Ein Vortrag für eine Multiple Sklerose Selbsthilfegruppe vom 15.03.2013
Warum Cannabis bei MS eine natürliche Hilfe sein kann und worauf zu achten ist.
Danke an Bushdoctor!
2. Was ist Cannabis?
Hanf (Fam.: Hanfgewächse)
verwandt mit Hopfen
zweihäusige Pflanze
(männl. und weibl. Pflanzen)
einjährig
(Aussaat – Ernte: ca. 100d)
Frucht: Nüsse
Enthält >60 verschiedene
Cannabinoide mit pharma-
kologischer Wirkung (Blüten)
Abb.:„Köhler´s Medizinalpflanzen“ (1897)
3. Wissenswertes zum Hanf
uralte Kulturpflanze (seit mind. 10.000 Jahren)
liefert stärkste Natur-Pflanzenfaser
(heute noch unverzichtbar bei Wasserleitungs-Installationen)
Seile, Segel, Kleidung (Jeans!), moderner Automobilbau
antike Hochkulturen nutzten Hanf als Rohstoff und Medizin
(Ägypten, Babylonien, Indien, China, Griechen, Römer, …)
Papierherstellung (keine Chemikalien, „Gutenberg-Bibel“)
erste medizinische Erwähnung in China: 2800 v. Chr.
(Medizinbuch Kaiser Shennong)
Deutschland: Grabbeigaben ca. 3500 v.Chr. (Eisenberg)
allgemeine medizinische Nutzung in Deutschland bis ca. 1929
(Aufnahme in „Reichsopiumgesetz)
bis 1960er-Jahre erhältlich in Apotheken (BRD)
5. Warum verschwand
Cannabis als Medizin?
Aufkommen von Weltweite Verbote
synthetischen und Prohibition
Pharmazeutika (ab 1890) (ab 1912)
Kokain (Merck, 1862) 1912 Kalifornien
(mexikanische Einwanderer)
Heroin (Bayer, 1897)
1929 Dt. Reich
Aspirin (Bayer, 1897) Reichsopiumgesetz
1937 USA
Amphetamine (1887)
(„Hanf - Mörder der Jugend“)
MDMA („Ecstasy“, Merck 1912) 1963 UNO
Single Convention on Narcotics
Methamphetamine (1937)
1971 BRD
Methadon (Hoechst, 1939) Betäubungsmittelgesetz
Cannabis, Hanf
„kulturfremde Droge ohne
medizinischen Nutzen“
6. Cannabis - kulturfremde Droge?
Warum diese Deckel?
Pfeifen mit Deckel (ca. 1850)
Pfeifen zum Rauchen von „Knaster“ („starker Toback“)
Zum Unterschied von Tabak und Knaster, aus „Dr. Faustus“ von Thomas Mann (1947):
•„Er liebte die Pfeife, eine halblange, porzellanene Deckelpfeife, deren eigentümliches Knaster-Aroma, weit
angenehmer als Zigarren- und Zigarettendunst, die Atmosphäre der unteren Räume bestimmte.“
•„... die Knasterwürze der Pfeife des Hauswirts schwängerte auch hier die Atmosphäre ...“
9. Cannabis als Medizin
Warum hilft Hanf bei so vielen verschiedenen Krankheiten?
Übelkeit und Erbrechen
Appetitlosigkeit und Abmagerung
Spastiken, Krämpfe
Schmerzzustände
Tourette-Syndrom und andere Bewegungsstörungen
Autoimmunerkrankungen, Entzündungen, Allergien
Juckreiz
Glaukom
Epilepsie Multiple
Asthma Sklerose
Abhängigkeit und Entzugssymptome
Psychiatrische Symptome (z.B. Depression)
Hyperaktivitätssyndrom/ADHS
Morbus Alzheimer
neue Forschung (2012):
Krebs (Auslösung programmierter Zelltod und „Umwandlung“ in normale Zellen)
Diabetes (klinische Forschung und epidemologische Studie)
10. Cannabis als Medizin
Endocannabinoid-System
=> zentrale Steuerungsfunktionen im menschlichen Körper
Schmerzverarbeitung
Bewegungskoordination
Muskelspannung
Verdauung; Fett- und Kohlehydratstoffwechsel
Appetitregulation
Gedächstnisfunktionen (Vergessen)
Schlafinduktion
Temperatursteuerung
Neuroprotektion (Schutz von Nervenzellen vor Überreitzung)
=> Rückkopplung (retrograder Neurotransmitter)
11. Cannabis als Medizin
Endocannabinoid-System
entdeckt 1988
zwei Rezeptoren auf (fast) jeder Zelle:
CB1: Nervenzellen, Darm, Fettgewebe, Blutgefäßwände
CB2: Immunzellen, Knochenaufbau-Zellen
erste wissensch. erforschte Endocannabinoid (1992):
Anandamid („ananda“ sanskr. f. Glückseeligkeit) => CB1
Endocannabinoid-System hat ausgleichende Funktion:
„Das Endocannabinoid-System ist noch nicht vollständig verstanden, hat
aber eine wichtige Schutzfunktion: Es wird bei übermäßigem Stress aktiv
und hilft dem Körper, zum Normalzustand zurückzufinden.“
(wissenschafltiche Arbeit von Prof. Dr. Lutz, Universität Mainz, 2010)
12. Cannabis als Medizin
Cannabinoide im Hanf:
über 60 verschiendene Cannabinoide
größte Konzentration von Cannabinoiden in den Blüten der
weiblichen Hanfpflanze ( Ø 5 bis 15%)
pharmakologisch wirksame Cannabiniode des Hanfs:
THC (Tetrahydrocannabinol)
CBD (Cannabidiol)
CBN (Cannabinol)
CBC (Cannabichromen)
CBG (Cannabigerol)
therapeutisch wirksame Abbauprodukte (Metabolite):
THC-COOC (THC-Carbonsäure): nicht berauschend, wirkt wie
„Aspirin“ (schmerzlindernd, entzündungshemmend, fiebersenkend)
jedoch ohne blutverdünnenden Effekt
Info: mehrere hundert Todesfälle durch Aspirin-Nebenwirkungen
13. Cannabis als Medizin
Paracetamol
N-Arachidonoyl-
phenolamin
Anandamid
Echinacea
THC (Sonnenhut)
N-Isobutylamide
CBD
CB1 CB2
Endocannabinoid-
System
14. Cannabis als Medizin
„30% aller Medikamente
lassen sich durch
Cannabinoide ersetzen“
(Prof. Dr. Mechoulam)
Raphael Mechoulam
15. Cannabis als Medizin
VIDEO
Planetopia, Sendung vom 19.03.2012
„Cannabis bei Tourette-Syndrom“
video_planetopia_19.03.2012.mp4
17. Cannabis als Medizin
Tetrahydrocannabinol (THC):
psychoaktiv (berauschend) => Betäubungsmittel (BtmG)
euphorisierend
schmerzlindernd
appetitanregend
antiemetisch (reduziert Übelkeit und Erbrechen)
muskelentspannend
Anti-Tumor-Effekt
Keine „Überdosis“ möglich, aber bei hoher Dosierung stellen sich
negative Nebenwirkungen ein:
Angst, Panik, Herzrasen, psychotische Symptome, Kreislaufprobl.
⇒ weltweit noch kein Todesfall durch Cannabis!
(tödliche Dosis: 9g THC pro kg Körpergewicht (Affenversuch)
18. Cannabis als Medizin
Cannabidiol (CBD):
wirkt nicht berauschend (BtmG ?)
„Gegenspieler von THC“ => anti-psychotisch
angstlösend
schmerzlindernd
entzündungshemmend
muskelentspannend
senkt Blutzuckerspiegel (Diabetes)
antibiotisch („multi-resistente Keime“)
fördert Knochenwachstum
immunsuppressiv (Cortison-Alternative)
reduziert Ablagerungen an Blutgefäßwänden (Ateriosklerose)
19. Cannabis als Medizin
Muss man „berauscht“ sein, um von Cannabinoiden
zu profitieren?
THC gleiche
(inhaliert) Dosis
Blutkonzentration
THC
(oral)
subjektive
„Rauschschwelle“
THC-COOH
0,5h 2-3h 5-8h
20. Cannabis als Medizin
Muss man „berauscht“ sein, um von Cannabinoiden
zu profitieren?
THC
„dosis facit venum“
(inhaliert)
Blutkonzentration
subjektive
„Rauschschwelle“
THC
(oral) höhere
Dosis
THC-COOH
21. Cannabis als Medizin
Muss man „berauscht“ sein, um von Cannabinoiden
zu profitieren? Antwort: NEIN!
„einschleichende Dosierung“
finden der „persönlichen“ Dosis (meist: 5 – 15 mg THC)
oraler Konsum mildert Intensität der Nebenwirkungen
Aber: Vorsicht mit der Dosierung (!)
Aufbau eines wirksamen THC-COOH-Spiegels
THC-COOH: schmerz- und entzündungshemmend (langsam)
[Auszug Buch „Hanf als Medizin“ (Dr. Grotenhermen) ]
22. Cannabis als Medizin
Nebenwirkungen:
Mundtrockenheit (Durst)
Euphorie (THC)
gerötete Augen
Steigerung der Pulsfrequenz (kurzzeitig)
evtl. Müdigkeit (leichter Sedierungseffekt)
Senkung des Blutzuckerspiegels (Appetit)
Quelle: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen
23. Cannabis als Medizin
Nebenwirkungen (bei hoher Dosierung):
Fühlen - Statt Euphorie entstehen Angst und Panikgefühle.
Psychotische Symptome: Verwirrtheit, „Verfolgungswahn“
Denken - Gedankensprünge werden zu einem uferlosen
Durcheinander im Kopf. ("Peilung verlieren")
Gedächtnis - Durch das gestörte Kurzzeitgedächtnis kommt es zu
Erinnerungslücken und "Filmrissen".
Wahrnehmung - Konsumenten neigen zu Überempfindlichkeit bis
hin zu Halluzinationen.
Körpererleben - Herzrasen, Übelkeit und Schwindel können sich
einstellen. Ein Kreislaufkollaps ist möglich.
Quelle: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen
24. Cannabis als Medizin
Macht Cannabis „süchtig“?
medizinischer Abhängigkeits-Begriff:
körperliche Abhängigkeit (Opiate, Alkohol)
psychische Abhängigkeit
(leichte) körperliche und psychische Abhängigkeit möglich.
Medizinischer Gebrauch: Abhängigkeit spielt keine Rolle!
25. Cannabis als Medizin
Macht Cannabis „dumm“?
2012 Studie „Cannabis senkt IQ“ in allen Medien
methodische Fehler nachgewiesen (Norwegen) Studie
konzentrierte sich auf Kinder/Jugendliche
Wichtige Studienaussage:
Cannabis ist völlig unschädlich für Erwachsene (!)
„It's such a special study that I'm fairly confident that cannabis is safe for
over-18 brains, but risky for under-18 brains.” (Prof. Moffitt, Studienleiter)
2 Wochen später: „Cannabis kann Brustkrebs heilen“
CBD induziert programmierten Zelltot und verhindert
Metastasen (Eingriff in die Zellkommunikation)
26. Cannabis als Medizin
VIDEO
Bayerischer Rundfunk (BR)
Gesundheit!, Sendung vom 14.09.2010
„Cannabis als Medizin“
video_Cannabis als Medizin - br3 - Gesundheit
14.09.2010 (SD).mp4
27. Cannabis als Medizin
Rechtliche Aspekte:
Cannabis ist „Betäubungsmittel“
Pflanze Hanf in Anlage I BtmG – nicht verkehrsfähig!
Hanfsamen sind (teilweise) verboten (Anlage I BtmG)
Fertigarzneien auf Hanf-Basis in Anlage III BtmG
=> verkehrsfähig und verschreibungsfähig (Sativex®)
Dronabinol (Rezepturarznei) in Anlage III BtmG
=> verkehrsfähig und verschreibungsfähig
„Führerscheinproblematik“ (StVG, FeV)
28. Cannabis als Medizin
Verkehrsrechtlich Aspekte:
Darf man unter Einfluss von Cannabinoiden Auto fahren?
§24a (2) StVG:
Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in
der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden
Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine
solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage
genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird.
Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der
bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen
konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels
herrührt.
29. Cannabis als Medizin
Möglichkeiten der Verschreibung:
Sativex®
Arzneiwirkstoff: Nabiximols
enthält 1:1 THC:CBD
Sublingual-Spray auf Alkoholbasis
natürlicher Extrakt aus Hanfblüten
zugelassenes Arzneimittel bei mittlerer und schwerer
Spastik bei Multipler Sklerose („Mittel der letzten Wahl“)
voll erstattungsfähig => KK übernimmt Kosten
30. Cannabis als Medizin
Möglichkeiten der Verschreibung:
Dronabinol
internationaler Freiname für ∆9-THC (Wirkstoff)
BRD: „Rezepturarznei“
enthält halbsynthetisches ∆9-THC (Nutzhanf)
verschreibungsfähig auf BTM-Rezept durch jeden Arzt:
„Individual-Therapie, Heilversuch“
nicht erstattungsfähig (!) => KK muss Kosten nicht
übernehmen (vorher Abklären!)
=> Privatrezept (Kosten: 300 bis 500 Euro / Monat)
- 100mg Dronabinol kosten 60-100 Euro
- 100mg entspricht etwa 10 - 40 Einzeldosen (3 – 20 Tage)
31. Cannabis als Medizin
Möglichkeiten der Verschreibung:
Marinol®
Arzneiwirkstoff: ∆9-THC
importierte Fertigarznei (USA)
Kapseln (Sesamöl)
synthetisches ∆9-THC (aus Flechten)
nicht zugelassen als Fertigarznei in der BRD
nicht erstattungsfähig (!) => KK muss Kosten nicht
übernehmen (vorher Abklären!)
=> Privatrezept (Kosten: 1.800 Euro / Monat )
- 25 Kapseln zu je 5mg kosten 450 Euro
- 25 Kapseln zu je 5mg: 12 – 25 Einzeldosen (6 – 12 Tage)
32. Cannabis als Medizin
Ausnahmegenehmigung §3 BtmG
natürliche Hanfblüten
enthält alle Cannabinoide des Hanfs
standardisierter Medizinalhanf aus NL (Bedrocan)
Kosten: 15 Euro pro Gramm (Monat: 300 – 500 Euro)
nicht erstattungsfähig, keine Kostenübernahme (Klagen)
Genehmigungsverfahren sehr schwierig (und teuer!)
- Ausnahmegenehmigung: 300 Euro Gebühr
- Arzt muss den Antrag unterstützen
Eigenanbau theoretisch möglich (OVG Münster)
Kosten Eigenanbau: 2-3 Euro pro Gramm (Kunstlicht)
33. Cannabis als Medizin
Vorteile von Cannabis als Medizin:
gute Verträglichkeit
hohe Sicherheit (keine Überdosis)
keine dauerhaft schädigenden Nebenwirkungen
(Studie: Cannabis für Erwachsene: „sicher“)
kaum Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
(Vorsicht bei: Herz-Erkrankungen)
Reduktion anderer Medikamente möglich
(Schmerzmittel, Neuroleptika, Antidepressiva)
34. Cannabis als Medizin
Forschung und aktuelle Studien:
Krebsforschung
2012: Brustkrebs (in vitro): CBD wirksam in hoher Dosis
2012: Tumorschmerzen: Sativex® ergänzt Opiate
Diabetes:
2012: THCV und CBD wirksam
2011: große US-Studie (>10.000 Mitwirkende)
=> Diabetes und Alzheimer seltener (Hippies)
Autismus:
2011: THC hilfreich bei autistischen Kindern (Österreich)
ADHS:
2011: CB1-Rezeptor beteiligt an Hyperaktivität (IT, USA)
35. Cannabis als Medizin
Blick in andere Länder:
Niederlande:
Koffieshops, Medizinalhanf (Bedrocan), 5 Pflanzen
Belgien: Cannabis Social Club(s); 1 Pflanze
Spanien: Cannabis Social Clubs; 5 Pflanzen
Israel: staatl. Medizinalhanf-Programm (1995)
Portugal: weitgehende Entkriminalisierung seit 2002
USA: 19 Staaten mit „Medical Marijuana“-Gesetzen
Kalifornien: freie Verschreiungsmöglichkeit (1996)
Colorado + Washington: Cannabis legal (2013)
Tschechische Republik:
weitgehende Entkriminalisierung (2010); 5 Pflanzen;
Medizinalhanf-Programm (2013)
36. Cannabis als Medizin
Was müsste in Deutschland geschehen?
Übernahme der Kosten durch Krankenkassen (???)
Umstufung in Anlage III BtmG (verschreibungfähig)
Einführung eines THC-Grenzwertes im Straßenverkehr
Grenzwert Colorado:
5ng / ml Blut
DRUID-Studie:
4ng = 0,5 Promille
37. Danke
für Ihre
Aufmerksamkeit!
„Germania“ (Philipp Veit, 1848)