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Wer sich Köln nähert, sieht meist zuerst ihn: über 157 Meter ragt der Kölner
Dom in den Himmel über der Stadt – er ist Weltkulturerbe, Kölner Wahr-
zeichen und ein Wunder sakraler Baukunst. Mit bis zu 20.000 Besuchern
pro Tag ist Europas zweithöchstes Kirchengebäude eine der meist-
besuchten Sehenswürdigkeiten Deutschlands. Doch Witterung,
Luftverschmutzung, Besucherströme und Vandalismus
setzten der Kathedrale stetig zu. Modernste Vermes-
sungstechnik hilft nun bei der Daueraufgabe, das
Gotteshaus für die Zukunft zu erhalten und bringt
den Dom dafür digital in die »Cloud«.
Modernste Vermessungstechnik trifft auf historisches Bauwerk
Vom Kölner Dom
zum »3Dom«
NIKLAS MÖRING | FORUM REDAKTION
MARTIN PILHATSCH | FACHLICHE BERATUNG
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»Wenn der Dom fertig ist, geht die Welt unter«, so besagt
es zumindest ein kölsches Sprichwort. Allzu große Sorgen über
den Weltuntergang macht man sich am Rhein allerdings nicht,
denn seit Baubeginn im Jahr 1248 ist und bleibt die Hohe Dom-
kirche St. Petrus eine Dauerbaustelle. Bis heute dauert beispiel-
sweise die Behebung von Kriegsschäden aus dem II. Weltkrieg
an; ohne die ständigen Bau- und Reparaturmaßnahmen der
Kölner Dombauhütte wäre das Kölner Wahrzeichen innerhalb
weniger Jahre sogar akut gefährdet.
IneinemGemeinschaftsprojektderKölnerHochschuleFresenius,
der Heriot-Watt University Edinburgh und der Kölner Dombau-
verwaltung wurde die Kathedrale mit Unterstützung der Firma
Zoller + Fröhlich nun erstmals komplett digital vermessen, um
eine vollständige 3D-Bestandsaufnahme des drittgrößten Kir-
chengebäudes der Welt zu erhalten. »Der Dom ist wirklich gi-
gantisch. Jeder Winkel stellte eine besondere Herausforderung
dar«, so Prof. Chris Wickenden, Mitinitiator und Studiengangs-
leiter des Studiengangs 3D-Mind & Media an der privaten Hoch-
schule Fresenius in Köln. Innerhalb eines Jahres haben seine Stu-
dentengemeinsammitDouglasPritchard,ProfessoranderSchot-
tischen Heriot-Watt-University, und mit Experten von Zoller +
Fröhlich den gesamten Dom von innen und außen digital ver-
messen. »Ziel des Projektes war es, ein identisches Abbild der
Kathedrale zu erhalten, mit minimalen messtechnischen Abwe-
ichungen«, so Pritchard.
Wie anspruchsvoll diese Aufgabe werden würde, war zunächst
nichtabsehbar,alssichWickendenundPritchardaufeinerFach-
tagung kennenlernten. Pritchard engagiert sich seit vielen Jah-
ren für die Amerikanische Institution CyArk, die weltweit Kul-
turerbestättendigitalisiert,undhatunteranderembereitsMount
RushmoreundSt.MichaelsMountfürdasdigitaleCyArk-Archiv
gescannt. So entstand die fixe Idee, »das müsste man unbe-
dingt auch mit dem Kölner Dom machen.« Pritchard kannte den
Dom bereits von einem früheren Besuch in Köln. »Bei unserer
BegehungdesKölnerDomswarerdannaberdochetwasgeplät-
tet«, erinnert sich Jörg Sperner von der Kölner Dombauverwal-
tung, die zunächst etwas zurückhaltend auf die Idee der bei-
den Professoren reagierte: »Immer wieder kommt eine Universi-
tät auf uns zu mit der Idee, den Dom digital nachzubauen. Das
verläuft aber meist nach zwei Monaten im Sande, weil dann
oft klar wird, dass es eben ein komplexes Bauwerk ist und keine
Wand von 45 Metern Breite und Höhe. Da steckt wesentlich
mehr Arbeit dahinter. Aufgrund der Größe, der Schwierigkei-
ten und der Zugänglichkeiten hat einfach irgendwann jeder ge-
sagt: »Das ist eine Hausnummer zu groß«, so Sperner, der das
Projekt für die Kölner Dombauverwaltung betreut.
Pritchard aber war sich seiner Sache sicher, es sei »eine tolle
Herausforderung, ein Gebäude dieses Ausmaßes zu scannen«.
Im Mai 2015 begannen mit Unterstützung des Allgäuer Fami-
lienunternehmens Zoller + Fröhlich die ersten Vermessungs-
arbeiten. In kleinen Teams arbeiteten sich Pritchard, Experten
von Zoller + Fröhlich und Studenten der Hochschule durch den
Innenraum des Doms, zum Einsatz kamen zwei terrestrische La-
serscanner – Z+F IMAGER® 5010C und Z+F IMAGER® 5010X.
Die Scanner wurden zunächst durch den gesamten Innenraum
bewegt, dann entlang des Triforiums und an den Schnittpunk-
ten der Rippengewölbe sowie oben auf der Empore. Sperner:
»So haben wir versucht, die Informationsdichte in der gesamten
Punktwolke gleichmäßig zu verteilen. Das ist uns nicht überall
gelungen. Wir sind aber schon jetzt sehr zufrieden damit, dass
»3Dom« in Zahlen
660 hochauflösende Laserscans
50 Mitarbeiter, Studenten und Helfer
Klettern bis auf 130 Höhenmeter
2 Terrabyte an Daten
6 Milliarden Punkte
60 Stunden Filmmaterial
Hubgerüst mit Scanner
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wir den jetzigen Zustand in der aktuellen Auflösung haben. Ge-
scannt haben wir von umgebenden Gebäuden, von oben nach
unten und umgekehrt, durch die Gewölbekappen hindurch, im
Triforium mit unserer Ameise (siehe Foto: Hubgerüst) in 40 Me-
tern Höhe. So hatten wir möglichst viele Bereiche, die der Scan-
ner erreichen konnte, die Verschattung wurde dadurch weitest-
gehend reduziert.«.
Eine der Herausforderungen dabei war es, die Arbeiten bei nor-
malem Betrieb im Dom durchzuführen, in dem täglich fünf Got-
tesdienste stattfinden: »Da mussten wir tatsächlich Bereiche
sperren, auch, um in Ruhe arbeiten zu können. Denn viele Besu-
cher wollten natürlich wissen, was dort passiert«, so Sperner.
Dieter Claus, der das Projekt für die Hochschule begleitet und
dokumentiert hat: »Wir hatten deshalb überlegt, in Schichten
zu arbeiten. Denn die Arbeit ging oft früh los – schon vor 6
Uhr – und Douglas war mit seinem Scanner zum Teil noch deut-
lich nach 22 Uhr im Dom. Es gab drei Scan-Teams und ein Film-
Team, das das Projekt filmisch begleitet hat«, insgesamt waren
etwa 50 Studenten aus drei Semestern der Hochschule an dem
Projekt beteiligt.
EineweitereHerausforderungwarderScandesnördlichenDom-
turms, an dem es keine geeignete Plattform und auch kein vor-
handenes Außengerüst gab. Norman Jankowski, Student an der
Hochschule Fresenius, kam dabei seine Kletterausbildung zur
Hilfe(sieheFotoSeite48).Mitdem9KiloschwerenLaserscanner
auf dem Rücken stieg er bis in luftige Höhe, eine Außenleiter
in schwindelerregende Höhe hinauf. Eine einmalige Erfahrung
für den gebürtigen Kölner, der zuvor keinerlei Erfahrungen mit
Vermessungstechnik hatte.
Vom Turm aus wurde der Scanner zuerst auf den Boden aus-
gerichtet, um die darunterliegenden Dächer und Türme zu er-
fassen und danach auf die Turmspitze. Jankowski: »Das ganze
Thema ist unglaublich interessant. Nicht nur im Hinblick auf
Vermessung, sondern vor allem auch im Hinblick auf den
virtuellen Raum, den ich fast ohne Abweichungen digital ab-
bilden und mit dem ich später arbeiten kann.«
Die Erstauswertung der Scans erfolgte mit der Software Z+F
LaserControl®, die die Daten sowohl registrieren als auch filtern
Das Projekt wurde von einem studentischen
Filmteam begleitet, dessen Film spekta-
kuläre Aufnahmen vom Dom, einen Blick
hinter die Kulissen des Projektes und Ergeb-
nisse der Arbeiten zeigt.
www.youtube.com/watch?v=YyTEiEvzd7g
Messpunkte am Dom und den benachbarten Gebäuden
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und auswerten kann. Da die Daten zum einen für technische
Anwendungen und zum anderen für multimediale Zwecke auf-
bereitet wurden, kam daneben Spezialsoftware wie Autodesk
ReCap 360 für die As-Built Dokumentation, Autocad/Revit für
3D-CAD Daten und 3D Studio Max und Thinkbox Sequoia für
Animationen zum Einsatz. Claus: »Die Rolle von Zoller + Fröh-
lich war dabei schon ungeheuer wichtig. Und am Ende waren
auch die Kollegen genauso fasziniert von dem Projekt und dem
Objekt, wie wir alle.«
Im Frühsommer 2016 präsentierte das Projektteam nach 225
Stunden Arbeit am Dom über zwei Terrabyte an Daten, 660
hochauflösendeScansund360°PanoramenfürdieKolorierung,
6 Milliarden Punkte und mehr als 60 Stunden Filmmaterial. Das
Projekt ist für alle Seiten ein voller Erfolg, Pritchard will aber
trotzdemnocheinigeergänzendeScansdurchführen:»DasBau-
werk ist zwar schon jetzt außerordentlich gut gescannt, im In-
nenraum müssen wir aber noch einige Korrekturen vornehmen
und vielleicht noch 10 Scans von außen durchführen. Aber ich
gebe zu, dass ich ein klein wenig besessen von der Idee bin, ab-
solut perfekte und präzise Daten zu liefern.«
Für Sperner ist die kleine Festplatte mit den Scandaten schon
jetzt von immenser Bedeutung: »Diese Dokumentation ist für
uns ganz wichtig, da wir ja mit und an einem Gebäude arbei-
ten, das sich täglich verändert. Und im Moment sind wir froh
darüber, dass unsere Vorfahren im 19. Jahrhundert so oft die
Kamera gezückt haben und den Dom von allen Ecken aus fo-
tografiert haben. Denn jetzt können wir auf dieses Bildmate-
rialzurückgreifen.ZwarineinerrelativschlechtenQualität,aber
wir haben zumindest eine Idee, wie Teile des Gebäudes vor dem
II. Weltkrieg ausgesehen haben. Das ist bei vielen älteren Teilen
nicht möglich. Beispielsweise weiß man bei den Wasserspeiern,
die zum Teil nur noch zur Hälfte da sind, nicht, wie sie im Mittel-
alterausgesehenhaben.NichtnurwegendesII.Weltkriegs,son-
dern auch wegen Witterungsschäden, Vandalismus und Ähn-
lichem. Deshalb ist es so wichtig, dass wir jetzt – 2016 – ein-
mal einen Ist-Zustand dokumentiert haben.« Denn: »Wir haben
alle gelernt, dass solche Bauwerke auch von Kriegen und ande-
ren Dingen bedroht sind.« CyArk in den USA stelle sicher, dass
bedeutende Bauwerke im Falle ihrer Zerstörung zumindest vir-
tuell erhalten blieben. »Diese Daten können dann in den unter-
schiedlichsten Bereichen verwendet werden – vom Wiederauf-
bau bis zu einer virtuellen Darstellung am Computer.«
Vom Schlimmsten will in Köln aber niemand ausgehen, viel na-
heliegender ist der praktische Nutzen der Daten für die tägliche
Arbeit.SiehabendasPotenzial,dieArbeitderRestauratorenund
Architekten,SteinmetzeundDachdecker,Gerüstbauer,Elektriker,
Schlosser, Schreiner, Maler, Glasrestauratoren, Glasmaler und
Kunstglaser zu erleichtern und zu beschleunigen. So kann nun
besser überprüft werden, ob es am Dom Bereiche gibt, in denen
die Dombauhütte aktiv werden muss: Dank thermografischer
Aufnahmen können z. B. Wassereinbrüche oder Wärmebrücken
erkannt werden, die im Wechsel der Jahreszeiten zu Problemen
führen können. Durch die Positionsdaten kann man feststellen,
ob es Setzungen, Kippungen oder Veränderungen in den Pfeil-
ern gibt. »Solche Fragen wollen wir in Zukunft dank dieser Tech-
nologie beantworten, aber bis dahin ist es noch ein Weg. Ich
hoffe, dass wir in etwa 5 Jahren dort sein werden«, so Sperner.
Für Pritchard liegt es nahe, mit regelmäßigen Scans besonders
kritischerBereichepräzisezudokumentierenundzuanalysieren,
obundwelcheMaßnahmenerforderlichseinkönnten.»DieSoft-
ware kann die Veränderungen am Gebäude genau berechnen.«
Noch ist dies aber Zukunftsmusik: »Wir haben jetzt angefangen,
unszuinformieren,wiewirüberhauptmitdieserriesigenPunkt-
wolke umgehen können. Unser Steintechniker ist gerade dabei
und hat Kollegen angesprochen – in Ulm arbeitet man z. B. mit
einem solchen Scansystem, auch wenn Sie dort keinen kom-
pletten Scan des Bauwerks haben. Dort beschränken sie sich nur
auf ihre Baustellen. Aber Sie träumen nun davon, in Zukunft
auch das zu bekommen, was wir in Köln jetzt haben. Dafür kön-
nen sie dort im Gegensatz zu uns aus den Punktwolken schon
2D-Pläne erstellen. Wir sind mit der Fresenius-Hochschule jetzt
auch im Gespräch, ob wir ein Seminar dazu machen können.
Denn es bringt nichts, wenn die Daten im Regal liegen, wir sie
aber nicht nutzen können. Deshalb müssen wir jetzt aufrüsten –
Auf dem Weg nach oben: Norman Jankowski und Douglas Pritchard Bildunterschrift
Bildunterschrift
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in Soft- und Hardware. Und wir werden einen Mitarbeiter spe-
ziell schulen, der dann mit diesen Daten auch arbeiten kann.«
Auch für die Hochschule waren die immensen Datenmengen
zunächst ein Problem. »Es war für uns alle wie eine Expedition
ins Ungewisse – um zu gucken, was man mit diesen Daten ei-
gentlichallesmachenkann.Prof.Wickendenundichhabendann
relativschnell–jederinseinemFachbereich–dieMöglichkeiten
entdeckt, die sich aus dem Scan auch weiterführend ergeben«,
so Claus. Interessant sei dabei, dass Aspekte aus dem inge-
nieurwissenschaftlichen Vermessungswesen und dem Bereich
Designzusammenkommen.FürdieDozentenanderHochschule
war vieles genauso neu, wie für ihre Studenten. Claus: »Weil
Prof. Wickenden und mich diese Technik so interessiert hat,
haben wir Anfang des Jahres einen Kurs gemacht und können
jetzt – sehr rudimentär – scannen. Wir fanden es wichtig, die
Gerätschaften näher kennenzulernen und auch, damit arbeiten
zu können. Und wir haben mehrere Workshops gemacht, um zu
lernen, wie man mit der Software und Punktwolken umgeht.«
Bei den Studierenden hat das Projekt das Interesse am Thema
Laserscanning geweckt und viel Kreativität freigesetzt: »Es gab
am Anfang, als den Studierenden langsam die Grundsätze von
Point-Clouds und Mesh-Systemen klar wurden, die Idee, man
könnte doch ein Game entwickeln im virtuellen Dom und den
Papst entführen«, erinnert sich Claus lachend. »Die jungen Leute
gehen da sehr unbeschwert ran und sehen zahlreiche Möglich-
keiten, vielleicht viel mehr, als wir mit unserem eher techni-
schen Blick auf die Dinge. Aber als wir mit der 3D-Technik und
dem Laserscanning in Kontakt kamen, war uns schnell klar: das
sind Systeme, die man natürlich für all das nutzen kann. Nicht
nur für die reine Vermessung, auch im Bereich Design kann man
mit diesen Daten wunderbar arbeiten. Zum einen künstlerisch,
zum anderen aber auch im Bereich Konstruktionen, im Bereich
Film.Beispielsweisemiteinem3D-FlugdurchdenDom,denman
über das Internet erleben könnte. Die Möglichkeiten, die die
3D-Technik als Basis bietet, sind ja immens.«
Pritchard will die Daten in Schottland zu konventionelleren
Zwecken nutzen. »An unserer Hochschule werden Studenten in
den Fächern Architektur und Ingenieurwesen mit den Daten
arbeiten. Wir können damit die Struktur und Architektur des
Gebäudes durchdringen. Wie steht das Bauwerk so stabil? Die
Scandaten sind für uns wie ein Röntgenbild, auf dem man die
strukturellen Komponenten genau analysieren kann. Indem wir
die unterschiedlichen Scans kombinieren, verfügen wir erstmals
über absolut präzise Daten – vom tiefsten bis zum höchsten
Punkt des Bauwerks. Mit diesen hochpräzisen Daten können
wir die Dombauverwaltung bei ihrer Arbeit unterstützen. Mei-
ne Herausforderung als Hochschullehrer ist aber auch: wie kön-
nen wir die Nutzung der vorhandenen Technologie vorantrei-
ben? Wie können wir sie für Neues nutzen? Als kreatives Werk-
Niklas Möring
FORUM-Redaktion
moering@bdvi.de
zeug, für die Bildung, Informationsvermittlung, vielleicht auch
zur Unterhaltung? Heute verschwimmen die Grenzen dabei, wir
setzen klassische Vermessungswerkzeuge ein und kombinieren
die Ergebnisse mit anderen Ideen – Denkmalschutz, Konservie-
rung oder 3D-Animationen sind nur drei Beispiele.«
EINSATZ IM DENKMALSCHUTZ
Aktuell nutzt die Kölner Dombauverwaltung die erfassten Da-
tenbeieinererstenBaumaßnahmeamDom.Sperner:»EineRes-
taurierung des Strebewerks an der Südseite des Domes ist die
erste Baustelle, die wir jetzt mit Hilfe des 3D-Scans – zusam-
men mit herkömmlichen Methoden der klassischen Vermessung
– bearbeiten werden«. Dass bei der Visualisierung die erfassten
3D-Daten und HDR-Fotos zusammenkommen und ausge-
sprochen detailreiche und realitätsnahe Bilder entstehen, ist ein
großer Vorteil der Methode. Die zahlreichen unterschiedlichen
Materialien, Oberflächen und Formen können präzise erfasst
werden – auch die unzähligen und oftmals sehr detailreichen
Skulpturen am Dom. Das hilft beispielsweise den Steinrestau-
ratoren, denen für viele Bereiche noch keine oder nur unvoll-
ständige Planmaterialien vorliegen. Dank der Daten aus den
Laserscans soll die Arbeit in Zukunft einfacher, schneller und
besser werden. Für Sperner hat deshalb »die Denkmalpflege ins-
gesamt sicherlich auch ein großes Interesse am Laserscanning,
die Kollegen sind irrsinnig begeistert davon und finden das toll
– bis zum Punkt Kosten. Und dann hört es auf, weil dafür eben
kein Geld da ist. Da stehen wir leider auf einem sehr schwieri-
gen Feld.« Das Projekt hat die Dombauverwaltung insgesamt
35.000 Euro gekostet – für einen außerplanmäßigen Haushalts-
posten keine geringe Summe. Und dennoch ein kaum zu unter-
bietender Preis, der nur dank des großen ideellen Einsatzes der
Dozenten, Studierenden und der Mitarbeiter des Geräte-
herstellers Zoller + Fröhlich möglich wurde.
Pritchard ist trotz solcher Finanzierungsfragen von einer großen
Zukunft für den Bereich 3D-Scanning überzeugt: »Es wird im-
mer einfacher werden, hochwertige 3D-Aufnahmen durchzu-
führen. Schon heute ist dank eines Smartphones vieles möglich,
denken wir nur daran, das eigene Haus in 3D aufzunehmen und
damitzuspielen.AbereswirdeineimmerhöhereNachfragenach
verlässlichen und genauen Daten geben. Wenn Sie als Laie ein
3D-Modell betrachten, können Sie unmöglich sagen, ob und wie
präzise es ist. Sie brauchen dafür einen Experten, der ihnen die
Korrektheit der Daten garantieren kann. Wir Vermesser sind also
ineinergutenPosition,denndieprofessionelleNutzungvon3D-
Daten ist ohne uns Experten nicht möglich und unsere Kunden
zahlennichtfürein3D-Modell,dasnurgutaussieht.Siebezahlen
fürpräziseundvorallemrechtssichereDaten.Deshalbdenkeich,
dass wir uns auf künftige Technologien in diesem Bereich freuen
können – und sie nicht als Bedrohung empfinden sollten.«
Gerade im Bereich Denkmalschutz arbeiten viele Vermessungs-
büros schon seit Jahren mit dem Laserscanverfahren, das ein
verformungsgerechtes Aufmaß garantiert und den notwendi-
gen Detailreichtum besitzt. Doch gerade bei solch komplexen
BestandsaufnahmenwieinKölnistvielvermessungstechnisches
Fachwissen gefordert: Diese Expertise beginnt bei der Planung
und Durchführung einer effizienten und umfassenden Mess-
kampagne, welche den vereinbarten Detailgrad und die Ge-
nauigkeit gewährleistet und der Registrierung aller Scans mit
Beurteilung der Ausgleichungsergebnisse. Die Erstellung der er-
forderlichen Abgabeprodukte beginnt mit der Interpretation
und Digitalisierung der Punktwolke für die Ableitung detailge-
nauer 2D-Ansichten, Schnitte, Grundrisse oder Detailzeichnun-
gen. Das FORUM wird das spannende Kölner Projekt weiter be-
gleiten und darüber berichten, ob es dort gelingt, die originäre
Punktwolke für die klassischen Aufgabenstellungen selbst zu
nutzen und welche Folgeprojekte und -verwendung sich in Zu-
kunft ergeben wird.
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  • 2. 45 3 TECHNIK 44 3 »Wenn der Dom fertig ist, geht die Welt unter«, so besagt es zumindest ein kölsches Sprichwort. Allzu große Sorgen über den Weltuntergang macht man sich am Rhein allerdings nicht, denn seit Baubeginn im Jahr 1248 ist und bleibt die Hohe Dom- kirche St. Petrus eine Dauerbaustelle. Bis heute dauert beispiel- sweise die Behebung von Kriegsschäden aus dem II. Weltkrieg an; ohne die ständigen Bau- und Reparaturmaßnahmen der Kölner Dombauhütte wäre das Kölner Wahrzeichen innerhalb weniger Jahre sogar akut gefährdet. IneinemGemeinschaftsprojektderKölnerHochschuleFresenius, der Heriot-Watt University Edinburgh und der Kölner Dombau- verwaltung wurde die Kathedrale mit Unterstützung der Firma Zoller + Fröhlich nun erstmals komplett digital vermessen, um eine vollständige 3D-Bestandsaufnahme des drittgrößten Kir- chengebäudes der Welt zu erhalten. »Der Dom ist wirklich gi- gantisch. Jeder Winkel stellte eine besondere Herausforderung dar«, so Prof. Chris Wickenden, Mitinitiator und Studiengangs- leiter des Studiengangs 3D-Mind & Media an der privaten Hoch- schule Fresenius in Köln. Innerhalb eines Jahres haben seine Stu- dentengemeinsammitDouglasPritchard,ProfessoranderSchot- tischen Heriot-Watt-University, und mit Experten von Zoller + Fröhlich den gesamten Dom von innen und außen digital ver- messen. »Ziel des Projektes war es, ein identisches Abbild der Kathedrale zu erhalten, mit minimalen messtechnischen Abwe- ichungen«, so Pritchard. Wie anspruchsvoll diese Aufgabe werden würde, war zunächst nichtabsehbar,alssichWickendenundPritchardaufeinerFach- tagung kennenlernten. Pritchard engagiert sich seit vielen Jah- ren für die Amerikanische Institution CyArk, die weltweit Kul- turerbestättendigitalisiert,undhatunteranderembereitsMount RushmoreundSt.MichaelsMountfürdasdigitaleCyArk-Archiv gescannt. So entstand die fixe Idee, »das müsste man unbe- dingt auch mit dem Kölner Dom machen.« Pritchard kannte den Dom bereits von einem früheren Besuch in Köln. »Bei unserer BegehungdesKölnerDomswarerdannaberdochetwasgeplät- tet«, erinnert sich Jörg Sperner von der Kölner Dombauverwal- tung, die zunächst etwas zurückhaltend auf die Idee der bei- den Professoren reagierte: »Immer wieder kommt eine Universi- tät auf uns zu mit der Idee, den Dom digital nachzubauen. Das verläuft aber meist nach zwei Monaten im Sande, weil dann oft klar wird, dass es eben ein komplexes Bauwerk ist und keine Wand von 45 Metern Breite und Höhe. Da steckt wesentlich mehr Arbeit dahinter. Aufgrund der Größe, der Schwierigkei- ten und der Zugänglichkeiten hat einfach irgendwann jeder ge- sagt: »Das ist eine Hausnummer zu groß«, so Sperner, der das Projekt für die Kölner Dombauverwaltung betreut. Pritchard aber war sich seiner Sache sicher, es sei »eine tolle Herausforderung, ein Gebäude dieses Ausmaßes zu scannen«. Im Mai 2015 begannen mit Unterstützung des Allgäuer Fami- lienunternehmens Zoller + Fröhlich die ersten Vermessungs- arbeiten. In kleinen Teams arbeiteten sich Pritchard, Experten von Zoller + Fröhlich und Studenten der Hochschule durch den Innenraum des Doms, zum Einsatz kamen zwei terrestrische La- serscanner – Z+F IMAGER® 5010C und Z+F IMAGER® 5010X. Die Scanner wurden zunächst durch den gesamten Innenraum bewegt, dann entlang des Triforiums und an den Schnittpunk- ten der Rippengewölbe sowie oben auf der Empore. Sperner: »So haben wir versucht, die Informationsdichte in der gesamten Punktwolke gleichmäßig zu verteilen. Das ist uns nicht überall gelungen. Wir sind aber schon jetzt sehr zufrieden damit, dass »3Dom« in Zahlen 660 hochauflösende Laserscans 50 Mitarbeiter, Studenten und Helfer Klettern bis auf 130 Höhenmeter 2 Terrabyte an Daten 6 Milliarden Punkte 60 Stunden Filmmaterial Hubgerüst mit Scanner TECHNIK
  • 3. 47 3 TECHNIK 46 3 TECHNIK wir den jetzigen Zustand in der aktuellen Auflösung haben. Ge- scannt haben wir von umgebenden Gebäuden, von oben nach unten und umgekehrt, durch die Gewölbekappen hindurch, im Triforium mit unserer Ameise (siehe Foto: Hubgerüst) in 40 Me- tern Höhe. So hatten wir möglichst viele Bereiche, die der Scan- ner erreichen konnte, die Verschattung wurde dadurch weitest- gehend reduziert.«. Eine der Herausforderungen dabei war es, die Arbeiten bei nor- malem Betrieb im Dom durchzuführen, in dem täglich fünf Got- tesdienste stattfinden: »Da mussten wir tatsächlich Bereiche sperren, auch, um in Ruhe arbeiten zu können. Denn viele Besu- cher wollten natürlich wissen, was dort passiert«, so Sperner. Dieter Claus, der das Projekt für die Hochschule begleitet und dokumentiert hat: »Wir hatten deshalb überlegt, in Schichten zu arbeiten. Denn die Arbeit ging oft früh los – schon vor 6 Uhr – und Douglas war mit seinem Scanner zum Teil noch deut- lich nach 22 Uhr im Dom. Es gab drei Scan-Teams und ein Film- Team, das das Projekt filmisch begleitet hat«, insgesamt waren etwa 50 Studenten aus drei Semestern der Hochschule an dem Projekt beteiligt. EineweitereHerausforderungwarderScandesnördlichenDom- turms, an dem es keine geeignete Plattform und auch kein vor- handenes Außengerüst gab. Norman Jankowski, Student an der Hochschule Fresenius, kam dabei seine Kletterausbildung zur Hilfe(sieheFotoSeite48).Mitdem9KiloschwerenLaserscanner auf dem Rücken stieg er bis in luftige Höhe, eine Außenleiter in schwindelerregende Höhe hinauf. Eine einmalige Erfahrung für den gebürtigen Kölner, der zuvor keinerlei Erfahrungen mit Vermessungstechnik hatte. Vom Turm aus wurde der Scanner zuerst auf den Boden aus- gerichtet, um die darunterliegenden Dächer und Türme zu er- fassen und danach auf die Turmspitze. Jankowski: »Das ganze Thema ist unglaublich interessant. Nicht nur im Hinblick auf Vermessung, sondern vor allem auch im Hinblick auf den virtuellen Raum, den ich fast ohne Abweichungen digital ab- bilden und mit dem ich später arbeiten kann.« Die Erstauswertung der Scans erfolgte mit der Software Z+F LaserControl®, die die Daten sowohl registrieren als auch filtern Das Projekt wurde von einem studentischen Filmteam begleitet, dessen Film spekta- kuläre Aufnahmen vom Dom, einen Blick hinter die Kulissen des Projektes und Ergeb- nisse der Arbeiten zeigt. www.youtube.com/watch?v=YyTEiEvzd7g Messpunkte am Dom und den benachbarten Gebäuden
  • 4. 49 3 TECHNIK 48 3 TECHNIK und auswerten kann. Da die Daten zum einen für technische Anwendungen und zum anderen für multimediale Zwecke auf- bereitet wurden, kam daneben Spezialsoftware wie Autodesk ReCap 360 für die As-Built Dokumentation, Autocad/Revit für 3D-CAD Daten und 3D Studio Max und Thinkbox Sequoia für Animationen zum Einsatz. Claus: »Die Rolle von Zoller + Fröh- lich war dabei schon ungeheuer wichtig. Und am Ende waren auch die Kollegen genauso fasziniert von dem Projekt und dem Objekt, wie wir alle.« Im Frühsommer 2016 präsentierte das Projektteam nach 225 Stunden Arbeit am Dom über zwei Terrabyte an Daten, 660 hochauflösendeScansund360°PanoramenfürdieKolorierung, 6 Milliarden Punkte und mehr als 60 Stunden Filmmaterial. Das Projekt ist für alle Seiten ein voller Erfolg, Pritchard will aber trotzdemnocheinigeergänzendeScansdurchführen:»DasBau- werk ist zwar schon jetzt außerordentlich gut gescannt, im In- nenraum müssen wir aber noch einige Korrekturen vornehmen und vielleicht noch 10 Scans von außen durchführen. Aber ich gebe zu, dass ich ein klein wenig besessen von der Idee bin, ab- solut perfekte und präzise Daten zu liefern.« Für Sperner ist die kleine Festplatte mit den Scandaten schon jetzt von immenser Bedeutung: »Diese Dokumentation ist für uns ganz wichtig, da wir ja mit und an einem Gebäude arbei- ten, das sich täglich verändert. Und im Moment sind wir froh darüber, dass unsere Vorfahren im 19. Jahrhundert so oft die Kamera gezückt haben und den Dom von allen Ecken aus fo- tografiert haben. Denn jetzt können wir auf dieses Bildmate- rialzurückgreifen.ZwarineinerrelativschlechtenQualität,aber wir haben zumindest eine Idee, wie Teile des Gebäudes vor dem II. Weltkrieg ausgesehen haben. Das ist bei vielen älteren Teilen nicht möglich. Beispielsweise weiß man bei den Wasserspeiern, die zum Teil nur noch zur Hälfte da sind, nicht, wie sie im Mittel- alterausgesehenhaben.NichtnurwegendesII.Weltkriegs,son- dern auch wegen Witterungsschäden, Vandalismus und Ähn- lichem. Deshalb ist es so wichtig, dass wir jetzt – 2016 – ein- mal einen Ist-Zustand dokumentiert haben.« Denn: »Wir haben alle gelernt, dass solche Bauwerke auch von Kriegen und ande- ren Dingen bedroht sind.« CyArk in den USA stelle sicher, dass bedeutende Bauwerke im Falle ihrer Zerstörung zumindest vir- tuell erhalten blieben. »Diese Daten können dann in den unter- schiedlichsten Bereichen verwendet werden – vom Wiederauf- bau bis zu einer virtuellen Darstellung am Computer.« Vom Schlimmsten will in Köln aber niemand ausgehen, viel na- heliegender ist der praktische Nutzen der Daten für die tägliche Arbeit.SiehabendasPotenzial,dieArbeitderRestauratorenund Architekten,SteinmetzeundDachdecker,Gerüstbauer,Elektriker, Schlosser, Schreiner, Maler, Glasrestauratoren, Glasmaler und Kunstglaser zu erleichtern und zu beschleunigen. So kann nun besser überprüft werden, ob es am Dom Bereiche gibt, in denen die Dombauhütte aktiv werden muss: Dank thermografischer Aufnahmen können z. B. Wassereinbrüche oder Wärmebrücken erkannt werden, die im Wechsel der Jahreszeiten zu Problemen führen können. Durch die Positionsdaten kann man feststellen, ob es Setzungen, Kippungen oder Veränderungen in den Pfeil- ern gibt. »Solche Fragen wollen wir in Zukunft dank dieser Tech- nologie beantworten, aber bis dahin ist es noch ein Weg. Ich hoffe, dass wir in etwa 5 Jahren dort sein werden«, so Sperner. Für Pritchard liegt es nahe, mit regelmäßigen Scans besonders kritischerBereichepräzisezudokumentierenundzuanalysieren, obundwelcheMaßnahmenerforderlichseinkönnten.»DieSoft- ware kann die Veränderungen am Gebäude genau berechnen.« Noch ist dies aber Zukunftsmusik: »Wir haben jetzt angefangen, unszuinformieren,wiewirüberhauptmitdieserriesigenPunkt- wolke umgehen können. Unser Steintechniker ist gerade dabei und hat Kollegen angesprochen – in Ulm arbeitet man z. B. mit einem solchen Scansystem, auch wenn Sie dort keinen kom- pletten Scan des Bauwerks haben. Dort beschränken sie sich nur auf ihre Baustellen. Aber Sie träumen nun davon, in Zukunft auch das zu bekommen, was wir in Köln jetzt haben. Dafür kön- nen sie dort im Gegensatz zu uns aus den Punktwolken schon 2D-Pläne erstellen. Wir sind mit der Fresenius-Hochschule jetzt auch im Gespräch, ob wir ein Seminar dazu machen können. Denn es bringt nichts, wenn die Daten im Regal liegen, wir sie aber nicht nutzen können. Deshalb müssen wir jetzt aufrüsten – Auf dem Weg nach oben: Norman Jankowski und Douglas Pritchard Bildunterschrift Bildunterschrift
  • 5. 51 3 TECHNIK 50 3 TECHNIK in Soft- und Hardware. Und wir werden einen Mitarbeiter spe- ziell schulen, der dann mit diesen Daten auch arbeiten kann.« Auch für die Hochschule waren die immensen Datenmengen zunächst ein Problem. »Es war für uns alle wie eine Expedition ins Ungewisse – um zu gucken, was man mit diesen Daten ei- gentlichallesmachenkann.Prof.Wickendenundichhabendann relativschnell–jederinseinemFachbereich–dieMöglichkeiten entdeckt, die sich aus dem Scan auch weiterführend ergeben«, so Claus. Interessant sei dabei, dass Aspekte aus dem inge- nieurwissenschaftlichen Vermessungswesen und dem Bereich Designzusammenkommen.FürdieDozentenanderHochschule war vieles genauso neu, wie für ihre Studenten. Claus: »Weil Prof. Wickenden und mich diese Technik so interessiert hat, haben wir Anfang des Jahres einen Kurs gemacht und können jetzt – sehr rudimentär – scannen. Wir fanden es wichtig, die Gerätschaften näher kennenzulernen und auch, damit arbeiten zu können. Und wir haben mehrere Workshops gemacht, um zu lernen, wie man mit der Software und Punktwolken umgeht.« Bei den Studierenden hat das Projekt das Interesse am Thema Laserscanning geweckt und viel Kreativität freigesetzt: »Es gab am Anfang, als den Studierenden langsam die Grundsätze von Point-Clouds und Mesh-Systemen klar wurden, die Idee, man könnte doch ein Game entwickeln im virtuellen Dom und den Papst entführen«, erinnert sich Claus lachend. »Die jungen Leute gehen da sehr unbeschwert ran und sehen zahlreiche Möglich- keiten, vielleicht viel mehr, als wir mit unserem eher techni- schen Blick auf die Dinge. Aber als wir mit der 3D-Technik und dem Laserscanning in Kontakt kamen, war uns schnell klar: das sind Systeme, die man natürlich für all das nutzen kann. Nicht nur für die reine Vermessung, auch im Bereich Design kann man mit diesen Daten wunderbar arbeiten. Zum einen künstlerisch, zum anderen aber auch im Bereich Konstruktionen, im Bereich Film.Beispielsweisemiteinem3D-FlugdurchdenDom,denman über das Internet erleben könnte. Die Möglichkeiten, die die 3D-Technik als Basis bietet, sind ja immens.« Pritchard will die Daten in Schottland zu konventionelleren Zwecken nutzen. »An unserer Hochschule werden Studenten in den Fächern Architektur und Ingenieurwesen mit den Daten arbeiten. Wir können damit die Struktur und Architektur des Gebäudes durchdringen. Wie steht das Bauwerk so stabil? Die Scandaten sind für uns wie ein Röntgenbild, auf dem man die strukturellen Komponenten genau analysieren kann. Indem wir die unterschiedlichen Scans kombinieren, verfügen wir erstmals über absolut präzise Daten – vom tiefsten bis zum höchsten Punkt des Bauwerks. Mit diesen hochpräzisen Daten können wir die Dombauverwaltung bei ihrer Arbeit unterstützen. Mei- ne Herausforderung als Hochschullehrer ist aber auch: wie kön- nen wir die Nutzung der vorhandenen Technologie vorantrei- ben? Wie können wir sie für Neues nutzen? Als kreatives Werk- Niklas Möring FORUM-Redaktion moering@bdvi.de zeug, für die Bildung, Informationsvermittlung, vielleicht auch zur Unterhaltung? Heute verschwimmen die Grenzen dabei, wir setzen klassische Vermessungswerkzeuge ein und kombinieren die Ergebnisse mit anderen Ideen – Denkmalschutz, Konservie- rung oder 3D-Animationen sind nur drei Beispiele.« EINSATZ IM DENKMALSCHUTZ Aktuell nutzt die Kölner Dombauverwaltung die erfassten Da- tenbeieinererstenBaumaßnahmeamDom.Sperner:»EineRes- taurierung des Strebewerks an der Südseite des Domes ist die erste Baustelle, die wir jetzt mit Hilfe des 3D-Scans – zusam- men mit herkömmlichen Methoden der klassischen Vermessung – bearbeiten werden«. Dass bei der Visualisierung die erfassten 3D-Daten und HDR-Fotos zusammenkommen und ausge- sprochen detailreiche und realitätsnahe Bilder entstehen, ist ein großer Vorteil der Methode. Die zahlreichen unterschiedlichen Materialien, Oberflächen und Formen können präzise erfasst werden – auch die unzähligen und oftmals sehr detailreichen Skulpturen am Dom. Das hilft beispielsweise den Steinrestau- ratoren, denen für viele Bereiche noch keine oder nur unvoll- ständige Planmaterialien vorliegen. Dank der Daten aus den Laserscans soll die Arbeit in Zukunft einfacher, schneller und besser werden. Für Sperner hat deshalb »die Denkmalpflege ins- gesamt sicherlich auch ein großes Interesse am Laserscanning, die Kollegen sind irrsinnig begeistert davon und finden das toll – bis zum Punkt Kosten. Und dann hört es auf, weil dafür eben kein Geld da ist. Da stehen wir leider auf einem sehr schwieri- gen Feld.« Das Projekt hat die Dombauverwaltung insgesamt 35.000 Euro gekostet – für einen außerplanmäßigen Haushalts- posten keine geringe Summe. Und dennoch ein kaum zu unter- bietender Preis, der nur dank des großen ideellen Einsatzes der Dozenten, Studierenden und der Mitarbeiter des Geräte- herstellers Zoller + Fröhlich möglich wurde. Pritchard ist trotz solcher Finanzierungsfragen von einer großen Zukunft für den Bereich 3D-Scanning überzeugt: »Es wird im- mer einfacher werden, hochwertige 3D-Aufnahmen durchzu- führen. Schon heute ist dank eines Smartphones vieles möglich, denken wir nur daran, das eigene Haus in 3D aufzunehmen und damitzuspielen.AbereswirdeineimmerhöhereNachfragenach verlässlichen und genauen Daten geben. Wenn Sie als Laie ein 3D-Modell betrachten, können Sie unmöglich sagen, ob und wie präzise es ist. Sie brauchen dafür einen Experten, der ihnen die Korrektheit der Daten garantieren kann. Wir Vermesser sind also ineinergutenPosition,denndieprofessionelleNutzungvon3D- Daten ist ohne uns Experten nicht möglich und unsere Kunden zahlennichtfürein3D-Modell,dasnurgutaussieht.Siebezahlen fürpräziseundvorallemrechtssichereDaten.Deshalbdenkeich, dass wir uns auf künftige Technologien in diesem Bereich freuen können – und sie nicht als Bedrohung empfinden sollten.« Gerade im Bereich Denkmalschutz arbeiten viele Vermessungs- büros schon seit Jahren mit dem Laserscanverfahren, das ein verformungsgerechtes Aufmaß garantiert und den notwendi- gen Detailreichtum besitzt. Doch gerade bei solch komplexen BestandsaufnahmenwieinKölnistvielvermessungstechnisches Fachwissen gefordert: Diese Expertise beginnt bei der Planung und Durchführung einer effizienten und umfassenden Mess- kampagne, welche den vereinbarten Detailgrad und die Ge- nauigkeit gewährleistet und der Registrierung aller Scans mit Beurteilung der Ausgleichungsergebnisse. Die Erstellung der er- forderlichen Abgabeprodukte beginnt mit der Interpretation und Digitalisierung der Punktwolke für die Ableitung detailge- nauer 2D-Ansichten, Schnitte, Grundrisse oder Detailzeichnun- gen. Das FORUM wird das spannende Kölner Projekt weiter be- gleiten und darüber berichten, ob es dort gelingt, die originäre Punktwolke für die klassischen Aufgabenstellungen selbst zu nutzen und welche Folgeprojekte und -verwendung sich in Zu- kunft ergeben wird. ????? ????