Addition der beiden Komponenten liefert nun die komplette Gleichung: P(t) = tv + i · r + ˆrei(ωt+∆) (6.3) Damit nun auch ein tats¨achliches Abrollen stattfindet und der Kreis nicht nur “orientierungslos” ¨uber die Gerade stolpert, m¨ussen noch die richtigen Beziehungen insbesondere zwischen ω ↔ v gefunden werden. Der zur¨uckgelegte Weg des Kreismittelpunktes muss zu jeder Zeit gleich dem Weg (bzw. der Bogenl¨ange) sein, den ein Punkt auf dem Kreis durchl¨auft. vt = rωt ⇔ v r = ω (6.4) Nun sind wir fast am Ziel, das einzige, was wir bis jetzt außer Acht gelassen haben, ist der Drehsinn des Kreises. Im Moment bewegt er sich noch mathe- matisch positiv, ein abrollender Kreis dreht sich in umgekehrter Richtung. Weiter kann v = 1 gesetzt werden, da dieser Faktor nur bei t auftritt und somit nur eine Umparametrisierung der gleichen Kurve bewirkt. Als fertige Gleichung erhalten wir: P(t) = t + i · r + ˆrei(− 1 r t+∆) (6.5)
  • 52. 52 Rollkurven Abbildung 6.2: Trochoide mit r = 2, ˆr = 3 6.2 Epizykel Den Weg, den ein Punkt (P) beschreibt, der sich auf einem drehenden Kreis befindet, dessen Mittelpunkt (M) wiederum um ein anderes Zentrum (O = 0) gedreht wird, nennt man Epizykel. Diese Bewegung l¨asst sich auch in 2 Komponenten zerlegen. Wir erhalten 2 Kreisbewegungen, die man im Komplexen so darstellen kann: OM(t) = r0eiω0t (6.6) MP(t) = r1eiω1t (6.7) Einfache Addition liefert in diesem Fall die vollst¨andige Gleichung: P(t) = r0eiω0t + r1eiω1t (6.8) In dieser Form ist die Gleichung am allgemeinsten. Es sind die vief¨altigsten Figuren durch Variation der Parameter m¨oglich. 6.3 Epizykloide In diesem Fall ist die betrachtete Kurve die Bahn eines Punktes eines Kreises, der auf einem anderen Kreis abgerollt wird. Es zeigt sich, dass Epizykloiden nur entartete Epizykel sind. Die Kurve, die der Mittelpunkt des abrollenden Kreises beschreibt, ist wiederum ein Kreis, von dem ausgehend man die entsprechende Epizykloide konstruieren kann. Wir nennen den Radius des inneren Kreises, auf dem der 2. abrollen soll r0, dementsprechend soll r1 der des zweiten Kreises sein, welcher abgerollt wird. Der Radius des Kreises, auf dem sich der 2. Kreis um den Mittelpunkt des ersten bewegt, hat den Radius r0 + r1, entsprechend ergeben sich nun die Gleichungen zu: OP = P(t) = OM + MP OM = M(t) = (r0 + r1)eiω0t MP = r1eiω1t (6.9)
  • 53. 6.3 Epizykloide 53 Abbildung 6.3: schematische Darstellung, der Epizykloidenkonstruktion Es gilt nun eine Beziehung zwischen den beiden Rotationsgeschwindigkeiten ω0 und ω1 zu finden. Eine solche erhalten wir durch die Abrollbedingung. Bevor wir diese jedoch auswerten k¨onnen, m¨ussen wir uns ein paar Gedanken ¨uber die Geometrie der Figur machen. W¨urden wir die beiden Kreise fest aneinander koppeln, w¨urde der Punkt P stets einen konstanten Abstand zum Mittelpunkt wahren. In unserer Gleichung entspricht eben ω0 = ω1. Das Abrollen ist eine zus¨atzliche Bewegung. Wir erhalten die Beziehung, indem wir die entsprechenden Bogenl¨angen gleichsetzen (vgl. Abb. 6.3 ). ω1 = ω0 + β β · r1 = ω0 · r0 ⇔ β = ω0 r0 r1 (6.10) ⇒ ω1 = ω0(1 + r0 r1 ) (6.11) Wir k¨onnen weiter ω0 = 1 setzen, da dieser Faktor nur im Zusammenhang mit t auftaucht. Durch Substitution erhalten wir: M(t) = (r0 + r1)eit MP(t) = r1e i(1+ r0 r1 )t ⇒ P(t) = (r0 + r1)eit + r1e i(1+ r0 r1 )t (6.12)
  • 54. 54 Rollkurven Abbildung 6.4: Epizykloide mit den Parametern r0 = 10, r1 = ˆr1 = 2 Man kann die entstandene Gleichung noch verallgemeinern, indem man den Abstand des Punktes vom Kreismittelpunkt des abrollenden Kreises nicht auf dessen Radius festlegt. Weiterhin liefert ein additiv hinzukommendes ∆ Freiheit bei der Wahl des Startpunkts: P(⊔) = (r0 + r1)eit + ˆr1e i(1+ r2 r1 )t+i∆ (6.13) An dieser Stelle sind nun einige Beispiele f¨ur die besprochenen Kurven bei- gef¨ugt (Alle Abbildungen wurden mit Maple geplottet). 6.4 Hypozykloide Bei dieser Kurve betrachtet man einen Punkt eines Kreises, der innerhalb eines anderen abgerollt wird. Es stellt sich heraus, dass eine genauere mathe- matische Behandlung gar nicht von N¨oten ist, da sie einerseits als Epizykel, andererseits allerdings insbesondere als Epizykloid mit negativem r1 dar- stellbar ist.
  • 55. 6.4 Hypozykloide 55 Abbildung 6.5: Epitrochoide: r0 = 10, r1 = 2, ˆr1 = 3 Abbildung 6.6: Hypozykloide mit r0 = 10, r1 = −2, ˆr1 = 2
  • 56. 56 Rollkurven 6.5 Hartmannkurve 6.5.1 Definition Nun m¨ochte ich eine von mir selbst entwickelte Rollkurve vorstellen. Den Namen “Hartmannkurve” habe ich ihr gegeben, da ich bei meinen Nachfor- schungen auf keine vergleichbare Kurve gestoßen bin. Sollte jemand mich dahingehend berichtigen wollen, ist das nat¨urlich kein Problem. Die funda- mentale Idee bei dieser Kurve ist, dass man unendlich viele Kreise aufein- ander abrollt. Folgende Funktionen f¨uhren wir ein, die das Verhalten der Kurve bestimmen: rn Radius des nten Kreises αn Maß f¨ur den Winkel, den der n + 1te Kreis um den nten Kreis gerollt wird. Der Mittelpunkt des nten Kreises beschreibt dabei nun folgende Kurve: Mn(t) = n−1 k=0 (rk + rk+1)eiωkt (6.14) Wobei sich ωn zu ωn = αn + n−1 k=0 (1 + rk/rk+1)αk (6.15) ergibt. α ist also eigentlich eine Winkelgeschwindigkeit. Als Hartmannkurve be- zeichnet man nun den Grenzwert der von den Mittelpunkten beschreiben Kurven f¨ur n gegen Unendlich (falls dieser existiert). 6.5.2 Herleitung Das Ganze ging nat¨urlich jetzt etwas schnell. Wir wollen uns nun anschauen, wie man auf die einzelnen Resultate kommt. F¨ur den nullten Kreis ist die Sache trivial: Er bewegt sich nicht. M0(t) = 0 (6.16) Der Mittelpunkt des ersten Kreises bewegt sich genau mit der Winkelge- schwindigkeit α0 um den 0. Kreis. Er h¨alt dabei stets den Abstand r0 + r1 vom Ursprung. Daher gilt: ω0 = α0 (6.17) M1(t) = [0+](r0 + r1)eiω0t (6.18) Der zweite Kreis nun bewegt sich mit α1 um den ersten, jedoch muss nun be- dacht werden, dass dieser nun nicht mehr ruht, es wurde vielmehr der erste
  • 57. 6.5 Hartmannkurve 57 um den nullten Kreis entlang eines Winkels α0t abgerollt. Die Gesamtrota- tion (ω1) setzt sich also aus der Drehung des ersten Kreises um den nullten, dem Rollwinkel und dem neuen Drehwinkel α1t zusammen (vgl. Abbildung). ω1 = ω0 + r0 r1 α0 + α1 (6.19) = α0 + r0 r1 α0 + α0 + α1 (6.20) = (1 + r0 r1 )α0 + α1 (6.21) ⇒ M2 = M1 + (r1 + r2)eiω1t (6.22) = (r0 + r1)eiω0t + (r1 + r2)eiω1t (6.23) Die Bewegung des dritten Kreismittelpunkts erhalten wir wieder ¨ahnlich. Die Winkelgeschwindigkeit der Drehung um den zweiten Kreis setzt sich wieder aus der Gesamtdrehung desselben plus Abrollwinkel plus neuer Dreh- winkel zusammen. W¨urden wir nur die Gesamtdrehung addieren, so haftet der Kreis gewissermaßen am letzten, ohne sich zu drehen. Der Abrollwinkel ber¨ucksichtigt das Rollen des zweiten auf dem ersten Kreis. Und schließlich der neue Drehwinkel versetzt den Mittelpunkt des dritten Kreises auf die Position, auf die er “zurollen” soll. Hierbei ist wiederum die Abbildung ein wichtiges Hilfsmittel. ω2 = ω1 + r1 r2 α1 + α2 (6.24) = (1 + r0 r1 )α0 + α1 + r1 r2 α1 + α2 (6.25) = (1 + r0 r1 )α0 + (1 + r1 r2 )α1 + α2 (6.26) ⇒ M3 = M2 + (r2 + r3)eiω2t (6.27) = (r0 + r1)eiω0t + (r1 + r2)eiω1t + (r2 + r3)eiω2t (6.28) Wir k¨onnen unsere Ergebnisse nun verallgemeinern, da wir alle wesentlichen Aspekte bereits gesehen haben. Wir k¨onnen bei ω ausklammern und die ent- sprechenden Terme in Summen ausdr¨ucken. Entsprechende Umformungen ergeben 6.14 und 6.15. 6.5.3 Sonderf¨alle Der sch¨onste Sonderfall, der mir bisher untergekommen ist, ist zugleich einer der einfachsten: αn = 1 und rn = 1 2n Die Abrollgeschwindigkeit ist also stets dieselbe und die Radien halbieren sich jeweils. Die Summen vereinfachen sich nun auch erheblich:
  • 58. 58 Rollkurven ωn = 1 + n−1 k=0 (1 + 2k+1 2k ) (6.29) = 1 + n−1 k=0 3 (6.30) = 1 + 3n (6.31) rk + rk+1 = 1 2k + 1 2k+1 = 3 2 · 2k (6.32) Mn(t) = n−1 k=0 (rk + rk+1)eiωkt (6.33) = 3 2 n−1 k=0 ei3kteit 2k (6.34) = 3 2 eit n−1 k=0 ( ei3t 2 )k (6.35) Abbildung 6.7: Hartmannkur- ve f¨ur αn = 1, rn = 1 2n Nachdem wir schon so weit gekommen sind, liegt die Vermutung nahe, dass wir auch die- se Summe noch aufl¨osen k¨onnen. In der Tat ist diese Summe gerade eine geometrische Reihe. Wir bilden, bevor wir die Summe aufl¨osen, zun¨achst den Grenzwert f¨ur n ge- gen Unendlich, um nun eine Hartmannkurve zu erhalten. H(t) = lim n→∞ Mn (6.36) = 3 2 eit ∞ k=0 ( ei3t 2 )k (6.37) = 3 2 eit 1 1 − (ei3t 2 ) (6.38) = 3 eit 2 − ei3t (6.39) Verf¨ahrt man genauso f¨ur den allgemeineren Fall: αn = 1 (6.40) rn = m−n m ≥ 2 (6.41) so erh¨alt man f¨ur die Hartmannkurve H(t) = (m + 1) eit m − ei(1+m)t (6.42)
  • 59. 6.5 Hartmannkurve 59 Die Vereinfachung der geometrischen Reihe bleibt g¨ultig, da der Faktor (ei(1+m)t m )n f¨ur n → ∞ gegen Null strebt. Ich finde es auf jeden Fall absolut erstaunlich, dass diese Summe auf so eine einfache Form gebracht werden kann. 6.5.4 Symmetrie Weiterhin legt der Graph der Funktion nahe, dass eine Drehsymmetrie exis- tieren k¨onnte. N¨ahere Untersuchung zeigt, dass dies tats¨achlich der Fall ist. Es gilt: H(t)ei 2π m+1 = (m + 1) eitei 2π m+1 m − ei(1+m)t (6.43) = (m + 1) ei(t+ 2π m+1 ) m − ei(1+m)t (6.44) = (m + 1) ei(t+ 2π m+1 ) m − ei(1+m)t+2πi (6.45) = (m + 1) ei(t+ 2π m+1 ) m − e i(1+m)(t+ 2π (1+m) ) (6.46) = H(t + 2π m + 1 ) (6.47) Die Drehsymmetrie ist also erf¨ullt. Insbesondere zeigt sich, dass die Teil- kurven im Abstand l · 2π m+1 , l ∈ Z jeweils mit der gleichen Geschwindigkeit durchlaufen werden. Es existieren sogar noch weitere Symmetrieen, betrachtet Abb. 6.8 oder ¨ahnliche Kurven, so erkennt man wiederum einige Drehsymmetrieen. Sei nun rn = x−n , x ∈ Z (6.48) αn = yn , y ∈ Z, x + y = 0 (6.49) existiert eine x+y Symmetrie. Wir haben eben sogar einen Sonderfall dieser Behauptung bewiesen: es war y = 1 und x = m es zeigte sich eine m + 1 = x + y Symmetrie. Nun zum Beweis: Es zeigt sich, dass der Ansatz H(t)e i 2π x+y = H(t + 2π x + y ) (6.50) wieder ausreicht, um die Vermutung zu beweisen. Mn(t)ei 2π x+y = ei 2π x+y n−1 k=0 (rk + rk+1)eiωkt (6.51)
  • 60. 60 Rollkurven Abbildung 6.8: Hartmannkurve f¨ur αn = 2n, rn = 2−n; αn = 3n, rn = 2−n; αn = 2n, rn = 3−n = n−1 k=0 (rk + rk+1)eiωkt+i 2π x+y (6.52) (6.53) Obwohl zwei gleiche Summen nicht immer die selben Summanden haben m¨ussen kann man in diesem Beispiel eben dies zeigen (woraus nat¨urlich die Gleichheit der Summen folgt). Es gilt also: (rk + rk+1)eiωkt+i 2π x+y = (rk + rk+1)eiωk(t+ 2π x+y ) (6.54) ⇔ e iωkt+i 2π x+y = e iωk(t+ 2π x+y ) (6.55) ⇔ iωkt + i 2π x + y + l · 2πi = iωk(t + 2π x + y ) , l ∈ Z (6.56) ⇔ 1 x + y + l = ωk 1 x + y (6.57) ⇔ l(x + y) = ωk − 1 (6.58) Wenden wir uns nun ω zu: ωn = αn + n−1 k=0 (1 + rk/rk+1)αk (6.59) = yn + n−1 k=0 (1 + x)yk (6.60)
  • 61. 6.5 Hartmannkurve 61 Abbildung 6.9: Hartmannkurve f¨ur αn = 3n, rn = 2−n = yn + (1 + x) 1 − yn 1 − y , y = 1 (6.61) Den Sonderfall y = 1 haben wir bereits abgedeckt, es reicht also aus, alle ¨ubrigen F¨alle zu betrachten. l(x + y) = yk + (1 + x) 1 − yk 1 − y − 1 (6.62) ⇔ l(x + y)(1 − y) = yk − yk+1 + 1 − yk + x(1 − y) − 1 + y (6.63) ⇔ l(x + y)(1 − y) = y(1 − yk ) + x(1 − yk ) (6.64) ⇔ l = 1 − yk (1 − y) = k−1 p=0 yp (6.65) Da nun y ∈ Z ist, gilt dasselbe f¨ur yp und somit auch f¨ur k−1 p=0 yp ∈ Z. Womit die Behauptung bewiesen w¨are.
  • 62. 62 Rollkurven Abbildung 6.10: Konstruktionsskizze zur Hartmannkurve
  • 63. Kapitel 7 Fraktale Eines der “sch¨onsten” und sicherlich auch aktuellsten Gebiete der Mathe- matik ist sicherlich die Lehre der Fraktale: Sonderbare Figuren, deren Kan- ten und Fl¨achen wunderbare Eigenschaften aufweisen. Man spricht von ge- brochenen Dimensionen (daher auch der Name, lat. frangere - brechen), fl¨achenf¨ullenden Kurven (z.B. Peanokurve) oder Punktstaub (z.B. Cantor- staub). Neben den mathematischen Besonderheiten machen sie auch man- ches Mal rein optisch auf sich aufmerksam. 7.1 Mandelbrotmenge Neben Kochkurven, Mengerteppich und Sierpinskidreieck geh¨ort die Man- delbrotmenge mit zu den bekanntesten Figuren ihrer Gattung. Ihr wird im Rahmen dieser Arbeit ein Kapitel gewidmet, da sie durch eine Iteration einer Folge komplexer Zahlen entsteht. Die Folge ist gegeben durch: Zn+1 = Z2 n + Z0 (7.1) M = {Z0 ∈ C|n → ∞ ⇒ |Zn| → ∞} (7.2) Als Startwerte sind alle Punkte der Gaußschen Ebene zugelassen. In der Darstellung, die man am h¨aufigsten antrifft, wird je nach Verhalten der Folge f¨ur den entsprechenden Startwert dem Punkt auf der Ebene eine Farbe zugewiesen. Man unterscheidet grunds¨atzlich 2 F¨alle: • Die Folge bleibt unter einem bestimmten Grenzbetrag 1 ⇒ P ∈ M • Die Folge ¨uberschreitet diesen ⇒ P /∈ M 1 Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der idealen Mandelbrotmenge, bei der man “unendlich” oft iteriert. Divergiert die Folge f¨ur einen Startwert, so ¨uberschrei- tet der Betrag der Glieder mit großem n auch jede Grenze. Erfahrungsgem¨aß spielt die Wahl des Parameter keine entscheidende Rolle. Vern¨unftige Folgenglieder von “konvergie- renden” Folgen haben stets kleine Betr¨age. Anschaulich illustriert diesen Sachverhalt das Feigenbaumdiagramm: Alle Fixpunkte konzentrieren sich um die “0-Gerade”.
  • 64. 64 Fraktale Abbildung 7.1: Mandelbrotmenge Oftmals macht man auch die Farbe von der Anzahl der Iterationen abh¨angig, die zum ¨Uberschreiten des Grenzwerts ben¨otigt werden. Das Erstaunliche dieser Figur ist nun, dass trotz der Einfachheit der Iterationen die Struktu- ren, die am Rand der Menge auftreten, unendlich fein aufgegliedert sind. Zun¨achst wollen wir der Frage nachgehen, was die Folge geometrisch bedeutet: Wir haben erst einmal einen Ausgangsvektor / Zahl, Z0. Im ers- ten Schritt wird die Zahl quadriert, was einer Verdopplung des Arguments und einer Quadratur des Betrags entspricht, danach wird Z0 addiert. Diese Schritte werden nun so oft wiederholt, bis der Zeiger einen Kreis um den Ursprung mit Radius des Grenzwertes ¨uberschreitet. Es gibt im Wesentlichen 5 Verhaltensmuster, die die Folge aufzeigen k¨onnen: • Divergenz: die Folge ¨uberschreitet den Grenzwert, z.B. Z0 = 1. • Konvergenz: die Folge strebt einem Grenzwert zu, z.B. Z0 = 0.2 • Fixpunktartige Konzentration: die Folge springt nach wenigen Schrit- ten auf einen Wert, den sie nicht wieder verl¨asst, z.B. Z0 = −2 • Periodisches Verhalten: Eine endliche Anzahl von Zahlen wird immer wieder durchlaufen, z.B. Z0 = i
  • 65. 7.1 Mandelbrotmenge 65 Abbildung 7.2: Mandelrotmenge mit Feigenbaumdiagramm • Chaotisches Verhalten: die Folge bleibt unter dem Grenzwert, springt jedoch scheinbar willk¨urlich hin und her, z.B Z0 = −1, 9 Anschaulich illustriert diese Tatsache das Feigenbaumdiagramm. Da in der Regel nur 2 statt 4 Dimensionen zur Verf¨ugung stehen, beschr¨anken wir uns hier auf die Betrachtung einer Geraden in der Ebene. Es entsteht folgen- dermaßen: Zun¨achst l¨asst man die Werte eine endliche Zahl an Iterationen einschwingen, danach tr¨agt man gegen den Startwert endlich viele Folgewer- te auf. 2 In diesem Diagramm l¨asst sich nun ablesen, um wieviele Fixpunkte die Werte pendeln. 3 7.1.1 Hauptk¨orperbestimmung Eine sehr sch¨one Verbindung zwischen Rollkurven und Mandelbrotmengen f¨allt bei Betrachtung des Hauptk¨orpers auf. Ich bin auf diesen Zusammen- hang durch [24] gestoßen, m¨ochte ihn dem Leser aber nicht vorenthalten. Alle Punkte der Ebene, f¨ur die die Folge auf genau einen Grenzwert zu- strebt, bezeichnet man als Hauptk¨orper. Hat die Folge (nach unendlich vie- 2 Auch hier gilt wieder, dass die Parameter im Ideal gegen Unendlich gehen, allerdings kommen die wesentlichen Aspekte auch schon bei je 20 Iterationen gut zum Vorschein. 3 Vermutung: Jedem gr¨oßeren zusammenh¨angenden Gebiet innerhalb der Mandelbrot- menge kann man ein spezielles Schwingungsmuster mit charakteristischen Grenzwerten zuordnen und umgekehrt.
  • 66. 66 Fraktale Abbildung 7.3: Mandelbrotmenge und Feigenbaumdiagramm f¨ur die Punkte um 0.354100867801208 − 0.426483147289218i len Schritten) diesen Wert nun erreicht, wird sie sich von da an nicht mehr ¨andern. Daher ist dieser Grenzwert immer ein Fixpunkt. F¨ur Fixpunkte gilt: f(z) = z = z2 + z0 (7.3) Es ist nicht schwer, f¨ur diese Gleichung L¨osungen anzugeben, jedoch ist es f¨ur das sp¨atere Vorgehen einfacher, wenn wir zun¨achst z durch kλ, k ∈ R+ ersetzen. Wir lassen nun das Stabilit¨atskriterium | d dx f(x)| < 1 vom Himmel fallen. Alle Fixpunkte, die diesem Kriterium gen¨ugen, sind attraktiv, was bedeutet, dass in der N¨ahe liegende Werte zu diesem hinstreben. Bei der Mandelbro- titeration liefert Anwendung der Bedingung: | d dx f(z)| = |2z| = |2kλ| < 1 (7.4) Nun wird ersichtlich, warum wir z substituiert haben: wir k¨onnen nun 2k = 1 setzen und uns hier die Arbeit vereinfachen. |λ| < 1 (7.5) Die Punkte f¨ur die gilt |λ| = 1 = ℜ(λ)2 + ℑ(λ)2 ⇒ λ = eit begrenzen diesen Bereich. Setzen wir nun in das Fixpunktkriterium ein, so erhalten
  • 67. 7.2 Juliamengen 67 wir: kλ = k2 λ2 + z0 ⇔ kλ − k2 λ2 = z0 (7.6) z0 = 1 2 eit − 1 4 e2it , t ∈ R (7.7) Solche Gleichungen kennen wir wiederum aus dem vorhergegangenen Kapi- tel, es handelt sich um eine Epizykloide mit r1 = r2 = 1 2 und ∆ = π. Dieser Spezialfall ist auch unter dem Namen Cardioide (Herzkurve) bekannt. 7.2 Juliamengen Die Folge, die zur Juliamenge f¨uhrt, ist ebenso simpel wie die der Mandelbrot Iterationen. Statt Z0 kommt nun als additives Element stets ein festes k ∈ C hinzu. Entsprechend gibt es daher auch nicht “die” Juliamenge, sondern f¨ur jedes k sieht sie anders aus. Jeder Punkt der Ebene steht nun wieder f¨ur ein Z0 der Folge und wird entsprechend des Verhaltens der Iteration koloriert. Es gibt im wesentlichen 2 Grundtypen von Juliamengen. Die einen bilden eine zusammenh¨angende Fl¨ache, die anderen zerfallen in Staub mit Fl¨achen- inhalt 0. Eine interessante Parallele zwischen Mandelbrot- und Juliamengen ergibt sich folgendermaßen. F¨ur jeden Punkt der Gaußschen Ebene l¨asst sich eine Juliamenge mit der Konstanten (x + iy) konstruieren. Liegt die Konstante in der Mandelbrotmenge, so ist die zugeh¨orige Juliamenge zu- sammenh¨angend und umgekehrt. Dass der Mittelpunkt der Juliamenge mit dem entsprechenden Punkt auf der Mandelbrotmenge ¨ubereinstimmt, l¨asst sich leicht zeigen: Jn+1 = J2 n + C, J0 = 0, J = ((((C2 + C)2 + C)2 + C)2 + C)2 ... Mn+1 = M2 n + M0, M0 = C, M = ((((M2 0 + C)2 + M0)2 + M0)2 + M0)2 ... M = (((( C2 + C)2 + C)2 + C)2 + C)2 ... (7.8) Auff¨allig ist des Weiteren, dass wenn man einen kleinen Ausschnitt der Man- delbrotmenge mit einer Juliamenge vergleicht, deren Konstante im betrach- teten Ausschnitt liegt, deutliche Parallelen erkennen kann. Dies ist auch plausibel, da stets mit ¨ahnlichen Zahlen iteriert wird (vgl. 7.2). Historisch gesehen ist man auf die Mandelbrotiteration erst durch diese Betrachtung an Juliamengen gestoßen. Eine sch¨one Abrundung der Ergebnisse l¨asst sich dadurch erreichen, dass man Mandel- und Juliamengen nicht als 2 getrennte Gebilde auffasst, son- dern als eine Menge. Auf je 2 Achsen werden C und Z0 ver¨andert. Die Juliamengen schneiden dann je an ihrem 0-Punkt die Mandelbrotmenge. Das entstandene 4-dim. Konstrukt ist leider wiedermal vergleichsweise un- vorstellbar. 4 4 Noch weiter kann man das Spielchen treiben, wenn man z.B. den Exponent der Ite- ration auch auf ein (oder 2 Achsen) variiert.
  • 68. 68 Fraktale Mandelbrotmenge an der Stelle: Juliamenge mit ebendieser 0.354100867801208 Konstanten, an ebendieser −0.426483147289218i Stelle. Abbildung 7.4: Vergleich zweier Ausschnitte aus einer Mandelbrot- und Ju- liamenge Anbei findet sich ein Pascalprogramm, mit dem u.a. s¨amtliche Abbildun- gen dieses Kapitels erstellt wurden. Es wurde in Bezug auf Geschwindigkeit optimiert. So ist bspw. die Unit Graph durch Assemblercode ersetzt und die Iteration durch Umstellung und Zwischenspeicherungen leicht verbes- sert worden. Die rund 1000 Zeilen Code erhalten zahlreiche Features, die das Navigieren und Wechseln zwischen den Mengen erleichtern sollen (so- weit das in Pascal m¨oglich ist). Es findet sich weiterhin eine Prozedur zum *.bmp Export und zum Speichern der aktuellen Werte in einer externen Datei. N¨ahere Information liefert der abgedruckte Quelltext bzw. die imple- mentierte Hilfe. 7.3 Verallgemeinerte Mandel- und Juliamengen Statt einer Quadratur des vorherigen Folgegliedes kann man bspw. auch 3 oder 4 als Exponent w¨ahlen, was freilich ¨ahnliche, aber nichtsdestoweniger interessante Figuren hervorbringt. Es l¨asst sich zeigen, dass die Mandelbrot- mengen zum Exponent n immer eine Drehsymmetrie zu 2π n−1 aufweisen und die Juliamengen zu 2π n . Weiterhin bleiben die Elemente der Mandelbrot- menge betragsm¨aßig immer kleiner als n−1 √ 2. Der Hauptk¨orper zu so ver- allgemeinerten Mandelbrotmengen ist nun wieder von Rollkurven begrenzt. Das Verh¨altnis der Radien ist jeweils n-1:1, was dazu f¨uhrt, dass man je n-1 Spitzen der Epizykloide erh¨alt. Eine nette Spielerei stellt auch noch das Einsetzen von reellen Zahlen als Exponent da. Das Ergebnis ist i.A. jedoch recht unsch¨on. Man erh¨alt Unste- tigkeiten beim st¨andigen Wechsel der Riemannfl¨achen und evtl. Rollkurven, die sich niemals wieder schließen, als Begrenzung. 5 5 Das beigef¨ugte Programm ist in der Lage all diese Mengen zu plotten. Dem interes-
  • 69. 7.3 Verallgemeinerte Mandel- und Juliamengen 69 sierten Leser sei empfohlen, dies zu tun, um ein Gef¨uhl daf¨ur zu bekommen, wie sich die Menge verh¨alt. Insbesondere sind die Feigenbaumdiagramme der verschiedenen Teilmen- gen h¨ochst interessant.
  • 70. Anhang A Ausblick Leider kann in dieser Arbeit nicht alles er¨ortert werden, was wesentlich mit den komplexen Zahlen zusammenh¨angt. Ich habe mir große M¨uhe gegeben, einen weitreichenden ¨Uberblick ¨uber alle Aspekte der Materie zu geben. Jedoch sind trotz des erheblichen Umfangs der BLL nicht alle Themen, mit denen ich mich befasst habe, zur Sprache gekommen. Eines dieser Kapitel ist beispielsweise die Fundamentalsatzmathematik, die besonders historisch eine herausragende Rolle einnimmt. Eng damit verbunden sind Studien ¨uber das Verhalten der Potenzen komplexer Zahlen, bzw. des ¨Ubergangs zwischen den Exponenten. Es stellen sich faszinierende Gegebenheiten heraus, wenn man beispielsweise betrachtet, wie aus der Gleichung z0 , z0.5 = √ z und weiter z1, z2... wird. Abbildung A.1 verdeutlicht die Problematik. Sicherlich w¨are auch das Kapitel ¨uber physikalische Anwendungen noch weiter ausbaubar und auch Mandelbrot l¨asst noch viel Raum f¨ur Nachfor- schungen, z.B. Verhalten der Begrenzungskurven der Einflussbereiche einzel- ner Fixpunkte oder genauere Untersuchungen an Iterationen h¨oherer Ord- nung: z3 + z0... Abbildung A.1: Conturplots der Realteile der Funktionen z−5 bis z4
  • 71. 71 Gescheitert bin ich bei dem Versuch zu beweisen, dass sich ein Stab in einer Dreispitz Hypozykloide abrollen l¨asst. Bekannt ist dieses Problem im Zusammenhang mit dem Wankelmotor, es l¨asst sich sogar zeigen, dass sich in einer n-Spitz Hypozykloide immer eine (n-1)-Spitz Hypozykloide umdrehen l¨asst. Generell lassen sich die komplexen Zahlen auch gut als Hilfsmittel zur L¨osung geometrischer Probleme verwenden, speziell wenn es um Streckungen und Drehungen geht. Damit verbunden ist die Darstellung komplexer Zahlen als 2×2 Matrizen, die einer Zahl eine Abbildung zuordnet, mit der gerechnet werden kann.
  • 72. Anhang B Quelltexte Auf der beiliegenden Diskette finden sich die Quelltexte in digitaler Form und 2 vorkompilierte Versionen des Programms (mit SVGA, ohne SVGA). Das Programm darf zu Studienzwecken beliebig vervielf¨altigt und ver¨andert werden. Es w¨are nur nett, wenn entsprechende Copyrighthinweise bei ¨Uber- nahme großer Programmteile erhalten blieben. section{Mandelbrot} subsection{Haputprogramm} lstinputlisting{D:/bll/mandel/bbl.pas} subsection{mygraph.inc} lstinputlisting{D:/bll/mandel/mygraph.inc} subsection{files.inc} lstinputlisting{D:/bll/mandel/files.inc} subsection{maus.inc} lstinputlisting{D:/bll/mandel/maus.inc} subsection{feigenb.inc} lstinputlisting{D:/bll/mandel/feigenb.inc} subsection{fracbmp.inc} lstinputlisting{D:/bll/mandel/fracbmp.inc} subsection{steuerru.inc} lstinputlisting{D:/bll/mandel/steuerru.inc} subsection{fraccalc.inc} lstinputlisting{D:/bll/mandel/fraccalc.inc} subsection{help.inc} lstinputlisting{D:/bll/mandel/help.inc} section{Hartmannkurve} lstinputlisting{D:/bll/mandel/hez.pas}