SlideShare ist ein Scribd-Unternehmen logo
1 von 7
Downloaden Sie, um offline zu lesen
VORVERÖFFENTLICHUNG
2                                                                                                               25/2012/1

                                                    Maya Götz
                unter Mitarbeit von Christine Bulla, Andrea Holler, Simone Gruber, Judith Schwarz



             Wie Kinder und Jugendliche
              Familien im Brennpunkt
                     verstehen
                                                      (Junge, 11 Jahre)




S                                                                                       1. Auf der Suche nach der
       ie haben reißerische Folgentitel    zumindest ein Spiel mit Realität, das
       wie „Megaattraktiver Aufreißer      Familien im Brennpunkt kennzeichnet.                Faszination
       stiehlt seinem kleinen Bruder       Die 45-minütige Sendung ist seit
die große Liebe“, „Casanova gerät an       31. August 2009 wochentags und             Methoden zur Annäherung an die
skrupellose Onlinebetrügerin“ oder         samstags am Nachmittag auf dem             Rezeption von Familien im Brennpunkt
„Naive Teenie-Mutter verliebt sich in      privat-kommerziellen Sender RTL            durch Kinder und Jugendliche
Pharao“ und erzählen dramatischste,        zu sehen. Bei jüngeren Kindern sind
sich bis ins Absurde steigernde            es nur einzelne, die sich die Sendung      Die Studie näherte sich auf zwei
Geschichten rund um das Thema              ansehen, bei den Pre-Teens (10- bis        Wegen der Frage, warum einige
„Familien im Brennpunkt“. Dargestellt      13-Jährige) sieht zum Teil jede/r          Kinder und Jugendliche das Format
werden die erdachten Handlungsabläufe      Fünfte, der am Nachmittag fernsieht,       nutzen und wie sie den Realitätsgehalt
von LaiendarstellerInnen, die oft          die Sendung. Bei den Mädchen dieses        einschätzen. Zum einen wurden aus
jenseits der sonst im Fernsehen üblichen                                              einer repräsentativen Stichprobe von
Besetzung liegen, was Erscheinung          weniger gut ausgestatteten (Sinus-)        n= 728 6- bis 12-Jährige diejenigen
und Schauspielkunst angehen. Sie           Milieus ist die Sendung besonders
agieren in Privatwohnungen und auf         beliebt. Was interessiert Kinder und       sehen.3 Bei den 6- bis 7-Jährigen war
offener Straße im deutschen (meist         Jugendliche an den überdramatisierten      dies knapp jedes zehnte Kind, ein
Kölner) Raum, nicht selten schreiend       Familiendramen?                            Anteil, der dann mit jedem Jahrgang
und vulgäre Sprache nicht meidend.         In einer Kooperationsstudie gingen         wächst, und schließlich bei den 10- bis
Gefilmt wird in einem spontan-             die Gesellschaft zur Förderung             12-jährigen Jungen auf jeden Dritten,
dokumentarischen Stil, meist mit           des internationalen Jugend- und            bei den Mädchen auf über 40 %
Handkameras, einige Gesichter sind         Bildungsfernsehens e.V. 1 und die          anwächst. Diese Kinder wurden dann
verpixelt und zu starke Schimpfwörter      Landesanstalt für Medien Nordrhein-        standardisiert interviewt. Bei den Pre-
mit Piep-Tönen überdeckt. Spätestens       Westfalen (LfM) der Frage nach, was        Teens und Jugendlichen befragten wir
durch Einwürfe wie „Zwei Tage              Kinder und Jugendliche an diesen           10- bis 18-Jährige in Bayern, wobei
später bittet der Schulpsychologe          Formaten fasziniert und inwieweit          zu den standardisierten Items offene
alle Beteiligten zu einem Gespräch.        sie den „gescripteten“ Charakter der       Fragen, z. B. zur Beschreibung des
Wir dürfen mit der Kamera dabei            Sendungen verstehen. Im Folgenden          Formates, einzelner Folgen, Vorlieben
sein“ wird deutlich: Diese Formate         wird im Sinne der Handlungsorientierten    sowie Kritikpunkte, hinzukamen. 4
versuchen, einen dokumentarischen          Rezeptionsforschung 2 zunächst             Insgesamt wurden so n= 861 Kinder
Charakter vorzuspielen, und geben          nachvollzogen, was Kinder und              und Jugendliche zwischen 6 und 18
vor, eine Realität abzubilden, die auch    Jugendliche an Familien im Brennpunkt      Jahren allgemein, und die Familien-
jenseits der Fernsehproduktion genau       reizt (1). Vor diesem Hintergrund und im   im-Brennpunkt-SeherInnen aus dieser
so stattgefunden hätte. Gleichzeitig       Hinblick auf die Ergebnisse, inwieweit     Grundgesamtheit (n= 294) im Detail
wird zu Beginn und am Ende einer           sie den gescripteten Charakter der         befragt.5 Die Rezeptionsstudien sind
Folge der Hinweis eingeblendet:            Sendung verstehen (2), wird anschließend   eingebettet in gezielte Medienanalysen,
„Alle handelnden Personen sind frei        eine pädagogische Einschätzung des         um das von den Kindern und
erfunden.“ Es ist in diesem Sinne          Formates formuliert (3).                   Jugendlichen Herausgestellte im Format
VORVERÖFFENTLICHUNG
                  25/2012/1                                                                                                   3

verorten zu können. Zur Erhebung bei       „In Familien im Brennpunkt geht es           Faszination Familien im Brennpunkt:
den SchülerInnen wurde zudem eine          darum, wie Familien in Deutschland           Kinder bekommen eine Stimme
90-minütige medienpädagogische             sich verhalten.“ Es geht seiner Ansicht
                                                                                        „(…) Und wie sich dann die Kinder
Einheit durchgeführt, um den               nach um regional verankerte Realitäten.
Möglichkeiten und Grenzen der              Der inhaltliche Schwerpunkt der
Förderung von Medienkompetenz im           Sendung wird dabei eindeutig in der
                                                                                        Von besonderem Interesse sind aus Sicht
Bereich der Scripted-Reality-Formate       Problemorientierung gesehen. Eine
                                                                                        der Kinder und Pre-Teens neben den
nachzugehen.6                              15-Jährige formuliert: „Es zeigt, was
                                                                                        Spielszenen die Statements, in denen
                                           Familien durchmachen, wenn etwas
                                                                                        die ProtagonistInnen ihre Sichtweise
    Zusammenfassung der                    passiert: Kinder, die nicht mehr zur
                                                                                        zu den eben dargestellten Ereignissen
        Ergebnisse                         Schule gehen, Schwangerschaften, die
                                                                                        formulieren. Im Alltag haben sie selbst
                                           Eltern trennen sich usw.“ Aus ihrer
                                                                                        im Normalfall nicht diese Möglichkeit.
Das Format wird beim Durchschalten         Perspektive verdeutlicht die Sendung
                                                                                        Insofern geben die „Betroffenen“ auch
entdeckt                                   die Konsequenzen eines Fehlverhaltens
                                                                                        eigenen Erfahrungswelten Resonanz,
                                           einzelner Personen für das soziale
                                                                                        und die Statements symbolisieren
Wie kommen Kinder und Jugendliche          Umfeld. Dabei wird die Dramatisierung
                                                                                        quasi ein „Gehörtwerden“ der eigenen
zu Familien im Brennpunkt? Sie             durchaus wahrgenommen: „Es
                                                                                        subjektiven Erfahrung. Es ermöglicht
„entdecken“ die Sendung durch Zufall,      geht um fast zerstörte Familien“,
                                                                                        aber auch ein besseres Verständnis der
indem sie am Nachmittag beim Zappen        formuliert ein 12-Jähriger (türkischer
                                                                                        jeweiligen Problematik: „Wenn sich
darauf stoßen. Hintergrund sind hier       Migrationshintergrund). Bei den
                                                                                        Familien z. B. trennen, und wie sich
vermutlich die kurzen, spektakulären       Sendungen, die besonders gut
Handlungsstränge, die fast immer           gefallen, werden zum Teil typische
                                                                                        weil da kann man sich auch besser
Kinder und Jugendliche als Teil von        Problemkonstellationen beschrieben:
                                                                                        reinversetzen.“ (Mädchen, 13 Jahre)
Familien thematisieren. In kurzen          „Im Allgemeinen finde ich Folgen
                                                                                        Die jungen ProtagonistInnen der
Handlungsentwicklungen – zum Teil
                                           Elterntrennungen sehr interessant“,
                                                                                        mit denen die Kinder und Pre-Teens
und Streiteskalationen erzählt. Eine       formuliert eine 16-Jährige. Vermutlich
                                                                                        vor dem Fernseher die Geschichten
Dramaturgie, an der Kinder und             sind dies Themen, die sie zurzeit sehr
                                                                                        durchleben.
Jugendliche scheinbar leicht „hängen       beschäftigen. Kinder und Jugendliche
bleiben“. Bei den Jüngsten sind es zudem   haben das Gefühl, hier etwas zu sehen,
                                                                                        Gut und Böse – Richtig und Falsch:
oft die Eltern, bei denen die Sendung      das sie aus ihrem Alltag kennen:
                                                                                        die Vereinfachung der Komplexität
mitgesehen wurde, oder Freunde haben       Familien in Konfliktsituationen.
                                                                                        realer Problemlagen
von Familien im Brennpunkt berichtet.      62 % der 6- bis 12-Jährigen stimmen zu,
Die Sendung wird also seltener gezielt     dass sie Familien im Brennpunkt sehen,       „(…) Und dann zeigen die, wie sie
gesucht, sondern auf der Suche nach        „weil man da sehen kann, dass andere
einem ansprechenden Programm („Weil        auch in der Familie oder mit ihren           Jahre)
am Nachmittag nichts Interessantes         Freunden streiten“; und ähnlich bei der
läuft“) gefunden. Die Grundstruktur mit    Aussage „weil es Spaß macht zu sehen,        Was Kindern und Pre-Teens an den
                                           wie es wirklich in anderen Familien          Sendungen gefällt, ist die Eindeutigkeit,
Recaps (Zusammenfassung des bisher                                                      mit der komplexe Situationen
Geschehenen) sowie dramatischen            hier vermutlich etwas, das wenig offen
Handlungsentwicklungen scheint sich        thematisiert wird: In Familien gibt es       Themen aufgegriffen, die sie aus ihrem
strukturell in den Nachmittag von          Krisen und Auseinandersetzungen.             Alltagsvokabular kennen, wie den
Kindern und Jugendlichen einzupassen.      Dies in übersteigerter Form bei              Begriff „Mobbing“, der aber als soziale
                                           „anderen“ anzusehen, gibt ein gutes          Problemkonstellation alles andere als
Faszination Familien im Brennpunkt:        Gefühl. Durch die Extreme der                einfach zu begreifen und zu klären
Problemsituationen in der Familie          Geschichten ist die Wahrscheinlichkeit       ist (vgl. z.B. Schäfer et al. 2006). In
                                           groß, dass die eigenen Probleme              diesen komplexen Zusammenhängen
„Familien im Brennpunkt ist, wo                                                         eine eigene ethische Position zu
                                           vergleichsweise harmlos und der eigene
                                           Alltag vergleichsweise gelingend
12 Jahre)                                                                               zu orientieren, ist anspruchsvoll.
                                           und glücklich erscheint. Dies schafft
                                           Entlastung, aber auch durchaus               Entsprechend dankbar nehmen Kinder
Wie der Titel schon angibt: Bei Familien                                                und Pre-Teens die fast didaktisch
                                           Sensibilität. Nur 17 % der Befragten
im Brennpunkt geht es um Familien. Für                                                  aufbereiteten Erzählungen auf.
                                           lehnen für sich folgende Aussage ab: „Seit
diejenigen, die die Sendung regelmäßig                                                  Medienanalytisch sind es zum größten
                                           ich Familien im Brennpunkt sehe, weiß
sehen, ist dies der attraktivste Punkt.                                                 Teil vereinfachte, klischeehafte
                                           ich, dass es viele Familien echt schwer
Ein 14-Jähriger beschreibt die Sendung:                                                 Erzählstrukturen einer Heldenreise
                                           haben, z. B. haben sie wenig Geld.“
VORVERÖFFENTLICHUNG
4                                                                                                                  25/2012/1

(vgl. Campbell 1999) eines nicht          Auf die Frage, was ihnen an Familien          Gefühl, aus Familien im Brennpunkt
perfekten Protagonisten. Es gibt          im Brennpunkt besonders gut                   Problemlösungsstrategien          zu
einen, der die Rolle des Guten innehat,   gefällt, antworten die regelmäßigen           gewinnen. 80 % der 6- bis 7-Jährigen
der sich vielleicht nicht immer am                                                      und 72 % der befragten 13- bis
angemessensten verhält, aber dennoch      Happy End gab, wie bei jeder Folge“           14-jährigen HauptschülerInnen, die
unschuldig abgewertet oder angegriffen    (Junge, 15 Jahre). Sie genießen die           die Sendung regelmäßig sehen, tun
wird. Hinzu kommen Figuren in der         Erzählungen, bei denen sich am Ende           dies, „weil dort gezeigt wird, was
Rolle verschiedener BegleiterInnen und    alle Probleme, trotz immer wieder             bei der Lösung eines Problems hilft
                                          größer werdender Streitereien und             und was nicht.“ Medienanalytisch
in Form einer Antagonistin). Die          diverser Verwicklungen, verlässlich           werden in der Sendung diverse
Motive der Guten werden im Statement      zum Guten wenden – und das innerhalb          Problemsituationen aufgeworfen, die
artikuliert oder vom Off-Sprecher         kürzester Zeit. Für diese Kinder und          sich dann von Ereignis zu Ereignis
formuliert. Warum die AntagonistInnen     Pre-Teens ist die Sendung auch mit            steigern. Nicht nur die Vielzahl der
so handeln, bleibt unbenannt. Im          einem potenziell hoffnungsvollen              Steigerungen innerhalb kürzerer Zeit,
Laufe der Handlung erkennen die           Bild in Bezug auf Problemlösungen             sondern auch die Verhaltensweisen der
                                          verbunden und sie bestätigen: „Seit           ProtagonistInnen und AntagonistInnen
Fehlverhalten und ändern sich. Es         ich Familien im Brennpunkt schaue,            sind im Vergleich zur Realität völlig
gibt zum Teil „Halbgute“, die sich        weiß ich, dass es für jedes Problem eine      übertrieben und z.T. absurd. Gelöst
ebenfalls im Laufe der Geschichte         Lösung gibt.“
zum moralisch Richtigen wenden. Nur       Medienanalytisch werden in jeder              den Einbezug einer externen Instanz.
die AntagonistInnen verändern sich        Folge die diversen Streitigkeiten             Es werden ExpertInnen eingeschaltet
nicht wirklich, bekommen aber ihre        zu einem positiven Abschluss für              und oft erzählt die Geschichte von einer
gerechte Strafe und geloben daraufhin     die ProtagonistInnen geführt. Der             Gerichtsverhandlung zur Klärung des
Veränderung. Dies sind Erzählformen,      gemobbte 15-jährige Jakob7, mehrfach          Streits. Es werden also ein bestimmtes
die Kinder und Pre-Teens u. a. aus        hochgradig bloßgestellt, trotz Unschuld
Kinderstoffen kennen, die nun auf         eine Gerichtsverhandlung befürchtend          AntagonistIn-Struktur) und bestimmte
scheinbar reale Alltagswelten und         und dem Selbstmord nahe, wird sofort          Arten der Problemlösung erzählt. Aus
scheinbar reale Problemlagen anderer      in den Kreis von Peergroup und
übertragen werden. Eine didaktisierte     Nachbarschaft integriert und hat zudem        diese Modelle jedoch weder situativ
Form zum Umgang mit sozialen              seine erste feste Freundin. In der Realität   hilfreich noch nachhaltig (vgl. Lemish
Problemen, die Kindern und Pre-           würden ein derartiger psychischer Stress      u.a. 2009). Die nur sehr begrenzte
Teens, besonders jenen mit potenziell     und soziale Attacken nicht innerhalb          Alltagstauglichkeit dieser Narration
marginalisiertem sozialem Hintergrund     so kurzer Zeit nachhaltig befriedet und       zur Übertragung auf die eigenen
(Hauptschule, Migrationshintergrund       psychisch verarbeitet werden. Familien        Probleme wird von der Mehrzahl der
etc.) vermittelt, hier etwas über         im Brennpunkt erzählt vereinfacht             befragten GymnasiastInnen recht gut
konkrete Problemlagen zu erfahren.        Krisensituationen, die Vorkommnisse           erkannt, nicht aber von den jüngeren
Gerade weil die im Fernsehen              extrem verdichten und übersteigern            Kindern, Grundschulkindern und
dominanten Lebenswelten meist in          und Problemlösung romantisieren.              HauptschülerInnen.
Milieus der oberen Mittelschicht und      Die Bösen werden bestraft und sehen
Oberschicht spielen und die Figuren       zum Teil ihr Fehlverhalten ein, die           Faszination: Sich durch Abgrenzung
mit DarstellerInnen besetzt werden,       Guten bekommen ihre verdiente                 besser fühlen
die weder dem Normalgewicht noch          Genugtuung. Dies schließt an bekannte
                                                                                        „Das war sehr lustig, weil es kom-
der Diversität der bundesdeutschen        Kindermedienstoffe an und bestätigt
Bevölkerung entsprechen (s. Götz 2012)    bereits vorhandene moralische
sind die dargestellten Lebenswelten in    Deutungsmuster.
                                                                                        In allen Altersgruppen spielt neben
Familien im Brennpunkt vermutlich
                                                                                        einer empathischen, einfühlenden
oftmals dichter am real erlebten Alltag   Faszination: Lösungsstrategien
                                                                                        Rezeptionshaltung auch der Moment
der Kinder und Jugendlichen.              gewinnen
                                                                                        der Erheiterung eine Rolle. Ein Motiv,
                                          „Das hat mir schon ein bisschen               Familien im Brennpunkt zu sehen, ist:
Faszination Familien im Brennpunkt:
                                          geholfen, weil ich dann weiß, wie ich         „Man kann so viel lachen.“ (Junge, 12
Für jedes noch so große Problem gibt
                                                                                        Jahre) In allen Altersgruppen gibt etwa
es ein Happy End
                                          Jahre)                                        die Hälfte der Familien-im-Brennpunkt-
„Besonders gut gefallen hat mir, dass                                                   SeherInnen an, sie sehen die Sendung,
sich die Familien wieder vertragen        Einige Befragte, insbesondere die             „weil man über Leute, die so dumm
                                          jüngsten und die 13- bis 14-jährigen          sind, mal richtig ablachen kann.“
                                          HauptschülerInnen, haben dabei das            Insbesondere für die Jugendlichen ist
VORVERÖFFENTLICHUNG
                   25/2012/1                                                                                                5

dies ein zentrales Nutzungsmotiv. Ein                                                 Sie deuten vor diesem Hintergrund
großer Teil der Erheiterung entsteht        nahelegen. Durchschauen Kinder            auch Formate wie Familien im
dabei durch die Abgrenzung und              und Jugendliche, die die Sendung          Brennpunkt. Sie rekonstruieren sich
Selbsterhöhung über das Verhalten           kennen und durchaus regelmäßig            die Sinnhaftigkeit, warum Menschen
einzelner Figuren: „Als Jakobs kleiner      schauen, dies? In den qualitativen        sich hier beteiligen:
Bruder ausgerastet ist wegen Joy, weil      Aussagen lassen sich bereits typische
er dachte, sie wären ein Paar. Das war      Realitätskonstrukte der Kinder und          „Es gibt Familien, die Probleme
sehr lustig, weil es komplett dämlich       Jugendlichen rekonstruieren. Zum           haben und es offen zeigen wollen.“
war.“ (Junge, 16 Jahre) Dadurch,                                                              (Mädchen, 12 Jahre)
dass sie die Handlungsentwicklung           darauf hinweisen, dass der gescriptete
verfolgen, das Problem erkennen und         Charakter der Sendung erkannt wurde.      Bereits die offenen Aussagen zeigen
meinen, die Hintergründe verstanden zu      Eine Gymnasiastin formuliert:             deutlich: Den gescripteten Charakter
haben, können sie sich über diejenigen                                                der Sendung verstehen zumindest
ProtagonistInnen erheben, die sich durch     „Es ist eine Serie, in der alltägliche   nicht alle. Dies ist auch nicht
eine Fehleinschätzung der Situation         Situationen nachgespielt werden. Sie      weiter verwunderlich. Kinder und
geleitet völlig (oft geradezu absurd)       basieren aber nicht auf realen Ereig-     Pre-Teens wachsen heute in einer
situationsunangemessen verhalten. Das           nissen.“ (Mädchen, 18 Jahre)          Medienlandschaft auf, in der sie diversen
gibt in der Rezeptionssituation ein gutes                                             Mischformen von fiktionalisierten
Gefühl. Die eigenen Deutungsmuster          Zum Teil nutzen die Befragten             „reality-based formats“ begegnen.
werden bestärkt, das eigene Selbstbild      Formatbezeichnungen, z. B. „Es ist eine   Über 400 dieser Formate wurden
erhöht – auf Kosten anderer.                Reality-Show, die normale Probleme        zwischen 2000 und 2009 ausgestrahlt
Entsprechend ist es nicht verwunderlich,    aus echten Familien zeigt.“ (Junge,       (Lünenborg et al. 2011). Sie werden
dass gerade bei den Jugendlichen der        16 Jahre) Mit Formulierungen wie          zur Interpretationsfolie, auf denen der
Anteil derjenigen hoch ist, die der         „gezeigt“ und „Show“ verweist er damit    Herstellungsprozess von Familien
Aussage zustimmen: „Seit ich Familien       auf die Vorstellung einer Inszenierung,   im Brennpunkt konstruiert wird. Um
im Brennpunkt sehe, weiß ich, dass es       die jedoch das „Normale“ darstellt. Bei   diesen Zusammenhang, so weit dies
viele Leute gibt, die so richtig dumm       anderen wird deutlich, dass sie den       möglich ist, quantitativ zu messen,
sind“. Insbesondere bei den 17- bis         gestellten Charakter erkannt haben,       wurde den regelmäßigen Familien-im-
18-jährigen GymnasiastInnen wächst          sich aber über den Produktionsablauf      Brennpunkt-SeherInnen eine Multiple-
                                            nicht ganz klar sind:                     Choice-Frage gestellt: „Was denkst
Es wird sich aber auch über die Sendung                                               du, welche der drei Möglichkeiten ist
amüsiert, weil „es so unecht und gestellt    „Es geht darum, dass ein Fernseh-        richtig?“ Als Antwortmöglichkeiten
(war), dass man die ganze Zeit drüber        Team eine Woche oder länger eine         wurde angeboten:
lachen konnte.“ (Mädchen, 16 Jahre)           Familie begleitet. Und dabei gibt
Für diejenigen, die den gescripteten                                                      Es werden Familien im ganz
und laiendarstellerischen Kontext der                 (Junge, 12 Jahre)
Sendung verstanden haben, liegt also                                                      Es spielen Schauspieler die
durchaus genau hier ein Sehmotiv.           Nach dieser Perspektive wäre Familien         Geschichten nach, die anderen
Doch wie hoch ist der Anteil der Kinder     im Brennpunkt eine Mischung aus               schon passiert sind.
und Jugendlichen, die den gescripteten      begleitender Dokumentation einer              Es denken sich die Leute vom
Charakter des Formates durchschauen?        bestehenden Familie und Theaterspiel,         Fernsehen diese Geschichten aus.
                                            vermutlich ähnlich einem sozialen
2. Verstehen Kinder und Ju-                 Rollenspiel. Häufig formulieren           Ein knappes Drittel der Familien-
gendliche den „gescripteten“                die Pre-Teens und Jugendlichen die        im-Brennpunkt-SeherInnen sieht die
  Charakter der Sendung?                    Vorstellung, die Sendung sei ein          Sendung als Dokumentation. Rund
                                            Coaching-Format wie Die Super Nanny       die Hälfte meint, die Geschichten
                                            oder Raus aus den Schulden:               seien nach wahren Begebenheiten
Die Sendung ist durch ein Drehbuch                                                    nachgespielt, ein Fünftel ist sich
bestimmt, im Detail von AutorInnen          „Es geht um Familien, die Probleme
erdacht und von LaiendarstellerInnen                                                  Geschichten sind.
umgesetzt. Am Anfang und am Ende                   Fernsehen übertragen.“             Für den Großteil der regelmäßigen
jeder Sendung werden die Worte                        (Junge, 11 Jahre)               Familien-im-Brennpunkt-SeherInnen
eingeblendet: „Alle handelnden                                                        ist Familien im Brennpunkt also eine
Personen sind frei erfunden.“ Die           „Es geht in Familien im Brennpunkt        die Realität widerspiegelnde Sendung,
Details der Sendungsgestaltung sind         um Familien, die ihre Probleme dem        die entweder wahre Begebenheiten
jedoch so angelegt, dass sie eine                  Fernsehen melden.“                 nachstellt (48 %) bzw. Realität
Dokumentation einer auch jenseits                  (Mädchen, 11 Jahre)                dokumentiert (30 %). Nur 22 % der
VORVERÖFFENTLICHUNG
6                                                                                                                   25/2012/1

Gesamtstichprobe erkennen, dass es           älteren Jugendlichen. Den gescripteten       3. Pädagogische Einschätzung
sich um ein erdachtes Format handelt,        Charakter erkennen– zumindest                 von Familien im Brennpunkt
das von der Realität höchstens inspiriert    in dieser Befragung – erst die
                                             OberstufenschülerInnen verlässlich.          Problembereich: Verdeckung des
In allen Altersgruppen, auch bei den         Die statistische Tendenz: Jungen             gescripteten Grundcharakters des
6- bis 7-Jährigen gibt es Familien-                                                       Formates
im-Brennpunkt-SeherInnen, die den                                                         Der aus pädagogischer Sicht zunächst
gescripteten Charakter der Sendung           So eindeutig übertrieben und schlecht        eindeutige Problembereich ist das
entschlüsseln. WenigseherInnen               gespielt Familien im Brennpunkt für          Missverständnis, dass es sich bei
dekonstruieren die Geschichten               Erwachsene ist (vermutlich, denn             dem Format um eine Dokumentation
                                             verlässliche Zahlen liegen nicht vor)        oder Nachstellung tatsächlicher
Das heißt, dass diejenigen, die sich auf     und besser gebildete Jugendliche             Ereignisse handelt. Unabhängig von
die Sendung einlassen, sie genießen          auch zu sein scheint, für Kinder und         möglichen Geschmacksdebatten
und sie täglich oder mindestens einmal       Pre-Teens, die die Sendung kennen            oder einer Auseinandersetzung mit
                                             und nutzen, handelt es sich um reale         Qualitätsfragen ist das Wissen um den
davon ausgehen, dass hier Familien           Begebenheiten, die nachgestellt, wenn        „gescripteten“ Charakter des Formates
im Alltag dokumentiert bzw. wahre            nicht sogar dokumentiert wurden.             grundlegend für einen angemessenen
Begebenheiten nachgestellt werden.                                                        Umgang damit. Insofern besteht
Verlässlich erkennen, dass es sich                                                        hier dringend Handlungsbedarf auf
hier nicht um eine Dokumentation                                                          unterschiedlichen Ebenen, um den
handelt, können dies jedoch erst die                                                      Kindern und Pre-Teens zu ermöglichen,
                                                                                          den Herstellungsprozess zumindest in
                                                                                          Ansätzen zu begreifen. Eine Textzeile
       Welche Vorstellung vom Herstellungsprozess haben Kinder und Jugendliche, die die   zu Beginn und am Ende der Sendung
Sendung FIB kennen und regelmäßig sehen?
                                                                                          reicht zumindest für diese Zielgruppe
                                                                                          nicht aus. Die textimmanenten
                                                                                          Hinweise, z. B. Textzeilen wie „Wir
                                                                                          dürfen mit der Kamera dabei sein“, die
                                                                                          suggerieren, dass hier eine spontane

                                                                                          ältere ZuschauerInnen eine Art Spiel
                                                                                          mit dem Genre sein, für Kinder sind sie
                                                                                          jedoch Hinweise in eine irreführende
                                                                                          Richtung. Neben der Diskussion
                                                                                          zu Änderungen im Format selbst
                                                                                          bedarf es dringend der Förderung der
                                                                                          Medienkompetenz von Kindern und
                                                                                          Jugendlichen und der Sensibilisierung
                                                                                          von PädagogInnen und Eltern in diesem
                                                                                          Feld.

                                                                                          Tendenzielle Rezeptionshaltungen
                                                                                          Kinder und Jugendliche, die die
                                                                                          Sendung regelmäßig oder zumindest
                                                                                          gelegentlich (freiwillig) sehen,
                                                                                          genießen das Format. Hierbei werden
                                                                                          zwei grundlegend unterschiedliche
                                                                                          Rezeptionshaltungen deutlich: Zum
                                                                                          einen die involvierte, empathische
                                                                                          Rezeptionshaltung, mit der in die
                                                                                          Geschichten eingestiegen wird. Das
                                                                                          Schicksal der Betroffenen wird
                                                                                          nachvollzogen, zum Teil vermutlich
                                                                                          mit der eigenen Lebenslage verglichen.
                                                                                          Die Sendung wird tendenziell als die
                                                                                          Realität widerspiegelnd gesehen, wenn
                                                                                          nicht sogar als Dokumentation. Diese
VORVERÖFFENTLICHUNG
                   25/2012/1                                                                                                       7

                                            Rezeptionshaltung das Gefühl, hier          Handlungen. In der Realität
bei Kindern und Pre-Teens, vor allem        Problemlösestrategien zu gewinnen.          handeln Menschen – im Sinne eines
aus Haupt- und Realschule.                  Dass die hier vorgestellten Strategien      humanistischen Menschenbilds –
Zum anderen gibt es bei den                 wenig Alltagstauglichkeit haben, wäre       subjektiv sinnhaft und versuchen,
regelmäßigen SeherInnen diejenigen,         eine Frage der Qualitätsdiskussion, die     sich an ihren eigenen ethischen
die ihr Rezeptionsvergnügen vor allem       es im Detail zu führen gilt. Das Gefühl     Maßstäben zu orientieren. Insofern ist
aus der Selbsterhöhung ziehen, indem        der regelmäßigen RezipientInnen,            es immer eine Frage der Perspektive,
sie die dort Gezeigten abwerten. Diese      hier etwas für sich zu gewinnen,            was „gemein“ ist. FiB erzählt jedoch
Gruppe, die sich vor allem bei den          verweist jedoch noch auf einen              nicht eine sinnhafte Perspektive
Älteren und vermehrt GymnasiastInnen        größeren Problemzusammenhang:               der AntagonistInnen, sondern stellt
                                            FiB ist ein Format, das in kurzen,          sie als „an sich“ böse Menschen
Mädchen), erkennt die Sendung meist         hochdramatisierten Spannungsbogen           dar, gegen die die Betroffenen so
als gescripted und distanziert sich         Geschichten um Familiendramen               gut wie keine Chance haben, denn
tendenziell von ihr.                        erzählt, bei denen Ereignisse               sie müssen durch eine machtvolle
Die beiden Ausprägungen sind nicht als      aneinandergereiht werden.                   Institution zurechtgewiesen werden.
                                            Es ist ein von AutorInnen erdachtes
sondern ähneln in ihrer Auftrittsform       Format mit einfachen, und in diesem         Text erkannt, sondern als Abbild der
eher zwei Enden der Dimension               Sinne mit Kinderstoffen nicht               Realität, ist ein Kultivierungseffekt (im
„Involvement“. Mit zunehmendem Alter        unähnlichen Erzählmustern von Gut und       Sinne Gerbners) und eine Verschiebung
und besserer Schulbildung korreliert        Böse und einem verlässlichen Happy          des Weltbildes im Sinne eines „Fiese-
die Neigung zur distanzierteren Seite,                                                  Menschen-Bildes“ zu befürchten.
zur sich selbst erhöhenden Rezeption,       Fiktion, bei denen sich dann Qualitäten
in der Vergnügen im „Ablachen“ über         im Detail diskutieren lassen, die aber      Bei denjenigen, die mit einer
die „anderen“ entsteht. Dies bedeutet       gerade auch in ihrer Plakativität           potenziell distanzierteren Haltung
jedoch nicht, dass bei einzelnen Folgen,    ihre Kraft entwickeln. Wie Bruno            an das Format herangehen, wird ein
Handlungssträngen oder Szenen ein           Bettelheim (2006) es formulierte:           anderer potenzieller, pädagogischer
involviertes Einsteigen in die Handlung     „Kinder brauchen Märchen.“ Erkennen         Problembereich deutlich.
                                            Kinder und Jugendliche aber das             Es findet eine Selbsterhöhung auf
auch bei der involvierten, empathischen     „gescriptete“ Grundmoment des               Kosten anderer statt. Entsprechend
Rezeptionshaltung, bei der es bei           Herstellungsprozesses nicht, sondern        wenig verwunderlich ist die bei den
einigen Episoden, Handlungssträngen                                                     Jugendlichen hohe Zustimmung in
oder Szenen ebenfalls zur Distanzierung     Begebenheiten“, liegt eine Verzerrung       Bezug auf die selbstwahrgenommene
kommt. Eine Entschlüsselung des             des Wirklichkeitsbildes nahe.
gescripteten Charakters geht damit aber     In der Studie haben wir nur wenige
nicht einher.                               potenzielle Wirkungsitems abgetestet,        “Seitdem ich FiB schaue, weiß ich,
Beide Rezeptionshaltungen haben             bei denen Kinder und Jugendliche die        dass es viele Leute gibt, die so richtig
ihre spezifischen pädagogischen             „Wirksamkeit“ des Formates für sich                      dumm sind.”
Problembereiche, die sich in der            selbst einschätzen sollten. Eines der
(selbsterkannten) Übernahme von             Items, das nur sehr wenige Kinder und       Diese in der Sendung dargestellten
Deutungsmustern manifestieren.              Pre-Teens ablehnten, war:                   „anderen“ sind jedoch kein Abbild

Problembereich: Übernahme von                  „Seitdem ich FiB                  Seitdem ich FiB schaue, weiß ich, dass es viele Leute
Deutungsmustern                             schaue, weiß ich, dass     gibt, die echt gemein sind.
Kinder und Jugendliche, die die Sendung     es viele Leute gibt, die
regelmäßig sehen, gewinnen etwas              echt gemein sind.“
aus ihr. Meist interessieren sie sich für
Familienprobleme, vermutlich gerade         Über 60 % der 6- bis
weil bestimmte Problemkonstellationen       14-Jährigen stimmen
sonst wenig thematisiert werden. Sie        zu, weitere 26 % sagen
genießen, dass Kinder und Jugendliche
in den Statements eine eigene
Sichtweise artikulieren. Dies verleiht      FiB         erzählt
symbolisch auch ihrer Perspektive           Geschichten mit einem
eine Wichtigkeit und erleichtert das        AntagonistInnenmuster
Verständnis der komplexen Situationen.      und steigert diese
Entsprechend haben gerade jene mit          immer wieder durch
einer involvierten, empathischen            weitere unmoralische
VORVERÖFFENTLICHUNG
    8                                                                                                                                              25/2012/1

der Vielfältigkeit der deutschen
Gesellschaft. Es werden vielmehr
klischeehafte Geschichten aus
bestimmten Milieus erzählt, die mit
bestimmten LaiendarstellerInnen
dargestellt werden. Hier ist eine
Verzerrung der Realität der
Lebenswelten und Problembereiche
sozial-ökonomisch weniger gut
ausgestatteter Milieus und der in ihnen
lebenden Menschen zu vermuten.

          Seitdem ich FiB schaue, weiß ich, dass es viele Leute gibt,
die so richtig dumm sind.




                                      ANMERKUNGEN                                                                              LITERATUR
1
 Die Aufgabe der Gesellschaft zur Förderung des       fehler anzunehmen. Trotz der unterschiedlichen
internationalen Jugend- und Bildungsfernsehens e.V.
ist die Förderung der Qualität im Kinder-, Jugend-                                                           Campbell, J.: Der Heros in tausend Gestalten. Ber-

                                                      und der unterschiedlich rekrutierten Stichproben
das Jugend- und Bildungsfernsehen und der Stiftung                                                      -    Gerbner, G.; Gross, L.; Morgan, M.; Signorelly, N.;
Prix Jeunesse. Mitglieder der Gesellschaft sind das   ardisierten Daten der beiden Erhebungen zu kom-        Shanahan, J.: Growing up with television: Cultiva-
Zweite Deutsche Fernsehen, der Bayerische Rund-       binieren. Dies ermöglicht eine erste Einschätzung      tion processes. In: Bryant J.; Zillmann, D. (Hrsg.):
funk, der Freistaat Bayern, die Landeshauptstadt      bei den Altersunterschieden. Eine Testung in einem     Media effects: Advances in theory and research.
                                                      repräsentativen Jugendpanel sowie bei Erwachsenen
Medien, Super RTL sowie persönliche Mitglieder.                                                              Götz, M.: Jenseits der deutschen Realität. Eine
2
 In Anlehnung an die Arbeiten von u. a. Lothar        zu empfehlen.                                          Inhaltsanalyse der dargestellten Realitäten im
Mikos, Ben Bachmair, Sonia Livingstone, Dafna
Lemish und David Buckingham.                                                                                 (in Vorbereitung).

                                                  -   sellschaft zur Förderung des internationalen Jugend-
                                                  -   und Bildungsfernsehen e.V. und der Landesanstalt       erzählt. Frankfurt a. M.: Fischer 2004.

                                                                                                             resolution is at the basis of quality TV. In: TelevIZIon

                                                      Ärger
                                                                                                             C.: Skandalisierung im Fernsehen. Strategien, Er-
Zwei speziell geschulte Interviewerinnen befragten
4                                                                                                            scheinungsformen und Rezeption von Reality-TV-
                                                                      DIE AUTORIN                            Formaten. In: Schriftenreihe Medienforschung der
offenen und standardisierten Fragen. Die Erhebung
                                                                             Maya Götz, Dr.                  Berlin: Vistas 2011.
                                                                             phil., ist Leiterin             Schäfer, M., Korn, S., Werner, N., Crick, N.: „...
als verlässlich und auf die bundesdeutsche Grund-                            des IZI und des
                                                -                            PRIX JEUNESSE                   Unterscheidung von Bullying und Viktimisierung in
                                                                             INTERNATIONAL,
%), ist bei den Älteren durch die eingeschränkte
Stichprobenauswahl ein größerer Stichproben-                                 München.

Weitere ähnliche Inhalte

Andere mochten auch (20)

DEPAROM 1. Vertriebspartnertreffen, Bundesdruckerei (2006)
DEPAROM 1. Vertriebspartnertreffen, Bundesdruckerei (2006)DEPAROM 1. Vertriebspartnertreffen, Bundesdruckerei (2006)
DEPAROM 1. Vertriebspartnertreffen, Bundesdruckerei (2006)
 
PräSentation 3
PräSentation 3PräSentation 3
PräSentation 3
 
Me queje
Me quejeMe queje
Me queje
 
Kostenfunktion 3a
Kostenfunktion 3aKostenfunktion 3a
Kostenfunktion 3a
 
The handsome foolish king spanish cb
The handsome foolish king spanish cbThe handsome foolish king spanish cb
The handsome foolish king spanish cb
 
Break even-point1
Break even-point1Break even-point1
Break even-point1
 
Dm
DmDm
Dm
 
Quien soy hace diferencia
Quien soy hace diferenciaQuien soy hace diferencia
Quien soy hace diferencia
 
Bestellmenge 1a
Bestellmenge 1aBestellmenge 1a
Bestellmenge 1a
 
Presentació portes obertes 14 15
Presentació portes obertes 14 15Presentació portes obertes 14 15
Presentació portes obertes 14 15
 
Dn12 u3 a2_zfaf
Dn12 u3 a2_zfafDn12 u3 a2_zfaf
Dn12 u3 a2_zfaf
 
Corre.caballito
Corre.caballitoCorre.caballito
Corre.caballito
 
A favorite son becomes a slave spanish cb
A favorite son becomes a slave spanish cbA favorite son becomes a slave spanish cb
A favorite son becomes a slave spanish cb
 
Wasser_39
Wasser_39Wasser_39
Wasser_39
 
En ninguna manera
En ninguna maneraEn ninguna manera
En ninguna manera
 
Verkehrskontrolle
VerkehrskontrolleVerkehrskontrolle
Verkehrskontrolle
 
Avatar
AvatarAvatar
Avatar
 
Finnland
FinnlandFinnland
Finnland
 
Valdelinares 08 09
Valdelinares 08 09Valdelinares 08 09
Valdelinares 08 09
 
Calculo-diferencial-e-integral-teoria-y-problemas-resueltos
Calculo-diferencial-e-integral-teoria-y-problemas-resueltosCalculo-diferencial-e-integral-teoria-y-problemas-resueltos
Calculo-diferencial-e-integral-teoria-y-problemas-resueltos
 

Mehr von Branded Entertainment

Branded content & entertainment winners
Branded content & entertainment winnersBranded content & entertainment winners
Branded content & entertainment winnersBranded Entertainment
 
Product Placement & Entertainment Marketing by Arrangement Group
Product Placement & Entertainment Marketing by Arrangement GroupProduct Placement & Entertainment Marketing by Arrangement Group
Product Placement & Entertainment Marketing by Arrangement GroupBranded Entertainment
 
Product Placement - A convenient revenue stream for games?
Product Placement - A convenient revenue stream for games? Product Placement - A convenient revenue stream for games?
Product Placement - A convenient revenue stream for games? Branded Entertainment
 
"Google.tv & Co - neue Chancen für Product Placement" vom product placement a...
"Google.tv & Co - neue Chancen für Product Placement" vom product placement a..."Google.tv & Co - neue Chancen für Product Placement" vom product placement a...
"Google.tv & Co - neue Chancen für Product Placement" vom product placement a...Branded Entertainment
 
Branded Entertainment Conference Johannesburg 2010
Branded Entertainment Conference Johannesburg 2010Branded Entertainment Conference Johannesburg 2010
Branded Entertainment Conference Johannesburg 2010Branded Entertainment
 
Dynamisches Product Placement am Beispiel von How I met your mother
Dynamisches Product Placement am Beispiel von How I met your motherDynamisches Product Placement am Beispiel von How I met your mother
Dynamisches Product Placement am Beispiel von How I met your motherBranded Entertainment
 

Mehr von Branded Entertainment (13)

Press pack pwc media outlook 2013
Press pack pwc media outlook 2013Press pack pwc media outlook 2013
Press pack pwc media outlook 2013
 
Branded content & entertainment winners
Branded content & entertainment winnersBranded content & entertainment winners
Branded content & entertainment winners
 
Product Placement Kongress 2011
Product Placement Kongress 2011Product Placement Kongress 2011
Product Placement Kongress 2011
 
Product Klacement Kongress 2008
Product Klacement Kongress 2008Product Klacement Kongress 2008
Product Klacement Kongress 2008
 
Product Placement Award 2011
Product Placement Award 2011Product Placement Award 2011
Product Placement Award 2011
 
Finanzierung von Web TV
Finanzierung von Web TVFinanzierung von Web TV
Finanzierung von Web TV
 
Product Placement & Entertainment Marketing by Arrangement Group
Product Placement & Entertainment Marketing by Arrangement GroupProduct Placement & Entertainment Marketing by Arrangement Group
Product Placement & Entertainment Marketing by Arrangement Group
 
Product Placement - A convenient revenue stream for games?
Product Placement - A convenient revenue stream for games? Product Placement - A convenient revenue stream for games?
Product Placement - A convenient revenue stream for games?
 
"Google.tv & Co - neue Chancen für Product Placement" vom product placement a...
"Google.tv & Co - neue Chancen für Product Placement" vom product placement a..."Google.tv & Co - neue Chancen für Product Placement" vom product placement a...
"Google.tv & Co - neue Chancen für Product Placement" vom product placement a...
 
Branded Entertainment Conference Johannesburg 2010
Branded Entertainment Conference Johannesburg 2010Branded Entertainment Conference Johannesburg 2010
Branded Entertainment Conference Johannesburg 2010
 
Dynamisches Product Placement am Beispiel von How I met your mother
Dynamisches Product Placement am Beispiel von How I met your motherDynamisches Product Placement am Beispiel von How I met your mother
Dynamisches Product Placement am Beispiel von How I met your mother
 
Gutachten Product Placement 2011
Gutachten Product Placement 2011Gutachten Product Placement 2011
Gutachten Product Placement 2011
 
Product Placement 2011
Product Placement 2011Product Placement 2011
Product Placement 2011
 

Studie Scripted Reality

  • 1. VORVERÖFFENTLICHUNG 2 25/2012/1 Maya Götz unter Mitarbeit von Christine Bulla, Andrea Holler, Simone Gruber, Judith Schwarz Wie Kinder und Jugendliche Familien im Brennpunkt verstehen (Junge, 11 Jahre) S 1. Auf der Suche nach der ie haben reißerische Folgentitel zumindest ein Spiel mit Realität, das wie „Megaattraktiver Aufreißer Familien im Brennpunkt kennzeichnet. Faszination stiehlt seinem kleinen Bruder Die 45-minütige Sendung ist seit die große Liebe“, „Casanova gerät an 31. August 2009 wochentags und Methoden zur Annäherung an die skrupellose Onlinebetrügerin“ oder samstags am Nachmittag auf dem Rezeption von Familien im Brennpunkt „Naive Teenie-Mutter verliebt sich in privat-kommerziellen Sender RTL durch Kinder und Jugendliche Pharao“ und erzählen dramatischste, zu sehen. Bei jüngeren Kindern sind sich bis ins Absurde steigernde es nur einzelne, die sich die Sendung Die Studie näherte sich auf zwei Geschichten rund um das Thema ansehen, bei den Pre-Teens (10- bis Wegen der Frage, warum einige „Familien im Brennpunkt“. Dargestellt 13-Jährige) sieht zum Teil jede/r Kinder und Jugendliche das Format werden die erdachten Handlungsabläufe Fünfte, der am Nachmittag fernsieht, nutzen und wie sie den Realitätsgehalt von LaiendarstellerInnen, die oft die Sendung. Bei den Mädchen dieses einschätzen. Zum einen wurden aus jenseits der sonst im Fernsehen üblichen einer repräsentativen Stichprobe von Besetzung liegen, was Erscheinung weniger gut ausgestatteten (Sinus-) n= 728 6- bis 12-Jährige diejenigen und Schauspielkunst angehen. Sie Milieus ist die Sendung besonders agieren in Privatwohnungen und auf beliebt. Was interessiert Kinder und sehen.3 Bei den 6- bis 7-Jährigen war offener Straße im deutschen (meist Jugendliche an den überdramatisierten dies knapp jedes zehnte Kind, ein Kölner) Raum, nicht selten schreiend Familiendramen? Anteil, der dann mit jedem Jahrgang und vulgäre Sprache nicht meidend. In einer Kooperationsstudie gingen wächst, und schließlich bei den 10- bis Gefilmt wird in einem spontan- die Gesellschaft zur Förderung 12-jährigen Jungen auf jeden Dritten, dokumentarischen Stil, meist mit des internationalen Jugend- und bei den Mädchen auf über 40 % Handkameras, einige Gesichter sind Bildungsfernsehens e.V. 1 und die anwächst. Diese Kinder wurden dann verpixelt und zu starke Schimpfwörter Landesanstalt für Medien Nordrhein- standardisiert interviewt. Bei den Pre- mit Piep-Tönen überdeckt. Spätestens Westfalen (LfM) der Frage nach, was Teens und Jugendlichen befragten wir durch Einwürfe wie „Zwei Tage Kinder und Jugendliche an diesen 10- bis 18-Jährige in Bayern, wobei später bittet der Schulpsychologe Formaten fasziniert und inwieweit zu den standardisierten Items offene alle Beteiligten zu einem Gespräch. sie den „gescripteten“ Charakter der Fragen, z. B. zur Beschreibung des Wir dürfen mit der Kamera dabei Sendungen verstehen. Im Folgenden Formates, einzelner Folgen, Vorlieben sein“ wird deutlich: Diese Formate wird im Sinne der Handlungsorientierten sowie Kritikpunkte, hinzukamen. 4 versuchen, einen dokumentarischen Rezeptionsforschung 2 zunächst Insgesamt wurden so n= 861 Kinder Charakter vorzuspielen, und geben nachvollzogen, was Kinder und und Jugendliche zwischen 6 und 18 vor, eine Realität abzubilden, die auch Jugendliche an Familien im Brennpunkt Jahren allgemein, und die Familien- jenseits der Fernsehproduktion genau reizt (1). Vor diesem Hintergrund und im im-Brennpunkt-SeherInnen aus dieser so stattgefunden hätte. Gleichzeitig Hinblick auf die Ergebnisse, inwieweit Grundgesamtheit (n= 294) im Detail wird zu Beginn und am Ende einer sie den gescripteten Charakter der befragt.5 Die Rezeptionsstudien sind Folge der Hinweis eingeblendet: Sendung verstehen (2), wird anschließend eingebettet in gezielte Medienanalysen, „Alle handelnden Personen sind frei eine pädagogische Einschätzung des um das von den Kindern und erfunden.“ Es ist in diesem Sinne Formates formuliert (3). Jugendlichen Herausgestellte im Format
  • 2. VORVERÖFFENTLICHUNG 25/2012/1 3 verorten zu können. Zur Erhebung bei „In Familien im Brennpunkt geht es Faszination Familien im Brennpunkt: den SchülerInnen wurde zudem eine darum, wie Familien in Deutschland Kinder bekommen eine Stimme 90-minütige medienpädagogische sich verhalten.“ Es geht seiner Ansicht „(…) Und wie sich dann die Kinder Einheit durchgeführt, um den nach um regional verankerte Realitäten. Möglichkeiten und Grenzen der Der inhaltliche Schwerpunkt der Förderung von Medienkompetenz im Sendung wird dabei eindeutig in der Von besonderem Interesse sind aus Sicht Bereich der Scripted-Reality-Formate Problemorientierung gesehen. Eine der Kinder und Pre-Teens neben den nachzugehen.6 15-Jährige formuliert: „Es zeigt, was Spielszenen die Statements, in denen Familien durchmachen, wenn etwas die ProtagonistInnen ihre Sichtweise Zusammenfassung der passiert: Kinder, die nicht mehr zur zu den eben dargestellten Ereignissen Ergebnisse Schule gehen, Schwangerschaften, die formulieren. Im Alltag haben sie selbst Eltern trennen sich usw.“ Aus ihrer im Normalfall nicht diese Möglichkeit. Das Format wird beim Durchschalten Perspektive verdeutlicht die Sendung Insofern geben die „Betroffenen“ auch entdeckt die Konsequenzen eines Fehlverhaltens eigenen Erfahrungswelten Resonanz, einzelner Personen für das soziale und die Statements symbolisieren Wie kommen Kinder und Jugendliche Umfeld. Dabei wird die Dramatisierung quasi ein „Gehörtwerden“ der eigenen zu Familien im Brennpunkt? Sie durchaus wahrgenommen: „Es subjektiven Erfahrung. Es ermöglicht „entdecken“ die Sendung durch Zufall, geht um fast zerstörte Familien“, aber auch ein besseres Verständnis der indem sie am Nachmittag beim Zappen formuliert ein 12-Jähriger (türkischer jeweiligen Problematik: „Wenn sich darauf stoßen. Hintergrund sind hier Migrationshintergrund). Bei den Familien z. B. trennen, und wie sich vermutlich die kurzen, spektakulären Sendungen, die besonders gut Handlungsstränge, die fast immer gefallen, werden zum Teil typische weil da kann man sich auch besser Kinder und Jugendliche als Teil von Problemkonstellationen beschrieben: reinversetzen.“ (Mädchen, 13 Jahre) Familien thematisieren. In kurzen „Im Allgemeinen finde ich Folgen Die jungen ProtagonistInnen der Handlungsentwicklungen – zum Teil Elterntrennungen sehr interessant“, mit denen die Kinder und Pre-Teens und Streiteskalationen erzählt. Eine formuliert eine 16-Jährige. Vermutlich vor dem Fernseher die Geschichten Dramaturgie, an der Kinder und sind dies Themen, die sie zurzeit sehr durchleben. Jugendliche scheinbar leicht „hängen beschäftigen. Kinder und Jugendliche bleiben“. Bei den Jüngsten sind es zudem haben das Gefühl, hier etwas zu sehen, Gut und Böse – Richtig und Falsch: oft die Eltern, bei denen die Sendung das sie aus ihrem Alltag kennen: die Vereinfachung der Komplexität mitgesehen wurde, oder Freunde haben Familien in Konfliktsituationen. realer Problemlagen von Familien im Brennpunkt berichtet. 62 % der 6- bis 12-Jährigen stimmen zu, Die Sendung wird also seltener gezielt dass sie Familien im Brennpunkt sehen, „(…) Und dann zeigen die, wie sie gesucht, sondern auf der Suche nach „weil man da sehen kann, dass andere einem ansprechenden Programm („Weil auch in der Familie oder mit ihren Jahre) am Nachmittag nichts Interessantes Freunden streiten“; und ähnlich bei der läuft“) gefunden. Die Grundstruktur mit Aussage „weil es Spaß macht zu sehen, Was Kindern und Pre-Teens an den wie es wirklich in anderen Familien Sendungen gefällt, ist die Eindeutigkeit, Recaps (Zusammenfassung des bisher mit der komplexe Situationen Geschehenen) sowie dramatischen hier vermutlich etwas, das wenig offen Handlungsentwicklungen scheint sich thematisiert wird: In Familien gibt es Themen aufgegriffen, die sie aus ihrem strukturell in den Nachmittag von Krisen und Auseinandersetzungen. Alltagsvokabular kennen, wie den Kindern und Jugendlichen einzupassen. Dies in übersteigerter Form bei Begriff „Mobbing“, der aber als soziale „anderen“ anzusehen, gibt ein gutes Problemkonstellation alles andere als Faszination Familien im Brennpunkt: Gefühl. Durch die Extreme der einfach zu begreifen und zu klären Problemsituationen in der Familie Geschichten ist die Wahrscheinlichkeit ist (vgl. z.B. Schäfer et al. 2006). In groß, dass die eigenen Probleme diesen komplexen Zusammenhängen „Familien im Brennpunkt ist, wo eine eigene ethische Position zu vergleichsweise harmlos und der eigene Alltag vergleichsweise gelingend 12 Jahre) zu orientieren, ist anspruchsvoll. und glücklich erscheint. Dies schafft Entlastung, aber auch durchaus Entsprechend dankbar nehmen Kinder Wie der Titel schon angibt: Bei Familien und Pre-Teens die fast didaktisch Sensibilität. Nur 17 % der Befragten im Brennpunkt geht es um Familien. Für aufbereiteten Erzählungen auf. lehnen für sich folgende Aussage ab: „Seit diejenigen, die die Sendung regelmäßig Medienanalytisch sind es zum größten ich Familien im Brennpunkt sehe, weiß sehen, ist dies der attraktivste Punkt. Teil vereinfachte, klischeehafte ich, dass es viele Familien echt schwer Ein 14-Jähriger beschreibt die Sendung: Erzählstrukturen einer Heldenreise haben, z. B. haben sie wenig Geld.“
  • 3. VORVERÖFFENTLICHUNG 4 25/2012/1 (vgl. Campbell 1999) eines nicht Auf die Frage, was ihnen an Familien Gefühl, aus Familien im Brennpunkt perfekten Protagonisten. Es gibt im Brennpunkt besonders gut Problemlösungsstrategien zu einen, der die Rolle des Guten innehat, gefällt, antworten die regelmäßigen gewinnen. 80 % der 6- bis 7-Jährigen der sich vielleicht nicht immer am und 72 % der befragten 13- bis angemessensten verhält, aber dennoch Happy End gab, wie bei jeder Folge“ 14-jährigen HauptschülerInnen, die unschuldig abgewertet oder angegriffen (Junge, 15 Jahre). Sie genießen die die Sendung regelmäßig sehen, tun wird. Hinzu kommen Figuren in der Erzählungen, bei denen sich am Ende dies, „weil dort gezeigt wird, was Rolle verschiedener BegleiterInnen und alle Probleme, trotz immer wieder bei der Lösung eines Problems hilft größer werdender Streitereien und und was nicht.“ Medienanalytisch in Form einer Antagonistin). Die diverser Verwicklungen, verlässlich werden in der Sendung diverse Motive der Guten werden im Statement zum Guten wenden – und das innerhalb Problemsituationen aufgeworfen, die artikuliert oder vom Off-Sprecher kürzester Zeit. Für diese Kinder und sich dann von Ereignis zu Ereignis formuliert. Warum die AntagonistInnen Pre-Teens ist die Sendung auch mit steigern. Nicht nur die Vielzahl der so handeln, bleibt unbenannt. Im einem potenziell hoffnungsvollen Steigerungen innerhalb kürzerer Zeit, Laufe der Handlung erkennen die Bild in Bezug auf Problemlösungen sondern auch die Verhaltensweisen der verbunden und sie bestätigen: „Seit ProtagonistInnen und AntagonistInnen Fehlverhalten und ändern sich. Es ich Familien im Brennpunkt schaue, sind im Vergleich zur Realität völlig gibt zum Teil „Halbgute“, die sich weiß ich, dass es für jedes Problem eine übertrieben und z.T. absurd. Gelöst ebenfalls im Laufe der Geschichte Lösung gibt.“ zum moralisch Richtigen wenden. Nur Medienanalytisch werden in jeder den Einbezug einer externen Instanz. die AntagonistInnen verändern sich Folge die diversen Streitigkeiten Es werden ExpertInnen eingeschaltet nicht wirklich, bekommen aber ihre zu einem positiven Abschluss für und oft erzählt die Geschichte von einer gerechte Strafe und geloben daraufhin die ProtagonistInnen geführt. Der Gerichtsverhandlung zur Klärung des Veränderung. Dies sind Erzählformen, gemobbte 15-jährige Jakob7, mehrfach Streits. Es werden also ein bestimmtes die Kinder und Pre-Teens u. a. aus hochgradig bloßgestellt, trotz Unschuld Kinderstoffen kennen, die nun auf eine Gerichtsverhandlung befürchtend AntagonistIn-Struktur) und bestimmte scheinbar reale Alltagswelten und und dem Selbstmord nahe, wird sofort Arten der Problemlösung erzählt. Aus scheinbar reale Problemlagen anderer in den Kreis von Peergroup und übertragen werden. Eine didaktisierte Nachbarschaft integriert und hat zudem diese Modelle jedoch weder situativ Form zum Umgang mit sozialen seine erste feste Freundin. In der Realität hilfreich noch nachhaltig (vgl. Lemish Problemen, die Kindern und Pre- würden ein derartiger psychischer Stress u.a. 2009). Die nur sehr begrenzte Teens, besonders jenen mit potenziell und soziale Attacken nicht innerhalb Alltagstauglichkeit dieser Narration marginalisiertem sozialem Hintergrund so kurzer Zeit nachhaltig befriedet und zur Übertragung auf die eigenen (Hauptschule, Migrationshintergrund psychisch verarbeitet werden. Familien Probleme wird von der Mehrzahl der etc.) vermittelt, hier etwas über im Brennpunkt erzählt vereinfacht befragten GymnasiastInnen recht gut konkrete Problemlagen zu erfahren. Krisensituationen, die Vorkommnisse erkannt, nicht aber von den jüngeren Gerade weil die im Fernsehen extrem verdichten und übersteigern Kindern, Grundschulkindern und dominanten Lebenswelten meist in und Problemlösung romantisieren. HauptschülerInnen. Milieus der oberen Mittelschicht und Die Bösen werden bestraft und sehen Oberschicht spielen und die Figuren zum Teil ihr Fehlverhalten ein, die Faszination: Sich durch Abgrenzung mit DarstellerInnen besetzt werden, Guten bekommen ihre verdiente besser fühlen die weder dem Normalgewicht noch Genugtuung. Dies schließt an bekannte „Das war sehr lustig, weil es kom- der Diversität der bundesdeutschen Kindermedienstoffe an und bestätigt Bevölkerung entsprechen (s. Götz 2012) bereits vorhandene moralische sind die dargestellten Lebenswelten in Deutungsmuster. In allen Altersgruppen spielt neben Familien im Brennpunkt vermutlich einer empathischen, einfühlenden oftmals dichter am real erlebten Alltag Faszination: Lösungsstrategien Rezeptionshaltung auch der Moment der Kinder und Jugendlichen. gewinnen der Erheiterung eine Rolle. Ein Motiv, „Das hat mir schon ein bisschen Familien im Brennpunkt zu sehen, ist: Faszination Familien im Brennpunkt: geholfen, weil ich dann weiß, wie ich „Man kann so viel lachen.“ (Junge, 12 Für jedes noch so große Problem gibt Jahre) In allen Altersgruppen gibt etwa es ein Happy End Jahre) die Hälfte der Familien-im-Brennpunkt- „Besonders gut gefallen hat mir, dass SeherInnen an, sie sehen die Sendung, sich die Familien wieder vertragen Einige Befragte, insbesondere die „weil man über Leute, die so dumm jüngsten und die 13- bis 14-jährigen sind, mal richtig ablachen kann.“ HauptschülerInnen, haben dabei das Insbesondere für die Jugendlichen ist
  • 4. VORVERÖFFENTLICHUNG 25/2012/1 5 dies ein zentrales Nutzungsmotiv. Ein Sie deuten vor diesem Hintergrund großer Teil der Erheiterung entsteht nahelegen. Durchschauen Kinder auch Formate wie Familien im dabei durch die Abgrenzung und und Jugendliche, die die Sendung Brennpunkt. Sie rekonstruieren sich Selbsterhöhung über das Verhalten kennen und durchaus regelmäßig die Sinnhaftigkeit, warum Menschen einzelner Figuren: „Als Jakobs kleiner schauen, dies? In den qualitativen sich hier beteiligen: Bruder ausgerastet ist wegen Joy, weil Aussagen lassen sich bereits typische er dachte, sie wären ein Paar. Das war Realitätskonstrukte der Kinder und „Es gibt Familien, die Probleme sehr lustig, weil es komplett dämlich Jugendlichen rekonstruieren. Zum haben und es offen zeigen wollen.“ war.“ (Junge, 16 Jahre) Dadurch, (Mädchen, 12 Jahre) dass sie die Handlungsentwicklung darauf hinweisen, dass der gescriptete verfolgen, das Problem erkennen und Charakter der Sendung erkannt wurde. Bereits die offenen Aussagen zeigen meinen, die Hintergründe verstanden zu Eine Gymnasiastin formuliert: deutlich: Den gescripteten Charakter haben, können sie sich über diejenigen der Sendung verstehen zumindest ProtagonistInnen erheben, die sich durch „Es ist eine Serie, in der alltägliche nicht alle. Dies ist auch nicht eine Fehleinschätzung der Situation Situationen nachgespielt werden. Sie weiter verwunderlich. Kinder und geleitet völlig (oft geradezu absurd) basieren aber nicht auf realen Ereig- Pre-Teens wachsen heute in einer situationsunangemessen verhalten. Das nissen.“ (Mädchen, 18 Jahre) Medienlandschaft auf, in der sie diversen gibt in der Rezeptionssituation ein gutes Mischformen von fiktionalisierten Gefühl. Die eigenen Deutungsmuster Zum Teil nutzen die Befragten „reality-based formats“ begegnen. werden bestärkt, das eigene Selbstbild Formatbezeichnungen, z. B. „Es ist eine Über 400 dieser Formate wurden erhöht – auf Kosten anderer. Reality-Show, die normale Probleme zwischen 2000 und 2009 ausgestrahlt Entsprechend ist es nicht verwunderlich, aus echten Familien zeigt.“ (Junge, (Lünenborg et al. 2011). Sie werden dass gerade bei den Jugendlichen der 16 Jahre) Mit Formulierungen wie zur Interpretationsfolie, auf denen der Anteil derjenigen hoch ist, die der „gezeigt“ und „Show“ verweist er damit Herstellungsprozess von Familien Aussage zustimmen: „Seit ich Familien auf die Vorstellung einer Inszenierung, im Brennpunkt konstruiert wird. Um im Brennpunkt sehe, weiß ich, dass es die jedoch das „Normale“ darstellt. Bei diesen Zusammenhang, so weit dies viele Leute gibt, die so richtig dumm anderen wird deutlich, dass sie den möglich ist, quantitativ zu messen, sind“. Insbesondere bei den 17- bis gestellten Charakter erkannt haben, wurde den regelmäßigen Familien-im- 18-jährigen GymnasiastInnen wächst sich aber über den Produktionsablauf Brennpunkt-SeherInnen eine Multiple- nicht ganz klar sind: Choice-Frage gestellt: „Was denkst Es wird sich aber auch über die Sendung du, welche der drei Möglichkeiten ist amüsiert, weil „es so unecht und gestellt „Es geht darum, dass ein Fernseh- richtig?“ Als Antwortmöglichkeiten (war), dass man die ganze Zeit drüber Team eine Woche oder länger eine wurde angeboten: lachen konnte.“ (Mädchen, 16 Jahre) Familie begleitet. Und dabei gibt Für diejenigen, die den gescripteten Es werden Familien im ganz und laiendarstellerischen Kontext der (Junge, 12 Jahre) Sendung verstanden haben, liegt also Es spielen Schauspieler die durchaus genau hier ein Sehmotiv. Nach dieser Perspektive wäre Familien Geschichten nach, die anderen Doch wie hoch ist der Anteil der Kinder im Brennpunkt eine Mischung aus schon passiert sind. und Jugendlichen, die den gescripteten begleitender Dokumentation einer Es denken sich die Leute vom Charakter des Formates durchschauen? bestehenden Familie und Theaterspiel, Fernsehen diese Geschichten aus. vermutlich ähnlich einem sozialen 2. Verstehen Kinder und Ju- Rollenspiel. Häufig formulieren Ein knappes Drittel der Familien- gendliche den „gescripteten“ die Pre-Teens und Jugendlichen die im-Brennpunkt-SeherInnen sieht die Charakter der Sendung? Vorstellung, die Sendung sei ein Sendung als Dokumentation. Rund Coaching-Format wie Die Super Nanny die Hälfte meint, die Geschichten oder Raus aus den Schulden: seien nach wahren Begebenheiten Die Sendung ist durch ein Drehbuch nachgespielt, ein Fünftel ist sich bestimmt, im Detail von AutorInnen „Es geht um Familien, die Probleme erdacht und von LaiendarstellerInnen Geschichten sind. umgesetzt. Am Anfang und am Ende Fernsehen übertragen.“ Für den Großteil der regelmäßigen jeder Sendung werden die Worte (Junge, 11 Jahre) Familien-im-Brennpunkt-SeherInnen eingeblendet: „Alle handelnden ist Familien im Brennpunkt also eine Personen sind frei erfunden.“ Die „Es geht in Familien im Brennpunkt die Realität widerspiegelnde Sendung, Details der Sendungsgestaltung sind um Familien, die ihre Probleme dem die entweder wahre Begebenheiten jedoch so angelegt, dass sie eine Fernsehen melden.“ nachstellt (48 %) bzw. Realität Dokumentation einer auch jenseits (Mädchen, 11 Jahre) dokumentiert (30 %). Nur 22 % der
  • 5. VORVERÖFFENTLICHUNG 6 25/2012/1 Gesamtstichprobe erkennen, dass es älteren Jugendlichen. Den gescripteten 3. Pädagogische Einschätzung sich um ein erdachtes Format handelt, Charakter erkennen– zumindest von Familien im Brennpunkt das von der Realität höchstens inspiriert in dieser Befragung – erst die OberstufenschülerInnen verlässlich. Problembereich: Verdeckung des In allen Altersgruppen, auch bei den Die statistische Tendenz: Jungen gescripteten Grundcharakters des 6- bis 7-Jährigen gibt es Familien- Formates im-Brennpunkt-SeherInnen, die den Der aus pädagogischer Sicht zunächst gescripteten Charakter der Sendung So eindeutig übertrieben und schlecht eindeutige Problembereich ist das entschlüsseln. WenigseherInnen gespielt Familien im Brennpunkt für Missverständnis, dass es sich bei dekonstruieren die Geschichten Erwachsene ist (vermutlich, denn dem Format um eine Dokumentation verlässliche Zahlen liegen nicht vor) oder Nachstellung tatsächlicher Das heißt, dass diejenigen, die sich auf und besser gebildete Jugendliche Ereignisse handelt. Unabhängig von die Sendung einlassen, sie genießen auch zu sein scheint, für Kinder und möglichen Geschmacksdebatten und sie täglich oder mindestens einmal Pre-Teens, die die Sendung kennen oder einer Auseinandersetzung mit und nutzen, handelt es sich um reale Qualitätsfragen ist das Wissen um den davon ausgehen, dass hier Familien Begebenheiten, die nachgestellt, wenn „gescripteten“ Charakter des Formates im Alltag dokumentiert bzw. wahre nicht sogar dokumentiert wurden. grundlegend für einen angemessenen Begebenheiten nachgestellt werden. Umgang damit. Insofern besteht Verlässlich erkennen, dass es sich hier dringend Handlungsbedarf auf hier nicht um eine Dokumentation unterschiedlichen Ebenen, um den handelt, können dies jedoch erst die Kindern und Pre-Teens zu ermöglichen, den Herstellungsprozess zumindest in Ansätzen zu begreifen. Eine Textzeile Welche Vorstellung vom Herstellungsprozess haben Kinder und Jugendliche, die die zu Beginn und am Ende der Sendung Sendung FIB kennen und regelmäßig sehen? reicht zumindest für diese Zielgruppe nicht aus. Die textimmanenten Hinweise, z. B. Textzeilen wie „Wir dürfen mit der Kamera dabei sein“, die suggerieren, dass hier eine spontane ältere ZuschauerInnen eine Art Spiel mit dem Genre sein, für Kinder sind sie jedoch Hinweise in eine irreführende Richtung. Neben der Diskussion zu Änderungen im Format selbst bedarf es dringend der Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen und der Sensibilisierung von PädagogInnen und Eltern in diesem Feld. Tendenzielle Rezeptionshaltungen Kinder und Jugendliche, die die Sendung regelmäßig oder zumindest gelegentlich (freiwillig) sehen, genießen das Format. Hierbei werden zwei grundlegend unterschiedliche Rezeptionshaltungen deutlich: Zum einen die involvierte, empathische Rezeptionshaltung, mit der in die Geschichten eingestiegen wird. Das Schicksal der Betroffenen wird nachvollzogen, zum Teil vermutlich mit der eigenen Lebenslage verglichen. Die Sendung wird tendenziell als die Realität widerspiegelnd gesehen, wenn nicht sogar als Dokumentation. Diese
  • 6. VORVERÖFFENTLICHUNG 25/2012/1 7 Rezeptionshaltung das Gefühl, hier Handlungen. In der Realität bei Kindern und Pre-Teens, vor allem Problemlösestrategien zu gewinnen. handeln Menschen – im Sinne eines aus Haupt- und Realschule. Dass die hier vorgestellten Strategien humanistischen Menschenbilds – Zum anderen gibt es bei den wenig Alltagstauglichkeit haben, wäre subjektiv sinnhaft und versuchen, regelmäßigen SeherInnen diejenigen, eine Frage der Qualitätsdiskussion, die sich an ihren eigenen ethischen die ihr Rezeptionsvergnügen vor allem es im Detail zu führen gilt. Das Gefühl Maßstäben zu orientieren. Insofern ist aus der Selbsterhöhung ziehen, indem der regelmäßigen RezipientInnen, es immer eine Frage der Perspektive, sie die dort Gezeigten abwerten. Diese hier etwas für sich zu gewinnen, was „gemein“ ist. FiB erzählt jedoch Gruppe, die sich vor allem bei den verweist jedoch noch auf einen nicht eine sinnhafte Perspektive Älteren und vermehrt GymnasiastInnen größeren Problemzusammenhang: der AntagonistInnen, sondern stellt FiB ist ein Format, das in kurzen, sie als „an sich“ böse Menschen Mädchen), erkennt die Sendung meist hochdramatisierten Spannungsbogen dar, gegen die die Betroffenen so als gescripted und distanziert sich Geschichten um Familiendramen gut wie keine Chance haben, denn tendenziell von ihr. erzählt, bei denen Ereignisse sie müssen durch eine machtvolle Die beiden Ausprägungen sind nicht als aneinandergereiht werden. Institution zurechtgewiesen werden. Es ist ein von AutorInnen erdachtes sondern ähneln in ihrer Auftrittsform Format mit einfachen, und in diesem Text erkannt, sondern als Abbild der eher zwei Enden der Dimension Sinne mit Kinderstoffen nicht Realität, ist ein Kultivierungseffekt (im „Involvement“. Mit zunehmendem Alter unähnlichen Erzählmustern von Gut und Sinne Gerbners) und eine Verschiebung und besserer Schulbildung korreliert Böse und einem verlässlichen Happy des Weltbildes im Sinne eines „Fiese- die Neigung zur distanzierteren Seite, Menschen-Bildes“ zu befürchten. zur sich selbst erhöhenden Rezeption, Fiktion, bei denen sich dann Qualitäten in der Vergnügen im „Ablachen“ über im Detail diskutieren lassen, die aber Bei denjenigen, die mit einer die „anderen“ entsteht. Dies bedeutet gerade auch in ihrer Plakativität potenziell distanzierteren Haltung jedoch nicht, dass bei einzelnen Folgen, ihre Kraft entwickeln. Wie Bruno an das Format herangehen, wird ein Handlungssträngen oder Szenen ein Bettelheim (2006) es formulierte: anderer potenzieller, pädagogischer involviertes Einsteigen in die Handlung „Kinder brauchen Märchen.“ Erkennen Problembereich deutlich. Kinder und Jugendliche aber das Es findet eine Selbsterhöhung auf auch bei der involvierten, empathischen „gescriptete“ Grundmoment des Kosten anderer statt. Entsprechend Rezeptionshaltung, bei der es bei Herstellungsprozesses nicht, sondern wenig verwunderlich ist die bei den einigen Episoden, Handlungssträngen Jugendlichen hohe Zustimmung in oder Szenen ebenfalls zur Distanzierung Begebenheiten“, liegt eine Verzerrung Bezug auf die selbstwahrgenommene kommt. Eine Entschlüsselung des des Wirklichkeitsbildes nahe. gescripteten Charakters geht damit aber In der Studie haben wir nur wenige nicht einher. potenzielle Wirkungsitems abgetestet, “Seitdem ich FiB schaue, weiß ich, Beide Rezeptionshaltungen haben bei denen Kinder und Jugendliche die dass es viele Leute gibt, die so richtig ihre spezifischen pädagogischen „Wirksamkeit“ des Formates für sich dumm sind.” Problembereiche, die sich in der selbst einschätzen sollten. Eines der (selbsterkannten) Übernahme von Items, das nur sehr wenige Kinder und Diese in der Sendung dargestellten Deutungsmustern manifestieren. Pre-Teens ablehnten, war: „anderen“ sind jedoch kein Abbild Problembereich: Übernahme von „Seitdem ich FiB Seitdem ich FiB schaue, weiß ich, dass es viele Leute Deutungsmustern schaue, weiß ich, dass gibt, die echt gemein sind. Kinder und Jugendliche, die die Sendung es viele Leute gibt, die regelmäßig sehen, gewinnen etwas echt gemein sind.“ aus ihr. Meist interessieren sie sich für Familienprobleme, vermutlich gerade Über 60 % der 6- bis weil bestimmte Problemkonstellationen 14-Jährigen stimmen sonst wenig thematisiert werden. Sie zu, weitere 26 % sagen genießen, dass Kinder und Jugendliche in den Statements eine eigene Sichtweise artikulieren. Dies verleiht FiB erzählt symbolisch auch ihrer Perspektive Geschichten mit einem eine Wichtigkeit und erleichtert das AntagonistInnenmuster Verständnis der komplexen Situationen. und steigert diese Entsprechend haben gerade jene mit immer wieder durch einer involvierten, empathischen weitere unmoralische
  • 7. VORVERÖFFENTLICHUNG 8 25/2012/1 der Vielfältigkeit der deutschen Gesellschaft. Es werden vielmehr klischeehafte Geschichten aus bestimmten Milieus erzählt, die mit bestimmten LaiendarstellerInnen dargestellt werden. Hier ist eine Verzerrung der Realität der Lebenswelten und Problembereiche sozial-ökonomisch weniger gut ausgestatteter Milieus und der in ihnen lebenden Menschen zu vermuten. Seitdem ich FiB schaue, weiß ich, dass es viele Leute gibt, die so richtig dumm sind. ANMERKUNGEN LITERATUR 1 Die Aufgabe der Gesellschaft zur Förderung des fehler anzunehmen. Trotz der unterschiedlichen internationalen Jugend- und Bildungsfernsehens e.V. ist die Förderung der Qualität im Kinder-, Jugend- Campbell, J.: Der Heros in tausend Gestalten. Ber- und der unterschiedlich rekrutierten Stichproben das Jugend- und Bildungsfernsehen und der Stiftung - Gerbner, G.; Gross, L.; Morgan, M.; Signorelly, N.; Prix Jeunesse. Mitglieder der Gesellschaft sind das ardisierten Daten der beiden Erhebungen zu kom- Shanahan, J.: Growing up with television: Cultiva- Zweite Deutsche Fernsehen, der Bayerische Rund- binieren. Dies ermöglicht eine erste Einschätzung tion processes. In: Bryant J.; Zillmann, D. (Hrsg.): funk, der Freistaat Bayern, die Landeshauptstadt bei den Altersunterschieden. Eine Testung in einem Media effects: Advances in theory and research. repräsentativen Jugendpanel sowie bei Erwachsenen Medien, Super RTL sowie persönliche Mitglieder. Götz, M.: Jenseits der deutschen Realität. Eine 2 In Anlehnung an die Arbeiten von u. a. Lothar zu empfehlen. Inhaltsanalyse der dargestellten Realitäten im Mikos, Ben Bachmair, Sonia Livingstone, Dafna Lemish und David Buckingham. (in Vorbereitung). - sellschaft zur Förderung des internationalen Jugend- - und Bildungsfernsehen e.V. und der Landesanstalt erzählt. Frankfurt a. M.: Fischer 2004. resolution is at the basis of quality TV. In: TelevIZIon Ärger C.: Skandalisierung im Fernsehen. Strategien, Er- Zwei speziell geschulte Interviewerinnen befragten 4 scheinungsformen und Rezeption von Reality-TV- DIE AUTORIN Formaten. In: Schriftenreihe Medienforschung der offenen und standardisierten Fragen. Die Erhebung Maya Götz, Dr. Berlin: Vistas 2011. phil., ist Leiterin Schäfer, M., Korn, S., Werner, N., Crick, N.: „... als verlässlich und auf die bundesdeutsche Grund- des IZI und des - PRIX JEUNESSE Unterscheidung von Bullying und Viktimisierung in INTERNATIONAL, %), ist bei den Älteren durch die eingeschränkte Stichprobenauswahl ein größerer Stichproben- München.